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Full text of "Die Weltanschauung der Naturvölker"

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Die 

Weltanschau 
der 
Naturvölker 




Leo Frobenius 




^arbarto College itbrarg 

KU o M THB HEQJ1KS I OF 

JAMES WALKER, D.D., LL.D., 

(Claas of 18x4) 

FORMER PRESIDENT OF HARVARD COLLEGE J 

M Preference being given to works in the Intellectual 
and Moral Sciences." 



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Die Weltanschauung der Naturvölker. 

Von 

L. Frobeiüus. 



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Beiträge 



zur 



Volks- und Völkerkunde. 



Sechster Band. 



Die Weltanschauung der Naturvölker. 

Von 

L. Frobenius. 




Weimar 

Verlag von Emil Felber 
1898. 



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CD 

Weltanschauung der Naturvölker 

Von 

L. Frobenius 



Mit 4 Abbildungen im Text und 3 Tafeln 



Weimar 

Verlag von Emil Felber 
1898 



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Alle Rechte vorbehalten. 




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Druck von Emil F elber in Weimar. 



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Vorwort. 



Der Verfasser bittet den Leser um die Freundlichkeit, 
nach der Weise eines raffinierten Roman verständigen zu 
verfahren und nach dem alten Rezept: „Kriegen sie sich, 
oder kriegen sie sich nicht?" zuerst das Schlusskapitel zu 
durcheilen. Es erspart mir die Erörterung, ob dieses Buch 
berechtigt ist und, was zu unserer Zeit eng damit zusamen- 
hängt, ob es etwas „Neues" berichte. In der Voraus- 
setzung, dass dieser Bitte Folge geleistet werde, erwähne 
ich nur das Notwendigste. 

Hauptsächlich habe ich in den letzten Jahren meine 
Arbeit der Frage nach dem Werden der afrikanischen Kultur 
gewidmet. Immer und immer wieder ward ich dabei nach 
den Inseln des Grossen Ozeans gedrängt, denn es erwies 
sich, dass von hier eine Strömung nach Afrika wie nach 
Amerika geflossen ist, deren eminente Bedeutung wie ihr 
Dagewesensein überhaupt ganz unbekannt war. Gerade 
die Unkenntnis dieser malajonigritischen Kulturbeziehung 
ist der Grund, weshalb bislang die afrikanische Völker- 
kunde so verworren, vor allem aber so unentwirrbar er- 
schien. Da die Lösung der Probleme der afrikanischen 
Kultur stets wieder im westlichen und — mit einer Aus- 
nahme — nie im Östlichen Asien gesucht worden ist, 
wurden Hypothesen auf Hypothesen gewälzt, die alle ins- 
gesamt keine Befriedigung, sondern anwachsend steigende 
Verwirrung brachten. 

4 

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VI 



Jetzt darf die Frage oder die Summe der Fragen nach 
dem Werden der afrikanischen Kultur als im grossen und 
ganzen beantwortet gelten 1 ). Das Problem hat die merk- 
würdigste und wenigst erwartete Lösung gefunden, dass 
in weiter prähistorischer Vergangenheit, aus der wohl kaum 
eine Sage, noch weniger eine Aufzeichnung etwas vermeldet, 
auf der südlichen Halbkugel unseres Planeten eine Kultur- 
und Völkerwanderung stattgefunden hat, im Vergleich zu 
der jede bekannte Wanderung mit Ausnahme der modernen 
europäischen unbedeutend erscheinen muss. Eine mächtige 
Welle dieser malajischen Flut hat sich über Afrika, eine 
andere über Amerika ergossen. Wesen und Wirkung der 
ersteren glaube ich nachgewiesen zu haben, die der letzteren 
festzustellen wird mir, soweit ich die Verhältnisse über- 
sehe, auch nicht schwer fallen. 

Wenn ich mich nun der Entwicklung eines wenn auch 
des interessantesten Zweiges des menschlichen Kulturbesitzes 
zuwende, der Weltanschauung, oder wie man bisher sagte, 
der Religion, so erscheint es wünschenswert, die Unter- 
suchung und Darstellung auf ein Gebiet zu beschränken, 
dessen historische und prähistorische Vergangenheit uns leid- 
lich bekannt ist. Denn jede derartige Darstellung muss mehr 
oder weniger die geschichtlichen Ereignisse berücksichtigen. 

Demnach ist hier ein grosses Beispiel der Weltan- 
schauung der Naturvölker 2 ), die des altmalajischen Kultur- 



') Ueber dies Problem vergl. „Der westafrikanische Kulturkreis tt 
bei Petermann I und II 1897, III und IV 1898, da« Hauptwerk L. F. „Ur- 
sprung der Kultur" Bd. I, „Der Ursprung der afrikanischen Kulturen" 
Berlin 1898 und endlich die beiden von der kaiserlichen Akademie 
herausgegebenen Werke „Der Kameruner Schinaschnabel* 1897 und 
„Die Masken und Geheimbünde" 1898. 

*) Dieser Titel ist vom Verleger gewünscht, und zwar mit vieler 
Berechtigung statt des früher citierten: „Fragmente einer Welt- 
anschauung". (Siehe Schiffsschnabel S. 95 und bei Petermann.) 



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— VII 



kreises untersucht, und zwar: 1. in den Ländern, in denen 
die malajische Rasse noch heute, auch linguistisch vorherrscht, 
in Oceanien (in Mela-, Poly-, Mikro-, Indonesien); 2. in 
den Ländern, in denen die Spuren derselben nachgewiesen 
sind, d. i. Nordwestamerika (bei den sogenannten Nutka- 
stämmen), Australien, Afrika. Damit sind einmal und vor 
allem die Quellen dieser Weltanschauung im engeren Aus- 
strahlungsgebiete, dann aber auch die Wirkungen und Nach- 
wirkungen in verschiedenen Kulturkreisen in den mannig- 
faltigsten Umgestaltungen und Spiegelbildern untersucht. 

Der erste Teil beschäftigt sich einleitungsweise mit 
der Vogel- und Fanany-Mythe, deren Verbreitung in den 
entsprechenden Formen Beweise für malajonigritische und 
malajoindianische Kulturbeziehung bilden, der zweite mit 
der Entwicklungsgeschichte der Weltanschauung in den 
östlichen, der dritte mit dem Wesen und Charakter der 
Weltanschauung in den westlichen Provinzen. 

Eine hochwichtige Eigenschaft des Menschen hat mir 
allein meine Erfolge ermöglicht: das zähe Festhalten des 
Althergebrachten. Nicht in den Prunkgemächern, sondern 
in den Rumpelkammern der primitivsten „Religionen" 
lagern die Dokumente ihrer Entstehungsgeschichte. Jetzt, 
wo ich die Arbeit absehliesse, bitte ich den Leser von 
ganzem Herzen, bei sich diese Eigenschaft soweit zurück- 
zudrängen, dass sie sein Urteil nicht beeinflusse, wenn er 
so manches Neue aufnehmen soll. Auch ohne diesen dog- 
matischen Widerspruch wird manches an meinem Opus 
auszusetzen sein, deswegen ich um Nachsicht bitten muss. 

Halle a. S., 15. Oktober 1897. 

• ■ 

L. Frobenius. 

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Inhalt. 



I. Teil: Die Togel- und Fanany -Mythe. 

1. Kapitel. Die Vogelmythe in Oceauien. 

Die Oceaniache Mythologie. — Maui und Mann. — Der Vogel 
trägt die Seele ins Jenseits. — Die Bolebungskraft dea Vogels. 
Die Götter als Vögel. — Entstehung de« Menschen, der "Welt aus 
dem Ei. — Die Seele als Vogel. Die Kahnfahrt der Seele. — Das 
Totenschitf. — Maui als Totenfülirer. - Die Seele folgt iler Sonne. 

- MauPs Ursprung als Vogel. — Identität von Seele, Feuer, Schlange. 
— Maui 1 » Lichtvogel-Toten-Schiff in der hohen Mythologie. — Vogel - 
orakel. — Die Wurzeln der Vogelmythe. S. 3. 

'2. Kapitel. Die Vogelmythe in Nordwestamerika 

und Au st rali en. 

Die Provinzen. — Nordwest am c r i k a. — Charakter der Mytho- 
logie. — Die Tiermythologie. Der Vogel (Jelch) führt die Seele 

ins Jenseits. — Die Belehungskraft des Vogels. — Der Sonnen- 
diebstahl. — Vogel und Sonne. Der seelentragende Lichtvogel. — 
Die Kahnfahrt der Seele. - Sonne, Vogel und Kahn. - Totenschiff- 
mythen. — Totenschiffe, Schnitzereien in Oceanien und Nordwest- 
amerika. — Die Deutung der Kabenrasseln. — Australien. — Die 
Bruchstücke der Vogelmythe. — Flutmythen in Australien, Nord- 
westamerika und Oceanien. S. 23. 

3. Kapitel. Die Vogelmythe in Afrika. 

Die afrikanische Mythologie. — Nashornvogel, Rabe, Krähe, 
Halm. — Verhältnis der höheren und niederen Mythologie im Osten 



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— IX — 

und "Westen des Oceanier. — Der Vogel trägt die Seele ins Jen - 
seits. — Die Belehungskraft des Vogels. — Die Seele als Vogel. — 
Seele und Kahn. — Vogel und Totenschiff. — Der Lichtvogel. — 
Eichtvogeltotenschjft'. - Vogelorakel. Die Vogelnivthe. S. 4H. 

4. Kapitel. Die Fanany- Mythe in den östlichen Provinzen. 

Das Motiv. — Oceanien. — Die Mythe auf Madagaskar. — 
Untergang und Weiterbestehen. — Bclebungskraft. — Auffangen 
des Atems und des Muudsehaumes. -— Trinken der Verwesungs - 
sauce. — Beschmieren mit derselben. — Entweichen der Flüssigkeit. 

— - Ableiten derselben in den Boden. — Die Eidechse im Magen des 
Menschen. — Ramahavaly. — Seelenwurm-Eidechse. — Entstehung 
des Menschen aus dem Wurm. Entstehung der Schweine. 
Schweineaberglaube. — Analogie in Afrika. — Die Kidechse entstellt 
aus dem Menschen. — Der Eidcchsenglaube auf Xeu-Seeland. — Die 
heiligen üefässe der Indonesier. Die Kawok. Quellen des (ie- 
fässdienstes. — Bestattung der ausgegrabenen Gebeine in Polynesien, 
in Melanesien. — Verschiebung des Schwerpunktes in den Sitten. — 
Die Mythe von der Entstehung der Tupfe. — Die „gana u der Töpfe. 

— Totemistische Einflüsse. — Einwirkung der Vogelmythe. — Seelen- 
fangen in Gelassen. — Australien. — Die Verwesungssauce und 
das Nierenfett. — Eidechsenglaube. — iNordwestanierika, - Frag- 
mente. — S. 51. 

5. Kapitel. Die Fanany-Mythe in den westlichen Provinzen, 

Verbreitung der Mythe. — Afrikanische Reste. — Ableiten der 
Verwesungssubstanzen. — Verwendung der Verwesungsbrühe und des 
Fettes. — Vergeistigungsgebräuche. — Die Mode. — Krokodil. — 
Schlange. — Eidechse. — Die Mythe von der Regenbogenschlange. 
Verbreitung derselben. — Peruanische Urnen. — Regenzauber. — 
Töpfe in Regenzauber. — Der Topf in Sonnenmy then. — Fettsubstanz. 

— Inhalt der heiligen Töpfe. Amulette aus Kot etc. — Ahnen - 
befragung. — Vogel und Topf. — "Wert der Fragmente der Fanany- 
mythe. — Vorkommen in Afrika und Oceanien. Beweisskraft los- 
getrennter Mytlienfraginento für kulturelle Verwandtschaft. S. 77. 



- X - 



II. Teil. Die Sonnenmythen der östlichen ProTinzen 
nebst westlichen Analogien. 

6. Kapitel. Die Sonnenmythen Oeeaniens. 

Die melanesischen Sonnenmythen von Quat. - Sonnenauf- und 
Untergang. - Deutung der Quatmythen. — . Vergleich der melane- 
sischen und polynesischen Sonnenmythen. — Die mikronesischen 
8onnenmythen. — Deutung derselben. - Vergleich mit den mela- 
nesischen und polynesischen Sonnenmythen. — Der Sonnenkultus in 
Polynesien, Melanesien, Indonesien. S. 94. 

7. Kapitel. Die Sonnenbahn in Oceanien. 

Die Sonnen- und Schöpfungsmythen Indonesiens. Der Typus 
derselben. Sonnenstrahlen. ■ Die Tawhaki Mythen Neu-Seelandg. 
Form und Gestalten oceanischer Göttergestalten. - Die Spinne. 
Der Regenbogen. — Der Baum als Pfad der Götter und Menschen. 
- Die Sonnenbahn. S. 121. 

8. Kapitel. Die Seelen- Sonnenbahn und Ableitung 

in Oceanien. 

Die Seele folgt der Sonne. Die Seele auf der Sonnenbahn. 
— Maui als Schiingenfänger und Strickverfertiger. — Die Seelen 
im Netz der Sonne. — Die Seelen in Schlingen gefangen. — Der 
Strick im Tempel. Die Strick-Seelen der Götterbilder. — Der 
Strick beim Gebet. — Der Strick als Trauerzeichen. — Seine Be- 
ziehung zur Httttenmaske. — Der Strick als Zaubermittel (Amulett). 
Der Strick als Hoheitszeichen. S. 134. 

9. Kapitel. Sonnenmythen, Sonnenbahn und Ableitung 

in Nordwest- Amerika und Australien. 

Nordwestamerika. — Das Formale der Mythen. — 1. Sonnen- 
bahn-Pfeilleiter. 2. Sonnenfahrtsnnthus-Strickleiter. Oceanische 
Parallelen. — 3. Wasserfahrtsmythen. — Die Sonnenbahn der Ober- 
und Unterwelt. — 4. Wasserfahrtsmythen-Strick. — Analogie zum 
Feuerdiebstahl Mauis. Die Zahl 4. — Die Menschen auf der 
Sonnenbahn. — Die Seele folgt der Sonne. — Bastringe. — Trauer- 
schurz. — Australien: Sonnenmythen. — Die Seele folgt der 
Sonne. Der Strick als Leiter, die Schlinge, der Trauerstrick. S. 14i>. 



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- XI - 



10. Kapitel. Pfeilmythen in östlichen und westlichen 

Provinzen. 

Nordwestamerika: Pfeilketten. — Pfeil und Vogel. — Die 
Mink-Mythen. — Sonnenaufgang. Tiere in der hohen Mythologie, 
ßtrahlen der Mittagssonne. — Oceanien. Mythe von Delingavouv. 

— Tangaro. — Pfeilmythen in Polynesien. — Pfeilwerfen im Cultus 
Australien. Pfeilmytheu. — Die Entwicklung der Pfeilkette. — 
Afrika. Pfeil und Sonne. — Pfeile im Cultus. — Pfeile in Mythen. 

— Einheitliche Verbreitung der Fundamente der Pfeilmythen. S. 169. 

• * 

11. Kapitel. Untergangsmythen in östlichen und westlichen 

Provinzen. 

Oceanien: MauPs Tod. - Die Nacht verschlingt die Sonne. 
Die Götter verschlingen die Seelen. Götterkot. — Anschluss an 
die Vogelmythe. — Anschluss an die Mondmythen. — Das Ver- 
schlingen der Augen. — Jonasmythen. — Mythe von Kamakajakau. 

— M. v. Mutuk. — Haarausfall. — Weitere Jonasmythen. — Mauis 
Geburt. -- Der Hai in der niederen Mythologie. - Australien: 
Mond und Nacht verschlingen die Seelen. Anschluss an die 
Vogelmythen. No r d wes tamer ik a : Sonnenuntergang. — Jonas- 
mythen. — Haarausfall. - Die Mythe von Tsekis. — Afrika: Die 
Mythe von Kammapa. — Jonasmythen. — Die Gestirne werden 
verschlungen. — Ocean. Austr. Nord wes tarn. Afr.: Kampf am 
Eingang zur Unterwelt. — Verschlungenwerden in der Vergeistigung. 

— Das „Beissen" in der plastischen Darstellung. Unterkiefer. 
Gleichheit der Motive in allen Provinzen. S. 182. 

12. Kapitel. Rohrursprungsmythen in östlichen und west- 

lichen Provinzen. 

Mikronesien.: Umkehrung der Untergangsmythe. — Indo- 
nesien: Menschenerschaffung. — Das Totenkahnrohr. — Polyne- 
sien: Die Kiji-Kiji-Mythe. — Die indonesisch-polynesische Parallele. 

— Mauis Ursprung. — Melanesien: Die Mythe von Upi. — Lösung 
derselben. Fragmente im östlichen Melanesien. — Australien. - 
Nord westamerika: Jelchmvthen. — Wandermvthen. — Afrika: 
Baumursprung. — Rohrursprung. Vorläufer der Mythe im Norden. 

S. 203. 



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- XII - 



III. Teil. Die Kosmogonie, Götter- und Sonnenraythen 
in den westlichen Provinzen mit östlichen Analogien. 

13. Kapitel. Die Götter Afrikas. 

Oceanische und afrikanische Parallelen. — Fetischismus. — 
Bastian. — W. Schneider. — Reisewerke. — Ratzel. — Mythologie und 
geographische Provinz. — Die Fragmente der afrikanischen Welt- 
anschauung. — Die Abstammung der afrikanischen Götter. — Dreierlei 
Ursprung derselben. - Die Götter der hohen Mythologie. Die 
Weltanschauungsprovinzen. — Deren Merkmale. Die Geschichte der 
Afrikaner. — Bezirke der Weltanschauung. Verbreitung der 
Götternamen. - Veränderung der Götternamen und GötterbegriflFe. 
Ableitungstabelle I Tschuku. — Ableitungstabelle II Tsui Goab. 
- Ableitungstabelle III Rupe. ■ — Gleichheit der Motive bei formaler 
Verschiedenheit. Unsere Kenntnis der Götter. 8. 217. 

14. Kapitel. Schango und Hubeane. 

Schangos Beziehungen und Verwandtschaft als Gott. — Schango 
als König. — Schango als Gott. — Schangos Erde. — Schango der 
„Flammende". — Schanges Verfolgung der Oja. — Schango als 
Sonnengott. — Hubeane und Modimo. — Hubeanes Tod und Auf- 
erstehung. — - Hubeane oder Litaolane und Kammapa. - Litaolane 
wird verfolgt. Hubeane ein Sonnengott. — Oceanische Parallelen 
zu Hubeane und Schango. — Die letzten unverfälschten Sonnengöttter. 

S. 232. 

15. Kapitel. Die Mythologie der Hottentotten. 

Urteile über dieselbe. — Heitsi-Eibibs Durchgang durch das Meer. 
Heitsi-Eibib als Stier und Topf. Heitsi-Eibib als Schutzgeist. 
Heitsi-Eibibs Gräber. - Tsui-Goab als Mensch. — Tsui Goab als 
Gott. — Kauna otl*T Gunja. — Ursprungsmythen. Entwicklung 
der Hottentotten-Mythologie. — Die Untergangs- und Ursprungs- 
grube. — Wanderung der Hottentotten. Die Sonnengötter der 
Hottentotten. — Entwicklungsprozesse. S. 24«. 

16. Kapitel. O-Dente und Akotia. 

Die westlithen Bezirke der westafrikanischen Provinz. — Die 
O-Dente-Mythe Der O-Dente-Cultus. Seine Verbreitung. — Der 



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XIII 



Erdhaufen. - Akotia. Akotschang. — Bedeutung Akotias. — 
Schankpanna. Sapatan. — Aizan. Grausame Sonnengötter. — 
Typus der Sonnengötter. — Der westafrikanische Gott. S. 256. 

17. Kapitel. Sonnenkultus und Sonnenmythen der Afrikaner. 

Einäugige Götter. — Einäugige und hinkende Götter. — Die 
Sonnenhöhle. -- Die Ursprungshöhle. — Die Mythe von Fugamu. 

— Termitenhaufen. — Die Erd- und 8teinkegel. — Die Steine; 
Motive des Steinkultus. — Sonnenhöhen, blutige Opferstätten. 
Heilige Farben. — Die Farbe der Geister, Die Mythe von der Ent- 
stehung der schwarzen und weissen Menschen. — Eirre sekundäre 
Mythe. — Ursprünglich das Motiv der Sonnenmythen. — Vorstellung 
von der Sonne. — Lisa, der Sonnengott der Yoruba. — Feuerdienst. 

— Der Feuergott Dso. Der Feuerdienst des Damara. - Der Feuer- 
dienst in Monoraatapa und Usundi (Congo). — Feuerbringer. — 
Sonnenmythen und -Kultus in Afrika. S. 271. 

18. Kapitel. Die afrikanischen Spinnenmythen. 

Verbreitung. — Spinne als Menschenschöpfer. — Spinne ver- 
liert die Hände. — Die drei Geister der Unterwelt. Das viel- 
äugige Tier. — Enjebiribi, der Menschentöter. — Nyankupongs 
Tochter. — Spinnes Topf. — Der Tod im Spinnennetz. — Spinne in 
der Kuh. — Spinne als Schöpfer. — Der Spinne Tod. — Charak- 
ter der Mythen. — Der Spinne Charakter. — Solare Eigenarten. - 
Kühe in afrikanischen Sonnenmythen. — Im malaiischen Archipel. 

S. 294. 

19. Kapitel. Die Sonnenbahn und deren Ableitung in Afrika. 

Fragmente von Sonnenmythen. — Die Sonne im Totenland. — 
Die Seele folgt der Sonne. — Umkehrung; der Mensch stammt vom 
Himmel. — Die Eanda. — Strick, Kette, Bäume als Sonnenpfade. 

— Sonnenbahnmythen. — Sonnenbahnmythe als einmaliges Ereignis 

— „Turmbau zu Babel u . — Sonnenbahnbrücke. — Die Spinnenfäden. 

— Der Strick in der Hütte. — Das Motiv des Trauerstrickes. — 
Der Trauerstrick. — Priesterabzeichen oder Götterpfade. — Der 
Uebergang zum Profanen. — Der Strick im Geheimbund. — Strick- 
amulette und Speiseverbote. — Das selbstkräftige Amulett. — Krank- 
heitsamulette. — Geisterstricke im allgemeinen. — Verbreitung. — 



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■ 

- XIV - 

„Thoramulette." — Erklärung der Tafel III. — Der Strick als Be- 
lebungsmittel. — Die Geisterschlinge und -angel. — Menschenfang 
= Menschenbeseelung. — Verbreitung der Knotenstricke. — Ent- 
wickelung derselben in Oceanien — in Afrika. — Die „Aroko" oder 
symbolischen Botschaften. 8. 315. 



20. Kapitel. Die Schöpfungsmythe in westlichen und öst- 

lichen Provinzen. 

Die Schöpfungsmythe der Yoruba. — Olorun. — Obatala. — 
Odudua. — Aganju. — Yemaja. Orungan und Yemaja. — Der 
Götterursprung. — Analogien in Sonnenmythen. — Einst lag der 
Himmel auf der Erde. — Tag und Nacht. — Himmel und Erde — 
Vater und Mutter der "Welt. Himmeleinsturz. — Die Schöpfungs- 
mythe der Wanyoro. — Motiv det Sonnenmythen. — Oceanische 
Schöpfungsmythen. — Tangaroa. — Bäume in Schöpfungsmythen. — 
Aufheben de» Himmels. — Männliche und weibliche Götter. — 
Niedersinken der Erde. — Einsturz des Himmels. — Australische 
und nordwestamerikanische Analogien. Der Oktopus in der ocea- 
nischen Schöpfungsmythe. — Der Oktopus in den nordwestamerika- 
nischen Sonnenmythen. — Erdgötter. — Erstlingsfeste in Afrika. 

S. 348. 

21. Kapitel. Die Todes- und Mondmythen in westlichen 

und östlichen Provinzen. 

Der afrikanische Mondkultus. — Die Mondmythologie. — Mond-, 
Sonne-, Hinimelsverehrung. — Das Wiederaufleben des Menschen und 
des Mondes. — Mau. — Todesbewusstsein. Die Todesmythe der 
Zulu. — Die Todesmythe der Hottentotten. — Hase. — Eidechse. — 
Chamäleon. — Das Erwachen des Todesverständnisses. — Rhythmus 
der Sonnenmythen. — Die polynesische Todesmythe. — Die Todes- 
mythe in Indonesien, Mikronesien, Melanesien. — Die Wemut der 
Todeserkenntnis. — Formwechsel-Motiv und Hautwechsel-Motiv. — 
Das Gleiehe in Afrika. — Die Selbstverständlichkeit des Todes. — 
Der abnehmende und zunehmende Mond bei den Afrikanern. — Neu- 
mondteste. — Vorstellung vom Mondweohsel. — Das Schicksal der 
Gestirne und des Menschen. — Orun und Oschu. — Der Mond als 
Frau. — Mondmythe in Neu-Guinea. — Mondmythen Oceanien». — 
Mondmythen Nordwestamerikas und Australien«. S. 368. 



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- XV - 



IV. Teil. Die Weltanschauung. 

22. Kapitel. Die Religion vom Standpunkte der Ethnologie. 

Religionswissenschaften. — Theologie. — Terminologie. — Reli- 
gion. — Problem der Weltanschauungslehre. Fetischismus. — 
Alte terminologische Methode. - Schurtz über „Religion". — Religion 
und Weltanschauung. Weltanschauung. — Animalismus. — Manis- 
mus. — Solare und lunare Weltanschauung. — Das Problem des 
Todes. — Schöpfungsmythen. — Gesetz von der Umkehrung. — Bei- 
spiele. — Beweglichkeit und Einheitlichkeit. — Gesetz vom Wandel 
der Beweggründe. — Beispiele etc. — Gesetz von der Einschaltung. 
— Linguistische Beispiele. — Tsui-Goab. — Methode. — Boas. — 
Schurtz. 8. 387. 

Anhang. 

Literaturverzeichnis s. 411 

Textil lustrat ionen. 

Fig. 1. Schlinge zum Fangen der Seelen auf Aitutaki (nach 

Williams) S. 140 

„ 2. „Seele" eines Holzbildnisses von Rarotonga (nach 

Williams) S. 142 

„ 3. Der Lehmhügel O-Dentes (nach Photographie) . . S. 263 

„ 4. Symbolischer Brief aus Yoruba; Aroko (nach Bloxam) S. 346 

Tafeln. 

1. Totenschiffschnitzereien. 

II. Maske von Neuirland. Museum in Kiel. 

III. Westafrikanische Zauberschnüre. 



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1. Teil. 



Die Vogel- und Fananymythe. 



Frobeniua, Weltanschauung der Naturvolker. 



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♦ 



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I. Kapitel. 

♦ 

Die Vogelmythe in Oceanien. 

Die Oeeanische Mythologie. — Maui und Manu. Der Vogel 
trägt die Seele ins Jenseits. — Die Belebungskraft des Vogels. 
Die Götter als Vögel. — Entstehung des Menschen, der Welt aus 
dem Ei. — Die Seele als Vogel. Die Kahnfahrt der Seele. •— Das 
Totensehitf. — Maui als Totenf uhrer. — Die Seele folgt der Sonne. 

MauPs Ursprung als Vogel. — Identität von Seele, Feuer, Schlange. 
— Maui's Lichtvogel-Toten-Sehiff in der hohen Mythologie. — Vogel- 
orakel. — Die Wurzeln der Vogelmythe. 

Die Mythologie der Oceanier geniesst unter den Mythen- 
bildungen der Naturvölker einen grossen Vorzug. Im 
Munde eines dichtkundigen Volkes hat sie sich zu einer 
Klarheit und Tiefe entwickelt, die wir europäischen Fein- 
schmecker sogar oftmals bewundern. Es fehlt ihr weder 
Grösse d. h. Erhabenheit, noch Feinheit, Geschmeidigkeit, 
Zartheit, ja Lieblichkeit. Da ist es nicht erstaunlich, dass 
ihr schon oftmals Aufmerksamkeit gewidmet worden ist, 
dass Kenner und Liebhaber ersten Ranges sich mit ihr 
beschäftigt haben. 

Was uns doppelt anziehen muss, ist aber ein neuer 
oder wenigstens neuerer Fund, die Aufklärung der Mytho- 
logie in der melanesischen Provinz. Die polynesischen 
Dichtungen waren ausgezeichnet durch hohen Schwung und 
mächtigen Stil, die melanesischen, die Ratzel märchen- 
hafter nennt, reizen durch ihre Menschlichkeit. Dazu tritt 
als dritte Schwester die indonesische Mythologie, die 
„orientalisch-asiatisch" gefärbte, prunkende Dichtung, der 
meistens die Einfachheit ihrer beiden östlichen Geschwister 
fehlt. Es ist für uns, die wir von ihrer nahen Verwandt- 
schaft wissen, dies Drillingspaar ein köstliches Kleeblatt. 

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- 4 - 

Wir könneu die Variationen desselben Motives immer in 
drei Formen und Farben studieren. 

Der polynesischen Dichtung ward zuerst Beachtung ge- 
schenkt und deren Charakter entsprechend, den hohen 
Mythen und Göttergestalten. Und doch muss auch für sie 
der Satz gelten, dass das Erhabene den Tiefen entspross. 
Die Probleme der polynesischen Mythologie sind daher oft 
verkannt und ihre Lösung und Bedeutung raissverstanden. 
Schirren war es, der mit einer für die damalige (1856) 
Zeit erstaunlichen Kenntnis und Geschicklichkeit das Augen- 
merk auf diese fernen Welten lenkte. Bastian und Gerland 
haben auf seinen Pfaden vieles gefördert. Aber Schurtz 
war es vorbehalten auf das Fehlen des mythologischen 
Grundstudiums, in den Tiefen der niederen Mythologie 
hinzuweisen. Meine Aufgabe auf diesem Feld ist es, die 
angedeuteten Vorarbeiten weiterzuführen und den Be- 
ziehungen der hohen und niederen Mythologie in Oceanien 
nachzugehen. 

Schirren erkannte nicht nur die grosse Wichtigkeit der 
Sonnengötter in der oceanischen Weltanschauung, sondern 
er legte auch das Skelett, der entsprechenden Dichtungen 
klar, bewiess dass der Sonnengott Maui im Mittelpuukte 
der polynesischen Mythologie stehe. Schirren hat sich 
lediglich mit hohen Göttern beschäftigt und insofern sind 
seine Studien vortrefflich. Immerhin muss es Aufsehen 
erregen, dass vou anderen Maui als der mythische Ahn 
der Neu-Seeländer bezeichnet wird, wie auch gesagt 
wird, dass es nicht ein Gott, sondern ein Mensch ge- 
wesen sei 1 ). 

Und es ist wahr! wenn wir hören, es sei ein Gott ge- 
wesen, mit einem mächtigen Kopfe, dazu 8 Kleinen auf 
den Schultern, oder sein eines Auge sei ein Aal, das 

') Priehard: „Oceanien" S. 143. 



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andere ein Stück grünen Talkes, oder er habe nur ein 
Auge gehabt, dass er die Sonne fängt und bändigt, dass 
in seinem Schicksal der Ursprung des Todes zu suchen 
sei, dass er am Himmel aufsteigt, das Feuer holt 2 ) etc. 
etc. dann scheint Schirren der Wahrheit näherzutreten. 

Ausschlaggebend ist vielleicht in diesem Falle der 
Name. Mauis Name hat allerdings nichts mit der Sonne, 
die in Oceanien stets oder fast stets Ra, La etc. heisst, zu 
thun sondern die nächsten Affinitäten finden wir in Worten 
mit anderen Bedeutungen. Eine tabellarische üebersicht 
mag dies beweisen. 



Bedeutung. 


Name. 


Land. 


Quellenangabe. 


\ ogei 


manu 


m aricesas 


Dusciiniaiin o. «4. 




T) 


Toi,;*; \ 


öd. iu». loa uixon 






Hawai / 


8. 241. 




>» 


Motu 


H. Greffrath in Zeit- 






(Port MoreBby) 


schrift der Gesell- 








schaft für Erd- 








kunde in Berlin 








1879, 8. 154. 




Mani 


Offach Bai \ 


Lesson III S. 106 


n 


Möue 


Ualan / 


und a. a. 0. 


heiliges Biid 


Manuk-Manuk 


Battak 


Pleyte „zur Kennt- 


des Huhneg 






nis S. 289. 


Vogel 


Manuc 


Negrito8 auf 


Schadenberg in Zeit- 






den Philippinen 


schrift für Eth- 








nologie, Bd. XII 








1880, 8. 171. 




Manu, 








Manui; Manik I 


Div. indonesische 


Wallace II 8. 445. 




Mano; Manoek 1 


Dialecte 


Eysinga II S. 77 




Manch 




und 91. 


n 


Maut, Manu ^ 


Div. Dialecte 


Ribbe „Seram u S. 




Malok;Manuwanj 


' auf Gross Seram 


199. 



») Tyermann und Bennett Bd. I 8. 40/1. Yate S. 144. Schirren. 
Bastian : „Oceanien" a. v. O. Als Maui vor der Glut des Feuers sich 
in das Wasser stürzte, ging die Sonne das erste Mal unter. 



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- (5 — 

Das liesse sich noch lauge so fortsetzen: aber die vor- 
liegende Reihe mag genügeu, um zu beweisen, dass hier 
die Frage nach dem Ursprünge des Namens Maui's des 
Sonnengottes noch offen ist. Seine Hauptbedeutung scheint 
im Vogel zu beruhen unjd es heisst demnach fesstellen: 
iu welchem Verhältnis steht das Wesen des Gottes zu 
seinem Namen, die Maui-Mythologie zur Vogelmythe. 

Hier bietet Schurtz den Anknüpfungspunkt: Das Boot 
in Vogelgestalt trägt die Seelen in das Jenseits 3 ). 

Dies ist nun aber eine Kombination, die Verschmelzung 
zweier Motive, von denen das eine der Vogelmythe ent- 
nommen isi. Die in Frage kommende Anschauung ist auf 
Tahiti und Tonga noch lebendig. Wenn nämlich ein Mensch 
die Seele aushaucht, wird sie von einem Vogel ergriffen. 
Also der Vogel trägt die Seele ins Jenseits. Thatsächlich 
heissen auch auf Mangaja, Aitutaki, Rarotonga und Hawai 
die Götter oder Herrscher der Unterwelt Miru oder 
Mihi, welches Wort nichts anderes als ein Vogelname ist 4 ). 

Auch beim Tode Maui's spielen Vögel eine unserer 
Annahme entsprechende Rolle. Als er im Rachen der 
Hine-nui-te-po geschlupft ist (der Sonnenuntergang!) lacht 
ein Vogel — und die Göttin schliesst den Rachen. So 
stirbt Maui und deshalb müssen auch die Menschen sterben. 
Demnach sind die Vögel die Ursachen des Todes 5 ). 

Als er sah, dass nun alles dunkel war, verfolgte er sie und brachte 
sie am Morgen zurück. (Neu -Seeland.) Yate S. 143. Die Seelen 
der Vornehmen folgen Maui und wohnen mit ihm in der Sonne 
(Tahiti). Förster 8. 463 und 454. Achelis. Waitz-Gerland etc. 
3 ) Schurtz: „Augenornament. u S. 68 ff. 

*) Wilson: „Missionsreise* S. 367. Cook 3. R. Bd. JI S. 35 Gill. 
S. 81. 90. 93. Bastian: „Allerlei" Bd. I S. 109. Rienzi etc. Schirren 
S. 87 nach Forster und Garnot. 

5 ) Dazu bedenke man, dass Hine-nui-te-po die Schwester jenes 
Eies ist, von dem alle Vögel abstammen. Bastian: „Allerlei" Bd. I 
S. 316 — Taylor S. 30 1. Schirren S. 34 nach Shortland. Weiterhin! 



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— 7 — 



Eine Missdeutung der Mythe spricht aus folgender neu- 
seeländischer Geschichte. Eine Frau, die gestorben und 
wieder erwacht war, erzählte ihre Erlebnisse. Als sie auf 
der Wanderung an das grösste Wasser gekommen war. au 
dessen anderem Ufer das Land der Seeligen liegt, ward 
ihr gesagt, sie möge sich eilen, ein Canoe zu besteigen; 
bald würde ein grosser Vogel kommen, der sie aufhalten 
würde. Wirklich schwebte, als sie kaum den Nachen be- 
stiegen hatte, ein mächtiger Vogel heran 6 ). 

Unverfälschter lebt die Mythe in Indonesien. Das 
Banama Tingang (Tingang ist der Name einer Buzerosart), 
bringt die Seelen der toten Dajak sicher und wie im Fluge 
zur Seelenstadt. Neben den Buzeros (Nashornvogel) tritt 
das Huhn als Seelenführer, das auf den Nikobaren dem 
Leichnam auf die Brust gebunden, auf Borneo als 
Opfer dargebracht, mit dessen Blut auf Sumatra der Sarg 
besprengt wird 7 ). So wird das Huhn zu einem heiligen 
Tier, das nicht verzehrt wird, sondern geschützt werden 
muss 8 ). 



Auf Fidji sandte Ndengei die SOndfluth, weil zwei böse Knaben 
seinen Lieblingsvogel getötet hatten. Williams: „Fidji" Bd. 1 S. 252. 
Man denke hier auch an die nordwestamerikanischen SündHuth- 
Raben-Sagen. Boas, ^iblack, Er man. — Eine Uebertragung spricht 
aus der tabitinchen Sitte, als Zeichen der Trauer einen Schleier mit 
Federn, von eiuer dem Tode heiligen Farbe vor dem Gesichte 
zu tragen. Bongainville S. 194. 

«) Taylor, S. 104/5. 

7 ) Grabowsky: „Tod, Begräbnis" S. 184. Svoboda Bd. VI S. 26. 
Marsden 8. 388. John Bd. I S. 68. Dazu ist daran zu denken, dass 
bei den Kopffesten der Dajak an Stangen phantastisch geschnitzte 
Vögel aufgehängt werden. John Bd. I S. 76 7. Pleyte in: „Revue 
d'Ethnographie" 1885 S. 314 von Hein zitiert. In: „Dajakkünste" 
*8. 83/4. 

8 ) Ratzel: „Völkerkunde" 2. Aufl. Bd. I S. 433 Chamisso Bd. II 
S. 219. 



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- 8 — 



Der Vogel, der die Seele in das Jenseits trägt, bringt 
aus dem Jenseits die Lebenskraft, wird überhaupt der 
Träger der Belebungskraft. Das ist die erste Um- 
kehrung. (Siehe Kapitel 22.) 

So wird dem heiligen Manuk-Manuk-Bilde Lebensodem 
eingeführt, indem ein totes Huhn in eine Höhlung auf 
seinem Rücken eingefügt wird. Bei der Kopulation eines 
Dajakbrautpaares wird es mit Hühnerblut besprengt. Dann 
wird ihnen ein Hühnerei erst an die Zähne geklopft, darauf 
unter die Nase gehalten. Das ist kaum miszuverstehen 9 ). 
In Polynesien vertreten Federn die Vögel. Im Süden Neil- 
Seelands war eine Art kleiner Holzbildnisse in Brauch, 
ein Pflock mit einem Gericht. Wenn der Priester das Pahau 
oder Vogel genannte, mit roten Papageifedern besetzte 
Band darum befestigte, Hess sich der Atua in das Bildnis 
herab und belebte es. — Die Götterbilder auf Tahiti sind 
im allgemeinen hohl; in die Höhlung waren rote, heilige 
Federn gelegt. Wenn der König auf Rajatea eingesegnet, 
gekrönt wurde, ward ihm der Maro, das erbliche Kleid 
des König8tums, aus Netzwerk und roten Federn bestellend, 
angelegt 10 ). Und so ziehen endlich auch die Götter selbst 
in Vogelgestalt in ihre Bildnisse ein 11 ). 

Die Kraft, die somit im Vogel blute wohnt, wird noch 
anderweitig verwertet und zwar in einem Sinne, der der 
primären Anschauung geradezu zu wiedersprechen scheint. 
Gegen die Angriffe der bösen Geister, oft sogar gegen 
die, die man eben zu Grabe trug, wird eine Besprengung 
mit Hühnerblut vorgenommen 12 ). 

•) Pleyte: „Zur Kenntnis« S. 289. Junghuhn Bd. II S. 333. 

,0 ) Taylor 8. 72. Eilig : „Pol. Res." Bd. II 8. 205. Tyermann und 
Bennet Bd. I 8. 526/7. 

") Bastian: „Oceanien" 8. 12. Ellis: „Pol. Res." Bd. 8. 191. 
Pollack Bd. I 8. 233. 

Ir ) In Krankheitsfällen und nach Begräbnissen. Grabowsky: 
„Tod, Begräbnis" 8. 182. Svoboda Bd. VI 8. 16 und 13/4. 



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— H — 



Doch kehren wir nun wieder zurück und beobachten 
eine zweite Bewegung der Mythe: Der Vogel trägt die 
Seele ins Jenseits. Mit der Betrachtung der Umkehrung 
zur Anfangsbildung, zur Menschenschöpfung betreten wir 
den Weg zur hohen Mythologie. 

In der Tonganischen und Samoanischen Kiji-kiji- oder 
Turi- Mythe trägt Tuli als Vogel nicht nur die Seele in den 
Menschenkörper, sondern auch jene Schlingpflanze, Fue, zur 
Erde, aus deren faulender Masse erst die Würmer, dann 
aus diesen die Menschen hervorkommen. Die Vorfahren 
der Rarotonganer lebten im Vogelland Manu, dem Lande 
der roten Federn. Auch auf Buru stammen die Ahnen 
aus dem Lande Manu. Auf Fidji erschafft Ndengei die 
Menschen aus den Eiern der Schnepfe 13 ). 

Während so zuletzt der Mensch vom Vogel abstammt, 
bringt auch die Menschenmutter Vögel zur Welt. Ein Weib, 
auf eine kahle Insel der Torresstrasse verschlagen, nährt 
sich von den Samenkörnern ihres Ohrschmuckes. Sie fühlt 
sich infolge dieser Nahrung Mutter und bringt ein Ei zur 
Welt, aus dem ein riesiger Vogel zu Tage kommt, der seine 
menschliche Mutter mit Nahrung versieht. Oder ein noch 
charakteristischeres Beispiel der Dajak- Mythologie: Ein 
Geist heiratete eine Frau und diese gebar Vögel u ). 

Von der Schöpfung des Menschen durch den Vogel 
oder als Nachkommen des Vogels 15 ) nähern wir uns mit 

,s ) Bastian: „Samoanische* 8. 11. „Oceanien" S. 43, 23 und 60. 
Schirren S. 35. Riedel S. 3. Williams: „Fidji« Bd. I 8. 253. 

»*) Haddon: „Legends" 8. 50 ff. John Bd. I 8.203. 

15 ) Nach der Meinung einiger neuseeländischer Stämme senkte 
sich im Anbeginn ein Vogel zum Meere hinab, dessen enorme Flügel 
den Ozean weithin beschatteten. Während des Fliegens liess er ein 
Ei fallen, worauf er mit grosser Geschwindigkeit und gleichsam be- 
glückt über die Befreiung von der Last emporstieg und entschwand. 
Aus dem Ei aber kamen, als es lange in der See gelegen hatte, ein 
alter Mann und eine alte Frau, ein Knabe und ein Mägdlein mit 



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10 — 



leichten Uebergängen den Mythen, die den Vogel die Mutter 
der Welt nennen. 

Die Tagalen auf den Philippinen glaubten, dass die 
Welt im Anfange lediglich aus Wasser und Himmel be- 
standen und zwischen diesen ein Hühnergeier gelebt habe. 
Derselbe war müde des Umherfliegens, fand aber keinen 
. Platz zum Rasten. Da setzte er das Wasser in Mishellig- 
keit mit dem Himmel, der, um es in Schrahkeu zu halten, 
es mit einer Anzahl von Inseln belud, auf denen der 
Hühnergeier sich nieder setzen und ausruhen konnte. Nach 
tahitiseher Schöpfungsmythe war Tangaroa im Anfang iu 
einer Muschel wie in einem Ei. Er entstieg ihr und schuf 
daraus die Erde. Auf Rajatia herrscht die Meinung, im 
Anfang zur Zeit der Finsternis habe Taroa im Ei gelegen, 
und, erst als er die Schale zersprengt habe, sei Lieht ge- 
worden. Hawai ist aus dem Ei entstanden, das ein riesiger 
Vogel in das Meer legte l6 ). 

Sehr klar tritt das Belebungsprinzip, das diesen Vogel- 
mythen eigen ist, auf Sumatra hervor. 

Der an einem Tau herabgelassene zweite Sohn Batara 
Guru's formte im Mittelpunkt der Welt aus der vom Vater 
herabgeworfenen Erde die Erde. Er baute darauf ein 
Haus, und ein Weib gesellte sich zu ihm. Eines Tages, 
als er auf der Treppe seiner Wohnung sass, sich in der 
Sonne erwärmend, sah er, wie ein Huhn geflogen kam und 
sich auf sein Haus niedersetzte. Seine Frau sah es auch, 
nahm eine eiserne Stange und schlug das Huhn tot. Der 
Kopf des Huhnes ward ein „Götzenbild", der Schnabel 
eine Goldschmiedezange, der Kopf eine Goldwage, der 

Hund und Schwein in einem alten Canoe hervor und landeten an 
der Küste Neu-Seelands. Pollack Bd. I 8. 17. 

Marsden S. 303. Lesaon Bd. II 8. 131/2. Tyennann und Bennet 
Bd. II S. 31. Bastian: „Oceanien* 8. 21 und 226. Kllis: „Hawai* 
8. 439 Rienzi Bd. II 8. 147. 



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11 



I 



Magen Gold und Silber; die Federn Bäume, Blätter 
und allerlei Pflanzen, der Schwanz Zucker, die Ein- 
geweide Gewächse etc., sein Fleisch F>de, sein Blut Wasser. 
„Damit war die Erde fertig" 17 ). 

Um die Entwicklung nach einer andern Seite hin zu 
verfolgen, greife ich auf die belebende Eigenschaft des 
seelentragenden Vogels zurück. Das Bildnis mit dem Vogel- 
blute besprengt, mit den Vogelfedern geschmückt, wird 
belebt, wird zur Wohnstätte des Gottes. Es lag nahe, 
anzunehmen, die Götter senkten sich als Vögel, herab. Und 
so nehmen sie denn überhaupt die Vogelgestalt an, sie 
kommen als Reiher und Spechte herab. Sie kommen im 
Vogelleib herab, verlassen den Körper und ziehen zur 
Begeisterung des Priesters in diesen ein. Es werden die 
heiligen Feste zu Ehren der Himmlischen verschoben bis 
zum Erscheinen eines Vogels, in dem die Samoaner den 
Gott sehen 18 ). 

Die Eigenschaft und Art der Geisterträger ward so 
auf den Geist übertragen. Doch das Ziel, wohin diese 
Entwicklung deutet, wird auch noch auf anderem Wege 
erreicht. Die Menschen stammen vom Vogel ab, wie wir 
sahen. Es sind die Neu- Mecklenburger in totemistische 
Familien eingeteilt, von denen Parkinson die Möven-, 
Buceros-, Tauben-, Papageien- Familien nennt. Dieser 
Totemismus hat seine Reflexlichter auf die plastischen 
Darstellungen in Masken und Stammbaumschnitzereien ge- 
worfen. So ist es nicht merkwürdig, wenn wir von Bünden 



,7 ) Pleyte: „Zur Kenntnis" S. 290. 

1H ) Wilson: „Missionsreise " S. 273 und 458. Bastian: „Oeeanien*. 
S. 12 und 46. Turner S, 242. Hawkesworth (D. A.) Bd. II S. 239. 
Die weHtlichen Dajak erweisen einem schwarzen, elsterartigen Vogel 
eine re^e Verehrung, denn sie halten ihn für einen Geist. Earl 
S. 265/6. 



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12 



der Banks hören, die „gewöhnlich nach Vögeln genannt 
sind* 19 ). 



Der Kreis der Mitteilungen, aus dem die Ansicht 
spricht, die Seele des Toten kehre in einen Vogel ein, ist 
nicht eng. 

Von den Dajak wird es direkt ausgesprochen. Die 
Alfureu nennen den mystischen Orakelvogel Tictic; das 
Wort Tikitiki bezeichnet ursprünglich in oceanischen 
Sprachen die Ahnengeister. Auf Neu -Seeland erkennt man 
in bestimmten Vögeln bestimmte Geister, Personen wieder. 
Manches Märchen weiss von Verwandlungen in einen Vogel 
zu erzählen 20 ). 

Die Seelen braver Palauer become very beautiful, 
holding his hand in the hair, and giving a flutte ring motion 
to his fingers. — Ein Mann will seine gestorbene Frau 
aus der Totenwelt zurückholen, aber sie weicht ihm aus, 
immer neue Gestalten von Vögeln annehmend 21 ). 

Finsch brachte von Ruck Ahnenbilder mit, die die 
Gestalt eines im Rücken ausgehöhlten Vogels hatten. Von 
Mortlock stammten offenbar ganz ähnliche Stücke im 
Museum Godeffroy. Die Stücke gleichen auffallend dem 
in gleicher Weise ausgehöhlten schon erwähnten Battak sehen 
Manuk-Manuk- Bilde 22 ). 

I9 ) Parkinson bei A. B. Meyer 8. 11, ebenda Taf. IX Fig. 4. 
Aehnliches in den Museen von Lübeck, Frankfurt, Berlin etc. Codrington 
8. 77, vergl. m. vierte Mitteilung über Oceanische Masken im Inter- 
nationalen Archiv für Ethnographie 1897 oder 1898. 

") Junghuhn Bd. II S. 332. John Bd. I S. 203. Bowring 8. 120. 
Wilson: „Missionsreise* 8.364. Pollack Bd.I S. 124—126. Brenner 8.202. 

51 ) Keate 8. 323. Kubary S. 8. Auf einem heiligen Hause, das 
Hockins abbildet, sind untereinander dargestellt: oben eine Ahnen- / 
reihe, darunter Vögel, hierunter Boote mit Insassen. Hockins 8. 30 



") Finsch: „Ethnol. Erf. a S. 559. Schmeltz und Krause 8. 301/2. 
Ein gleiches Stück befindet sich im Lübecker Museum. Pleyte: „Zur 
Kenntnis" 8. 290. vergl. Kap. 26. 



Taf. I. 




13 



So ward der Vogel, der die Seele ins Jenseits trägt, 
zur Seele selbst. 



Das zweite Motiv der oceanischen Totenschiftmythe 
entspringt der Erinnerung an die einstige Wanderung über 
die Meere. Das Totenland liegt nicht nur sehr oft da, 
woher einst der Stamm kam, sondern die Ereignisse auf 
der Seelenreise entsprechen den Vorgängen der einstigen 
Wanderung. So ziehen die Seelen dieser Völker, die einst 
zu Boot Ober den Ocean kamen, im Kahne über das Wasser 
hin in das Land der Seligen. 

Die Seele wird nach tahitischem Glauben gleich nach 
dem Tode in einem grossen, schnellsegelndeu Kanoe in 
ein fernes Land gebracht 23 ). 

Daher werden auf Ambrym, den Anachoreten, Neu- 
Britanien, den Nikobaren, Aaru etc. die Leichen in Booten 
bestattet, während auf Timor Laut und den Barbar- Inseln 
der Sargkasten die Form einer Prau hat, nach dajakischeu 
Glauben der Sarg in der Totenstadt in das banamabulan, 
das goldene Schiff verwandelt wird 24 ). Anderseits steht 
auf dem Grabe das Modell eines Bootes. Im Typeethal 
auf den Markesas entdeckte Melville das Grabmal eines 
Häuptlings, der als Holzbild mit dem Huder in der Hand 
im Hinterteil eines Kanoes sass, während die Spitze des 
Fahrzeuges mit einem Menschenschädel verziert war 23 ). 

So entsteht ein Mittel des Verkehrs mit denen in der 
Geisterwelt. Ein unruhiger Störenfried, ein lästiger Geist 
wird von dem Nikobaren im Geisterkorbe eingefangen, 

M ) Wilson: „Missionsreise" S. 311. 

**) Codrington S. 288. Weisser in dem „Verh. d. Vereins für 
Erdk. tt Berlin 1883 S. 292. Parkinson: „Bismarckarchipel" S. 64. 
Riedel S. 267, 306 und 3. r >9. Svoboda Bd. VI 8. 26 und 28. Clra- 
bowsky: „Tod, Begräbnis 1 * S. 180. 

2S ) Angas Bd. I 8. 71 und 279 Bd. II 8. 153 Melville S. 191. 



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14 



dieser auf ein Geisterschifflein gelegt und in die See hinaus- 
gerudert. Pomarri baute ein Kanoe, dass er den Eatua 
zum Opfer brachte 26 ). 

Marsden erzählt, die Schiffe und Boote der Battak 
seien hänfig „betuab". Dies Wort ubersetzt er mit sacred, 
impassive, invulnerable, not liable to acc^dent 27 ). Ohne 
au der Richtigkeit zweifeln zu wollen, möchte ich diese 
Bedeutung als sekundär bezeichnen. Die Aehnlichkeit mit 
dem polynesischeu Atua-Geist ist zu gross, um unbeachtet 
bleiben zu können. Danach wäre die Heiligkeit dieser 
Schiffe von einer Beziehung zu den Geistern der Toten 
herzuleiten. 

Doch ohne durch Verfolgung dieser Einzelheiten das 
Ganze zu verwirren, wolleo wir nun die Verbindung der 
besprochenen zwei Motive zum Totenschiffe betrachten. 

Ein von Timor Lant stammender Häuptlingssarg wird 
von Forbes abgebildet und beschrieben, ein ähnlicher 
Sarkophag im Modell von den Battak befindet sich im 
ethnographischen Museum in Dresden. Es sind das Särge 
in Gestalt von Booten. Sie sind auf Gerüsten aufgestellt. 
Auf ihrer Oberseite befindet sich der Tote mit seinen An- 
gehörigen und Schlitzgeistern. Aehnliche Formen sind in 
Süd-Nias heimisch 28 ). Die gleiche Kombination in ähn- 
lichem, engverwandten Sinne treffen wir auf Ruck wieder. 
Im Museum Godefroy befand sich unter No. 8405 ein Idol 
von diesen Inseln. Es war im Doppelkanoe aus einem 
Stück Holz, welches aufgehängt wurde. Die Spitzen des- 
selben endeten in vogelähnlichen Figuren. Das Schnitzwerk 
galt als Symbol des Geisterlandes 29 ). 

") Turnbnll 8. H18. Svoboda Bd. VI S. 10 1. 
") Marsden 8. 293. 

,h ) Forbes 8. 822/8 Schürt*: „ Augonormunenf Tat". TU Fi*.». 
*') Rodenberg S. 156. Schul tz und Krause 8. 35« 7. Eine mehr 
Äußerliche Verbindung der Motive tritt in eiiwr Sitte der Nikobaren 



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15 — 

Nachdem dergestalt die Vogelmythe in ihren wesent- 
lichen Zügen klar gelegt ist, wird es möglich sein, das 
Verhältnis von Mauis Namen zu seiner Bedeutung zu ver- 
stehen. Vor allem wissen wir ja jetzt, dass die Vogelmythe 
zu den niedern, den Ahnenmythen gehört. Sie hat in ihrer 
einfachsten Form zu den grossen, kosmogonischen Dichtungen 
kein Abhängigkeitsverhältnis. Es treten demgemäss 
die Fragen in den Vordergrund, ob Maui Beziehungen zum 
Kreis der Ahnenmythen hat und in welchem verwandtschaft- 
lichem Verhältnis diese Ahnen-Vogelmythe zu ihm in seiner 
Eigenschaft als Gott steht. 

Mauis nahe Beziehungen zu den Geistern sprechen 
daraus, dass auf der Savage Insel das Land der Toten 
Maui heisst. Auf Mangaja sind Manu Schutzgeister. Die Um- 
kehrung der ersteren Mitteilung, dass nämlich die Menschen 
aus dem Lande Manu stammen, kennen wir schon 30 ). 

Was sich hier schon vermuten lässt, findet sich bestätigt. 
Maui kommt als AVhare atua, als Götterhaus von den 
Wolken herab, er nimmt die Abgeschiedenen mit 
sich. So auf Xeu-Seelaud. Auf Tahiti folgeu die 
Seelen der grossen, d. h. der vornehmen Häuptlinge 
Maui in der Sonne 31 ). 

Es mischt sich hier der dritte Mythenbestandteil hinein. 
Die Seelen der Toten folgen der Sonne. Erst im zweiten 
Teil kann die grosse Bedeutung dieser Mythe betrachtet 
werden. Hier müssen wir uns mit der Thatsache begnügen, 
es schon an dieser Stelle erkannt zu haben. Damit ist die 
weitere Entwickelung, sind die weiteren Verschmelzungen 
und Kombinationen verständlich. 

hervor. Diese nfiinliih besprengen vor den Wettfahrten <1 i <* Boote 
mit Hühnerblut. Svoboda Bd. VI S. 2i>. 

30 ) Turner S. 470. Bastian: „Creamen- S. 22. 2» und 2«. 
Riedel S. 3. 

31 ) Schirren 8. 123. Forster S. 4C,3 und 4;>4. 



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— 1() — 

Sehirren meinte, die Beziehungen zwischen Maui und 
den Vögeln zu lösen, indem er ihn auch den Herrscher 
der Lüfte, der Winde nannte. Achelis hat sich ihm ange- 
schlossen. Es ist dies aber nicht tief genug gegriffen. 
Schon dass Mauis Vorfahren die Vögel, diese Hauptglieder 
der Ahnenmythologie, seien, lässt Bedenken aufsteigen. 
Wie vielmehr fallen aber noch die folgenden Angaben iu's 
Gewicht. Auf Hawai legte Akalanai den zurückgelassenen 
Gürtel Akamalos an, ward schwanger und gebar aus einem 
Ei Maui. Auf Neu-Seeland wird berichtet, dass Maui bei 
der Inselfischung seine Seele in einen Papagei verwandelte, 
dass dieser auf gen Himmel flog und mit einem Strick 
im Schnabel ihm beim Emporheben der Insel behilflich 
war. Die das Märchenhafte liebenden Samoaner lassen 
beim Akt der Himmel- und Erde-Trennung Myriaden von 
W asser jungfrauen (Libellen), statt des Vogels, helfen 32 ). 

Das zeigt, dass schon in den Samenkörnern, aus denen 
die Riesenbäume der polynesischen Kosmogonischen Mytho- 
logie sprossen, Maui's Eigenart als Vogel bedeu- 
tungsvoll war. Es wird das noch klarer dadurch, dass 
Maui auf Hawai, Tahiti, Neu -Seeland, Mangaja etc. etc., 
entweder selbst als Vogel oder auf dem Vogel, oder aus 
der Stirn des Vogels das Feuer dem Menschen bringt 33 ). 

Die letzte Mythe gibt uns Aufschluss über die noch 
unklaren Beziehungen. Der Vogel trägt die Seele, wie 
wir jetzt hinzufügen können, der Sonne, dem Lichte nach 
in das Jenseits. Wir können nun zweierlei Dinge unter- 
scheiden, die der Vogel im Schnabel trägt: 1. das Feuer, 
2. die Schlange. Eine Hawaische Mythe berichtet, wie 

32 ) Schurtz: „Augenornament" 8. 90. Bastian: „Oceanien u S. 232. 
Thomson: „New Zeeland" Bd. I S. 109/10, Williams: „Narrative" 
S. 542. 

") Bastian: „Hawai" 8.26, 17, 99 100, 100 -103 nach Orev, 
Oill etc. Bastian: „Oceunien" 8. 232 u. a. a. O. 



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17 — 

Maui die Vögel belauscht, um ihr Feuer-Geheimnis zu 
erfahren. 

Er fängt einen und verlangt den Verrat desselben. 
Jener macht falsche Angaben. Erzürnt darüber, wollte 
ihm Maui den Schnabel auseinanderreissen, da gab derselbe 
den gewünschten Bescheid. Auch auf den Audamauen 
bringt ein kleiner mystischer Vogel das Feuer im Schnabel 
zu den Menschen 34 ). Eine eingehende Prüfung der Maui- 
Mythen vom Feuerdiebstahl ergibt, was nahe liegt, dass 
sie sekundärer Natur sind. Sie enthalten Züge, die direkt 
auf einen Ursprung aus der Ahnenmythologie unter der 
Sonnenmythen, hinweisen. AVir werden dieselben später 
keuneu lernen. 

Die Schlange im Schnabel der Vögel ist aus Neu- 
Mecklenburg genugsam bekannt. Sind doch 2r 3 der Masken 
damit versehen. Nun ist die Schlange nach oceauisrhem 
Glauben eine Inkorporation der Seele. Es sind die Ana- 
logien in der Fananymythe zu erwähnen (Kap. 5). In 
der Kiji-Kiji-Mythe entstehen aus den Würmern die ersten 
Menschen. Auf Melanesiens und Indonesiens östlichen 
Teilen, erzählt die Legende, starben früher die Menschen 
nicht, denn sie konnten die Haut wechseln wie die Srhlangen 
u. s. w. 3S ). 

Wenn nun zu diesen primär -mythologischen Angaben 
die Mitteilungen kommen, dass auf Fidji die Sonne als 
Schlange gedacht ist, und die Schlangen ihr geweiht 
sind, dass das eine Auge Maui's nach Neu-Seeländischer 
Tradition ein Aal — der überall einer Schlange gleich 
erachtet wird — ist, so ist damit der Ring geschlossen. 
Darnach ist Maui aus jenem Vogel, der die Seele der 

**) Bastian: „Allerlei 44 Bd. I i*. 121. „Ozeanien" 8.278 9. Ad. 
de Roepstorff in: „Zeitschrift d. Ge*. f. Erdk." Berlin 1879 S. 13 etc. 

") L. F.: „Ein Motiv* Codrington S. 283.4, 260 und 265. Riedel 
8. 362. 

Frobeniu», Weltanschauung der Naturvölker. 2 



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IS 



Sonne nach, zur Sonne emporträgt, hervorgegangen, (las 
Feuer, das er aus der Unterwelt als Vogel holt, ist die 
Seele, die der Seelenträger in s Land der Seeligen, des 
Lichtes führt. Damit eröffnet sieh eine bedeutungsvolle' 
Erkenntnis. Die hohe Mythologie Polynesiens ist aus der 
niederen der der Geister- Mythologie (Manismus) hervor- 
gewachsen, Maui, ihre grösste und mächtigste Gestalt, hat 
in der Sonnenmythe eine sekundäre Form angenommen 36 ). 

Nun ist es ein Leichtes, die Fäden zu entwirren. Aller- 
orts erscheinen Um kehr un gen des Lichtvogels-Toten- 
schiffmythe. Maui nimmt als Whare atua die Seelen mit 
ins Jenseits, und in der Umkehrung kommt er als Tiki, 
Ahnherr und erster Mensch an s Land. Tangija wird nach 
Berichten von Rarotonga von Vögeln aus dem Po — dem 
Hehl der nächtlichen Totenwelt — in einem Kahn zur 
Erde gebracht. Aus dem Ir-Ei kommt der Kahn mit dem 
ersten Menschenpaar 37 ). 

Die Maori erzählen, dass Heekatoro, der Gott der 
Thränen und des Kummers, als er durch einen Unfall 
seine Gattin verloren hatte, in der grössten Bestürzung 
vom Himmel zur Erde herab kam, um sie zu suchen, und 
nachdem er fruchtlos an sehr vielen Stellen gesucht hatte, 
am Ende so glücklich war. sie in Neu -Seeland zu finden, 
wohin sie sich verirrt hatte. Sehr entzückt, wieder in 
ihren Besitze zu sein, setzte er sie sogleich in ein Canoe, 
und nachdem er an beiden Enden ein Seil befestigt hatte, 
wurden sie in demselben zum Himmel hinaufgezogen, wo 
sie. um ihre Wiedervereinignng zu signalisieren, in ein 
Sternbild verwandelt wurden. Auf Waikatto wurde die 
Mähr von einem Knaben erzählt, der aus dem Ellbogen 
seiner Mutter gekommen, zur Sonne aufgeflogen war .-.und 

M ) Sc hirren 8. 149. Y»ite S. 144. 

,T ) Aihelis nach White S. 10. Schirren S. 120. Pollnck Bd. I 



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~ 1U — 

von dort an einem aufgehängten Canoe zurückkehrte 38 ). 
Später, wenn ich die plastischen Darstellungen des ocea- 
nischen Totenschiffes zu besprechen haben werde, werden 
die Mythen in den Vordergrund treten, denen zufolge die 
Seelen sich auf dem Rücken des Totenvogels befinden. Es 
ist das der Kinfluss des Schiffes, auf dem die Menschen 
stehen. 

Auf dem Rucken seiner Taube fliegt Maui in die Unter- 
welt, als er das Feuer holen will. Das Totemtier Rath- 
man's (Palau-Inseln), ist auf dem Rucken eines Vogels zur 
Erde gekommen. Auf Rajatea ist in folgender Mythe 
Tangaroa an Maui's Stelle getreten. Als er im Anbeginn 
der Dinge aus dem Ei gekommen war — es ist also ein 
Vogel — machte er den Menschen aus seinen Rücken. 
Dann verwandelte er sich in ein Canoe und trug einen 
Haufen Menschen. Später ruhte sein Leichnam auf der 
Erde und zwar mit den Rippen unten; (also er lag auf dem 
Bauche). Und so ward sein Körper das Haus der Götter 39 ). 



Es erübrigt noch die Bedeutung des Vogels, im all- 
täglichen Leben der Oceauier mit einigen Bemerkungen 
zu bedenken. 

Wenn die Reisenden Hawais von Tanes Vogel geschützt 
werden, auf Tahiti Vögel an Bäumen Herabstürzende vor 
Unglück bewahren, Vögel auf den Philippinen um Für- 
sprache angefleht werden 40 ) und so weiter, so erinnert das 
ebenso an die besprochenen Anschauungen wie das Vogel- 



3K ) Nieholn« 8. M 8. Bastian: „Ozeanien" 8.24. Schirren S. 109. 

**) Bastian: „Hawai* 8. 101. Kubary 8. 39. Tvermann und 
Bcnnet Bd. II 8. 31. 

*°) Tvermann und Bennet Bd. I 8. 248. Bastian: „Oceanien* 
8. 247. Bowring 8. 15S, vergl. auch 8. 120. 

2* 



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20 — 



aug- Ornament 41 ), das .sich auf den Nasen der alten Maori 
tätowiert findet 42 ). 

Die nächstliegenden, einfachsten, den Vogel betreffenden 
Anschauungen sind aber in den Orakeln und Omen zu 
suchen. — Auf Timor wird es aus der Lage, in der das 
geschlachtete Huhn stirbt, gelesen. Auf Hawai schlachtete 
der Priester, der den Urheber einer Krankheit erkennen 
sollte, ein Huhu und einen Hund, isst etwas von beider 
Fleische und legt sich zum Schlafe nieder. Beim Erwachen 
weiss er den Namen des Zauberers zu nennen* 3 ). Auf 
Borneo, den Kei- Inseln, den Gilbert, auf Samoa und 
Tonga etc. werden die Ereignisse der Zukunft aus dem 
Fluge des Storches, des Habichts, Nashornyogels etc. er- 
kannt 44 ). 

Dann wird der Gesang und der Schrei bestimmter 
Vögel ausschlaggebend, so auf Celebes, Markesas, bei den 
Alfuren etc. 45 ). Wenn dazu hervorgehoben wird, dass zu- 
mal der Ruf der Nachtvogel unglücksverkündend sei und 
anderseits der Schrei bestimmter Vögel den Tod eines 
Stammesgliedes ankündigt 46 ), so werden wir wieder in die 
Nähe der seelentragenoeu Lichtvögel geführt. 

41 ) Siehe eine populäre Besprechung desselben in „Westermanns 
Illustrierten Deutsehen Monatsheften-. 1895, 6 8. 335. 

**) Abbildungen bei Earle Titelbild. Dumont DTrville Taf. 35, 
31, 39. Nr. 3 und 4. 50 Kr. 5. 24 Nr. 1 2 und 5. Hochstetter 
S. 64. Pollaek Bd. I Titelbild 8. 68, 252. Bd. II S. 49, 50. Ellis: 
„Pol. Res. u Bd. I 8. 30. Cook 2. K. Bd. III Taf. 57 u. a. o. a. O. 

**) Forbes S. 445. Ellis: „Hawai" 8. 283 4. 

«*) Bock 8. 254. Junghuhn Bd. I 8. 332. Rienzi Bd. I 8. 274. 
John Bd. I 8. 80 und 202/3. Bd. II 8. 26. Rosenberg S. 351/2. 
Finsch: „Ethnol. Erf." 8. 316. Prichard: „Oceanien" S. 165. Mariner 
S. 490. 

* 6 ) Bondyck 8. 326. Rosenberg S. 229. Bastian : „Ozeanien" 8. 
25/6. Junghuhn Bd. II. 8. 322. 

*•) Ribbe: „Aru" 8. 168. Eysinga Bd. I 8. 70. Riedel S. 60, 223, 
253 u. v. a. 0. 



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— 21 - 



Am meisten Beachtung wird dem Huhn, dem Haustiere, 
geschenkt. Auf Timor wird sein Tod (siehe oben), seine 
Klauen und Federn, endlich seine Eingeweide von orakelnden 
Priestern geprüft. Die Battak besitzen die Kunst, aus der 
Lage der Eingeweide geschlachteter Hühner die Orakel zu 
lesen und ist hierbei für den Guru (Priester) die Kenntnis 
von 127 Linien erforderlich. Die Meutawejjer Hessen den 
Häuptling ein Huhn schlachten, dessen Magen herausnehmen, 
ihn aufschneiden, reinigen und aufspannen. Dann musste 
der Prüfende es gegen das Licht halten und ans dem Netz 
des Blutgefässes und Flecken das günstige oder ungünstige 
Prognostikon feststellen 47 ). 

Das sind die mehr oder weniger komplizierten Vogel- 
orakel der Oceanier, aus deren Häufigkeit und Verbreitung 
hervorgeht, wie bedeutungsvoll sie für die Völker sind. 
Das Huhn spielt in ihnen eine Hauptrolle. 

Die Formen spielen in manchen Variationen, lassen 
aber doch erkennen, dass — wenn ich am Schlüsse eine 
Vermutung aussprechen darf — in ihrer Mitte die Funda- 
mente der, wie wir gesehen haben, zu gewaltiger Bedeutung 
angeschwollenen Vogelmythen zu suchen sind, nämlich: in j 
dem Vogelorakel, in dem Hühneropfer, das dem Toten 
geweiht und mitgegeben wird, und in dem zur Sonne sich / 
aufschwingenden jubilierenden Vogel. 

* 7 ) Perron Bd. II S. 40G— 208. Brenner 8. 332. Anmerk. Nr. 4. 
Rosenberg 8. 198. 



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II. Kapitel. 

Die Vogelmythe in Nord -West- Amerika und Australien. 



Die Provinzen. — Nordwestamerika. — Charakter der Mytho- 
logie. — Die Tiermythologie. Der Vogel (Jelch) führt die Seele 
ins Jenseits. — Die lielebungskraft de* Vogels. — Der Sonnen- 
diebstahl. — Vogel und Sonne. Der seelentragende Lichtvogel. — 
Die Kahnfahrt der Seele. - Sonne, Vogel und Kahn. — Totenschiff- 
mythen. — Totensehiffe, Schnitzereien in Oceanien und Nordwest- 
amerika. — Die Deutung der Rabenrasseln. — Australien. — Die 
Bruchstücke der Vogelmythe. — Flutmvthen in Australien, Nord- 
westamerika und Oceanien. 

Die ethnolographischen Eingenarten der Provinzen, 
die wir jetzt betreten, sind ganz andere wie die Oceaniens. 
In letzteren leben Ackerbauer, in ersteren Fischer und 
Jäger. Oceanien wird von einem vornehmen, herrschenden 
Volke bewohnt. Die Trümmer einer aufgesogenen Rasse 
lagen allerdings dazwischen. Aber das nialaische Blut 
herrscht wenigstens im Osten. Sowohl in der nordwest- 
lichen als der südwestlichen Provinz ist der Koutinental- 
eharakter unverkennbar, d. h., sowohl die Australier als 
die Nord -West -Amerikaner tragen viel ausgeprägter den 
Stempel des Mischvolkes. In Weltanschauung und Kunst 
spielt dieser Unterschied die Hauptrolle. Inselvölker bieten 
verschiedene Variationen, Stilformen derselben Motive. Die 
Motive heben sich klarer von einander ab. Kontinental- 
völker besitzen einen einheitlichen Formtypus. Jede heran- 
rollende Völkerwoge wird absorbiert bei diesen, während 
sie bei jenen Umwälzungen hervorruft. Man denke an die 



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— 23 

grössten Beispiele: Afrika einerseits und Indonesien ander- 
seits. Alles, was nach Afrika kam, ging unter. Alles, 
was nach Indonesien kam, hinterlies Spuren. 

Ich betrachtete die beiden Gebiete von diesem Stand- 
punkt aus. Für uns ist es wichtig, die Verbreitung einer 
Weltanschauung und deren Wandlungen in verschiedenen 
Verhältnissen kennen zu lernen. Deshalb ist Nord -West- 
Amerikas, um mit diesem zu beginnen, Bedeutung als einer 
Seitenproviuz altoceauischer Weltanschauung ausschlag- 
gebend. Forster, Jakobsen und vor allem Schurtz haben 
besagtes Abhängigkeitsverhältnis schon erkannt, geprüft, 
klar gelegt. 

Ks sind ganz andere Seiten der Mythologie dieses 
Gebietes, die den interessieren, der vom Innern des Kon- 
tinentes nach Westen sieht, als diejenigen, die dem von 
Polynesien Herannahenden auffallen. Der erstere erkennt 
vor allem die amerikanische F o r m , der zweite den 
oceanischen Gehalt. Und dementsprechend müssen 
auch die Arbeiten betrachtet werden, die über die Mythologie 
der Nord -West -Amerikaner vorliegen. Boas und Seier sind 
die ausgesprochenen Amerikanisten, dazu Mythologen, und 
somit ist ihnen eine Reihe der interessantesten Erkenntnisse 
auf den Gebieten der höheren Mythologie und amerikanischen 
Formverwandtschaft zu verdanken. 

Das, was von diesen Männern auf der einen Seite, ist 
von Schurtz auf den anderen geleistet worden. Die 
oceanischen und primärmythologischen Fragen waren seine 
Studienobjekte. Somit habe ich auch hier die Rolle des 
Vermittlers /u übernehmen, der da, wo Gegensätze auf- 
gestellt worden sind, sich nach etwaigen Uebergängen 
umzusehen hat. 

Das Auffällige der Nutka- Mythologie ist die Durch- 
dringung mit Tiergestalten. Die Erscheinung ist des öfteren 
erörtert und die Lösung des Problems auf verschiedenem 



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— 24 - 



Wege versucht worden. Gerade diese Stämme mit der 
ausgeprägten Fischer- und Jägerkultur bieten aber die 
geeignetsten Objekte der Prüfung. Dem Jäger steht nichts 
näher als seine Tiere. Wie auffällig sind für ihn die Eigen- 
schaften, die wir nur aus Brehm und Reisewerken oder 
aus unseren mehr oder weniger kläglichen Jagderlebnissen 
kennen. Wie wissen wir doch schon so viel zu erzählen, 
wenn wir in kurzen Herbstferien einmal Meister Lampe 
aufgelauert haben. Der brave Isegrimm ist längst ver- 
schollen, und immer magerer fliesst der einstige Strom des 
Jägerlateins, welches als letzter Rest jener Beziehungen 
gelten mag, die unsere Ahnen eng an die Tierwelt gefesselt 
haben. 

Geht das Jägertum eines Volkes zu gründe, so bleibt 
ihm als Rest einerseits der Totemismus; es ist die Erinnerung 
an jene primitive Naturauffassung, in der der Mensch den 
Tieren noch koordiniert, wenn nicht subordiniert war. Die 
Erfahrungen des Lebens, die Lebensweisheit zieht in die 
Tiergestalten ein: die Fabeln entstehen anderseits. 

Bei den Nutka haben wir es aber nicht nur mit 
Totemismus und Tierfabel zu thun, wenn beide auch wunder- 
lich und kraus mit der Mythologie verwachsen sind. Wir 
müssen und können diese Mythen und die Frage nach ihrer 
Entstehung nur auf eine andere Weise verstehen und be- 
antworten. 

Schnitze hat eine gewisse Stufenleiter, die „Feti- 
sehismus u , aufgestellt, die wir zwar nicht vollständig an- 
erkennen können wegen falscher Prämissen, die aber in 
mancher Hinsicht berechtigt ist. Er hat die Aufeinander- 
folge von Mond-, Sonnen- und Himmels-Verehrung nach- 
gewiesen. 

Wenn das zu den Ergebnissen unserer Studien über 
die bildende Kunst hinzugenommen wird und die Parallelen 
der Entwicklung gezogen werden, so ergiebt sich, dass bei 



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t 



— "Jo — 

einem Jägervolke kaum eine Sonnenverehrung, eine Sonnen- 
mythologie als ein eigenes Produkt anzunehmen ist. 

Nim enthält die nordwestamerikanische Mythologie alle 
die ausgeprägten Züge einer solchen. Des weiteren ist 
aber festzustellen, dass diese hohe Mythologie einerseits 
degeneriert als Variantenspiel der niederen Mythologie 
erscheint, dass anderseits die sämtlichen Gestalten mehr 
oder weniger als Tiere auftreten, als Tiere mit tierischen 
Attributen und Eigenschaften. Aus alledem lässt sich schon 
schliessen, dass hier eine Mischung vorliegt. 

Wie nun, wenn dem so ist, fragt es sich, ist der Stoff 
zu erfassen, die Formenfülle zu zergliedern? Was haben 
wir zu erwarten? 

Wir haben oben die oceanische Mythologie auf ihre 
Bestandteile untersucht. In der hohen fanden sich aller- 
dings die Motive der niederen Mythologie; aber sie waren 
nicht etwa rein, klar und nur vergrössert und erweitert. 
Wenn das dort, wo das mythendichtende Volk im eigenen 
Lande unentwegt weben konnte, schon so ist, wie verzerrt, 
umgebildet, zerrissen muss dann das Echo einer hohen 
Mythologie von Gestalten der nordöstlichen Fischervölker 
znrückklingen! Wohl besassen diese genügende Gestaltungs- 
gabe, um ihre Formen, in ihren Stil die Mythen umzugiessen, 
aber es wurde doch vieles aufgegeben, Heterogenes ver- 
bunden, Zusammengehöriges getrennt, neuer Sinn den alten 
Formen gegeben, alten oceanischen Gestalten ein neuer, 
amerikanischer Geist eingehaucht. Was eine einfache 
Meditation vermuten lässt, wird durch die Thatsachen be- 
stätigt. Im nördlichen Teil des nordöstlichen Gebietes 
können die oceanischen Götterspuren noch verhältnismässig 
gut wieder erkannt werden. Es ist ihnen noch mancher 
grosse Zug eigen. Es heben sich noch einige Figuren als 
bedeutender, wichtiger, mächtiger von den Nebenpersonen 
ab. Im Süden herrscht allgemeine Abflachung. 



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— 26 



Vor allem gehört zu diesen wirklich höheren Göttern 
des Nordens Jelch der Rabe. Bei den Selisch im sudlichen 
Teil Kolumbiens spielt er mehr eine lustigen Narrenrolle. 
Aber auch dort und noch viel mehr bei den Tlingit, 
Haida etc. verraten ausgeprägte Züge seine Abgtammung 
von Maui, dein mächtigen seelenführenden Vogel -Sonnen- 
gotte Polynesiens. Diese Züge und deren Wert klarzulegen, 
wird die Aufgabe dieses Kapitels sein. 

Die Hauptergebnisse der mythologischen Studien von 
Schurtz und Seier stimmen nicht ganz überein. 

Beide Gelehrte haben die sogenannten Rabenrasseln 
untersucht. Es sind dies (vgl. Taf. I Fig. 8 und 9) Tanz- 
rasseln in Gestalt eines Rabens, auf dessen Rücken sich 
eine Gruppe- mehr oder weniger ausführlich gearbeiteter 
Figuren befindet. Seier hat bewiesen, dass sich auf der 
Brust des Rabeus oft (Fig. 9) das Bild der Sonne befindet. 
Er fasst diese Rasseln gewissermassen als Bild der Gottheit, 
der Sonne auf. „Sie zeigen die Gestalt des Rabens mit 
der Sonne auf dem Bauche — die aufgehende Sonne, das 
Sinnbild des Lebens (bezugsweise das Wasser des Lebens) — 
und auf seinem Rücken das Feuer und die Nacht, die 
untergehende Sonne (bezugsweise das Feuer des Todes) l ). u 

Schurtz ist der Ueberzeugung, dass den Rabenrasseln 
die typische Form des malaischen Totenschiffes zu gründe 
liegt, „obwohl der ursprüngliche Sinn bei den Nord-W r est- 
Amerikanern vergessen oder durch sekundäre Deutungen 
verdrängt zu sein scheint 2 ) u . Beide Forscher habeu in 
ihrer Weise das Rechte getroffen, und es ist nicht schwer, 
dies nachzuweisen. 



Jelch ist vor allem der Totenvogel, der Seelenführer. 
Er ladet die Geister der Verstorbenen zu Gaste; er fordert 

') Seier S. 235. 

2 ) Schurtz: „Augenornament* S. 8(5. 



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-- '21 



andere auf, mit ihm um die Toten zu trauern. Auch mögen 
andere Vögel die Seele hinforttragen. Ein Jüngling schüttelt 
einen erbeuteten Adler derart, dass Fleisch und Knochen 
herausfallen. Er kleidet sich in den Pelz und fliegt von 
dannen. Oder eine sterbende Frau verwandelt sich in einen - 
Vogel. Menschenraubende Vögel sind auf das gleiche Motiv 
zurückzuführen etc. 3 ). 

Eine sehr hübsche Umkehrung findet sich bei den 
Kwakiutl. Dort wirft ein Vogel einen Wappenpfahl zur 
Erde hinab, der vor einem Hause stecken bleibt. Das^ 
zeigt, wie die Umkehrungen auch auf Grund des Vergessens 
entstehen können. Der Vogel, der alle Ahnen hinauftrug, 
wirft den Stammbaumpfahl hinab 4 ). 

Daran schliesst sich die Todesmythe an. Des Rabens 
Sohn, Kyiotl. begleitete den Vater zu einem neu aus- 
gearbeiteten Kanoe. Sie fanden dort in der Mitte des 
Bootes einen Hut. Der Rabe wusste, dass es gefährlich 
sei, denselben zu berühren. Daher warnte er seinen Sohn. 
Dieser aber setzt ihn dennoch auf und wird sogleich in 
die Höhe getragen. Später kehrt der Knabe wieder, da 
ihn aber der Vater nicht erkennt, sagt jener, er müsse 
wieder gen Himmel fliegen und werde nie wiederkehren. 
„Fortan werden die Menschen sterben und können nach- 
her nicht wiederkehren. u Die Bedeutung der Mythe wird 
noch klarer durch die Mitteilung Krauses, dass den toten 
Häuptlingen der Tlinkit ein hölzerner Hut aufgesetzt wurde, 
auf dem Figuren, die den Raben darstellten, geschnitzt 
waren." Vergleichen wir damit nun Tanzrassel vom Kap 
Flattery, an deren Spitze ein Menschenkopf mit einem 

8 ) Krause: „Tlinkit" S. 81. Boas: „Verh.* 1892 S. 821, 1891 
S. 569 und 540, 1895 S. 193, 1893 S. 450. 

*) Boas: „Verh. tt 1893 S. 237. Ob eine Beziehung zwischen dem 
Namen des Raben: r Jelch" und der Bezeichung für Ahnengeister: 
„Jek u besteht, soll dahingestellt bleiben. Krause: „Tlinkit" S. 291. 



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solchen Vogelhute geschnitzt ist (Taf. I Fig. 11), so haben 
wir den Anschluss an die Rasseln hier schon erreicht 5 ). 

Der zweite wichtige Zug der oceanischen Vogelmythe, 
die ümkehrung des ersten, die Fähigkeit des Lebens- 
spendens, treffen wir ebenfalls wieder. Andere Tiere können 
nur tote Lachse machen; der Rabe erschafft lebendige. 
Aus seinen Exkrementen macht der Rabe lebende Wesen k 
Als die Sonne in den Händen des Mink alles zerstört und 
verbrannt hat, da lässt er Bäume und Sträucher aufs neue 
emporsprossen 6 ). Deshalb ist .Jelch auch nicht der Welt- 
schöpfer, wie Boas sehr richtig bemerkt, sondern der 
Weltordner 7 ). 

Eine der wichtigsten Rabenmvthen behandelt den 
Sounendiebstahl, die Befreiung. Wir folgen der Tlingit- 
Mythe. Des Raben Oheim war der Herr der Fluten. 
Derselbe besass ein Weib und eine Tochter. Auf erstere 
war er sehr eifersüchtig. Deshalb vernichtete er alle Kinder 
seiner Tochter aus Furcht, sie möchten erwachsen, sich 
seiner Frau zu sehr nähern. Die Frau steckte er, wenn 
er abwesend war, stets in einen Korb oder ein Schachtel, 
hing dieselbe an der Decke seiner Wohnung auf und setzte 
ausserdem kleine rote Vögel als Wächter ein, die, wenn 
der Korb oder die Kiste durch irgend einen Zufall geöffnet 
wurde, den Herrn der Fluten stets davon benachrichtigen 
mussten. Nun wollte Jelch gern einiges aus dem Hause 
seines Oheims für seine Menschen stehlen. Daher ver- 
wandelte er sich in einen kleinen Gegenstand, den die 
Tochter seines Onkels gelegentlich mit verschluckte. So 

5 ) Boas: „Verb." 1893 S. 447, vergl. auch 8. 469. Krause: 
„Tlinkit" 8. 225. Swan 8. 77. Im Berliner Museum befinden sich 
derartige, aus Holz geschnitzte Hüte. 

8 ) Boas: „Verh. tt 1891 8. 172. 1893 S. 244. 1894 8. 282. 

7 ) Niblaek 8. 378 Waitz Bd. III 8.329 nach Holmberg. Krause: 
„Tlinkit* 8. 267. Boa*: „Entwicklung" 8. 489. 



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~ 29 - 



gebar ihn dieselbe denn wieder. Des Raben Mutter lehrte 
ihn mit dem Bogen zu hantieren. Er schoss einen Kranich 
und gewann mit dessen Haut die Macht des Fliegens. Er 
erlegte einen Taucher und erwarb das Schwimmvermögen. 
Als der Oheim ihn daher in das Feuer werfen wollte, 
schwang er sich in die Lüfte, und als er ihn zu ertränken 
gedachte, schwamm er von daunen. Er öffnete zu Haus 
die Kiste und Hess die Frau seines Oheims ins Freie. So- 
fort flogen die roten Vögel zu dem Gemahl und verkündeten 
den Frevel. Dieser, in Wut versetzt, Hess die Flut steigen. 
Doch Jelch flog empor zum Himmel. Er bohrte sich mit 
dem Schnabel ein Loch in denselben und krallte sich fest. 
Die Flut stieg so hoch, dass sie seine Schwingen berührte. 
Dann fiel sie. Er stahl seinem Oheim auch die Sonne und 
die Sterne aus der Kiste 8 ). 

Dieselbe Mythe wiederholt sich bei den meisten dieser 
Völker. Es ist mehr oder weniger deutlich ausgesprochen, 
dass es sich um eine Befreiung der Sonne handelt 9 ). Diese /■■ 
Mythe ist in Analogie zu setzen mit der Mythe vom Feuer- 
diebstahl Mauis. In einer Spalte gelangt jener in die 
Unterwelt (Jelch lässt sieb verschlucken). Er unternimmt 
den Kampf mit dem Feuerbesitzer (Jelch soll ins Feuer 
oder Wasser geworfen werden). Als Vogel gleitet Maui 
herab (Jelch ist der Rabe). Dem Diebstahl Mauis folgt, 
das Flammenmeer oder die Flut etc. 

Doch als noch enger lässt sich die Beziehung Jelchs 
zur Sonne erkennen. Die Sonnendarstellungen zeigen mehr 
oder weniger deutlich ein Vogelgesicht 10 ). Ursprünglich 

M ) Erman Bd, II S. 372—374. Niblack S. 279—80. Krause: 
„Tlinkit" S. 254- 257. Boas: „Verh. u 1895 S. 222 ff. 

•) Krause: „Tlinkit" 8. 261-263. Boas: „Verh.* 1894 S. 281 2. 
1893 S. 444, S. 463, 8. 244/5. 1891 S. 637. 1892 8. 319. Niblack 
8. 325. Boas: „Tlingit* 8. 159/60. 

10 ) Seier 8. 215. 



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- 30 — 



ist der Rabe weiss. Beim Versuche der Tiere, die Sonne 
zu bilden, ist auch im Süden der Rabe die erste aufsteigende 
Sonne, ff eich heranwachsend erlegt einen elsterartigen 
Vogel, kleidet sich in dessen Haut, fliegt empor, krallt 
sich in den Himmel und lässt sich wieder herab. Der 
Rabe setzt Sonne und Tageslicht an den Himmel 11 ). 

Die Kinder des rotköpfigen Spechtes begaben sich 
auf die Wanderschaft. Als sie am Sonnenaufgang ankamen, 
gingen sie in den Himmel und wandelten nach Sonnen- 
untergang. Von dort kehrten sie zurück und wandelten 
wieder nach Osten. Sie hatten den Namen Quäls an- 
genommen. Diese Sonnenhelden verwandeln in Steine. 
Bei den Haida ist der Rabe der wandernde und bei den 
Tlingit der die Leute in Steine Umwandelnde l2 ). 

Doch auch in dieser hervorstehenden Gestalt als Sonne 
ist des Raben Beziehung zu den der Sonne nach dem Tode 
Folgenden nicht zurückgeblieben. Den zur Sonne auf der 
Pfeilleiter Hinaufkletternden dient er als Schlussstein, in- 
dem er die Leiter stützt, als die Pfeile nicht mehr bis zur 
Erde reichen. Dem jungen Mann, den wir sonst an der 
Pfeilkette zur Sonne empor klettern sehen, fliegt bei den 
Tlatlasikoala im Vogelpelz empor. Nach der Sage der 
Catloltq bemalt Kumsnootl (der Sonnenheld) die Menschen 
mit heitern Farben und verwandelt sie in Vögel. Sentlae, 
die Sonne, steigt in Gestalt eines Vogels zur 'Erde herab 
und verwandelt sich in einen Menschen 13 ). 

Bezeichnend für des Raben Verhältnis zur Sonne einer- 
seits, zu den Toten anderseits, ist ein kleiner Zyklus von 
Mythen, in denen Augen eine Rolle spielen. Dem ein- 

n ) Boas: „Tlingit" S. 162. Boas: „Verh." 1895 8.225. 1891 8. 
164, S. 536. Krman Bd. II S. 373/4. Boas: „Verh.* 1895 S. 224. 

1S ) Boas: „Verh." 1891 8. 550. 1895 S. 219 20 228. 

ls ) Boa«: „Verh. tt 1891 S. 165. 1893 S. 241. 1892 8. 33. 1893 
8. 237. 



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— :n — 



äugigen Riesen reisst der Rabe das einzige Auge aus. Bei 
der Beuteverteilung verlangt der Rabe als Häuptling die 
Augen. Er verwandelt sich in eine alte Frau mit einem 
Auge. Als der Tote aufgefunden wird, hat der Rabe ihm 
ein Auge ausgehackt u ). 

Dem Toten, dem das Auge geraubt ist, führt der Licht- 
vogel der Sonne nach in das Jenseits, dessen Verständnis 
allerdings die Nord -West- Amerikaner verloren haben. 

An einem prächtigen Belegstück will ich noch das 
Verhältnis Rabe — Sonne— Tote klar legen, ehe ich zum 
Totenschiff übergehe. 

Nach der Tsimshiam-Mvthe starb einst eine Frau vor 
der Geburt. Der Leichnam ward beigesetzt. Da entspringt 
dem toten Mutterleibe ein feurig glänzender Knabe. Er 
nährt sich von den Eingeweiden der Mutter im Totenhäuslein. 
Der Häuptling lässt ihn gefangen nehmen. Doch der Knabe 
wird trotz alles Wohlwollens seiner Gönners traurig; er 
weint ununterbrochen. Mit einem Freunde . entHieht er 
schliesslich. Sie schiessen Spechte, hüllen sich in deren 
Federkleid und schwingen sich zum Himmel empor. Lange 
suchen sie vergeblich eine Oeffnung in demselben. Wie 
sie dieselbe auffinden, wird der Freund bei der Passage 

u ) Boa»: „Verh. u 1890 S. 229/30. 1891: S. 163. 1S93 8. 243. 
1892 8. 336. In der Shushwap-Mythe spielt Coyote mit seinen Augen; 
Die Dohle schnappt sie weg; Coyote setzt »ich neue Augen aus Hage- 
butten ein und kann nun wieder sehen. — Der Specht hackt dem 
Häuptling des Himmels auf Befehl des Sonnenhelden die Augen aus. 
(Wie sieh spater zeigen wird — vgl. Kap. 9 — ist der Herr des 
Himmels die Sonne der Unterwelt. Ks ist sehr charakteristisch, dass 
diesem, dem nicht irdisch leuchtenden (iestirue, das Auge ausgerissen 
wird.) — Einem halb tot gepeitschten Manne setzt der Donnervogel 
seine Augen ein. Darauf wirkt sein Blick tötend. Boas: „Verh. u 
1891 8. 539. 1892 8. 37. 1891 S. 633. Einäugige Masken spielen 
auf Alaska, bei dem Inuit etc. eine grosse Rolle. Hauer S. 164. 
Bastian: „Die Norwestküste Amerikas*. Dali etc. 



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! 

i 



— 3'2 - 

erdrückt, aber der „Eingeweidefressende" gelangt hindurch. 
Er heiratet die Tochter des Himmelshäuptlings. Als diese 
gebärt, entgleitet das Kind, stürzt auf die Erde hinab, wird 
aber im Lande der Menschen zum Raben 15 ). Die Sonne 
entsteigt dem toten Leibe. Das ist die Sonne, die in das 
Land der Toten beim Untergange versinkt. Eine Uni- 
kehruug hat hier den Raben, der die Seele als Lichtvogel 
znr Toten weit trägt, aus dem Totenleibe abstammen lassen, 
denn der letzte Teil ist der Untergang der Sonne. Der 
Rabe, der von dem Himmelsgestirn abstammt, ist der zu 
ihm Emporsteigende. 

Soweit gekommen, haben wir schon eine bedeutende 
Eigenschaft der nordwestamerikanischen Mythologie erkannt. 
Denn von den Schicksalen der Seelen nach dem Tode wird 
ohne Beziehung auf ein bestimmtes Individium nie ge- 
sprochen. Nur noch aus schwachen Reflexlichtern auf der 
Mittelschicht der hohen Mythologie lasssen sich Rückschlüsse 
auf ihre einstigen Formen ziehen. Es ist eine richtige 
Mittelschicht. Jedes Oben und Unten ist abgeschliffen» 

Da kann es auch nicht Wunder nehmen, wenn die 
Angaben über die Kahnfahrt der Seele fehlen. Immerhin 
ist einerseits die Bestattung in Booten aus den nördlichen 
sowie südlichen Teilen des Landes bekannt 16 ), anderseits 
ist eine entsprechende Mythe zu vermuten, da die Annahme 
eines einstigen Schiffahrts-Verkehrs der Nutka und Oeeanier 
immer mehr Wahrscheinlichkeit gewinnt. 

Die Beziehung zwischen dem Kahn und den Toten 
spricht aus der Totenmythe, deren eine Fassung oben ge- 
geben wurde. Die Heilstuk- Mythe beginnt damit, dass 
der Adler des Raben Kind, Kyioth, stiehlt, während der 

* 

,6 ) Boas: „Verh. u 1895 S. 195—99. 

lB ) Schurtz: „Einleitung 1 * S. 45. Boas : „Chinook" 8. 256 7. Van- 
kouver Bd. 1 S. 183. Yarrow S. 171 ff. 



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— m — 

Vater im Walde Holz sammelt. Der Rabe kam zurück, 
ward sehr traurig, weinte und fragte die Ruder und Ruder- 
bänke: „Wisst Ihr nicht, wo mein Kind ist? 4 *. Sie konnten 
nicht antworten. Er fragte alle Teile des Bootes und 
endlieh sprach der Schnabel: „Der Adler hat es ge- 
raubt 17 )". In der oben mitgeteilten Form lag der Hut 
im Kahne. 

Der sprechende Schnabel des Bootes, aus dem das 
Kind ins Jenseits geführt ist, berechtigt um so mehr zu 
der Meinung, es handele sich hier um den Rest einer 
Totenschiff- Mythe, als die Boote des Rabens meist eigen- 
artige Befähigung haben. So braucht bei den Haida der 
Rabe sein Boot nicht zu rudern. Kr braucht nur an die 
Seiten zu schlagen, und es bewegt sich, d. h. also, es hat 
Flügel. Auch ist der Rabe der erste, der ein Boot baute. 
Anderwärts hat er das Holz nach den Charlotteninseln 
gebracht, aus dem die Kanoes geschnitzt werden 18 ). 

Auch treffen wir die Kähne Mauis wieder, die iu den 
Sonnenmythen bekannt sind. So wie der oceanische 
Sonnenvogelgott vom Boote aus die Inseln aus der Tiefe 
zieht, so sitzt der Rabe im Boote, als er die Sonne aus 
der Kiste aufsteigen lässt. 

Die Sonne, der die Menschen in das Meer hinab folgen, 
hat vier Sklaven, die allen Vorübergehenden die Boote 
rauben 19 ). 

Die wichtigen üebergänge zum Totenschiff, aus denen 
die Beziehung Vogel — Sonne — Kahn spricht, fehlen eben- 
so wenig. An der Stelle, an der wir sonst gewohnt sind, 
die Pfeilbrücke in der Sonnenfahrts- Mythe anzutreffen, 
finden wir den Sonnenhelden in einem Boote, iu dem er 

* 

,T ) Boa«: „Verh.* 1893 S. 469. 

") Boas: „Verh.* 1895 S. 219. Erman Bd. II S. 374. Boas: 

„Verh.« 1893 8. 469. 

'») Boaa: „Verh." 1892 8. 400, 8. 468. 
Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 3 



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— :u — 



viele Movenflügel und Federn mitfahrt. Er braucht nicht 
zu rudern, denn sein Kahn geht von selbst. Das Sisiutl- 
Boot 20 ) der Kwakiutl -Mythe bestand aus Kupfer ' 21 ). Es 
ging von selbst, ohne gerudert zu werden, durchs Wasser 
und über Land, liess sich ausserdem zusammenfalten. Dies 
Boot war dem Besitzer ein Berater. Es ward genährt mit 
Seehunden, die in die Flut geworfen wurden. Dies Boot 
war die Kraft des Raben. Es konnte die Flut machen 22 ). 

Bei den Awikyenoq linden wir einerseits das Boot des 
Rabens, in dem er, wie weit er auch fliegt, in einem 
Tage ieden Punkt erreichen kann, anderseits den Kahn 
Gyaloyakames (des Allerersten), in dem derselbe wie mit 
einem Vogel zum Himmel emporfliegen konnte 23 ). 

Die Totenschiffs- Mythen selbst nun sind schwerer zu 
verstehen, da die Todesidee darin verwischt ist. Jelchs Oheim 
ging täglich in den Wald, um Bäume zum Kahubau zu fällen. 
Er war Meister dieser Kunst. Nach einigen Tagen 
vernichtete er seine Neffen, indem er das Boot, in (lern er 
sass, umkehrte. Die Sitchaer-Koloschen erzählen dagegen, 
dass der eifersüchtige Onkel seine Söhne in die trogartig 
ausgehauenen Sämme. die er zu Booten erweitern wollte, 
gesteckt und verspundet habe. Auch sollte Jelch in der 
Tlingit-Mythe in einem Boote zusammen gepresst werden 24 ). 

-°| Sisiutl heisst der von der Sonne abstammende Volkszweig der 
Kwakiutl. 

-') Seier S. 215. Schürt/.: „Augenornament* S. S8. 
- 2 ) Boas: „Verli." 1892 S. 389. 1893 S. 23* 9. 
-*) Boas: „Verb.* 1898 S. 44«, S. 453. 

-*! Krman Bd. II S. 373. Krause: „Tlinkit* 8.256 7. Eine in- 
teressante Umkehrung vom Fräser Hiver ist die folgende: Zwei 
Mädchen wurden AbendH von zwei unbekannteu Mannern besucht. 
Sie brachten am nächsten Tage Kinder zur Welt. Es stellte sich 
heraus, dass die Väter dieser Kinder der Hammer und Spähne vom 
Bauplatze eines Boo ts -Zimmerm anns waren. — Boas: „Verh. u 
1891 S. 571 2. 



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— 35 

Ein blinder, alter Mann ward wieder sehend, indem 
eine Gans ihn auf ihren Rücken nahm und mit ihm unter- 
tauchte 25 ). Damit gewinnen wir die zweite Anknüpfung 
an die geschnitzten Darstellungen des Totenschiffes. Der 
Mann, der in der Umkehrung tot mit gebrochenem Auge 
in das Jenseits getragen wird, kann wiedererkannt werden 
in Tauzrasseln, die einen ähnlicheu Vogel darstellen, auf 
dessen Rücken ein Menschenkopf liegt 26 ). 

Um zu zeigen, in welcher Weise die nordamerikanischen 
Mythen dieser Art umgebildet siud, will ich vor der Be- 
sprechung der Schnitzwerke uoch die Lesung einer Ahneu- 
mythe der Bilqula versuchen. Suq sandte Isyuyot zur 
Erde hinab. Der Donnervogel trug ihn durch die Welt. 
In einem Orte oberhalb Nutleb wünschte Isyuyot zu bleiben. 
Er machte ein Boot, das er schön bemalte und schnitzte. 
Mit diesem fuhr er den Fluss hinab und traf in Nutleb 
mit vielen Häuptlingen zusammen. Es wird erzählt, dass 
er die Sonne in der Kiste Nusquemta .bewahrte und dass 
er eine Tochter hatte, welche der Rabe schwängerte und 
als deren Kind er die Sonne befreite 27 ). 

Isyuyot ist also der Ahn. Er fährt im Vogelboote 
ins Jenseits und trifft in der Seelenstadt der „Vornehmen'' 
mit den Standesgenossen ein. Die Seelen der Vornehmen 
folgen der Sonne. Er versinkt mit ihr in der Unterwelt, 
vom Vogel getragen. — Eine grössere Verwirrung durch 
Umkehrung ist kaum denkbar. Dass auf diese Weise die 
niedere Mythologie mit all den Zügen, die den Todes- 
erscheiuuugen entspringen, in den Kreis der höhereu 
hinaufwächst, dass alle Todes- in Anfangsmythen verwandelt 
sind, das haben wir jetzt erkannt, und auf der Basis dieser 
Erkenntnis des Formwesens und der Motive können wir 

") Boas: „Verli." 1893 S. 4(>5. 
— 2C ) Heler 8. 238. Nr. 40. 

27 ) Boas: n Verh. a 1895 S. 192. 

. 3* 



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— 3ti 



die plastischen Ausdrucksforinen des nordwestanierikanischen 
Tötensen iffes und seiner Verwandten im Westen auch 
wohl lesen. 

Wie schon gesagt haben wir in den Tanzrasseln das 
Widerspiel der ozeanischen Totenschiffe nach Schurtz vor 
uns. Schurtz hat seine Arbeit lediglich der niederen 
Mythologie gewidmet. Seier die seine der höheren. Diesem 
letzteren ist daher die Beziehung der Toten zur Sonne 
(siehe Kap. 9) nicht bekannt geworden. Thatsächlieh hat 
er aber recht, wenn er die Zeichnung auf der Brust der 
Rabenrasseln (z. B. Taf. I Fig. 9) als Sonnenbildnis be- 
trachtet. 

Das Schnitzwerk ist den Toten gewidmet, das zeigte 
schon Fig. 1 1 der Kopf mit dem Vogelhut. Auch entspricht 
die Mythe, die mit diesen Gegenständen verbunden ist, 
unserer Deutung vollständig. 

Diese Rasseln repräsentieren nämlich nach Swan den 
Raben. Der Mann auf dem Rücken ist Oolalla, der in den 
Bergen lebte, auf einer Bootsreise aber umschlug und bei- 
nahe versank. Kr frisst von Zeit zu Zeit Kinder 28 ). Wenn 
wir die Sache ein wenig herumdrehen, kommt ein ganz 
klarer Text zum Vorseheiu. Vor allem ist die Figur nicht 
Oolalla 29 ) selbst, sondern der Mann ist eine Seele, die dem 
Zuge der Sonne folgt, von ihr dah ingetragen wird. Die 
Sonne aber steigt im Osten in den Bergen empor, 
senkt sich im Westen in das Meer, womit das bei- 
nahe Umgeschlagen im Kahne bezeichnet ist. Die 
Sonne, der die Seelen folgen, ist die Kinder Stehlende. 

Nun können wir guten Mutes den Vergleich mit den 
oceanischen Geschwistergestalten unternehmen (Taf, I). Den 

*•) Niblack 8. 324. Schurtz: „Augenornament" S. 85/8«. Seier 
S. 243, vgl. Jakobsen S. 29. 

J ") Eft scheint nicht ganz ausgeschlossen, das» in „Oolalla 4 * da» 
mnlaische Wort für „Sonne* 1 cuthalten ist: La, Ra od AI. 



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— 37 



Knjalan (Fig. 1) hat Schnrtz schon als den Toteuvogel erkannt, 
derden von totemistischen Tieren begleiteten Geist ins Jenseits 
befördert. No. 2 stellt eine neuirländische Maskensch nitzerei, 
ein mit den Zähnen zu erfassendes Stuck, dar. Leicht 
erkennbar ist der Buceroskopf und die Schlange, die er 
im Schnabel hält, Er ist mit den menschlichen Extremitäten 
ausgestattet. Der Leib ist ein gebogener Stab. Der 
darüber befindliche Kreis mit den Dreiecken ist möglicher- 
weise als Sonne zu denken. Hinter den Füssen, über dem 
Körper läuft die vorn die Schlange wieder berührende 
Schwanzfeder 30 ). An der linken oberen Ecke ist das tote- 
mistische Tier, der Fisch, zu finden. Sein weisser Schwanz 
ist abgebogen und ragt in der Mitte der oberen Kante des 
Schnitzwerkes in die Höhe. Feststellen möchte ich nur 
noch, dass hier die Figur des Menschen mit der des Vogels 
zusammengefallen ist. 

Im weiteren verdient eine Erscheinung Beachtung. 
Der Knjalan zeigt das sehr selbständig ausgebildete Horn 
des Jahrvogels. Es ist im Begriff, sich in eine nach hinten 
gebogene Spirale umzugestalten, wogegen der Flügel geneigt 
erscheint, eine nach vorn gerollte Spirale zu bilden. Das 

so ) Eine Betrachtung belebter Schwänze bei Fisch und Vogel 
scheint nicht zwecklos. Die Neu-Meeklenburger Schnitzereien bieten 
reiches Material an Vogelschnitzereien, welche die Seele in die 
Schwanzfedern geklammert, darstellen. — Der Himmelsvogel der 
Tlingit und Koloschen besitzt einen besonders langen Schwanz. 
Erman Bd. II S. 373. Krause: „Tlingit" S. 255. - Der Walfisch, 
der den Haben verschlungen hat, hat einen als Kopf gebildeten 
Schwanz. Niblaek Taf. L II Nr. 283 und Nr. 280. — Demnach ist 
auch eine von Seier besprochene Darstellung: der Vogelschwanz als 
Schopf einesVogelkopfes keine alleinstehende Thatsaehe (Taf. I Fig 9) 
vielmehr etwas echt malaisches; denn auch die Hinterteile der Maori- 
kühne zeigen den mit dem Menschen verbundenen Vogelschwanz. 
Z. B. Dumont D'Urville Taf. 34 Nr. 3. Auch auf den Knjalans steht 
der Mann respect, die Seele auf dem Schwanz des Vogels, vgl. 
Taf. 1 Fig. I. 



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— 88 — 



Basisstück eines Kamerunerschifts- Sehnabels (siehe ent- 
sprechende Publikation Taf. 1 Fig. 6 und unsere Taf. 1 
Fig. 3) lässt dieselben wieder erkennen, ebenso wie die 
Schiffsschnabel der Maori (Fig. (> und Fig. 7). 

Die Schiffe der Maori sind oft als Totenschiffe gestaltet. 
Am Vorderteil ragt der Vogel hervor 31 ), wenn es nicht 
mehrere Vögel hintereinander sind 3 ' 2 ). Am Hinterteil ist 
der Schwanz oft mächtig in die Hohe gebogen. Manchmal 
steht der Geist an den Schwanz gelehnt, manchmal befindet 
er sich auf dem Vogelvorderteil, und das (Fig. 5) ist der 
wichtigere Fall. 

Die euge Verwandtschaft der Form Fig. "> mit dem 
nord westamerikanischen Totenschiff Fig. 8 ist frappierend. 
Der Geist beisst bei beiden in den Schwanz einer Schlange, 
die wiederum vorn in den Kopf des Vogels beisst. Für 
Oceanien ist die Bedeutung der Schlange als gleichbedeutend 
mit Seele und Feuer im Schnabel der Vögel schon be- 
sprochen worden. Auch in Afrika ist das Problem dem- 
entsprechend gelöst ( vergl. Kap. 4 und 5). 

In Nord -West -Amerika finden sich aber auch schöne 
Parallelerscheinungen. Cook bildet eine Vogel maske der 
Nutka ab, deren Schnabelspitze in ein Menschengesicht 
ausläuft. Einen Menschenkopf tragt ein als Vogel dar- 
gestelltes Sonnenbild im Mund. Und das ist sicher vielsagend. 
Soust ist häufig ein Kupferstück im Schnabel der Raben- 
rasseln anzutreffen. Das Kupfer ist das Sinnbild des Feuers 
oder der Sonne. Bemerkenswert ist fernerhin, dass die 
Sonnenhelden zur Probe einen glühenden Stein in den 
Mund nehmen müssen und dass der Himmelsvogel einen 
Schnabel so fest wie Eisen hat. Endlich besitzt der Donner- 



S1 ) Taylor 8. 125. 

") Sihurtz: „Einleitung* 8. 41. Blight Tat'. III Fig. 4. 



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— 3<) 



vogel, der hierin, wie öfters, seine Rolle mit dem Raben 
vertauscht zu haben scheint, eine Schlange als Gürtel 33 ). 

Nehmen wir dazu, dass die Rabenmythen von der Be- 
freiung der Sonne doch auch als eine umgebildete Seelen- 
fahrtsmythe erklärt werden muss, so tritt die Parallele 
Seele — Feuer doch recht deutlich zu Tage. Hier, wo die 
Schlange an Stelle des Kupferstückes und des Menschen- 
kopfes erscheint, ist es also wohl berechtigt, die Schlange 
als Seele aufzufassen. 

Zu dieser formalen Aehnlichkeit tritt nun die in An- 
merkung besprochene Eigentümlichkeit der Schwanzbildung. 
Damit dürfte sowohl die Motivgleichheit als das Motiv: 
r die vom Vogel-Sonnen-Kahn ins Jenseits getragene Seele" 
nachgewiesen sein. 

Meine Aufgabe ist somit gelost. Die Bindeglieder 
zwischen Schurtz s und Seiers Ergebnissen sind gefunden, 
die Ideenverwandtschaft der oceanischen und nordwest- 
amerikanischen Mythologie noch schärfer hervorgehoben. 

Ich betrete die australische Nebenprovinz mit viel 
unbedeutenderen Hilfsmitteln. Das verhältnismässig sehr 
geringe Material kann nur ausreichen, die Oleichartigkeit 
bestimmter Züge der australischen Mythologie mit der 
oceanischen nachzuweisen. 

Wenn Krankheit und Tod einem Vogel zugeschrieben wird, 
der die Lebenskraft zerstört, so ist damit der Anschluss an 
die Mythe: der Vogel trägt die Seele ins Jenseits, gewonnen. 
Weiterhin erzählt eine Mythe, dass vor den Menschen das Land 
von Vögeln bewohnt gewesen sei. Das heisst nach der Um- 
kehrung, dass die Seele nach dem Tode in Vögel einziehe 3i ). 

aa ) Cook 3. R. Bd. II Taf. 40. Seier S. 215 Nr. 5 a. Schurtz: 
„Augenornament* 8. 88/9. Scler 8. 215. Erman Bd. 11 8. 273. Boas: 
„Verh." 1892 S. 35, 8. 36, 8 344. 

") Angas Bd. I 8. 110. Brough Smith Bd. I 8. 430. 



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■ 



— 40 - 

Der Tod tritt mit dem Licht schon insofern in Be- 
ziehung, als dejr Ruf der Nachteule den Tod verkündet 35 ). 
Der Wegweiser der niederen Mythologie weist also auch 
hier zum Licht und zum Vogel. Der Sonnenvogel der 
australischen Mythologie ist die Krähe. Daneben ist der 
Adler der Herrschende. Adler und Krähe haben im Vogel- 
lande in der vormenschlichen Zeit geherrscht. Sie haben 
die Welt geschaffen. Allerdings muss auch hier hinter 
dem „geschaffeu u ein Fragezeichen gemacht werden. Ks 
scheint auch die Thätigkeit der Krähe eine r weltordnende" 
zu sein, wenigstens hat sie den ersten Hegen gesandt 36 ). 

Sonne und Krähe sind oftmals eins. Als zu einem 
Corrobberri Waung, die Krähe, die Seinen zusammenruft, 
machten sie ein grosses Licht in der Luft. Waung wird 
gefangen, getötet, lebt aber wieder auf wie die Sonne auf- 
geht oder wieder erscheint. Au die oceanischen Tangaroa- 
Mythen erinnert es, wenn im Anfange die Sonne ein Emu- 
Ei gewesen sein soll, das ein kleiner Vogel präparierte und 
in die Luft warf« worauf es auf der Erde Licht ward 37 ). 

An die der primären Mythenbildung entspringenden 
oceanischen Feuerdiebstahl -(Maui-) Mythen klingt es oft- 
mals an. Waung stiehlt das Feuer, das in einem Stabe 
enthalten ist. Oder, der Mann, der das Feuer stahl, ist 
zum Vogel mit dem roten Male auf dem Schwänze ge- 
worden. Ich erinnere an das oben über die Schwänze der 
Totenschiff- Vogel gesagte! Mit einem Worte, wir stossen 
hier auf die Todtenschiffmythe, an die um so eher erinnert 
werden darf, als die Bestattung in Booten nicht fehlt 38 ). 

") Priehard: „Ozeanien" 8. 285. Auch sonstige Vogelorakel 
Howitt S. 254. 

*•) Brough Smith Bd. I S. 423, S. 4<>2. 

37 ) Brough Smith Bd. I S. 428, S. 451, S. 432. 

S8 ) Brough Smith Bd. I S. 434, S. 4f»0, 8. 459, S. 458. Anga» 
Bd. II S. 228. 



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41 - 

Typischer aber ist die Flutmythe, die hier kurz be- 
sprochen werden mag. — Wie gesagt, lebten vor den 
Menschen Vögel auf der Erde, unter denen Adler und 
Krähe herrschten. Das Kind des Adlers war der Krähe 
anvertraut. Diese führte es zur Tränke. Der Leib des 
Kindes schwoll dabei mächtig auf. Waung warf darauf 
einen Gegenstand auf seinen Leib. Da platzte das Kind 
und die Flut brach über das Land herein 39 ). 

Auch auf den Fidji ist der Tod eines Vogels die Ur- 
sache der Flut. Nach Maori-Mythe entsteht die Flut, als 
Maui das Feuer gestohlen hat 40 ). 

In Nord-West- Amerika treffen wir die Lösung dieser 
Flutsagen. Als Jelch die Sonne befreit hat, steigt die 
Flut mächtig; das ist die oceanische und die gekürzte 
australische Form. 

Nun ist aber im allgemeinen der Rabe der Herr der 
Fluten, der mit seinem Hoote die Flut heraufbeschwört. 
Die Eigenarten dieses Bootes habe ich besprochen. Es 
ist das Heisch(Seelen-)fressende Totenschiff-Sonnenboot. 

Noch näher kommen wir aber dem Kern der Mythe, 
wenn wir hören, dass Jelch mittelst seines Hutes die Flut 
macht. Die andere Eigenschaft des Hutes ist die des 
Todesvogels. Er trägt die Seelen hinfort, hat die Form 
eines Vogels 41 ). 

Die Seeleu folgen der Sonne beim Untertauchen in 
das Meer. Das ist die wichtige und richtige Lesart der 
Mythe, sowohl der oceanischen als der nord-west-amerika- 
nischen, als auch der australischen Form. 

**) Brough Smith Bd. I 8. 430. 

*°) Williams: .Fidji- Bd. I 8. 252. Bastian: „Hawai" 8. 100. 
41 ) Fluthhut: Boas: „Verh,* 1«95 8. 218, 219. Todeshut: 
Krause: „Tlinkit* 8. 225. Boas: „Verh.* 1898 8. 447. 



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■ 



III. Kapitel. 
Die Vogelmythe in Afrika. 

Die afrikanische Mythologie. Nashornvogel, Rabe, Krähe, 
Hahn. — Verhältnis der höheren und niederen Mythologie im Osten 
und Westen de» Oeeanier. Der Vogel trägt die Seele ins Jen- 
seits. — Die Belebungskraft des Vogels. Die Seele als Vogel. — 
Seele und Kahn. — Vogel und Totenschiff. — Der Lichtvogel. — 
Liehtvogeltotenschiff. — Vogelorakel. — Die Vogelmythe. 

Die afrikanische Vogelmythe ist schon im „ Schiffs- 
schnabel behandelt. Die Hauptzüge sind dort dargestellt. 
Aber mancher neue wichtige Anschlus ward seidem gefunden, 
besonders sind die Sonnenmythen seitdem erst entdeckt. 
So ist eine Neubesprechung sicherlich mit Resultaten ge- 
krönt. Das bisherige Studium der afrikanischen Welt- 
anschauung hat mich gelehrt, dass ihre Art von der 
ozeanischen und nordwestamerikanischen infolge der Ver- 
kümmerung der hohen Mythologie sich unterscheidet. Im 
Osten verkümmerte die niedere, in der äussersten Provinz 
verschwanden alle das Seelenschicksal angehenden Mythen 
fast gänzlich. 

Die afrikanische Weltanschauung muss als eine ein- 
förmige, niedere angesehen werden. Alles Interesse 
konzentriert sich um das Seelenschicksal. Unterschiede 
formaler und ideeller Art in den einzelnen Provinzen können 
nicht verkannt werden, sind aber bei weitem nicht so gross 
wie im oceanischen Gebiet. Mau denke an die Mythologien 
Polynesiens und Melanesiens! Es ist zunächst hier das 



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— 43 



antbropogeographische Problem zu betonen. Die afrikanische 
ist eine kontinentale Weltanschauung. 

Neben diesem Form pro blem drängt sich die Frage 
nach den Motiven in den Vordergrund. Dass dieselben 
infolge des Fehlens jeder durchgehenden mächtigen Dichtung, 
Weltvorstellung, Schöpfungsgeschichte, hoher und klarer 
Göttergestalten, sich nur in den unteren Schichten aus- 
breiten, Lebenskraft gewinnen konnte, ist leicht verständlich. 
Wenn wir die Spuren degenerierter, hoher Mythen antreffen, 
so werden wir vor die Frage nach ausserafrikanischer Ab- 
stammung gestellt. 

Schon auf den ersten Blick tritt der grosse Unterschied 
der östlichen hohen und der westlichen niederen Mythologie 
hervor. Der Nashornvogel ist der Totenvogel der Oceanier 
(nach Schurtz), der Rabe der der Nutka, die Krähe der 
der Australier. Wenn auch andere Vögel auftreten, so 
kehrt die Mythenbildung doch immer wieder zur Verwendung 
dieser Haupttypeu zurück. In Afrika fehlt diese ausgeprägte 
Gestalt. Hahn und Huhn sind die einzigen öfter auf- 
tretenden. Sie sind bedeutungsvoll für die Sitten, im 
Kultus. Damit gewinnen wir aber auch sofort den Anschluss 
an die indonesischen Gebräuche. In der indonesischen 
niederen Mythologie erscheint nämlich gerade wie in der 
afrikanischen das Huhn im Vordergrund. Ausserdem 
muss es auffallen, dass in beiden Gebieten die Schlüsse 
auf die Motive aus den Sitten, dagegen in den anderen 
Provinzen aus den Mythen gelesen werden müssen. 

Ist der Blick auf diese Erscheinung erst aufmerksam 
geworden, so ist es nicht schwer, einen grossen Zug zu 
entdecken. Auch im östlichen Gebiete findet sich eine 
Entwicklungsskala. Je weiter von Indonesien dem Osten 
zu wir uns entfernen, desto mehr verkümmert die niedere 
Mythologie. Und umgekehrt: von Nord -West- Amerika, dem 
charakteristischen Boden der einförmigen höheren Mythologie, 



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— 44 — 



aus betrachtet, kann das Anschwellen der niederen und 
das Verkümmern der höheren bis zum Alleinherrschen der 
niederen und dem fast völligen Verschwinden der höheren 
Mythologie in Afrika als nicht nur merkwürdige und sicher 
nicht zufallige, sondern auch für manches Problem ausschlag- 
gebende Thatsache beobachtet werden. 



Die Mythe vom seelenführenden Vogel tritt in Afrika 
sehr hübsch klar hervor. Ehe der Tote ins Grab gelegt 
wird, schlachtet der Kassenti- Priester ein weisses Huhn 
und besprengt Leichnam und Leichenbahre mit dessen 
Blute. — Ehe über dem Leichnam eines Kakongo- Fürsten 
nicht ein Hahn geopfert ist, darf sein Nachfolger nicht 
den Thron besteigen. — 80 wird an der Goldküste und 
bei den Bullom das Grab mit Hühnerblut besprengt, in 
Kallabar neben dem Kinderopfer ein Hahn aufgehängt. 
Es ist dasselbe Huhn, das bei den Yoruba als Adire-irama 
„the fowl that buys the road", d. h. „that opens a right 
of way" dem Leichnam beigefügt wird oder es ist, um 
mit einem alten Bericht derselben Sitte an der Goldküste 
zu reden, „der Fetisch, der den Leichnam in die andere 
Welt begleiten soll" 

Noch aus anderen Melodien klingt dasselbe Motiv. 
Einer Wanika-Frau sollte ein Geist ausgetrieben werden, 
denn sie war besessen. Sie trug ein weisses Huhn. Lärmend 
folgte ihr die Menge. Im Meere badete sie, darauf ward 
das weisse Huhn mit Opfergaben in eine Schachtel ver- 
schlossen und diese ins Meer geworfen. Wer die weisse 
Henne essen sollte, der wird von dem ausgetriebenen Geist 

') Oldendorp 8 331 2. Bastian: „San Salvador" S. 58. Ellis: 
„Yoruba* 8. 128 und 160. Ks sind in diesem Kapitel nur die neuen 
Quellen angeführt; früher verwandtes Material ist „K. Schiffsschnabel" 
8. 51 ff. belegt. 



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- 



45 . — 

• 

besessen werden 2 ). Halm erzählt eine Mythe der Ova 
Herero. Eine verfolgte Frau besteigt einen Baum. Die 
Männer, die nicht nachzukommen vermögen, nahen mit 
Aexten, den Stamm zu fällen. Da kommt der Geängsteten 
mit weitausgebreiteten Schwingen ein Geier zu Hilfe, bietet 
ihr den Rücken und trägt sie hinweg in Sicherheit 3 ). 

Der Vogel, der die Seele ins Jenseits trägt, muss auch 
dem Bildnis, das belebt werden soll, den Geist einhauchen. 
In Guinea ward die Belebung einer hölzernen Statue da- 
durch bewirkt, dass ein Huhn in sein hohles Innere geworfen 
ward, sodass mit dem dem Tiere entströmenden Blute 
Lebenskraft in das Bildnis drang. Um mit den Geistern 
der Toten in Verbindung zu treten, besprengt der Ewe 
Ganga das Lehmbild, der Somrai den heiligen Pfahl mit 
Hühnerblut. Die Wassambara bespritzen die Heiligtümer 
mit Hühnerblut, um die beleidigten Dorfgottheiten zurück- 
zurufen. 

Ein Beweis der Eigenschaften, die somit auf den Vogel 
übertragen werden, spricht aus den Mitteilungen, dass, um 
die Felder fruchtbar, zu machen. Eier in den Boden gesteckt 
werden, dass junge, unverheiratete Weiber keine Eier essen 
dürfen, da bei etwaigen unerlaubten Liebeshändeln un- 
angenehme Folgen daraus folgen könnten 4 ). 

Es tritt der Hahn, der einfachen Umkehrung ent- 
sprechend, auch als ein die Menschen schon bei der 
Entstehung begleitendes Tier auf 5 ). Aber während so 

'-) Krapf Bd. I. S. 255. 

8 ) J. Hahn: „Ovaherero" 8. 507/8. 

*) Andererseits erfolgt eine gewisse Scheu vor Vögeln, zumal 
Hühner, die in Speiseverboten oder Schutssgeboten sich äussert. 
Z. B. Isert 8. 25, S. 211. Crowther: „Dictionary" S. 210. Hilde- 
brandt 8. 378. „Westafrican 8ketsches tt S. 50. Goldie S. 16. Prichard: 
„Afrika" S. 309. „Kamerun, Land, Leute und Mission 44 8. 30. 
Eniin 8. 344. 

5 ) Crowther: r Gramraar" S. I ff. Bastian: „Loangoküste" Bd. II 
8. 218. 



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— 4(» 



» 

wenigstens an einigen Funkten die Mythe ein Bedürfnis, 
sich nach oben zu entwickeln, zeigt, bieten ihre Formen 
doch viel mehr Kümmererscheinuugen. Vielmals ist zu 
lesen, wie die Seele selbst zum Vogel ward. 

Die Totenschiff- Mythe, als die von dem Vogel der die 
Seele als Kahn ins Jenseits tragt, ist in Afrika naturlich 
verblasst. Aber nachweisen lässt sie sich. 

Zunächst interessiert die Fahrt der Seele im Kahne 
ins Jenseits. Da ist vor allem die Seelen wanderungs- Mythe 
der Ewe zu erwähnen, von der eine weitere 6 ) Lesart 
folgen möge 7 ): 

Man giebt den Toten, Männern und Weibern, eine 
Pfeife und Tabak mit ins Grab. Das hat seinen guten 
Grund. Alle Toten müssen den Fluss Volta passieren. 
Ein altes, hässliches Weibsbild, das mit Wunden bedeckt 
ist, sitzt in der Nähe und sucht die reisende Seele auf- 
zuhalten. Kommt diese zu ihr ohne Pfeife, so muss sie 
bei ihr bleiben und ihr die Wunden lecken. Vor dem 
Feuer hingegen ist ihr bange, und wenn sie die an- 
gezündete Pfeife sieht, ruft sie: „Eilet mit Euerer Reise ! u 
Au<h spricht man von geistigen Fährleuten, die gegen 
Erlegung von demjenigen, was der Tote mitbringt, ihn 
über die verschiedenen Arme des Flusses setzen und zuletzt 
zu einer grossen, sandigen Ebene bringen, die gegen die 
Mündung desselben liegt. Hier sollen sich die Geister 
nachts haufenweise versammeln. 

Dem entspricht es, wenn in manchen Gegenden die 
Leichen in Kähnen beigesetzt werden, wenn die Leichen 
der Muata Yamvos in den Kalangibach geworfen, statt in 
der Erde beigesetzt werden. Die Baschilange begrüssten 
die ersten Weissen als die aus dem Maji Kalunga, dem 
Geisterwasser, Zurückgekehrten, und ähnliches ist aus dem 

g ) „Schiffsschnabel" S. :*7 ff. 
7 ) Monrad 8. 1<>. 



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— 47 — 

Empfang Brües auf den Bissagos-(Los-)lnseln zu schliessen. 
Die Ssongo, Otschi und Bakwiri empfangen die Mitteilungen 
der Ahnen aus einem Wasserbecken. 

Die Einwohner Nord- Guineas endlich sagten Bossmann 
direkt, dass sie „den Ort künftiger Glück- oder Unglück- 
seeligkeit an irgend einem Orte in der See" vermuteten. 

Andererseits lassen sich auch Spuren der Beziehungen 
des Vogels zum Wasser nachweisen, wenn auch die Östliche 
Flutmythe fehlt. Wenn der Nashornvogel krächzt, kommt 
Regen. Die Geier werden zur Gottheit gesendet, wenn 
Regenmangel eintritt 8 ). 

Und nun das Verhältnis: „Vogel — Kahn — Seele". 
Um Sc Iiiifen eine günstige Fahrt zu sichern, verrichtet man 
in Kalabar unter Anrufung der Ahnengeister folgende 
Zeremonien. Man opfert eine Henne. Dieselbe wird lebendig 
mit einem Fusse an eine lange Stange gebunden. Am 
audern Fusse hat sie einen kupfernen Ring. In diesem 
Zustand lässt man das Tier verhungern. Lander musste 
auf seiner Rückreise aus den Haussa- Ländern den Müsse 
überschreiten. Da dieser Fluss als sehr gefährlich bekannt 
ist, tötete der Führer ein Huhn und sprengte das Blut in 
den Fluss. Einen Teil der Eingeweide legte er in den 
Vorderteil des Kanoes, ein zerbrochenes Ei in den Hinter- 
teil. Dass der böse Geist der Wanika-Frau in einer weissen 
Henne und in einer Schachtel im Meere ausgesetzt wurde, 
ist schon erwähnt. 

Sonst kommen Verzierungen au Booten selten vor 9 ). 
Um so auffälliger sind die weissen Hennen aus Bugspriet 

*) Emin S. 93. Steiner: „Globus" S. 134. 

*) Erwähnenswert ist die Stange im Vorderteil der Bube-Canoves, 
(Bauinann: „Fernando Po* 8. 38.) dann die sonderbare Verzierung 
der Wagandaboote. (Siehe Tiedcniann, Peters, Speke, Junker Bd. III 
S. 684. Ratzel: „Völkerkunde' 4 1. Aufl. Bd. I. S. 4K4. Stuhlmann 
8, 145.) Endlieh die Klingelstange am Bug der Boote vom Uelle. 
(Jean Üybowski 8. 201.) 



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— 48 



der Wabunia und Babangikähne. Besonders charakteristisch 
ist aber der Kameruner Schiffsschnabel, der als die stili- 
sierte Form eines Vogels (siehe Tafel I. Fig. 3) mit darauf 
stehenden von den totemistischeu Tieren begleiteten Seele 
erkannt worden ist 10 ). 



Dem afrikanischen Todtenschiffmythus fehlt auch die 
Lichtvogelidee nicht. Dass die Seelenschicksale mit dem 
Lichte der Sonne in irgend eiuer Weise verbunden sind, 
lässt sich schon aus der mystischen brennenden Pfeife der 
Akkratodten schliessen. Ich will hier diese Ansicht be- 
stätigen. Ein spateres Kapitel wird völlige Klarheit 
bringen. Nach nigritischer Anschauung folgt die Seele 
ebenfalls der Sonne. 

Aber auch Vogel und Sonne sind in Beziehung zu 
setzen. Dass weisse Hühner eine besondere Rolle spielen, 
wird schon aufgefallen sein. Beim Opfer werden die Tiere 
dieser Farbe stets bevorzugt 11 ). 

Dazu kommt, dass die Eweer das Huhn als den Freund 
des Feuergottes bezeichnen 12 ), dass Khevyosoh der 
Gew ittervogel, die Inkarnation Lisa s, des Sonnen- 
gottes, in Dahomeh ist 13 ), Khebieso 14 ) (Schlegels Lesart), 

10 ) Ueber die neueren Auslegungen dieser Verzierungen am 
Bugspriet der Dualla-Canoes vergleiche „Ursprung der afrikanischen 
Kulturen" S. 336 ff. Der ursprüngliche Sinn scheint stark verwischt 
oder ganz verdrangt. Das ist leicht verständlich. Die Dualla haben 
nämlich, als sie aus dem Hinterlande an die See vorrückten, dieses 
Schnitzwerk von ihren Vorgängern an der Küste übernommen. Und 
vielleicht waren auch diese ursprünglich ein Iniandvolk. 

n ) Dybowski S. 331 und 334. Spieth 8.75,76,53. Winterbottom 
S. 292. Büttikofer Bd. I S. 333. 

>*) Schlegel S. 15. 

13 ) Skerchley S. 473. 

u ) Auch bei den Betschuanen findet sich die Gewittervogelmythe, 
vergl. Moffat S. 338. 



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- 49 — 



fliegt durch den Khekheme genannten Raum zwischen 
Himmel und Erde dahin. Im Khekheme leben nur die Vögel. 

Durch Khekheme steigen die Geister der geopferten 
Hühner zu Mavou empor, wahrend die Körper auf der 
Erde bleiben 15 ). So steigeu die Vögel, die Hühner mit 
den Seelen der Toten der Sonne, dem Lichte nach empor 
ins Jenseits. Es sind weisse Hühner. Der Seelenführer , 
hat die Farbe der Sonne, er ist weiss. 

Der Hahn ist ein Lichtvogel. Deshalb verkündet er 
des Morgens die aufsteigende Tageshelle und deshalb darf 
er nicht vor Tagesgrauen krähen. Wenn er dennoch so 
gegen seine Art handelt, dann wird er getötet 16 ). 

Deshalb sind die ruhelosen, unbefriedigten Geister 
bei den Bongo und auf Madagaskar Nachttiere, Fleder- 
mäuse und Eulen 17 ), am Congo aus dem Jenseits zurück- 
kehrende Seelen Nachtvögel. 



Gleichwie in Oceanien ist die Bedeutung der Vögel 
für Orakelei sehr gross. 

Die Beobachtung des Vogelfluges liefert in ganz Afrika 
wichtige Entscheidungen. Der gemeinsame Zug mehrerer 
Raben galt im alten Congo als ein sehr schlimmes Zeichen. 
Man hielt diese für Ahnen, die gekommen seien, ihre 
Stammesbrüder von bevorstehender Gefahr zu benach- 
richtigen 18 ). 

15 ) „Und wenn der Opfernde der Seele des Huhnes Aufträge 
an Mawu giebt, wie ich es mit eigenen Ohren gehört habe, so 
gilt es eigentlich dem edro, der zugegen, oder gar als Seele im 
Huhne gedacht wird." Schlegel S. 15. 

'*) Bei den Ewe (Ellis: „Ewe tt S. 96); bei den Muschi-Kongo 
(Cavazzi Bd. I. 8. 344); bei den Südafrikanern (Livingstone: 
^MiHsionsreiaen* Bd. II S. 238.) Bei den Efik ist A b asi asuasua ein 
Nachtvogel. Abasi ist Gott. (Goldie S. 2, Bastian etc.) 

") Schweinfurth S. 121. Ehrmann 8. 134. 

») Cavazzi Bd. I S. 344, vergl. Casati Bd. I 8. 114. 
Frobeniua, Weltanschauung der Naturvölker. 4 



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50 - 



Die auch aus Oceanien bekannte Form des Orakellesens 
aus Hühnereingeweiden ist den Mandingo-Bambara und 
den Wagungo. Waruanda, Waganda, Warundi, Wanjamwesi . 
bekannt und von letzteren in Urua eingeführt 19 ). Gleich- 
falls den westlichen Oceaniern eigen ist die Sitte, aus der 
Lage des hingestürzten Opfertieres (Huhnes) Antworten 
auf die Fragen nach Zukunftsereignissen zu lesen. In 
Afrika ward der Glaube bei den Ewe, Lur und Somray 
angetroffen 20 ). 

Endlich muss noch das Tangenaordal erwähnt werden. 
Es wird dem Angeklagten entweder ein Stück Hühnerhaut 
und dann der Gifttrank, oder einem Huhne der letztere 
verabreicht. Flrbrechen oder Sterben entscheidet. Dieses 
ist eine Vermischung des bekannten Rothwasser- Ordales 
mit einem Vogelorakel. Die Verbreitung des Brauches ist 
interessant: sie erweist sich auf Madagaskar 21 ), bei Saude, 
Mangbattu, Aschanti, Bakuba. westliche Lunda. Barustse 22 ). 
Also im Osten fehlt er. 

Zum Schlüsse dieses Teiles können wir also sagen, 
dass die Vogelmythen in allen durchwanderten Provinzen 
auf dem gleichen Fundamentmaterial sich erheben. Die 
formalen Unterschiede scheinen grösser als sie es in Wahr- 
heit sind. Es wurde in allen Provinzen das gleiche Motiv 
wiedererkannt. Dazu ist jetzt schon in dem Verhältnis 
der hohen und niederen Mythologie eine gewisse Perspek- 
tive erkannt worden. 
. 

") Götzen 8. 83 und 120. Mackay 8. 155. Emin 8. 15. 

20 ) Ein interessantes Vogel-Orakel vom River Sinoe beschreibt 
Schön: Einem Huhnerpaar, Hahn und Huhn wird Reiss hingestreut. 
Entscheidend ist, ob die Tiere ihn aufpicken. Schön und Crowther 
S. 10 13. 

41 ) Ellis: „Hist. of Mad. u Bd. I 8. 464, 471, 479, 481. 
**) Livingstone: „Missionsreise 44 Bd. II S. 282. 



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IV. Kapitel. 

Die Fananj mythe in den östlichen Provinzen 1 ). 

Das Motiv. — Oceanien. — Die Mythe auf Madagaskar. — 
Untergang und Weiterbestehen. — Belebungskraft. — Auffangen 
des Atems und des Mundschaumes. Trinken der Vcrwesungs- 
sauce. — Beschmieren mit derselbeu. — Entweichen der Flüssigkeit. 

— Ableiten derselben in den Boden. — Die Eidechse im Magen des 
Menschen. — Kamahavaly. - Seelenwurm-Eidechse. - Entstehung 
des Menschen aus dem Wurm. — Entstehung der Schweine. — • 
8chweineaberglaube. — Analogie in Afrika. — Die Eidechse entsteht 
aus dem Menschen. — Der Eidechseglaube auf Neu-Seeland. — Die 
heiligen Gefässe der Indonesier. — Die Kawok. — Quellen des Ge- 
fassdienstes. Bestattung der ausgegrabenen Gebeine in Polynesien, 
in Melanesien. — Verschiebung des Schwerpunktes in den Sitten. — 
Die Mythe von der Entstehung der Töpfe. — Die „gana* der Töpfe. 

— Toteinistische Einflüsse. ■- Einwirkung der Vogelmythe. — Seelen- 
fangen in Gefässen. — Australien. — Die Verwesungssauce und 
das Nierenfett. — Eideihsenglaube. — Nord westamerika. — Frag- 
mente. ' — 

Es ist mir kein besseres Beweismaterial für die Ein- 
heitlichkeit der malajo-nigritische Weltanschauung bekannt, 
als der Cyklus der Anschauungen und Sitten, die mit der 
Fananymythe in näherer oder weiterer Beziehung stehen. 
Diese sonderbaren, oft ekelhaften Gebräuche, krausen und 
wunderlichen Vorstellungen in ihrem geschlossenen Auf- 
treten bilden den besten Gegenbeweis gegen die eventuelle 
Annahmen einer genetischer Verwandtschaft, und zwar 
liegt die Wucht desselben in der vollständigen Ueberein- 

') Aeltere Notizen über die Fanany-Mythe sind in: „Ein Motiv 
etc. u gegeben. 

4* 



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52 — 

Stimmung der Nebenformen, der Zweigspitzen, der Aus- 
läufer, die iu deii westlichen und östlichen Provinzen in 
gleicher Weise gestaltet und lebenskräftig sind. 

Die Fananymythe geht aus von der Anschauung, dass 
die Verwesungssauce im Kadaver des Menschen, resp. die 
in derselben lebenden Würmer der Sitz des entweichenden 
Lebens ist. Sie bringt mit dieser Flüssigkeit oder diesen 
Lebewesen die Eidechsen, Schlangen und Krokodile in 
Verbindung. Die Gefässe, in denen die menschlichen Ueber- 
reste aufbewahrt werden, sind heilig und nehmen gewisse 
Kräfte und Fähigkeiten au. 

Der Name Fanany ist die Bezeichnung, die einige 
Madegassische Stämme dem Seelenwurme geben 2 ). Das 
Fanany, das verschiedentlich als Kidechse, Wurm oder 
Schlange beschrieben wird, soll aus dem Leichname der 
Toten von adeligem Blute kommen und eine Verkörperung 
ihrer Geister sein. Der Körper solcher Toten wird nämlich 
so lange gepresst. bis eine faulige Flüssigkeit aus den 
Füssen hervorquillt, die in Töpfen aufgefangen und mit 
grösster Sorgfalt aufbewahrt und beobachtet wird. Denn 
der Leichnam darf nicht eher begraben werden als bis in 
einen der Töpfe sich ein kleiner Wurm zeigt. Zwei bis 
drei Monate sollen oft vergehen, ehe dies stattfindet. Wenn 
der Wurm etwas an Grösse zugenommen hat, darf man 
den Körper begraben. Der irdene Topf, in dem der Wurm 
sich befindet, wird in das Grab gestellt und vermittelst 
eines langen Bambusrohres, das durch eine Oeffnung an 
der Spitze des Grabes herausführt, mit der äusseren Luft 
verbunden. Nach Verlauf von 6 oder 8 Monaten soll der 
Wurm auf diesem ihm bereiteten Wege aus dem Grabe 
heraus und nach dem Dorfe kommen; er hat dann das 
Aussehen einer Eidechse und wird Fanany genannt. Die An- 

-) Sibree S. 570 und 329 30. 



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gehörigen des Verstorbenen müssen ihm entgegengehen 
und das Tier befragen ob sie in ihm ihren Verwandten er- 
kennen dürften; hebt die Eidechse den Kopf in die Höhe, 
so wird das als bejahende Antwort betrachtet. Um sich 
aber noch mehr zu versichern, wird ein Teller, von dem 
der Verstorbene seine letzte Mahlzeit genossen hat, herbei- 
gebracht mit einer Mischung von Rum und Blut von dem 
Ohr eines Ochsen gefüllt und vor das Fanany gestellt; 
trinkt es von dieser Flüssigkeit, so ist seine Identität 
zweifellos erwiesen. Nun breitet man ein reines Tuch am 
Boden aus, Iässt das Tier hinaufkriechen und trägt es dann 
unter Freudenbezeugung und Festlichkeiten in das Dorf. 
Schliesslich wird es wieder an das Grab zurückgebracht, 
aus dem es nach dem Glauben des Volkes gekommen ist; 
dort soll es bleiben, der Schutzgott des umwohnenden Volkes 
werden und zu einer ungeheuren Grösse erwachsen. 

Der eine Bericht giebt schon Veranlassung zu ver- 
schiedenen Abschweifungen. Der Leichnam darf nicht be- 
stattet werden, ehe das Fanany erschienen ist. Richardson 
hörte aus dem Munde eines Häuptlings, dessen Mutter ge- 
storben war: „Sie ist noch nicht in dem irdenen Topfe er- 
schienen, so kann ich ihren Leichnam auch noch nicht be- 
graben". Ks ist das die gleiche Zeit der Enthaltungsgebote, 
die so oft zwischen Tod und Bestattung, Bestattung und Toten- 
fest liegt, die Zeit in der die Seele noch nicht in das Jenseits 
wandert, die Umgestaltung sich vollzogen hat. Auch hier 
darf nicht gegraben und gepflanzet werden, bevor das Fa- 
nany erschien. Dem Niedergang auf der einen Seite (Tod 
des Menschen) muss ein Emporschwellen, Aufwachsen auf 
einer anderen Seite (die Entstehung des Wurmes) ent- 
sprechen. Ein volltändiges Absterben giebt es nicht, die 
Kraft, die hier aufhört, sich zu äussern, muss an einem 
anderen Orte lebendig werden. 

In der Anschauung der Battak finde ich einen ganz 



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54 



gleichen Zug 3 ). Am Sterbetage des Fürsten wird Reis ge- 
pflanzt. Der Leichnam wird nicht bestattet, bevor dieser 
Reis reif ist. Am Tage, wo der Tote beerdigt wird, wird 
dieser Reis gesehnitteu. Es beginnt an diesem Tage das 
Wehklagen sobald die älteste Frau einen Topf mit einem 
Teile eben dieses Reises am Schädel eines Opferochsen zer- 
schlagen hat. Hier entspricht der Topf mit dem neuge- 
wachsenen Reis, dem Topf mit dem neuentstandenen Wurm. 

Die Flüssigkeit im Körper ist für den Malaien der 
Lebenssaft. Die Gehirnsubstanz des Menschen hat die 
gleiche Bedeutung. Um die Panghulu balangs, Holzfiguren 
zu beleben, opfern die Battak eines Knaben Leben. 

Der Kopf wird abgeschlagen und in einem irdenen 
Topf unter einem Baume begraben. Später wird er wieder 
aus der Erde geholt, geöffnet, etwas von den inzwischen 
in Fäulnis übergegangeneu weichen Teilen des Kopfes heraus- 
genommen und eine Nabelöftnung an der Holzfigur gefüllt. 
Der Panghulu balang hat hierdurch seine Seele bekommen. 
Ebenso werden die Stammbaumschnitzereien belebt — 
Wenn die Menado — Alfuren zum Kriege ausziehen, stehlen 
sie Köpfe, kochen sie und trinken die Bouillon (Quaglio?) 
um sich unüberwindlich zu machen. Die Bewohner Gross- 
Serams meinen, die Europäer stellten ihre meisten Medi- 
kamente aus dem Gehirne des Menschen her 4 ). 

Auf Nias geht die Würde des Häuptlings auf den Sohn 
über; doch muss der Auserwählte den letzten Atemzug 
seines sterbenden Vaters aufgefangen haben, um in den 
ungestörten Besitz der Herrschaft zu gelangen. Rosenberg 
erzählt, dass es Fälle gegeben habe, in denen, falls der 
Sterbende mit dem Antlitz auf dem Hausflur gelegen habe, 
ein Loch in den Boden des letzteren gebohrt worden sei 

') Junghulm Bd. II 8. 189 ff. 

*) Bronner S. 22h. Rosenberg S. 59 00. Ribbe: „Gross-Seram 14 
8. 194. Junghuhn Bd. II S. 323. 



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— 55 



um so mit Hülfe eines Bambusrohres den Atem aufzu- 
fangen 3 ). Es ist das das Bambusrohr, mittelst dessen die 
Lebensflüssigkeit von den Madegassen und anderen aus 
dem Sarge in den Topf oder in die Erde abgeleitet wird. 

Die Parallele zu diesem Brauch der Niasser findet sich 
auf den Gilbert-Inseln. Die Verwandten und die Witwe 
schmiert sich mit dem dem Leichnam vor den' Mund ge- 
tretenen Schaum ein 6 ). 

Die Uebernahme der Lebenskraft eines Toten geht auf 
doppelte Weise vor sich. Die Verwesungsjauche wird ent- 
weder getrunken oder die Haut damit eingerieben. Auf 
Gross-Seram werden Porzellan-Schüsseln unter den Leichnam 
gestellt und die so aufgefangene Verwesungsflüssigkeit ward 
mit Arak vermischt getrunken. Auch wird der Arak 
über den Leichnam gegossen, sodass das Getränk, auf diese 
Weise gewürzt, auf ein schräges Brett tropft und nach dem 
in Schüsseln rinnt, auch wird erzählt, jeder Verwandte 
müsse ein Stückchen der Haut des Verstorbenen verzehren. 
Die Aaru-lnsulaner macheu es ähnlich, kennen aber noch 
ein zweites Verfahren. In den Boden der dem Leichnam 
als Sarg dienenden Prau wird ein Loch gemacht und die 
Verwesungssauce aufgefangen, um dies am Ende mit Sagu 
zu trinken. Es geschieht das, wie sie angeben, einmal als 
Beweis der Anhänglichkeit, dann um mit dem Toten in 
beständiger Gemeinschaft zu bleiben, endlich um des Toten 
Kräfte für Zauberzwecke zu gebrauchen 7 ). Die Dajak 

*) Rosenberg 8. 160. — Alt* Pomarri krank war, brachten »eine 
Tahitier den Körper eines Menschen, den Pomarri ca. 3 Wochen 
vorher geopfert hatte, herbei und legten ihn unter denselben. — Turn- 
bull S. 316. 

6 ) Gullick: „Mikronesia nautical Magacine* 1862 8. 411. Ratzel. 
„Völkerkunde" 2. Aufl. Bd. I 8.305. Finsch: „Ethnol. Erf. tt S. 313. 
Bastian: „Oceanien" 8.105. 

7 ) Ey»inga Bd. I S. 150, 8. 246. Ribbe : „Aru tt S. 191. Riedel 
S. 267. 



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— 1 



i 

— 56 — 

trinken die in Gefässen durch in das Unterende des schräg- 
stehenden Sarges eingelassene Bambusrohre und so auf- 
gefangene Sauce nicht immer; doch wird es auch berichtet. 
Es herrscht dabei der Glaube, in den Maden wohne die 
Seele des Verstorbenen 8 ). 

Weit nach Osten reicht diese Sitte und Anschauung. 
In Gana und Mota wurden die Körper der Verstorbenen 
über leichte Feuer auf Stöcke gelegt und die herabtropfende 
Flüssigkeit von den Frauen geschlürft. In Port Moresby 
drücken die Frauen die Jauche aus dem Körper des Ver- 
wesenden, beschmieren sich mit derselben und lecken sie 
auch wohl auf. Die Samoaner lassen den Leichnam auf 
der Erde verfaulen; sobald er aufschwillt, wird der Leib j 
durch ein Loch geöffnet und die Verwandten saugen ihn 
aus 9 ). Die Antakarana auf Madagaskar, die Motu in Port 
Moresby, die Bewohner von Jandena und Selaru und 
die Fidjianer beschmieren sich mit der Verwesungssauce 10 ). 

Die Niasser zwangen einen Sklaven, die Flüssigkeit 
aus dem Kadaver seines Herrn durch ein Bambusrohr zu 
trinken 11 ). Sobald er daran erstickt war. wurde er ent- 
hauptet und seinem Herrn nach in das Land der Toten 
befördert. Das ist schon eine Abweichung. 

Eine andere Umgestaltung der Sitte war auf Neu-See- 
land gebräuchlich. In einzelnen Landesteilen war es näm- 
lieh Brauch, dass die Witwe eine Decke über des Mannes 
Grab breitete, um darauf zu schlafen 12 ). Diese Angabe- 

8 ) Ratzel: „Völkerkunde* 2. Aufl. Bd. I S. 444,5. 

») Codrington S. 268. Chalmers and Gill S. 265. Finseh: „Ethnol. 
Erf. u S. 313. Mariner S. 309 10, engl. Ausg. Bd. 1 S. 375. 

,0 ) Riedel S. 308. Sibree 8. 270. Ratzel: „Völkerkunde" 2. Aufl. 
Bd. I S. 304. Williams: „Fidji* Bd. I S. 198. 

n ) Piepers im: „Intern. Archiv für Ethnographie 1 * Bd. I S. 198. 
Rosenberg 8. 158. 

,s ) Taylor S. 99. 



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— 57 - 

interessiert deshalb, weil sie anzeigt, wie weit in alten 
Zeiten die entsprechende Anschauung auch in Polynesien 
lebendig war. Leberhaupt giebt es eine weit grössere An- 
zahl von Mitteilungen über derartige Sitten, aus deren 
Uebung zu ersehen ist, dass ihr Sinn vergessen ist als 
solche, aus denen noch klares Bewusstsein der Eingeborenen 
spricht. Es soll das mit einigen Belegstücken erläutert werden. 

Die Bewohner Ponapes und der Palaus stopfen sorg- 
fältig alle Oeffnungen des Körpers zu (Anus -Wagina- und 
Urethra-Mündung), um zu verhindern, dass die Flüssigkeit 
des Innern sich durch die Oeffnungen entleere. Ks sollte 
dies hauptsächlich dem Geiste zu gute kommen 13 ). Die 
Dajak, Batak, Bewohner Aarus und Sillvattas bohren in den 
schräg gestellten Sarg ein Loch und leiten die Flüssigkeit 
entweder in den Erdboden ab oder in einen Porzellannapf 14 ), 
welch letzterer dann als Heiligtum aufbewahrt wird. 

Auf den Salomonen liegt die Leiche in einem Kanoe, 
dessen Kiel zum Durchlassen der Flüssigkeit mit Löchern 
versehen ist. Die zivilisierten Bali haben die Sitte ver- 
feinert. Die Fürstenleiche wird in einen durchlöcherten 
Sarg gebettet und täglich in abendlicher Stunde mit Blumen- 
wasser begossen. Ein wunderliches Reflexlicht der ursprüng- 
lichen Sitte lässt sich auf CJross-Seram nachweisen. Jede 
Prauw (Boot) nämlich, mit der zum ersten Male eine See- 
reise gemacht wird, muss vorher durch Oel geheiligt werden. 
Zu diesem Zwecke wird in den Boden des Schiffes ein 
Loch gemacht und unter verschiedenen Zeremonien Oel 
hindurchgegossen 15 ). In vielen Ciebieten, und so sicher war 

u ) Kubary 8.9. Finsch: „Ethnol. Erf. u S. 502. 

u ) Marsden S. 387/8. Rosenberg S. 333. Ribbe: „Aru u S. 192. 
Grabowsky: „Tod, Begräbnis 1 * S. 181, 8. 189. Die nördlichen Orany- 
Benua verbanden die Xase des Toten in der Erde mit der Erdober- 
flache durch ein Rohr. Newbold Bd. II S. 409. 

") Codrington 8.263. Junghuhn Bd. II 8.341. Ribbe: „Gross 
Seram" S. 187. 



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58 - 

es früher auch auf dieser Insel Sitte, werden neue Schiffe 
ebenso wie Gebäude mit einer Seele versehen, indem ein 
Mensch geopfert und das Fahrzeug mit dessen Seele be- 
dacht ward. Man denke an das Beleben der Ahneufiguren, 
wie es in diesem Kapitel schon beschrieben ist. Aus einem 
gleichen Ideenkreise hat sich sicherlich die Art der Boots- 
heiligung bei den Seramern herübergerettet in die Zeit 
menschlicherer Sitten 

Damit darf ich wohl diesen Cyklus von Sitten uud 
Anschauungen verlassen und mich den beiden verwandten 
der Eidechsen- und Topfverehrung zuwenden. 

Die Anknüpfung an die Fauanymythe bietet die Be- 
schreibung des Seelenwurmes, der als Eidechse sichtbar 
wird. Aber noch anderweitig tritt die Verwandtschaft der 
Mythe und des Eidechsenglaubens hervor. Die Neu-See- 
länder erklären nämlich den Grund des Todes folgender- 
massen: Eine Eidechse lebe in ihren Eingeweiden und zehre 
sie auf. Ein alter Manu erzählte Yate ganz ernsthaft, dass, 
als er krank gewesen sei, er den feindseligen Atua resp. 
Gott in Gestalt einer Eidechse habe seinem Munde ent- 
schlüpfen sehen, dass er von diesem Augenblicke begonnen 
habe, sich zu erholen, und dass er kurze Zeit darauf ganz 
hergestellt gewesen sei 17 ). 

Kin weiterer Rest der alten Sitte ist in dem Auspressen der 
Flüssigkeit aus dem Körper zu suchen, auch wohl in der heiligen 
polynesischen Sitte, die Gebeine des Toten abzukratzen, vergl. P'Al- 
hertis Bd. II S. 100—102. Haddon: „Secular* S. 22 ff. Pollack Bd. I 
S. 122. Schirren S. 90/1 etc. 

") Yate S. 141, S. 142. Pollack Bd. 1 S. 244, 8. 264. Taylor S. 84. 
Dumont IVUrville S. SO. „The New Zealandcrs u S. 231. Nickolaa 
8. 340, S. 342. Hienzi Bd. III S. 172, 3. Falls ein Samoaner sich durch 
den Genus* von infolge toteinistischer Verordnungen ihm unter- 
sagten Fleisch vergangen hat, rächt sich die Familiengottheit da- 
durch, das* sie in den Körper des Menschen fährt und dort zu dessen 



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— 59 



Die Nikobaren schreiben den Schlangen die Wirksam- 
keit zu, Krankheiten heilen zu können. Hier sei darauf 
aufmerksam gemacht, dass bei den meisten Naturvölkern 
eine strenge Trennung von Eidechsen und Schlangen, sowie 
Aalen nicht besteht. — Auf den Philippinen werden den 
Kindern Krokodilzähne als Schutz gegen Krankheiten um 
den Hals gehängt 18 ). 

Auf Madagaskar findet sich die interessanteste Ge- 
staltung dieser Anschauungen. Nach dem Gktttben der 
Madagassen besass Ramahavaly die Macht, Krankheiten zu 
heilen. Der Name bedeutet: „fähig zu antworten". Als 
Werkzeug der Rache dieses Gottes galten die Schlangen, 
durch die er jede Beleidigung rächte. Seine getreuen An- 
hänger waren durch die Freundschaft mit Schlangen aus- 
gezeichnet, die sich ihnen um Nacken und Körper ringelten. 
Man schrieb Ramahavaly eine sehr ausgedehnte und ausser- 
ordentliche Macht zu. Ramahavalys Hauptthätigkeit be- 
stand im Austreiben von Krankheiten. Die Gottheit 
konnte aber auch Donner und Blitz senden, beleben und 
töten. Nach Zeichnungen von Eingeborenen war Rama- 
havaly als zwei holzgeschnitzte Eidechsen dargestellt. 
Tabu war für seiue Anhänger, eine Schlange zu töten oder 
wenn sie kurz vorher an einem Begräbnis teilgenommen 
hatten, das Haus der Gottheit zu betreten 19 ). 

Auch hier wieder ist in der denkbar klarsten Weise 
das Verhältnis der Lebenskraft zu der Eidechse angedeutet. 
Ramahavaly besteht aus Eidechsen, kann beleben und töten. 
Ihm sind die Schlangen heilig. Aus allen diesen An- 
Verderben dasselbe Wesen entstellen lässt, von dessen Fleisch er 
genossen. Ratzel: „ Völkerkunde" 2. Aufl. Bd. I 8. 282. 

1B ) Svoboda Bd. VI S. 13. Bowring S. 157, vergl. auch von Langs- 
dorf? Bd. II 8. 134. 

") Ellis: r Hist. of Mad." Bd. I S.404- 409. Schiffssohnabel 
S. 70/1. 



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— 60 



deutungen geht hervor, dass die Eidechse nicht zu allgeraein- 
verehrten oder totemistischen Tieren gehörte, sondern, dass 
sie der Mittelpunkt eines ganz speziellen Anschauungs- 
kreises ist. 

Das geht aber, wenn diese Beweise noch nicht ge- 
nügen sollten, aus noch weiteren Beziehungen, vor allen 
Dingen aus der Umkehrung der Fananymythe hervor. Der 
primären Mythe zufolge geht die Seele als Seelenwurm 
oder Eidechse aus dem toten Menschenkörper hervor. Die 
Umkehrung muss also lauten, dass der Mensch aus dem 
Wurme geschaffen sei. Diese Mythe ist eine von denen, 
an denen sich die Entwickelungs-, d. h. in diesem Falle 
Auflösungsprozesse, am besten erkennen lassen, weil sie 
nur noch in Trümmern, hier ganz vernichtet und fragmen- 
tarisch, dort besser erhalten und nur verstümmelt kon- 
serviert ist. 

Die Samoaner und Tonganer erzählen, Taugaroa habe 
im Anbeginn seine Tochter Tuli in Schnepfengestalt zur 
Erde herabgesandt, um den nackten Felsen zu bevölkern. 
Eine Schlingpflanze, die so entstand, verwelkte. Aus den 
Blättern und Stengeln der Verfaulenden entstanden die 
Würmer. Tuli zerhackte sie mit dem Schnabel und machte 
Menschen daraus. Nach anderer Tonga- Version habe Maui 
in Gestalt einer Seelerche einen Wurm in zwei Teile ge- 
pickt und zwei Männer derart erzeugt 20 ). 

Die Einwirkung der Vogelmythe ist leicht verständlich. 
Es ist die ganze Mythe in dieser Form gleichsam eine 
dichterische Umkehrung des so häufigen Motives in der 
melanesischeu Plastik, des Vogels, der die Seele als Schlange 
in das Jenseits trägt 21 ). 

20 ) Turner S. 245. Schirren 8. 35. Ratzel: „Völkerkunde 1. Aufl. 
Bd. II S. 294. Bastian: „Oceanien" S. 33. 

2, | Vcrgl. Kap. 1. 



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61 - 

Im östlichen Polynesien klingt die Mythe in der hohen 
Mythologie — ein uns schon bekannter Charakterzug — 
aus. Im Anfange der Dinge regt es sich wurmartig. Aus 
Schlamm entsteht r Mensch und All a . In für uns wichtiger 
Weise ergänzen sich zwei Angaben über Tangaroa, den 
Weltbildner, deren erstere aus Mikronesien, deren letztere 
aus Neu-Seeland stammt. Einmal bezeichnet Tangaloa den 
Eingeweide-Wurm des Menschen. Dann erscheint Tangaloa 
den Neu -Seeländern als graue Eidechse 22 ). Das ist ein 
charakteristisches Beispiel für eine Mythe, die aus der 
niederen in die hohe übertragen ist. 

An ein beliebtes Motiv der neuseeländischen Schnitzerei 
ist eine sonderbare Version der gleichen Mythe vom Her- 
vorgehen des Menschen aus der Eidechse geknüpft. Als 
Maui die Insel aus dem Meere emporgezogen hatte, kam 
eine Eidechse heraufgekrochen und brachte den Menschen 
an seinem Haare herangeschleppt. Der ward der Vater 
aller Neu-Seeländer. Die Deutung dürfte kaum den Sinn 
der Entstehung dieses Motives darstellen 23 ). 

Um noch einen weiteren Anschauungskreis der Fanany- 
mythe zu erwähnen, wird eine Entfernung von dem Thema 
dieses Kapitels notwendig. Die Tahitier erzählen nämlich 
Folgendes über den Ursprung der Schweine: Ein Mann 
starb und aus den im Körper entstehenden Würmern 
entwickelten sich die Schweine 24 ). Diese bevorzugte Stellung 
des Schweines, dem man dergestalt Abkunft vom Menschen 
zuschrieb, lässt schon vermuten, dass es noch weiterhin 
in Kultus und Mythologie eine Rolle spiele. 



") Bastian: „Allerlei" Bd. I S. 115. „Oceanien* S. 22, 8.100. 

„Samoanische* S. 40, vergl. auch S. 47 ff. „Globus 14 Bd. 60 8.157. 

■ 9 ) Earle S. 142, 8. 266. Abbildungen bei Taylor S. 106. Hoch- 
Bretter 8. 284. 

2i ) Elli*: „Pol. Res." Bd. II 8. 52. 



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- fr> — 



Die Malaien auf Borneu und die Alfuren nehmen an, 
das.s die Seelen der Menschen in Schweine übergehen. Auch 
wurde von Alfuren, Dajak und Hawaiern das Orakel aus 
dem Herzen oder den Bewegungen dieses Tieres gelesen. 
Dieses Orakel knüpft ebenfalls den Menschen mythologisch 
an das Schwein. John erzählt einen Fall, nach welchem 
an Stelle eines Schweineherzens ein solches eines Menschen 
des eigenen Stammes geprüft wurde. Ein Mann wurde zu 
diesem /wecke ermordet 25 ). Deutlicher lässt noch folgende 
Sitte von Vate die Bedeutung des Schweines erkennen. 
Wenn dort Alte lebendig begraben werden, bindet man 
ihnen an einen Arm ein Schwein, das dann beim Feste 
verzehrt wird und die Seele ins Jenseits begleitet. Eine 
Umkehrung ist einmal die Sitte der Alfuren, eines neu- 
geborenen Kindes Füsse mit einem Schweine in Berührung 
zu bringen und es mit dem Blute des Tieres zu beschmieren. 
Zum anderen der Brauch einiger Dajak-Stämme, bei der 
Zeremonie der Blutsbrüderschaftsschliessung ein Schwein 
zwischen beide Männer zu legen und nach der Tötung 
desselben beide mit dessen Blut zu besprengen 26 ). 

Es ist hier ein uns schon bekannter Prozess bemerk- 
bar. Im Anfange war das Schwein wohl nur Opfertier, 
und zwar das ausgezeichnetste der Oceanier 27 ). das als 
Besitztum dem Toten mitgegeben wurde, für den ein ge- 
wisser Reichtum im Jenseits notwendig war, um ihm ein 

") Junghuhn Bd. II 8. 322, S. 323. Bastian: „Hawai" 8. 23. John 
Bd. I S. 74 und 7i>. 

") Ratzel: „Völkerkunde* 2. Aufl. BcL I S. 306. Junghuhn Bd. II 
8. 323. John Bd. I 8. 117. 

* 7 ) Bastian hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass auf den 
polynesischen Inseln das Sehwein der grösste Vierfüssler ist. („Ztschr. 
f. Ethnol." Bd. I S. 47.) Kern hat aus dem Bestände der Malajo- 
polynesisehen Sprachen nachgewiesen, dass in der Heimat dieser 
Völker und der Madegassen das Schwein schon zu den Haustieren 
gehört haben müsse. 



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— 63 



freudiges und befriedigendes Seelenleben zu gewähren. Es 
ist das daraus ersichtlich, dass die Unterkiefer der an 
Totenfesten geopferten Schweine in Indonesien und Mela- 
nesien am Hauspfeiler (vergl. „Kunst") angebracht wurden. 
Die beim Totenfest genossenen Schweine sind im Jenseits 
Eigentum des Verstorbenen. Nun wirken in der weiteren 
Entwickelung der Anschauung alle dem Toten zugeschrie- 
benen Eigenschaften durch die Ueberreste des Schweines, 
dessen Seele ja im Dienste des Verstorbenen steht 28 ). So 
wird es zu einem Orakeltier und zum anderen infolge 
Verschiebung der Begriffe Seelenaufenthaltstier. Es ist 
verständlich, dass ihm so der Vorzug des Seelenbesitzes 29 ) 
uhd der Abstammung vom Menschen resp. Seelenwurm 
zugeschrieben wird. 

Für uns, die mit Interesse die Verbreitung so ab- 
sonderlicher Vorstellungen beobachten, ist das Vorkommen 
eines verwandten Anschauungskreises in Afrika von be- 
sonderem Werte. — Die Walesse erzählen, dass die 
Zwerge nach ihrem Tode Schweine werden. Bei den Igbo 
in Obo besitzt jeder Mann und jede Frau von Bedeutung 
ein Djudju (Reliquie) in Gestalt des Unterkiefers eines 
Schweines, oder wenn solcher nicht zu beschaffen ist. eine 

2S ) Finscli: „Samoafahrten" 8. 47, S. 4S, 8. 87. (Dalmers and Gill 
S. 84. Kosenberg S. 150. Schweine-Unterkiefer werden ho Amulette 
gegen Diebe und Zauberer. ( Auf Neu-Brittanien schützt der mensch- 
liche Unterkiefer als Amulett den Dieb.) — Jakobsen i. d. „Verb, 
d. Berl. Oes. f. Anthrop." 1892 8. 236. Svoboda Bd. VI 8. 20, vergl. 
auch Pleyte: „Zur Kenntnis" 8.311. — An der Südostspitze Neu- 
Guineas werden Schweine an einem besonderen Orte geschlachtet 
und dann dem grossen (reiste Palakau Bara (Boro heisst auf Neu- 
Brittanien das Schwein) geopfert. Das Blut wird am Opferplatze aus- 
gegossen. — Chalmers and Gill 8. 84. 

in ) Ueber die Seele der Schweine Codrington 8. 249. Bei den 
Vergeistigungzeremonien des Duk Duk auf Mioko kommt eine Szene 
vor, in der der Ausruf: „Boro!* d. h. Schwein, Hauptpunkt ist, vergl. 
Schmeltz im: „Globus" 8.39. Schmeltz und Krause S. 18. 



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1 
I 



- «4 — 

geschnitzte Nachbildung in Holz. Nur bei Opferfestlich- 
keiten in Zwischenräumen von 10 Tagen bis 3 Wochen 
werden sie hervorgeholt, tnter (iebeten wird ihnen dann 
geopfert. Der Schweineunterkiefer als solcher heisst für 
gewöhnlich Agba (Schwein) oder Agba-Ezhi (Schweine- 
unterkiefer), als Djudju führt er aber den Namen Ofuru 
oder auch Tschuku 30 ). Leber Tschuku vergl. Kap. 13. 
Dieser (iöttername dürfte der niederen Mythologie ent- 
springen. Ofuru, das an Buru etc. gemahnt, hat möglicher- 
weise verwandtschaftliche Beziehungen zu einem melane- 
sischen Wort für Schwein, nämlich „Boro 41 (vergl. An- 
merkung 29).- Wie dem nun auch sei, es ist mit diesen 
Notizen bewiesen, dass auch von dieser Mythe und diesem 
kleinen Sitteukreise in Afrika Fragmente wenigstens sich 
nachweisen lassen. 

Zurückkehrend zum Eidechsenglauben will ich auf eine 
weitere Umkehrung hinweisen. Wir sahen, wie die Eidechse 
den Menschen hervorbrachte oder sich zu ihm umgestaltete. 
Nun giebt es mehrere Sagen, auf Java und Huahine erzählt 
mau Geschichten von Müttern, die Eidechsen und Krokodils- 
kinder hervorbrachten. Es ist das eine nicht mit der 
primären Anschauung zu verwechselnde Mythe. Derzufolge 
geht eine Seele in eine Reptilie über; dieser zufolge bringt . 

80 ) Stuhlmann S. 463. Baikie 8. 312. — Das Totenfest eines 
Stammes südlich der Kongomündung besteht darin, dass ein Schwein 
geschlachtet und dessen Kopf in den Fluss geworfen wird, in dessen 
Fluten es von dannen treibt. „Bei Unterlassung fällt die Seele dem 
in der Unterwelt residierenden Kadiampembe anheim." — ■ Die beim 
Beerdigungsfest auf den Markegas den Schweinen des Festmahles 
abgeschnittenen Köpfe fallen den Göttern zu, damit sie dem Ver- 
storbenen eine sichere und ruhige Fahrt in die Unterwelt gestatten 
mögen. („Schiffsschnabel" S. 42/3; nach Bastian: „San Salvador" 
S. 101/2. Krusenstern Bd. I S. 24«, vergl. auch a. 0.) — Hieraus ist 
wieder zu ersehen, wie die Anschauungen im Westen und im Osten 
bis in die Details übereinstimmen. 



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— <>5 



eine Menschenmutter sie hervor. Die neuseeländische 
Sage dieser Art ist übrigens die klarste. Nach dieser gab 
es nämlich eine Epoche in der wechselweise Eidechsen 
und Menschen entstanden. Twahiki war Mensch, seine 
Brüder waren Eidechsen. In der Mythologie der Mangaja- 
Insulaner ist Tanga-iti, der Eidechsengott der jüngere 
Bruder der Tangaroas 31 ). 

So ist es denn nur eine naturgemässe Folge dieser 
verwirrenden Anschauungszersplitterung, dass die Ueber- 
sicht über alle die vielen Verzweigungen und die Kenntnis 
des sowieso lockeren Zusammenhanges vergessen wurde, 
dass die Mitteilungen, in der Eidechse oder dem Krokodil 
wohne ein Ahn, sehr häufig 32 ), dass diese Tiere ohne 
weitere Begründung als heilig erklärt wurden, noch häufiger 33 ) 
sind. — Auch ist der Seelenwurm nicht immer an die 
Eidechsenform gebunden. Es wurden sonst noch manche 
kriechenden und fliegenden Kreaturen genannt, als Regen- 
würmer, Schmetterlinge, Heuschrecken, Schildkröten, 
Schlangen etc. Schlangen, Krokodile, Fische (zumal Aale) 
und Eidechsen, sind sowieso für diese Völker verwandt. 
So ist denn z. B. auf Hawai ein Hai der König der Ei- 
dechsen und Aligatoren 3 *). 

51 ) Ty ermann und Bennet Bd. 1 8. 250. Hawkesworth D. Ausg. 
Bd. III 8. 367. Taylor S. 33. Bastian: „Samoanische 44 S. 49. 

52 ) Bo wring 8. 120. Riedel 8. 8, 8. 198. Marsden 8. 303. Perron 
Bd. II S. 410 11. Romilly 8. 85. 

3 ») Z. B. Hockins 8. 27. Svoboda Bd. VI 8. 13. Lesson Bd. IV 
S. 113, Bd. III S. 105. Forbes S. 405. Chalmers S. 172. Bastian: 
„Oeeanien" S. 152. lieber Schlangen und Aale S. 57 und 74, aueh 
Brenner S. 124 etc. Krokodilsorakel: Codrington S. 213. Sibree 
8. 318. Ausserdem kommt es auf Bomeo und in Ostafrika zur An- 
wendung. — Eidechsenbild als Tabuzeichen. Mariner S. 488. 

**) Ellis: „Hawai* 4 S. 75. Bastian: „Hawai" 8. 16. Rienzi Bd. II 
8.118, vergl. auch Turner 8.234. Rosenberg 8.452. Ellis: „Hist. 
of Mad." Bd. I S. 298. Kubary 8. 52. Wilson: „Missionsreise" 
S. 217. 

Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 5 



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Um das über die Eidechsen Verehrung gesagte kurz 
zusammenzufassen und doch nicht unnötig zu wiederholen, 
gebe ich zum Schluss die Notizen über die auf unsere 
Mythen sich beziehenden Anschauungen der Neu-Seelander, 
die noch am klarsten sie bewahrt haben. 

Nach der Ansicht der Stämme an East (Jap. geht die 
Seele in einen Wurm über, anderen Ansichten zufolge 
kehrt sie, im letzten Stadium der Erniedrigung in Reinga 
angelangt, in einen Wurm verwandelt zur Erde zurück. 
Auch erzählen die Maori. in der Todesstunde zeige sich 
die Eidechse, um die Seele aufzunehmen. Auch dürfen 
diese Tiere nicht getötet werden, weil sie die Einkörperung 
der Verstorbenen, zumal der abgeschiedenen Häuptlinge 
sind. Die Atua, bei denen in Neu-Seeland nie ganz klar 
ist. ob es sich um bestimmte Götter, bestimmte Ahnen 
oder vergötterte Menschen handelt, erscheinen besonders 
gerne in Eidechsen, und zwar gilt als solch überirdischen 
Wesens Lieblingsaufenthalt eine grüne Eidechsenart. Auch 
nahen bestimmte Götter in dieser Form. Es sind darunter 
bösartige wie z. B. Tu 35 ). 



Der dritte grosse Kreis von Anschauungen, die sich 
allerorts in den Vordergrund drängen und da unzweifel- 
hafte Beziehungen zu der Fananymythe besitzea, erstreckt 
sich auf Bedeutung und Verwendung gewisser Gefässe. 
Zumal das „heilige" Geschirr, das aus Indonesien stammt, 
hat bei deutschen und niederländischen Forschern und 
Gelehrten Interesse erregt, nicht zum mindesten allerdings 
deshalb, weil es sich erwiesen hat, dass hier sehr altes 
und wertvolles Porzellan aus China sich in dem Kultus 
primitiver Völker einen bedeutungsvollen Platz errungen hat. 

3ft ) Angaa Bd. I 8.67. Bastian: „Oeeanien 14 8. 143, 8. 149, S. I<>8, 
S. 211, 8.212. Diefenbach Bd. II S. 117. Taylor 8.33. Thomson: 
„New Zealand* Bd. I 8. 114. 



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— (u 

Es ist nachgewiesen worden 36 ), dass diese Topfe schon 
im 14. »Jahrhundert durch zwischen Fukien und Rorneo 
handelnde Chinesen in grossen Massen nach Indonesien 
gebracht sind. Einen Fingerzeig, auf welche AYeise dieses 
Geschirr Anwendung fand uud Verehrung erwarb, giebt 
die Mitteilung, dass am beliebtesten jene Töpfe waren, 
auf denen sich das Bild des „Drachen" fand. 

Dem Abbildungsmaterial, dass mir zur Verfügung 
steht, und der Annahme massgebender Gelehrter zufolge, 
muss das Drachentum dieser Figuren, die den Namen 
„Kawok" führen, angezweifelt werden. Kawok heisst 
Eidechse, Leguan. Die Bilder entsprechen diesem Tiere 
in höherem oder geringerem Masse. Ich neige zu der An- 
nahme, dass die Industrie in China die Wünsche dieser 
Konsumenten bei der Gestaltung der Tierfiguren berück- 
sichtigt hat. Der Absatz muss ein ganz eminenter gewesen 
sein und die Gestalten weichen oftmals ostentativ von dem 
Vorbilde des chinesischen Drachen zu Gunsten einer 
Eidechsenfigur ab. Dass die Dajak einerseits in diesen 
Kawok Eidechsen erblicken und diese andererseits vom 
Standpunkte der oben besprochenen, dem Kreise der 
niederen Mythologie augehörenden Anschauung betrachten, 
geht aus den folgenden Thatsachen hervor. 

Die Kawok können sowohl männlichen als weiblichen 
Geschlechtes sein und wird dies recht wohl unterschieden. 
Die Töpfe selbst sind mit wunderbaren Eigenschaften aus- 
gestattet. Einige vermögen zu sprechen, andere werden 
um Rat gefragt, zumal vor Schädeljagden. Infolge einer 
Entstehungsmythe, der wir sogleich unsere Aufmerksamkeit 
widmen wollen, sind diese Gefässe, mit dem Monde und 
der Sonne verwandt. Daher hat jeder seinen Stammbaum, 
der sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbt. — Auf 

3 ") Vergl. Hein: „Bildende Künste 44 S. 136 7. L. F. „Ein Motiv" 
8. 534. 

5* 



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— <;<s 



Bomeo stehen chinesische Töpfe mit einer Pflanze zu Ehren 
der Abgeschiedenen auf den Haiisdächern 3T ). 

Es ist klar, dass die Töpfe aus dem Ahnendienste 
ihre Verehrung erworben haben. Sie können nicht anders 
aufzufassen sein, als jene Pfähle und Holzklötze, die deshalb 
heilig sind, weil der Ast, aus dem sie geschnitzt sind, 
vom heiligen Baum auf dem Grabe des Toten stammt. 
Die Kraft des Verstorbenen ging in den Baum, in den 
Ast über und so vermag der daraus geschnitzte Pfahl dem 
Geiste als Wohnort zu dienen. In der gleichen Weise 
muss die manistische Kraft heiligen Töpfen entstanden 
sein, und zwar giebt es mehrere Quellen, die alle dem 
gleichen Grunde eutspringen. Die Dajak verschiedener 
Gegenden verbrennen ihre toten Angehörigen und sammeln 
die Asche in Urnen, die entweder in Tumulis oder Höhlen 
aufbewahrt werden 38 ). 

Auch findet sich die Bestattung in grossen Urnen und 
Holzblöcken anderweitig in Oceanien 39 ). 

Zum zweiten ist an jene Töpfe zu erinnern, in denen 
die Verwesungssauce aufgefangen wird. „Die Töpfe, welche 
die Jauche faulender Leichname aufnahmen, werden zur 
Erinnerung aufbewahrt", sagt auch Ratzel. Diese Sitten- 
quelle halte ich für die wichtigere. Denn sie macht einen 
grossen Kreis von Bestattungsgebräuchen verständlich. Be- 
sonders in Polynesien kommt ungemein häufig die doppelte 
Beisetzung sterblicher Ueberreste vor. Die Tahitier legen 
den Körper auf ein Gerüst, bis er zerfallen ist; dann wird 
die Hirnschale sorgsam eingewickelt und in einen Kasten 

") John Bd. I S. 309. Riedel S. 7, vergl. auch S. 316. Bock 
S. 226. Earl S. 275. 

M ) Junghuhn Bd. II S. 333. Earl S. 275. John Bd. II S. 119. 
Bock S. 89/90. 

»•) Z. B. Schadenberg: „Ztach. f. Ethnol.« Bd. XII S. 148. Jung- 
huhn Bd. II S. 329, vergl. auch oben Gesagtes. 



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- 69 - 



gelegt. Die Gebeine werden begraben. Es sind so die 
den indonesischen Töpfen entsprechenden 40 ) heiligen Laden, 
die te wharre no te Orometua oder Ewharre no Eatna 
genannten Kästen entstanden 41 ). 

Auf Neu-Seelandsind verschiedene Bestattungsgebräuche 
heimisch. Der Mapuli-Sitte zufolge Hess man den Körper 
erst auf einem Pfahlwerk in einem alten Cauve zerfallen, 
ehe man ihn bestattete. Im Süden werden die Toten be- 
stattet, nach vier Wochen aber wieder ausgegraben. Zwei 
heilige Zähne werden abgenommen und die Körper von 
neuem feierlich bestattet. Nach zwei Jahren wird die 
Leiche abermals ausgegraben und dann entweder in einem 
Baumstamm oder in einem auf einem Pfeiler errichteten 
Kanoe oder in der Spitze eines Baumes oder in einem 
Hüttlein niedergelegt resp. verbrannt. Diese Hüttlein sind 
wegen ihrer formalen Aehnliehkeit mit den nordwest- 
amerikanischen Totenhütten sehr bemerkenswert. Es sind 
die gleichen Formen wie die neuseeländischen Vorrats- 
häuser, die nach meiner Ausicht aus ihnen hervorgegangen 
sind. Leichen von Häuptliugskindem werden in Körben 
aufbewahrt. Aus diesen Kisten und Körben sind die 
Formen der schönen Schmuckkistchen offenbar hervor- 
gegangen, die eine sehr wertvolle Parallelerscheinung zu 
den Kawok der Dajak — das Bild der Eidechse zeigen 42 ). 

Die Hawaner bestatten die Toten, graben, nachdem 
Fäulnis die verwesenden Teile entfernt hat, die Gerippe 
aus und verwahren einen Knochen oder den Schädel in 
einem Korbe. Die Nukahiver hoben den Knochen in einem 



*•) Bekanntlich fehlt auf diesen Inseln die Töpferei. 

*') Bougainville S. 182. Wilson: „Miasionsreise* S. 376, S. 398. 
Hawkesworth Bd. II 8. 234, 8. 249. Forster 8. 445. S. 460,1. 

42 ) Yate 8. 137. Taylor 8. 99/100. Angas Bd. I S. 331. Bastian; 
„Oceanien" 8. 213. Karl 8. 20. Giglioli im „Intern. Arch. f. Ethnogr.* 
Bd. I S. 186. 



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— 70 — 

aus dem Holze des Brotfruchtbaumes hergestellten Kasteu 
auf etc. 43 ). Neu-Guinea bietet mehrere gleiche Beispiele. 
Im Südwesten liegen die menschlichen Gebeine in ausge- 
höhlten Baumstämmen. Die Schädel sind auf den Deckel 
gesetzt. Ks hat sich hier die merkwürdige Ahnenfigur 
ausgebildet; ein Holzbild mit mächtigem Kopfe, dem der 
Schädel eingefügt ist. Im Busen von Lakahia werden die 
ausgegrabeneu Schädel und Knochen im Inneren der Häuser 
selbst in Körben oder Säcken aufbewahrt. Aehnliches ist 
ans dem westlichen Gebiet und von den Inseln der Torres- 
strasse bekannt 44 ). 

Es lässt sich in der reichen Fülle dieser Sitten ohne 
Schwierigkeit eine gewisse Entwickelungsreihe erkennen, 
wenn man bedenkt dass die ursprüngliche ekelhafte Sitte 
unter civilisiertcrem Verhalten, zumal wenn die manistischen 
Anschauungen durch die der hoheu Mythologie, durch die 
kosniogonischen verdrängt werden, auf jeden Fall aufge- 
geben werden musste. 

Zunächst wurde die Lebenskraft aus dem Leibe des 
Toten ausgesogen. Dann wurde die Verwesungsflüssigkeit 
in einein Topfe aufgefangen und dann getrunken. Nun 
kam der Wendepunkt. Zuerst war das Auffangen der 
belebenden, kraftverleihenden Säfte Zweck; jetzt wird es 
Gesetz der Pietät und der manistischen Anschauungsweise, 
den Körper oder einen Teil aufzubewahren, um den Geist 
des Verstorbenen so in der Nähe zu behalten, ihn nicht 
aus der Nähe zu verlieren! Daher wird die Verwesungs- 

* s ) Elli«: „Hawai" S. 120. Kruaenatern Bd. I S. 249, dagegen 
von Langxdortf' Bd. J S. 154. Rienzi Bd. IJ 8. 128,-8. Bastian: r Oce- 
anien"' S. 234. 

**) Hosenberg S. 419 und 434. Rienzi Bd. III S. 339. Hchmeltx 
und de Clerq T.if. XXXVI, vergl. Kap. 22. ßowvuk S. 30—32. Haddon: 
„Secular* S. 23 und 25. Auf den Marianrn. Aufbewahrung der 
Schildel in Kürben. Kienzi Bd. II 8. 67. 



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— 71 — 

sauee jetzt als etwas den Körper Schädigendes, das Auf- 
bewahren unmöglich Machendes angesehen, einfach ausge- 
presst und in den Boden geleitet. In den heiligen Gefässen 
findet sich jetzt der Schädel oder ein Knochen oder sonstige 
Ueberreste des Toten. 

Dass das Gefäss im Anfange und am Ende gleich- 
massig der Sitz der Seele ist, ist klar, aber die Anschauung 
hat eine bedeutende Wandlung durchgemacht. Für uns. 
ist dieses Ergebnis das wichtigste. 

Diesen Entwickelungsketten möge noch eine kurze 
Betrachtung der Anschauungen, die mit dem besprochenen 
Ideengange in Beziehung stehen, folgen. Zunächst wende 
ich mich nochmals den heiligen, chinesischen Gefässen zu, 
deren Dasein durch folgende Mythe erklärt wird 45 ). 

Mahatara schuf erst die Sonne und dann den Mond 
aus Thon. Es blieb aber noch ein gut Teil übrig. Einige 
erzählen, er habe hieraus die heiligen Töpfe geformt, 
andere, er habe daraus Berge gestaltet, und Uatu Tjampu, 
ein javanischer Fürst, habe aus dem Lehm dieser sieben 
Hügel kunstvolle Töpfe gemacht, die er in einer Höhle 
sorgsam bewahrte. Ratu Tjampu heiratete und zeugte 
einen Sohn. Er beschloss, in den Himmel zurückzukehren. 
Bevor er es aber that, zeigte er seinem Sohne die in den 
Höhlen aufbewahrten Töpfe und ermahnte ihn, sie sorgfältig 
zu bewachen. Dieser jedoch vernachlässigte gar bald den 
Rat seines Vaters und infolgedessen entflohen die Töpfe, 
die man nicht schnell genug erfassen konnte, nach allen 
Seiten. Einige stürzten sich in die See und wurden Fische. 
Andere flüchteten sich in die Wälder; sie wurden Hirsche 
und Schweine etc. Darum, so meinen die Dajak, kann 
es uoch heute geschehen, dass ein glücklicher .läger ein 
Wild erlegt, dass aus einem solchen Topfe entstanden ist. 

45 ) Book S. 22« nach Pereiner: ^Ethnographische Benehreibung 
der Dajaks" S. 102 120. Urabowsky: „Ueber die Djawets- S. 122ff. 



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— 72 — 



Während der Todeszuckungen verändert sich das Tier in 
den ursprünglichen Topf. 

Diese Mythe, die natürgemäss sekundärer Natur ist, 
enthält einen wertvollen totemistischen Grundzug. Den 
Totemismus der Dajak hat unter Anderen John nach- 
gewiesen. Für die manistisehe Natur der heiligen Topfe, 
d. h. ihre Eigenschaft, die Seele eines Toten in sich zu 
verbergen, ist es charakteristisch, dass sie sich in die Totem- 
tiere verwandeln können. Es giebt noch manche weitere 
Meinung über sie, die für diese ursprüngliche Bedeutung 
der heiligen Töpfe spricht. Sie besitzen, wie schon er- 
wähnt, ein jeder einen Stammbaum. Ein jeder hat eine 
„gana", eine Seele. Es giebt männliche und weibliche 
Töpfe. Bei wichtigen Gelegenheiten, bei Orakeln etc. 
bestreicht man die Töpfe mit Hühnerblut. 

Dieser letztere Punkt führt nach verschiedenen Seiten 
in bekannte Gebiete. Es kann nichts schaden, solchen Wegen 
zu folgen, zumal so die Richtigkeit oder das Irrtümliche 
einer Annahme sich erweisen muss. Wir sahen oben schon, 
wie das Besprengen mit Hühner- oder Vogelblut, das An- 
legen der Federbinde, die Bedeutung, dass damit die Seele 
oder der Geist in einen Gegenstand oder eine Person ge- 
bannt wird, durch den oder die nun der Verstorbene oder 
der Geist seinen Willen äussern kann (vergl. Kap. 1). Wie 
also aus dem vom Vogel zerhackten Wurm der Mensch 
ward, so wird infolge Bestreichens mit Hühnerblut der 
heilige Topf „beseelt"; die gana zieht ein. 

Die zweite wichtige Form der Verbindungen von Gefäss 
und Vogel ist auch schon im ersten Kapitel erwähnt worden. 
Die Ahnenbilder sind Schalen in Vogelgestalt. Dass es 
sich um den Inhalt einerseits und die äussere Gestaltung 
andererseits handelt, geht z. B. aus Folgendem hervor. Beim 
Schädelfest wird eine Schale geschnitzt und auf der einen 
Seite mit dem Bildnis eines Vogelkopfes, auf der anderen 



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— 73 



mit dem eines Vogelschwanzes versehen. Der Besitzer füllt 
sie nun mit Arak und, sie immer in den Händen haltend, 
führt er nun einen wilden Tanz auf, worauf sie von den 
jungen Leuten in der Runde geleert wird. 

Durch Heranziehung der Schädelfestschnitzereien wird 
noch die Analogie zu den Knjalansvogelbildern, auf deren 
Rücken die Seele mit den totemistischen Tieren steht, auf- 
gethan. Diese Gruppe entspricht der Höhlung, in der beim 
Manuk-Manuk (Kap. 1) der belebende Hühnerleichnam gelegt 
wird. Wie die Gehirnsubstanz eines Menschen, in einMenschen- 
bild geschmiert, diesem Leben verleiht (siehe oben), so ist 
umgekehrt der Inhalt solcher heiliger Bildnisse von be- 
seelender und kräftigender Wirkung. Deshalb trinkt die 
junge Mannschaft aus dem Vogelbilde Arak, früher wahr- 
scheinlich audere Getränke, Blut, Verwesungssauce etc.* 6 ). 

Ein weiterer Beweis dafür, dass der Topf Seelen- 
aufenthalt ist, geht aus folgendem Sittenkreise hervor. 
Wenn die Seele einen Dajak verlassen hat, d. h., er krank 
wird, so wird sie in eine der besprochenen Schalen gebannt 
und so wieder eingefangen. Aehnlich ist das Verfahren 
auf Hawai. Sehen die Priester die Seele eines Lebenden 
ausserhalb des Körpers umherwandeln, so suchen sie die- 
selbe in einem Gefäss zu greifen und pfropfen den Behälter 
mit heiligem Grase, das für den Geist undurchdringlich 
ist, zu. (Das Gras möchte ich von der „Himmelsleiter" 
ableiten. Es wäre eine umgekehrt wirkende Eigenschaft 
desselben. Vergl. Kap. 8.) Wenn auf den Marianen jemand 
im Sterben liegt, stellt man einen Korb zu seinen Häupten. 
Man bittet die Seele inständig, diesen Behälter als Wohn- 
sitz zu wählen oder in ihm wenigstens bei späteren Besuchen 
zu ruhen. Daher wird auch von Töpfen als Wohnsitzen 
der Geister gesprochen. Auf den Nikobaren ist ähnliches 
beobachtet. Wenn die „Iwis", die bösen Geister, sich in 

") John Bd. I S. 197. 



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I 



— 74 — 

einer Wohnung dadurch unangenehm bemerkbar machen, 
das* Fälle von Erkrankungen eintreten, so unternimmt 
man auf den Nikobaren eine Seelenvertreibung. Es wird 
ein grosses Fest gefeiert, welches alles in fröhliche Laune 
versetzt. Daun locken die durch den Palmwein in Auf- 
regung Versetzten den Iwis mit Schmeicheleien; dann aber 
schelten und schimpfen sie ihn ganz ordentlich, und, während 
die Weiber immermehr heulen, entwickelt sich ein fingierter 
Kampf. Man ringt mit ihm, bis er erwischt ist: sodann 
bringt man ihn in den Geisterkorb, dann auf das Geister- 
schiff, ein Boot, auf dem er auf das Wasser herausgefahren 
wird 47 ). 

Der Seelenaufenthalt im Topfe wirkt bis in die 
Mythologie der Polynesier nach. Im Jenseits sind zwei 
Bassins für die Seele des Volkes und der Vornehmen — - 
nach der Anschauung der Polynesier 48 ). 

In weitereu Einzelheiten, zum Tabupfahl, Orakelobjekt, 
Amulet etc.. brauche ich wohl den heiligen Topf nicht auf- 
zusuchen. Die weite Verzweigung, in der jedes derartige 
Motiv sich zuletzt verliert, ist schon mehrmals besprochen. 

Nachdem im obigen die Ideengänge und Entwickelungs- 
reihen, die diese Sitten und Anschauungen verbinden, 
eingehend behandelt worden sind, werde ich mich darauf 
beschränken, auf die australischen und nordwestamerika- 
nischen Parallelerscheinungeu hinzuweisen. 

Australien bietet eine reiche Fülle von hierher- 
gehörigen Thatsachen. Wir hören, dass die Verwandten 
aller Grade, mit alleiniger Ausnahme des Vaters, vom Fette 

i: ) Bastian: „HRwai" S. 21. John Bd. I S. 189. Rienzi Bd. 11 
S. 67. Priehard: ,.Oceanien" S. 187. Svoboda Bd. VI 8. 10,1, vergl. 
Schurtz in „Amulette und Zaubennittel" S. 61, der eine interessante 
ParallelerKchehiun«,' erwähnt, die aber nic ht auf unser Motiv zurück- 
geführt zu werden braucht. 

* s ) Turner S. 2M\. 



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75 



des Toten gemessen, dass sie unter dem verfaulenden 
Kadaver schlafen, das herablaufende Fett auf sich nieder- 
tröpfeln lassend in dem Glauben, dadurch in den Besitz 
der Kraft des Verstorbenen zu gelangen, dass Haut und 
Fett der angehörigen Toten in Taschen und Körben als 
Amulete umgehängt getragen würden. Andererseits fehlt 
auch nicht die Sitte der Palau- und Ponape- Insulaner, 
alle Körperöffnungen des Leichnams zuzustopfen 49 ). 

Auch werden die Krankheiten durch Bestreichen mit 
Nierenfett und Exkrementen geheilt. Nächtlicherweile 
werden Fremdlinge überfallen, um ihnen das zauberkräftige 
Nierenfett herauszuschneiden. Howitt sagt, das Fett des 
Menschen stehe im australischen Glauben mit seiner Lebens- 
kraft in engster Beziehung. Das werde durch weitverbreitete 
Gebräuche bewiesen. Das Fett gestorbener Personen. Ver- 
wandter und Befeindeter werde genossen. Fernerhin ist 
das menschliche Xierenfett gegen böse Geister zauberkräftig. 
Wie in Oceanien und Afrika ist eine Schlange als Krankheits- 
bringerin bekannt 50 ). 

Der Eidechsenglaube äussert sich in ausserordentlich 
typischen Meinungen. Gleich nach dem Tode entschlüpft 
eine Eidechse dem menschlichen Körper. Sie zeigt den 
Verwandten den Weg an, auf dem zaubernde oder mordende 
Todesursache zu suchen sei. In der Umkehrung stammt 
der Mensch von der Eidechse ab. Sie hat den Menschen 
geschaffen, aus ihr ist er hervorgegangen 51 ). 

Spezielle Mitteilungen über heilige Gelasse siud mir 
nicht bekannt. 

49 ) Lumholtz 8.285. Bastian: „Oceanien" 8. 132. Brough Smith 
Bd. I S. 112, S. 120, S. 121. 

60 ) Howitt S. 205. Alisas Bd. T 8.123, 8.96. Ratzel: „Völker- 
kunde" 2. Aufl. Bd. 1 8. 856. Brough Smith Bd. I 8. 446. 

") Angas Bd. I 8. 109. Brough Smith Bd. I S. 116, 8. 110, 8. 425 6. 
Ratzel: „Völkerkunde" 2. Aufl. Bd. I 8. 353 4. Bastian: ..Oceanien" 
S. 114. 



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- 76 — 



In Nord westamerika ist eine direkte Vererbung der 
Fananymythe nicht mehr nachweisbar. Das kann nicht 
Wunder nehmen. Schon in Polynesien sind die Spuren 
schwach; Immerhin finden sich wichtige Reste in den 
Bestattungssitten. Die Chinook legen ihre Toten in Kähne, 
an deren Enden sich im Boden Löcher befinden. 
Wir kennen diese Sitte und ihre Bedeutung schon aus 
Indonesien. Fernerhin liegen die Reste der Verstorbenen 
in Kästen, Körben und geschnitzten Schalen. Die Toten- 
häuschen entsprechen denen der Neu- Seeländer ganz genau. 
Ausserdem lassen die Koloschen die Leichen erst verwesen 
und austrocknen, ehe sie beigesetzt werden 52 ). 

Einige Mythen bringen bekannte und vielsagende Züge. 
Ein Mädchen nimmt einen Totenkopf und lässt ihren Bruder 
dessen Gehirn verschlingen; sie steckt in einen Korb 
Eidechsen, Kröten und Schlangen. Oben kommen schreiende 
Kinder darauf. Auf dem geschnitzten Totenschiff kommen 
nach primärer Anschauung offenbar Seelendarstellungen 
repräsentierende Schlangen und Frösche vor. Das ward so 
gedeutet: „Man glaubt, in dem Kopfe des Frosches befinde 
sich ein feines Gift, das, ausgesaugt, den Mediziner befähigt, 
schlechten Zauber auszuüben". — Von der Verwandlung 
von Menschen in Salamander wird auch gesprochen 53 ). 

Zum Schlüsse erwähne ich noch die Verwandlung von 
Exkrementen in Menschen 54 ). 

Also Spuren der Fananymythe und dem Kreise der 
mit dieser in Zusammenhang stehender Sitten lassen sich 
auch hier nachweisen. 

") Boas: „Chinook" S. 256/7. Vankouver Bd. I S. 183. Niblack 
8. 350 ff., Taf. 64 und Taf. 65, Fig. 349. Dixon 8. 162 3, engl. Ausg. 
8. 175 6. Krause: ,.Tlinkit" 8. 225, S. 227. Erman Bd. II 8. 380. 

5 *) Niblack S. 324. Boas: „Verh.* 1891 S. 632, S. 554. 

M ) Z. B. Boas: „Verli." 1891 8. 167, 8. 170, 8. 171, 8. 172, S. 537, 
8. 560, 8. 561, 8. 569, 8. 643. 1892 8. 333. 1893 8. 230 ete. 



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V. Kapitel. 

Die Fanany- Mythe in den westlichen Proyinzen. 

Verbreitung der Mythe. — Afrikanische Reste. — Ableiten der 
Verwesungssubstanzen. — Verwendung der Verwesungsbrühe und des 
Fettes. — Vergeistigungsgebräuche. — Die Mode. — Krokodil. — 
Schlange. — Eidechse. — Die Mythe von der Regenbogenschlange. — 
Verbreitung derselben. — Peruanische Urnen. — Regenzauber. — 
Töpfe in Regenzauber. — Der Topf in Sonnenmythen. — Fettsubstanz. 

Inhalt der heiligen Töpfe. Amulette aus Kot etc. — Ahnen- 
befragung. — Vogel und Topf. — Wert der Fragmente der Fanany- 
mythe. — Vorkommen in Afrika und Oceanien. - - Beweiaskraft los- 
getrennter Mythenfragmente für kulturelle Verwandtschaft. 

Die afrikanischen Formen der Fanany -Mythen sind 
nicht wörtlich überliefert. Die Klarheit des madegassischen 
Berichtes fehlte aber auch den oceanischeu Traditionen, 
obgleich sie an Fülle nichts zu wünschen übrig Hessen. 
Immerhin ist es ein treffliches Zeichen, dass jenes vielum- 
strittene Grenzgebiet östlicher und westlicher Eigenart, dass 
Madagaskar die reine unverfälschte Form geliefert hat. 

Der Zustand der Verbreitung im Osten entsprach 
dem Verhältnis der manistischen und der kosmogonischen 
Anschauungsweise. In Australien, wo der Animalismus 
stärker ausgeprägt zu sein scheint wie der Mauismus, spielt 
das Zaubern mit Nierenfett die Hauptrolle. Im indone- 
sisch- melanesischen Gebiet herrscht der Ahnendienst. Da 
sind die manistischen Züge besonders entwickelt. In Poly- 
nesien regiert die Kosmogonie und der Bestand an Aus- 
läufern der Fanany-Mythe schrumpft stark zusammen. In 



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I 



7S - 

Nordwestamerika endlich werden alle Zuge in die Gewan- 
dung der Tiermythologie gekleidet. 

In Afrika nun ist das Gesamtbild der Ausdrucksformen 
unserer Mythe, wie sich aus den Studien der einzelnen 
Teile schon früher ergab, ausserordentlich fragmentarisch 
und lückenhaft. Jedoch fehlen keine wichtigen Teile. 

Die Wahollo-hollo -Weiber hängen die Leiche ihres 
Gatten in der Hütte am Halse auf, bis sie verfault. Die 
stinkende Jauche, die Maden und Knochen, die herabfallen, 
werden in einem Topfe aufgefangen, der nach der Be- 
endigung der Prozedur in den Tanganjika geworfen wird. 
Die Maschinsche, Kioko und Minungo legen die Fürsten- 
leichen offen in ein Haus. Alle Einwohner ziehen von 
dannen, an den Hof des neuen Regenten. Nur drei Sklaven 
bleiben bei dem Toten wohnen und mit ihm in dem gleichen 
Hause, und sammeln sorgfältig Tag für Tag die vom Fleische 
fallenden Würmer. Diese anmutige Beschäftigung üben sie 
wohl drei Jahre hindurch aus, bis nur noch das Skelett 
übrig geblieben ist. Alsdann werden die in einem Gefässe 
aufbewahrten Würmer, die das Fleisch des Verstorbenen 
repräsentieren, mit allen Knochen in den Busch geworfen 1 ). 

Das Auffangen der restierenden Lebenskraft ist also 
unverkennbar ein weitverbreiteter Brauch. Dass es sich 
hier aber thatsächlich um eine Anschauung handelt, der 
zufolge die dem Körper entquellenden Säfte die Lebens- 
kraft bedeuten, geht aus vielen Bemerkungen hervor. Die 
Herrscher Monomotapas schmierten sich mit der aus dem 
Körper gehängter Verbrecher tröpfelnden FäulnisHüssigkeit 
ein, um ihr Leben zu verlängern. Noch jüngst ward be- 
richtet, dass der Häuptling der Matabele seinen Leib mit 
Mensehenfett einsalbe und mit solchem seine Felder fruchtbar 
mache. Und aus dem Norden hören wir gleiches. Wenn 

M Stuhlmann 8. »0. Schütt S. 115. 



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— TU — 



ein Gaukler stirbt, verbrennen ihn die Schilluk. Mit grosser 
Sorgfalt sammeln sie das von seinem Körper herabHiessende 
Fett, um es als Universalmittel zu gebrauchen 2 ). 

Noch deutlicher wird uns der Sinn dieser Gebrauche, 
wenn wir uns den Vergeistiguugssitten nähern. Die Leute 
Setschellis glaubten, die neu bekehrten Christen würden 
bei der Taufe ein Absud vom Gehirn toter Menschen 
trinken müssen. Die Pongwe schmieren sich die Stirne 
mit der in Kreide aufgefangenen Hirnsubstanz weiser 
Männer ein, um deren Weisheit zu gewinnen. Eine Sitte 
des Namaqua darf wohl nur als eine zivilisierte Ausdrucks- 
form derselben Idee genannt werden. Beim Tode eines 
Häuptlings wurde nämlich der Sohn in die Würde erhoben. 
Ein Bankett fand statt. Das Fett und die besten Stücke 
erhielt der junge Häuptling. Das rote Fett . wurde dem 
Toten auf den Kopf gelegt und blieb dort liegen bis es 
eintrocknete. Dann übergab man es einem alten Weibe, 
die es als Amulett von hohem Werte aufbewahrte. Die 
Hirnkraft des Toten lebte also hier in dem roten Fett. 
Die Boni -Neger am Maroniiiuss hängen den Leichnam in 
einer Hängematte auf und fangen die herabtröpfelnden 
Verwesungsstoffe in einem Topfe auf. Die jungen Zauber- 
ärzte müssen diesen „Extrakt" vermischt mit Tabak und 
Quinquina-Blättern schlürfen 3 ). Wenn ein Akkraueger be- 
weisen will, dass ein Toter ihm noch etwas schulde, 

2 ) Die Bapeti reiben ebenfalls den Leib mit Menschenfett ein: 
Bastian: „San Salvador" S. 293. Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. I 
S. 172 und 517. Wangemann: „Lebensbilder" S. 123. 

*) Ich war früher geneigt, diese Sitte den Caraiben zuzuschreiben; 
nachdem mir aber der gewaltige Einfluas der nigritischen Kultur auf 
die dieser Völker klar geworden ist, ich fernerhin in Erfahrung ge- 
bracht habe, das» die Calibi (Cariben) und Oyampi (Tupi) die Sitte 
sonst nicht üben, es sei denn, sie wohnen in der Mitte oder an der 
Grenze des Gebietes importierter Neger, schriebe ich die Urheber- 
schaft entschieden den Afrikanern und nicht den Amerikanern zu. 



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so 



trinkt er etwas von dein Wasser, mit dein der Tote ge- 
waschen ist*). 

Wie gesagt, ist der Kreis dieser Sitten auf die Ver- 
geistigungsideen zurückzuführen. Dadurch, dass man von 
der Verwesungs- oder Gehirnbrühe eines Toten trinkt 
resp. sie sich mit ihr bestreicht, wird der Verstorbene im 
Lebenden lebendig. — Aber wie wir in Oeeanien sehen, 
dass zunächst die Brühe aufgefangen und als wertvolles 
Gut aufbewahrt wurde, dass sie später aber als ekelhaft 
entfernt wird, so wird auch in Afrika die Substanz eiumal 
als Belebungsmittel verwandt, zum andern wird sie sorg- 
samst ausgepresst und vernichtet (z. B. in Uganda). Wie 
in Oeeanien die Brühe einmal abgeleitet wird und das 
andere Mal sorgfältig ihr Ausrinnen verhindert wird (Palaus) 
so auch in Afrika. Einige Stämme der Guinea- Küste ver- 
stopfen alle Oeftnungen des Leibes, auf dass ja kein 
Tröpflein hervorkomme 3 ). 

Die Beziehungen zu dem Eidechsenglauben fehlen 
nicht. Doch mangelt die Klarheit der oceanischen An- 
schauung: „Im Tode oder bis zur Kraukheit entweicht dem 
Körper eine Eidechse*. 

Der König Rumalika erzählte Speke: Als ein grosser 
König Karagues gestorben war, wurde er nach Sitte der 
Väter in eine Kuhhaut genäht und drei Tage auf dem See 
schwimmen gelassen, bis die Zersetzung begann und drei 
Maden aus seinem Körper geboren waren, welche in 
den Palast gebracht und demThronerben zur Pflege übergeben 
wurden. Aber statt zu bleiben was sie waren, verwandelten 
sie sich alle drei in Tiere. — Das erinnert daran, dass die 
Leiche des Muata Jamvo in den Kalanji-Bach geworfen, 
nicht aber bestattet wird, denn, sagen die Kalunda, ge- 

*) Lisiongstone: „Missionsreise" Bd. IS. 24. Wilson: „Westafrika" 
8.293. Anderin Bd. IT 8.68. Creveaux S. 158. Bonner (8. 74?). 
ft ) Mackay S. 172. Bastian: „Allerlei" Bd. II. Einleitung 8. 64. 



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— 81 — 



sehehe letzteres, so würde sie sich in ein wildes Tier ver- 
wandeln 6 ). Also der Seelenwurm fehlt nicht, allerdings 
aber eine direkte Mitteilung über sein Verhältnis zur 
Eidechse. Dafür ist nun aber wieder ein anderes wichtiges, 
das fehlende vollständig ersetzendes Bindeglied durch eine 
Bornu- Mythe gegeben. Danach stammen alle Schlangen 
vom Aligator ab; der brütete aus einem seiner Eier die 
Kulutschi-Schlange aus, diese die Abr-Schlange, welche der 
Gangu-Schlange das Leben gab. Von der Gangu-Sehlange 
stammte die Fuschi, die Mutter der Rokodini, von letzterer 
die Tschibati ab. Die Tschibati brachte die Komon-Augu 
und diese die Schergo- Schlange hervor 7 ). Daraus spricht 
die vollständige Unklarheit über die verwandtschaftlichen 
Verhältnisse dieser Tiere. Eine weitere Uebereinstimmung 
ist aus Uganda bekannt. Kranke Waganda meinen, eine 
Schlange lebe in ihrem Innern, so wie dies die Maori von 
der Eidechse glauben. Und damit steht im umgekehrten 
Sinne die Verwendung von Eidechse, Schlange und Kroko- 
dilen zum Krankheitsheilen in Verbindung 8 ). 

Wenn der Seelenwurm auch nicht Schöpfungsmaterial 
ist, so besitzt doch Wurm und Schlange Kraft der Belebung, 
sie sind Erscheinungsformen der Toten. Wenn nach dem 
Tode eines Menschen die Wanjamwesi um das Huhn als 
einem Orakeltier herumsitzen, das den Mörder ausfindig 
machen soll, so erscheint bei der schnellen Verwesung des 
Vogels der Wurm auf der Seite, auf der der Mörder sitzt. 
Fernerhin wird bei Eheschliessungen die Schlange herbei- 
gebracht etc . •). 

8 ) Speke 8.221. Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. I S. 47. 
Wissmann, Wolf S. 87. 

7 ) Koelle: „Afr. Nat. Lit.« 8. 185—188, 8. 189—198. Bleek 
8. lf>3ff. 

•) Stuhlmann S. 181, vergl. „K. Schiffsschnabel 4 * 8. 70. Mackay 
8. 148. Emin 8. 45. 

•) Stuhlmann 8. 93. Pogge 8. 195. Waitz Bd. I S. 179. 

Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 6 



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In welcher Weise die Kidechse in diese Ausehauungs- 
kreise gezogen worden ist, ergiebt sich z. B. aus Folgendem. 
Zu den Hauptobliegenheiten der Priester der Serrer gehört 
es, den Dieb zu entdecken, wenn einem Gemeindemitgliede 
etwas gestohlen wurde. Unter den Klängen eines Tam- 
Tam zieht dann der Priester durch das Dorf und verkündet 
dass der Bestohlene eine Eidechse gefangen habe uud sie 
am folgenden Tage zum Schmied tragen werde, um sie 
von diesem mit einem Hammer töten zu lassen. Eine 
solche Ankündigung verfehlt niemals die Wirkung. Der 
Dieb nämlich, fest überzeugt, dass jeder Ha mm er- 
schlag, der die Eidechse träfe, hundertfach seinen 
Körper treffen und seinen Tod herbeiführen wurde, 
bringt in der folgenden Nacht schleunigst die Dinge 
zurück 10 ). 

So endet denn auch hier dieses Ausbreitungsgebiet in 
der Anschauung, Schlange ll ) und Eidechse resp. Krokodil 12 ) 
wird von Ahnengeistern bewohnt. 

Ich komme nunmehr zur Besprechung einer der merk- 
würdigsten und verbreitetsten Mythen der Afrikaner, der 
Mythe von der Regenbogenschlauge. Dieselbe konnte ich 
in 4 Gegenden nachweisen: 1. im Kwe-Yoruba-Nupe- Ge- 
biet; 2. an der Loangoküste; 3. bei den Wanika; 4. bei 
den Ama-Zulu. 

Anyi-ewo ist der Regenbogengott der Ewe, der sich 
zumeist in einer Schlangenform äussert und nur erscheint, 
wenn er durstig ist. Dann schlürft er aus den Wolken 
seinen Trank. Was es verschüttet, erkennen wir im Regen. 

,0 ) Heichen 8. 1190. 

n ) Baumann: „Usambara" 8. 141. Freemann S. 279, 5. Fritsch 
8. KW. Schweinfurth S. 45. Vita Hassan Bd. I S. 59. Casati Bd. II 
S. 180. Weiteres im „K. SchiffwHchnabel" 8. 68 ff. 

") Endemann 8. 32. Coquilhat 8. 292. Sibree S. 302. „Allg. Hist. 
d. R. u Bd. III 8. 233. Weiteres im „K. Schiffsschnabel« S. 67 ff. 



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Ist er gesättigt, so kehrt er an den Rand der Welt, seinen 
Wohnort zurück. Der Name heisst: „ Grosse Schlange 
(ewo — eine grosse Schlange) der Unterwelt (anji = Untere 
Teil oder Unterwelt)". In Weida und Dahome scheint der 
Gott einen andern Namen zu haben. Die bekannten Popo- 
und Agry- Perlen hält man für W T erke dieses Gottes. 
Seine Exkremente meint man, hätten die Macht, Mais- 
körner in Kauris zu verwandeln. Die Tempel des Gottes 
sind mit den Farben des Regenbogens in Streifen bemalt. 
Seine Boten sind kleine Arten der Boa. Anyi-ewo hat 
seine eigenartig geformten Thonbilder, bestehend aus 
Schlangen mit kleinen roten Federn statt der Horner. Sie 
sind weiss bemalt und stehen häufig unter Baumwoll- 
bäume*!. In Dahome heisst nach einigen der Gott Danh, 
doch heisst dies nur Schlange. Daselbst sind seine Send- 
boten Ameisen. Hügel sind seine „busch houses". Die 
Popo- Perlen sind auch hier seine Exkremente. Sein 
Emblem ist in Joruba eine in einem Topfe oder einer 
Colebasse ruhende gehörnte Schlange. — Im Westen findet 
sich eine interessante Umwandlung der Ewe- Mythe: die 
Aschantisagen, dass ein schlangenförmig aus dem Boden 
aufsteigender Dunst ihnen anzeige, wo sie nachgraben 
sollten, um die geschätzten Agri- Steine zu finden. — In 
.Nupe führt die gleiche Gottheit den Namen Duwa 13 ). 

In Loango ist Umschama-umwula die im Wasser be- 
findliche Schlange, die sich vom Horizont aus am Himmel 
erhebt, der Regenbogen. — Ein Häuptling der Wanika er- 
zählte von einer grossen Schlange, die bisweilen zur See 
gesehen werde uud vom Meer bis an den Himmel reiche. 
Die Schlange, erzählte er, erscheine besonders bei starkem 
Regen. — Die Ama-Zulu sagen, „der Regenbogen sei ein 

,8 ) Ellis: „Ewe* 8. 47 49. Skerchley S. 473. Burton: „Dahome" 
Bd. II 8. 148. Bowdtsh 8. 364. Crowther und Taylor: „The Gospel" 
8. 193. 



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— 84 — 

Umnyaina (siehe oben; Loangoküste !), das in einem Teiche 
wohnt und wie ein Schaf gestaltet ist. Sie sagen, dass es 
dort, wo es die Erde berührt, aus einem Teiche trinkt. 
Die Leute fürchten sich, sich in einem grossen Teiche zu 
waschen, sie sagen, dass ein Umnyarna darin ist; und wenn 
ein Mensch hineingeht, fängt es ihn und frisst ihn auf. Aber 
sie sagen, dass derjenige, welcher vorbereitet wird, ein 
Ganga zu werden, in einen Teich hineingeht, der ein Um- 
nyarna in sich birgt und das Umnyarna frisst ihn nicht, 
sondern beschmiert ihn mit farbigem Thone; und er kommt 
aus dem Teiche heraus, mit Schlangen um seinem Körper 
geschlungen und geht mit ihnen nach Hause" 14 ). 

Interessant ist hier wiederum das Verhältnis der Ver- 
breitung und Erhaltung der Mythe. Im Westen, dem 
malajo-nigritischen Schwemmgürtel, ist sie am vollendetsten. 
Parallelen in Oceanien lassen sich recht wohl nachweisen. 
Nach der Ansicht der Bagobos auf Süd-Mindanao ist der 
Kopf des Meeres oben im Himmel; bewegt das Meer seinen 
Kopf, so regnet es. In der Mythologie der Gilbertinsulaner 
hat Rigi von Na reua die Eigenschaft erhalten, „sich nach 
Belieben in einen Aal zu verwandeln, damit er das Himmels- , 
gewölbe um Samoa mit der Wasseroberfläche verbinde" 15 ). 

In diesem Falle möchte ich die Deutung der Mythen 
mit einer Beweisführung H. Schurtzs über den Sinn der 
peruanischen Thongefässe in Verbindung bringen. Eine 
Untersuchung der Ornamente auf den überaus zahlreichen 
Thongefässen aus den Gräbern der Chimu hat ihn .gelehrt, 
dass das Symbol des Regens und Gewitters das typische 
Abzeichen derselben ist, oftmals ist die Gottheit des Ge- 

u ) Bastian: „Loangoküste« Bd. II 8.229. Krapf Bd. I S. 412. 
Kllis: „Ewe- 8. 48. Haarhoff 8. 4 5. 

,s ) Schadenberg i. „Ztschr. f. fithnol." Bd. 17 8. 32. Parkinson: 
„Gill»ertinsulaner u S. 106. 



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witters auf denselben dargestellt, auf deren Schild das 
Bild des Regens von Schurtz entdeckt worden ist. 

Es ist nun im höchsten Grade interessant, dass eine 
Mitteilung über die Bedeutung dieser Linien recht wohl 
existiert, die Schurtz aber entgangen ist. Sie bestätigt 
seine Ansicht. Es wird nämlich berichtet, die alten 
Peruaner hätten den Regenbogen angebetet, und die 
Incas hätten ihn neben zwei ausgestreckten 
Schlangen im Wappen geführt 16 ). 

Schurtz ist über die Bedeutung der Regensymbole auf 
den Gräberurnen zu der Ansicht gekommen, es handele 
sich hier um eine Mahnung au die Toten, ja nicht des 
Regenspenders, ihrer wichtigen Obliegenheit zu vergessen. 
Auch auf afrikanische Vorkommnisse weist Schurtz hin. 
Auf Gräber und Graburnen wird Palmwein, übrigens auch 
reines Wasser gegosseu. auf dass die Ahnen nicht ihren 
Nachkommen den befruchtenden Regen vorenthalten. — 
Dass die Oceanier in gleicher Weise an die Ahnen die 
gleichen Anforderungen stellen, geht übrigens daraus hervor, 
dass neucaledonische Priester, um Regen zu bekommen, 
von einem über Taro-Blättern aufgehängten Skelett Wasser 
herablaufen lassen 17 ). 

Wir erhalten also sehr interessante Beziehungen, deren 
Zusammentreffen das Entstehen der Mythe vollkommen 
erklärt. Denn die Schlange als Träger der Ahnengeister 
und wasserliebendes Tier ist in doppelter Weise mit dem 
Regen in Beziehung zu bringen. 

Auch stehen wir infolge dieser Beziehungen jetzt 
anderen, noch nicht zu enträtselnden Verhältnissen mit den 
nötigen Vorkenntnissen gewappnet gegenüber. Es handelt 
sich um die Töpfe, die in gleicher Weise, wie es Schurtz 

") Gottfried 8. 31. Schurtz: „Peruanische Thongefässe." 
") Schurtz: „Peruanische Thongefäsae" S. 5. Bastian: „Oceanien 44 
S. 86. 



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für Peru annimmt, in Afrika dem Zauber dienen. Bumba 
ist an der Loangaküste ein mit Zaubermitteln gefüllter 
Topf, der vergraben wird, um Regen zu erzeugen. Die 
Ganga der Makaraka vergraben einen mit Hexenkraut 
und Zaubermitteln gefüllten Topf zum gleichen Zwecke. 
Die Akkraneger warfen einen Topf in ein Gewässer, eben- 
falls um Regen zu erlangen. Auch scheinen Gefässe bei 
den Battak eine grosse Rolle zu spielen in den Zeremonien, 
die anlässlich grosser Trockenheit abgehalten werden 18 ). 

Bei den Yaunde kehrt der Topf im gleichen Sinne 
wieder. Wenn drohende Wolken am Himmel aufsteigen zu 
einer Zeit, da Regen sehr störend sein würde, errichtet 
der Ganga eine Stange, an deren oberen Ende ein Töpfchen 
mit Medizin befestigt ist. Am Fusse der Stange ist ein 
Huhu angebunden. — Nach der Ansicht der Ewe sollen 
die Priester die Winde in grossen Töpfen verschlossen 
halten 19 ). 

Wir werden den Topf häufig in den Sonnenraythen treffen. 
Des Sonnengottes Lissas Emblem ist ein weissbemalter 
Topf. Die Sonne war bei den Mandant in einem Topfe 
repräsentiert. Auf Odentes Hügel steht ein Topf. Akod- 
schang ist im Topf dargestellt. — Heitsi-Eibib schnitzt 
als Mensch Holztröge und verwandelt sich in einen solchen, 
der alles Fett konsumiert, das in ihn gethau wird. 

Die letzte Mythe ist das Bindeglied. Wir sahen, dass 
die Sonne auch als Fettballen aufgefasst wird. Das Fett 
ist andererseits das „Belebende". Diese beiden An- 

,H ) Bastian: „Loangoküste" Bd. 1 8. 40. Junker Bd. I S. 404. 
„Allg. Hist. d. K.» Bd. IY S. 280 1. Brenner S. 212. Wenn auf 
Buru Regeu füllt, fängt man ein wenig in einem Topfe auf und lässt 
diese« über einem Feuer unter Gebeten nach Regenfülle verdunsten. 
Auch wirft man wohl einen Topf in da« Wasser mit der 
Bitte um Regen. Riedel 8. 10. 

Zenker S. 4«. Herold Bd. V S. 145. 



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sehauungeu wachsen aus der Fananymythe heraus. Der 
die Jauche der verwesten Mitmenschen enthaltende Topf 
ist hier Ausgangspunkt. Die manistische Anschauung, die 
die Menschenseele der Sonne folgen lässt, übertrügt die 
Eigenschaften, Schicksale und Vermögen der Menschen auf 
die Sonne und die der Sonne auf die Meuschen. Daher 
hat ja jede manistische Anschauung ihr Echo in der hohen 
Mythologie, daher wird die Sonne zum Fettballen, und 
Heitsi-Eibib zum Topfe, der alles Fett aufsaugt. Daher 
thut auch Hubeane, der Sonneuheld, Unrath in die Töpfe 
seines Vaters. 

Ich will jetzt noch, von dem Inhalte des Topfes aus- 
gehend, seine Bedeutung nach verschiedenen Richtungen 
verfolgen. Wir sahen wie die Verwesungssauce in Töpfen 
aufgefangen wird. Auch kommt Bestattung in Töpfen und 
Körben vor. Wenn von Zwillingen einer stirbt, repräsen- 
tiert ein Topf den Toten. Topf oder Korb wird so Seelen- 
aufenthalt. Jede grössere, aus mehreren Höfen bestehende 
Familie hat eine grössere Hütte, wo in einem runden Korbe 
die Geister der aus der Familie Verstorbenen wohnen und 
gepflegt werden. In dieser Geisterhütte befindet sich ausser 
dem Korbe, der eigentlichen Geisterwohnung nur noch eine 
Negerin, welcher die Pflege der Geister anvertraut ist, die 
mit ihnen in enger Verbindung steht und sie in ver- 
schiedenen Anliegen befragt 20 ). 

Indem nun die Anschauung einmal den Inhalt der 
Töpfe verfolgt, kommen jene Salben und Mixturen, Fett- 
amulette und Düngertäschchen zu Tage, die nicht zu den 
Seltenheiten gehören. Es werden die Menschenfiguren 
(vergl. das oben über die Battak-Ahnenbilder Gesagte) mit 

i0 ) Speke D. Ausg. Bd. II 8. 221, engl. Ausg. S. 54. Schneider S. 157. 
Bohner S. 218. Zimmermann S. 174/5. Zuletzt wird aus dem Topfe 
eine Gottheit oder wie im Sudan, er wird zur Moschee, zum Tempel. 
— Coquilhat S. 292. Staudinger S. 41(1/1. 



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zauberkräftigem Kote gefüllt etc. Ziegen- und Antilopen- 
hörnchen werden durch Füllung mit solchem Schmierzeug 
zu Amuletten etc. 21 ). 

Ein grosser Kreis von Sitten wird verständlich, indem 
Eidechsen, Baumzweige, Wasser, die sich in den Gefässen 
des Kultus befinden, als Nachkommen der früher darin be- 
findlichen Verwesungssauce bezeichnet werden. Folgende 
Beispiele werden das genügend erläutern. — An der Gold- 
küste halten die Ganga an gewissen Tagen lange Reden 
an das Volk. Nach derartigen Predigten folgt noch eine 
Weihzeremonie, neben ihnen steht ein Gefäss mit Wasser, 
in dem eine Eidechse schwimmt. Es werden Weiber, 
Kinder und ein kleiner Opferaltar damit besprengt 22 ). In 
einem Dorfe der Wa-Bondei an der Grenze des Digo-Landes 
sah Baumann eine „Daiia". Auf einem erhöhten Lehm- 
sockel inmitten eines Stangenzaunes war ein Topf mit 
Wasser eingelassen. In demselben befand sich eine lebende 
Landschildkröte. Es war das ein mächtiger Zauber. Ehe 
die Angola-Neger auf Reisen gehen, befestigen sie einen 
kleinen Topf an einem Gerüst und legen einige Pflanzen 
hinein. Bevor sie nun die Reise antreten, waschen sie sich 
mit dieser Flüssigkeit und glauben sich so gegen jedes 
Unheil gesichert. In Weida stand früher an jeder Thür 
ein grosser Topf mit Wasser gefüllt auf einem konischen 



S1 ) Cameron Bd. I 8. 310 Nr. 15. Wissmann, Wolf auf S. 215 die 
Abbildung einer „Fetisch-Schnupf-Tabaks-Dose". — Campbell S. 244. 
Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. 1 8. 375, S. 357. Lenz 8. 202, 
S. 198. Emin S. 15. Spekc 8. 259. 8ibrcc 8. 329. Galton 8. 109. 
Holub Bd. II 8. 362. 

2S ) Eine interessante Parallele bei den Maori: — Als ein alter 
Priester einem Knaben Unterriebt erteilte, stand neben ibm eine 
mit Wasser gefüllte Schädelschale, in die der Alte von Zeit zu 
Zeit einen Zweig tauchte und dann den Knaben besprengte. Dieffen- 
bach Bd. II 8. 119. 



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Piedestal aus Lehm. Darin schwamm eine wohlgediehene 
Wasserpflanze. Auch das war ein Zaubermittel 23 ). 

Daran schüessen sich jene Zeremonien au, in denen die 
Ahnen um Rat gefragt und das Einziehen in den Körper des 
Priesters gewünscht wird. Man beugt sich über ein Wasser- 
becken und ruft die Ahnen an. Der Priester erkennt im 
Wasser die Antwort auf die Frage. Solche Sitten lassen 
sich an der ganzen Westküste und auch in Oceanien nach- 
weisen 2i ). 

Um auf die bedeutsame Verbindung von Topf und 
Vogel noch hinzuweisen, erwähne ich folgendes. Oben 
ward schon auf das Huhn am Fusse des Pfahles mit dem 
Topfe bei den Yaunde hingewiesen. In Okkra stecken 
Hahnenfedern in dem heiligen Gefasse, in Adamaua sind 
am Pfahle Dodos, auf dem sich auch ein Topf befindet, 
zwei Federn angebracht. Am bedeutsamsten ist aber die 
Weise, wie die Dryaboskandidaten der Kru auf ihre Fähig- 
keit hin, dem Kultus obzuliegen, geprüft worden. Es wird 
der Kopf eines Huhnes in einen von mehreren verschlossenen 
Töpfen gethan. Der Kandidat inuss herzutreten und an- 
geben, in welchem Topfe er verborgen ist 25 ). — Die Haupt- 
funktionen des Dryabo liegen im Verkehr mit den Geistern. 
Das Huhn ist Vertreterin des „Geistigen", hier wohl Geist 
selbst, mit welchem der Ganga und Dryabo sich in Be- 
ziehung muss setzen können. Der Topf, durch den Seelen- 
aufenthalt schon mit dem Gerüche der Heiligkeit versehen, 

2S ) „Allg. Hist. d. Kr. u Bd. IV S. 188. Baumann: „Usambara 44 
8. 140. Wissmann, Wolf S. 144. Isert 8. 136. 

* 4 ) Schwarz S. 175. Pogge 8. 38. Bastian: „Felisch 44 S. 39 und 40. 
Steiner im: „Tagebuch". Bohner 8.54. Bastian: „Oceanien" S. 240. 
Das Gesicht des Diebes zeigt sich in Tahiti dem Wahrsagenden in 
einer Kürbisflasche von Wasser. — Turnbull 8. 345. 

*») Wilson: „Westafrika 44 8. 97 98. Passarge 8. 124. Bohner 
8. 56/7. 



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bietet ein geeignetes Werkzeug für die Thätigkeit des 
„Geistersehers*. _____ 

Ich will nicht weiter in Kinzelheiten eingehen. Die 
merkwürdige Gleichheit der Sitten und Anschauungen des 
besprochenen Kreises in der afrikanischen und oceanischen 
Weltanschauung wird zumal dem aufgefallen sein, der die 
Anmerkungen nicht übersehen hat. Nicht unabsichtlich 
sind diese beiden Kapitel über die Fananymythe ans Ende 
des Teiles gesetzt, der dem Problem der kulturellen Ver- 
wandtschaft, den Malajonigritiern gewidmet ist. Sie 
bilden den Uebergang zum nächsten Teile. Es ist sicher, 
dass genetische Verwandtschaft der grossen Züge der 
Mythologie auf der ganzen Erde vorhanden ist, aber, dass 
die Nebenerscheinungen die gleichen sind, die Reste, Aus- 
läufer, Bruchstücke, Teile, deren Verbindung mit dem 
Zentrum der Weltanschauung und Mythologie längst ab- 
gebrochen ist, das ist Beweis für die kulturelle Verwandt- 
schaft. Das scheint mir für die Fragen nach der Ver- 
wandtschaft das Ausschlaggebende zu sein. Ich will den 
Beweis für die kulturelle Verwandtschaft der Malajo- 
nigritier in diesen Dingen wenigstens bis ins Detail aus- 
geführt haben. 

Nun die Sonnenmythen! 



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II. Teil. 

Die Sonnenmythen der östlichen 
Provinzen nebst westlichen 

Analogien. 



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VI. Kapitel. 
Die Sonnenmythe Oceaniens. 



Die melanesischen SonnenDiythen von Quat. — Bonnenauf- und 
Untergang. — Deutung der Quatmythen. — Vergleich der melane- 
Bischen und polynesischen Sonnenmythen. — Die mikronesischen 
Sonnenray then. — - Deutung derselben. -- Vergleich mit den mela- 
nesischen und polynesiachen Sonnenmythen. — Der Sonnenkultus in 
Polynesien, Melanesien, Indonesien. 

Die in reicher Blütenpracht prangende Maui-Mytho- 
logie ist schon von Schirren, Achelis, Bastian, Waitz-Gerland 
untersucht worden. Wie schon oben bemerkt, ist die Arbeit 
Schirrens der solaren Beschaffenheit Maui's gewidmet. Die 
einzelnen Zuge sind von ihm so eingehend behandelt, dass 
die Gestalt Maui's, dieses typischen Sonnengottes, voll- 
ständig verständlich geworden ist. Ehe wir die bedeut- 
samsten und wichtigsten Thatsachen beleuchten, soll aber 
dem so lauge in Schweigen gehüllten Melanesien sein Recht 
werden. Es ist von dem vielverdienten Codrington eine 
Sammlung melanesischer Mythen publiziert worden. Eine 
Figur derselben, Quat, ist als ein Sonnengott zu bezeichnen. 
Diese Quat-Mythen der Banks-Inseln will ich zunächst in 
freier Uebersetzung nach Codrington wiedergeben. 

1. Mythe von Quat (Banks-Inseln). 

Quat war nicht von Anfang an. Seine Mutter, deren 
Name Quatgora oder Jro Ul war, war ein Stein, der aus- 
einanderbarst und ihn hervorbrachte. Er hatte keinen 
Vater ; er war an der Landstrasse geboren. Er wuchs auf 



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und sprach mit einem Male. Er frug seine Mutter nach 
seinem Namen und sagte, wenn er einen Vater oder einen 
Oheim mütterlicherseits habe, solle der ihm einen Namen 
geben. Dann gab er sich selbst den Namen Quat. Er 
hatte auch Brüder. Der erste war Tangaro Gilagilala, 
Tangaro der Weise, der alle Dinge verstand und die anderen 
unterweisen konnte, der andere war Tangaro Loloquong, 
Tangaro der Narr, der von nichts etwas wusste und sich 
wie ein Narr benahm; die anderen waren: Tangaro Siria, 
Tangaro Nolas, Tangaro Nokalato, Tangaro Noav, Tangaro 
Nopatau, Tangaro Noau, Tangaro Nomatig. Tangaro 
Novunue. Taugaro Novlog. 

Es waren elf Tangaros. mit Quat zwölf Brüder. Die 
Namen der letzten neun sind die Bezeichnungen von Blättern 
von Baumen und Pflanzen, als Brotfruchtblatt. Kokosnuss- 
blatt, Bambusblatt, Schirmpalmblatt etc. zu dem Namen 
Tangaro gefugt, welch letzterer zweifellos derselbe ist, wie 
Tagaro auf den Neu-Hebriden und Tangaro in Polynesien. 

Diese alle wuchsen auf so wie sie geboren waren und 
nahmen ihren Aufenthaltsort im Dorfe Alo Sepere, woselbst 
ihre Mutter noch immer als in einen Stein verwandelt ge- 
sehen werden kann. Daselbst begann Quat das Werk der 
Schöpfung; er machte Menschen, Schweine, Bäume, Felsen, 
just wie es ihm einfiel. Aber als er alle Arten von Dingen 
gemacht hatte, wusste er nicht die Nacht herzustellen und 
deshalb war es während des ganzen Tages hell. Da sagten 
seine Brüder zu ihm: „Hallo Quat! das ist keineswegs an- 
genehm; es ist nichts als Tag; kannst Du für uns nicht 
etwas dagegen thuu?" Da bedachte Quat, was mit dem 
Tageslicht zu thun sei, und er hörte, dass in Vava auf 
den Torresinseln Nacht sei. Da nahm er ein Schwein, band 
es und warf es in sein Kanoe. Dann segelte er nach Vava 
hinüber und kaufte Nacht (quong) von J. Quong (Nacht), 
der dort wohnte. Andere sagen, dass er an den Fuss des 



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Horizontes gefahren sei, um Dunkelheit von der Nacht zu 
kaufen, dass ihm diese die Augenbrauen geschwärzt und 
ihm gelehrt hätte, wie man abends einschliefe und wie 
morgens die Dämmerung zu machen sei. 

Quat kehrte zu seinen Brüdern zurück mit der Nacht- 
kenntnis, sowie mit einem Huhne uud anderen Vögeln, 
welche Nachricht geben sollten von der Zeit der Nacht- 
rückkehr. Er Hess die Brüder Bettplätze bereiten. Sie 
drückten Kokosnusszweige platt und breiteten sie im Hause 
aus. Da sahen sie zum ersten Male die Sonne sich be- 
bewegen und im Westen niedersinken und riefen Quat zu, 
das sie sich hinwegschleiche. „Sie wird bald gegangen 
sein", sagte dieser, „und wenn Ihr einen Wechsel im An- 
gesicht der Erde seht, so ist dies die Nacht." Und er 
liess die Nacht kommen. „Was ist das, was dort über die 
See kommt und den Himmel bedeckt?" schrien sie. „Das 
ist die Nacht", sagte er, „setzt Euch nieder auf beiden 
Seiten des Hauses, und wenn Ihr etwas in den Augen 
spürt, legt Euch nieder und seid ruhig." So ward es 
dunkel und ihre Augen begannen zu blinzeln. „Quat, 
Quat, was ist das? Werden wir sterben?" „Schliesst Eure 
Augen", antwortete er, „das ist der Beginn des Schlafes." 

Als die Nacht lauge genug gewährt hatte , begannen 
der Hahn zu krähen und die Vögel zu zwitschern. Quat 
nahm darauf ein Stück roten Obsidian und schnitt die 
Nacht entzwei. Das Licht, über welches die Nacht sich 
ausgebreitet hatte, schien wieder hervor. Quats Brüder 
erwachten. Er aber begab sich wieder an das Werk der 
Schöpfung. 

2. Mythe von Quat (Banks- Inseln). 

Zwar hatte Quat eine Frau, aber keine Kinder. Sie 
hiess Ro Lei. Seine Brüder, welche keine eigenen Weiber 
hatten, beneideten ihn um den Besitz der schönen Ro Lei, 



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ebenso wie den seines schönen Kauoes. Sie verbanden sieh 
untereinander, um beide in ihre Hände zu bringen. Als 
nun das Werk der Schöpfung beendet war. schlug Quat 
seinen Brüdern vor, sie sollten sich Kanoes schneiden, und 
sie begannen die Arbeit, indem jeder sich einen Baum 
auswählte. Quat fällte einen langen, für ein Boot be- 
sonders geeigneten Baum , und arbeitete heimlich jeden 
Tag. Aber er machte am Werke keinen Fortschritt. Jeden 
Tag, wenn er zur Arbeit zurückkehrte, fand er das Holz, 
das er gestern gefällt hatte, wieder daran und der Stamm 
war ganz solide. Endlich legte er sich eines abends nach 
Beendigung des Tageswerkes, sich ganz klein machend 
und mit einem Spahn bedeckend, im Geheimen zur Wache 
nieder. Da sab er einen kleinen, alten Mann mit langem, 
weissem Haar aus dem Boden hervorkriechen und erblickte, 
wie derselbe jeden Spahn wieder an die Stelle, wo er 
herausgeschlagen war, einfügte, bis der Baumstamm fast 
wieder hergestellt war. Es fehlte nur noch der Spahn, 
der Quat verbarg, und der alte Mann begann danach zu 
suchen und Quat passte auf. Nach einer Weile erblickte 
der Suchende das Fehlende und näherte sich ihm, um ihn 
zu ergreifen. Aber Quat sprang hervor und erhob seine 
Muschelaxt, um jenen niederzuschmettern. Jedoch Marawa, 
die Spinne, ein anderer sehr mächtiger Vui, denn dieser 
war es, bat Quat: „Ach Freund, töte mich nicht, und ich 
will Dein Kanoe wieder fertig herstellen". Und er arbeitete 
daran und hatte gar bald mit den Nägeln sein Werk 
beendet. 

Als alle Boote beendet waren, bat Quat seine Brüder, 
die ihrigeu vom Stapel zu lassen. Und als dies geschehen 
war, erhob er die Hand und eines nach dem anderen versank. 
Dann erschienen Quat und Marawa mit dem Kanoe, das 
sie gemacht hatten, und ruderten schnell umher, zum Er- 
staunen der Brüder, die nicht gewusst hatten, dass er 



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— 97 



gleichfalls die Arbeit begonnen hatte. Nachdem er sieh 
sattsam über diese Kränkung gefreut hatte, holte er ihre 
Boote in der Nacht wieder hervor. 

Nach diesem Ereignisse trachteten Quats Brüder mit 
viel List ihn zu vernichten und so selbst in den Besitz 
seines Weibes und seines Bootes zu kommen. 

Eines Tages nahmen sie ihn mit zur Höhle einer 
Landkrabbe. Dieselbe befand sich unter einem Stein und 
war von ihnen noch um soviel erweitert worden, dass sie 
bereit war, über Quat zusammenzustürzen. Quat kroch in 
die Höhle und begann nach der Krabbe zu graben. Da 
warfen die Brüder über ihm den Stein um und rannten 
mit der Ueberzeugung, ihn getötet zu haben, fort, um 
Ro Lei und das Kanoe zu rauben. Aber Quat rief Marawa 
mit Namen: „Marawa! Bring mich zu Ho Lei." Und zur 
Zeit, als die Brüder das Dorf erreichten, sass Quat zu ihrem 
Eirstaunen an der Seite seiner Frau. 

Bei einer anderen Gelegenheit schnitten sie den Zweig 
eines Fruchtbaumes halb durch und überredeten Quat, der 
Nüsse halber hinauf zu steigen. Als aber der Ast herab- 
fiel und sie glaubten, er sei tot, rettete ihn Marawa aber- 
mals, und als sie davonliefen, um seine Frau zu rauben, 
erblickten sie ihn mit dem Kopfe im Schoosse Ro Leis 
liegend. 

In einer mondhellen Nacht veranlasste er seine Brüder, 
zum Schiessen fliegender Füchse auszuziehen. Als sie sich 
daran machten auszurücken, bedeckte er sich mit Brettern, 
flog auf einen Pandanusbaum und hing sich daran wie eine 
Fledermaus. Seine Brüder sahen ihn, schössen nach ihm 
und trafen ihn. F> spie Blut auf den Boden und sie waren 
überzeugt, dass er verwundet sei. Sie kletterten einer nach 
dem anderen in den Busch, um ihn zu suchen. Wenn einer 
geschossen hatte und nach ihm kletterte, flog er empor 
und kehrte dann zurück, um sich wieder hinzuhängen. 

l'robenius, Weltanschauung der Naturvölker. 7 



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Als alle geschossen hatten und hinaufgeklettert waren, 
flog er heim, zog die Pfeile, die in den Seitenbrettern seiner 
Hülle steckten, heraus und hing sie im Gamal auf. Wie 
die Brüder nun heimkamen, klärte er sie auf, wie er sie 
zum Narren gehabt hatte. 

3. Mythe von Quat (Banks-Inseln). 

Und wieder berieten die Brüder, wie sie Quat ver- 
nichten könnten, und beschlossen, ihn zu fangen, während 
er Vögeln nachstellte. Sie bereiteten sich also jeder einen 
Platz in einein Muskatnussbaum , jeder in einer kleinen 
Entfernung vom andern. Und der Baum Quats war weiter 
fort, als die anderen. Dann nahmen sie Quat mit hinaus 
und zeigten ihm seinen Platz. Quat bestieg seinen Baum. 
Sobald er mit seinen Schlingen befestigt war, stieg der 
ihm nächste Bruder von seinem Platze, lief unter den 
Baum, auf dem Quat sass. und sang: 

„Mein Muskatnusbaum, schwelle!'' Der Stamm des 
Muskatnussbaumes wuchs sogleich so stark, dass Quat ihn 
mit seinen Armen nicht mehr umspaunen konnte. Quat 
bemerkte es aber im Anfange nicht, da er eifrig mit 
Schlingenstellen beschäftigt war. Der Bruder, der den 
Zauber auf den Muskatnusbaum gelegt hatte, raunte 
zurück und sammelte auf dem Wege zum Dorfe die 
andern. 

Sie raubten und schleppten Ro Lei hinweg, zogen 
das Kanoe in das Wasser und ruderten schleunigst hinweg. 

Die Insel war schon am Horizonte verschwunden als 
sie ihre Muscheltrompete bliesen, um Quat von ihrem 
Fortgehen in Kenntnis zu setzen. Als der das hörte, wusste 
er, was geschehen war und wollte ihnen folgen. Aber 
der Umfang der mächtig angeschwollenen Zweige machte 
es ihm unmöglich herabzusteigen. 

Er versuchte und versuchte. Es war alles vergebens. 



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99 - 

Da erhob er seine Stimme, schrie und weinte. Sein 
Freund Marawa, die Spinne, hörte sein Klagen und \nm 
herbei um nach der Ursache zu fragen. „Ich kann nicht 
mehr herunter" , sagte er, „meine Brüder haben mir diesen 
Streich gespielt." „Herab mit Dir!" entgegnete Marawa, 
dessen Haar ungewöhnlich lang und locker war. Und 
er wehte sein Haar zur Quat hinauf. Der stieg an demselben 
herab und eilte in das Dorf. Da fand er aber nur noch 
die Rollen seines Kanoes; vergebens suchte er sein Weib. 
Die Brüder hatten Ro Lei und das Boot wie ihr Eigenes 
mitgenommen. 

Da ging Quat in das Haus hinein und nahm seine 
Hahnenschwanzfedern, eine Schnur von Muschelgcld. seine 
rothe Erde und sein Muschelbett. Dann frug er seine 
Mutter nach den Bananenfrüchten. „Sie haben sie alle 
abgepflückt", antwortete sie, „mit Ausnahme dieser kleinen 
am Ende des Büschels." „Pflücke sie alle ab", entgegnete 
Quat. Dann ergriff er eine Kokosnusflasche und packte 
alle seine Sachen und die Nahrung hinein, machte sich 
ganz klein und nahm seinen Platz ebenfalls in ihr. 

Hierauf bat er seine Mutter, drei Wellen abzuzahlen 
und bei der vierten kleinen Welle die Kokosschale in die 
See zu werfen. 

So schwamm Quat in seiner Flasche dahin, bis er an 
das Kanoe kam, in dem seine Brüder sassen. Sie hatten 
nämlich noch nicht das Land erreicht. Dann schwamm er 
am Schiff entlang, bis er vor den Bug kam und zwang 
sie nunmehr ihm zu folgen. Er nahm eine seiner Bananen, 
ass sie und warf die Schale in die See dahin, wo das 
Kanoe vorbei kommen würde. Die Brüder sahn sie und 
merkten wohl, dass sie den Bananen Quats. die sie ge- 
nommen hatten, glich. Sie forschten demnach wer eine 
Banane gegessen habe, und als alle solches leugneten, 
sprach Tangaro der Weise : „Ihr Burschen, es ist Quat, der 

7* 



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100 — 



die Bananen gegessen und die Schale hier vor uns in die 
See geworfen hat, um uns ein Zeichen zu geben, dass er 
nicht gestorben, sondern entwischt ist und uns jetzt ver- 
folgte Aber die andern wollten nicht auf ihn hören und 
erklärten, er sei gestorben. Dasselbe wiederholte sich, als 
er ihnen eine andere Bananenschale hinwarf. Danach 
sahen sie die geschlossene Flasche selbst, in welcher Quat 
war. Sie trieb nahe dem Boote. Einer fischte sie auf 
in dem Glauben, dass es eine gute Kokosnus sei. Als er 
aber daran roch und ihren üblen Geruch merkte, warf er 
sie fort. Dieses thaten sie einer nach dem andern bis auf 
Tangaro den Weisen, der nicht darauf achtete. 

Darauf trieb Quat seine Flasche schnell an die Küste 
vom Maewo und entstieg der Schale. Er färbte sein Haar 
mit der rothen Erde, bindet die Hahnenschwanzfedern in 
das Haar, nimmt seinen Sitz auf der Spitze eines männ- 
lichen Paiidanusbaumes, und da sitzt er und wartet darauf 
dass seine Brüder ans Land kommen, denn sie rudern 
immer noch über das Meer. 

Da kamen sie zwischen den Riffen daher an das Ufer 
und erhoben ihre Augen und sahen ihn auf dem Pandanus- 
baume sitzen. Und sie forschten untereinander, wer es 
sei, der dort oben sitze. „Es ist Quat u , sagte Tangaro 
der Weise. Aber seine Brüder bestritten es; er könne 
den Weg hierher nicht unternommen haben, da er augen- 
scheinlich dem Tode geweiht sei. „Das ist Quat und kein 
Irrtum", entgegnete Tangaro der Weise, denn er kannte 
diese und alle anderen Dinge besser als seine Brüder. So 
brachten sie denn ihr Kanoe ans Land. Aber sie brauchten 
es nicht heraufzuschieben. denn Quat Hess die Felsen 
steigen, und trug es so trocken und hoch hinauf. Quat 
sprang herab, mitten unter sie und zerschlug mit seiner 
Axt vor ihren Augen mit folgenden Gesänge das Kanoe: 
„Chop, chop the canoe: whose Canoe is it? Marawa's 



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Kanoe. My brothers tricked me about twisting a string — 
swell uutmeg-tree — and draw the snare. 1 had one 
Canoe, my Canoe slipped off from me. u So zer8chlug er 
das Boot vor ihren Augen in Stücke. Danach machte er 
Freundschaft mit ihnen und bat sie, von jetzt ab in Har- 
monie mit ihm zu leben. 

4. Mythe von Quat (Banks-lnselnj. 

Eine andere Reihe von Abenteuern waren Quat's 
Begegnungen mit Quasavara. Das war ein Vui, ein sehr 
starker und sehr grosser Krieger, ein Tyrann und Kanibale, 
der auf der Insel wohnte, die die Heimat Quat s und seiner 
Bruder war. 

Eines Tages nahmen die Brüder ein Bad und fanden 
dabei eine den Strom herabtreibende Frucht, der tahi- 
tischen Kastanie, eine Make. Sie nahmen die Frucht einer 
nach den andern auf und warfen sie wieder fort, in der 
Meinung, dass sie zu nichts gut sei. Quat aber nahm sie, 
fand sie gut und gab sie seiner Mutter zum kochen. Nach 
dem Bade kamen alle Brüder zur Mutter, um sich Speise 
zu holen. Die hatte aber nichts als Quat s Make und so 
nahm ein jeder etwas davon. Tangaro der Narr verzehrte 
den Rest. 

Quat sandte sie nun aus, um noch mehr zu erlangen. 
Den Strom entlang wandernd, den die Frucht geschwom- 
men war, kamen sie an den Baum. Sie kletterten hinauf, 
um die Kastanien zu erreichen. Tangaro der Narr fiel 
aber auf das Haus des Quasavara, über dessen Dach die 
Zweige herabhingen. Der Währwolf kam in voller Wut 
herausgestürmt, ergriff, tötete die Brüder und verschloss 
sie in einer Speisekiste. 

Quat wartete fünf Tage. Dann nahm er Bogen. Pfeil 
und Muschelaxt und ging auf die Suche. Dem Laufe des 
Stromes folgend, fand er den Baum. Das Ereignis ahnend, 



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— 102 — 

brachte er Quasavara aus seiner Behausung, indem er eine 
Make gegen sein Haus warf. Sie fochten mit einander 
und Quat tötete Quasavara. Die Gebeine seiner Brüder 
fand er in der Speisekiste. Er belebte sie, indem er durch 
ein Schilfrohr in ihren Mund bliess und sie bat, falls sie 
seine Brüder wären, zu lachen. 

5. Mythe von Quat (Banks-I nseln). 

Ein anderes Abenteuer stimmt nicht ganz mit dem 
eben erzählten überein. Als Quasavara mit Quat und 
seinen Brüdern zusammentraf, lud er sie in sein Dorf ein 
und machte ein Feuer für sie in seinen Backofen. Als es 
Abend war, sagte er. dass sie in seinem Gamal bei ihm 
schlafen müssten. Aber sie, die wohl wussten, dasS sie 
getötet werden würden, wenn sie dies thäten, waren sehr 
erschreckt. Es ward Nacht und sie wurden sehr schläfrig. 
Da forderte Quat sie auf, ins Bett zu gehen. Er riss mit 
den Knöcheln einen Dachsparren des Gamal auseinander 
und sie setzten sich alle hinein und schliefen. Um Mitter- 
nacht ergriffen Quasavara und seine Leute Keulen und 
Bogen und kamen um Quat s Truppe zu töten. Aber da 
sie auf den Schlafplätzen niemand trafen, zogen sie ent- 
täuscht wieder ab. Gegen Tagesanbruch krähte der Hahn. 
Quat weckte seine Brüder und bat sie, schnell heraus- 
zuschlüpfeu, damit sie beim Tageslicht nicht beobachtet 
werden möchten, wie sie den Sparren verliessen. So 
kamen sie heraus. Als es heller Tag war, kamen Quasa- 
vara und seine Leute herbeigelaufen. Sie fanden Quat 
und seine Brüder im Gamal mit einander schwatzend. 
„Wo habt ihr geschlafen?" f rügen sie. Alle antworteten 
auf einmal, dass sie an dem ihnen angewiesenen Platze 
geruht hätten. Nur Taugaro der Narr rief aus: „Wir 
schliefen in diesem Dachsparren*'. Da waren die Brüder * 
sehr entrüstet. 



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— 103 — 



Quasavaras Partei beratschlagte, als die Nacht wiederum 
nahte, wie sie jene im Dachsparren töten könnten. Quat 
aber riss in dieser Nacht einen Seitenpfosten heraus, öffnete 
ihn und die Brüder schliefen darin. Die Leute Quasavaras 
kamen in der Nacht und zerbrachen den Dachsparren. Sie 
fanden niemand darin und zogen abermals resultatlos ab. 
Am nächsten Morgen kamen sie in das Gamal und trafen 
Quat und seine Brüder ganz gelassen. Wiederum aber 
bekannte Tangaro, der Narr, dass sie im Seitenpfosten ge- 
schlafen hätten. In der nächsten Nacht öffnete Quat den 
grossen Hauptpfosten und sie schliefen darin. Und wieder 
kam Quasavara, zerbrach den Seitenpfosten und fand 
niemand darin. Tangaro, der Narr, jedoch gab abermals 
ihren Zufluchtsort kund, obgleich er von seinen Brüdern 
gewarnt und gescholten war. 

Quasavara beschloss nunmehr einen anderen Weg ein- 
zuschlagen und die Brüder beim Mahle zu töten. Diese 
Nacht öffnete Quat den Giebelpfahl mit einem starken 
Schlage und sie schliefen alle in demselben. — Wohl 
wissend, was beabsichtigt sei, traf Quat seine Vorberei- 
tungen, um die Brüder zu retten. Er pflanzte einen 
Casuarinabaum und gab ihnen Instruktionen, was sie zu 
thun hätten. „Wenn sie sich daran machen, das Essen 
zu bereiten 14 , sagte er, „wascht Eure Hände in den Bambus- 
wassergefässen bis sie leer sind. Und wenn sie dann Salz- 
wasser haben wollen und jemand gebrauchen, der die 
Gefässe füllt, so bieten sich zwei von Euch an heraus zu 
gehen, und danach gehen noch zwei gemeinsam. Wenn 
Ihr ein Stück weit fort seid, werft die Wassergefässe auf 
den Boden und steigt auf den Casuarinabaum! So macht 
Ihr es alle." Sie handelten alle nach dem Uebereinkommen. 
Als der Ofen zugedeckt war, riefen Quasavaras Leute: 
„Hallo! Es ist kein Salzwasser mehr vorhanden. Wer will 
welches holen?" „Wir zwei ü , sagten zwei Brüder Quats 



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104 — 



und sie gingen, zerwarfen die Wassergefässe und kletterten 
auf den Baum. Quasavaras Leute warteten, bis es ihnen 
zu lange wahrte. Da forderten sie zwei weitere Brüder 
auf zu gehen. Diese entfernten sich also ebenfalls, warfen 
die Gefässe fort und kletterten auf den Baum. So ging 
es, bis alle Brüder auf dem Baume und Quat nur noch 
allein bei Quasavara und seinen Leuten neben dein Ofen 
zurückgelassen war. 

Als sie nunmehr den Ofen öffneten, setzte sich Quat 
mit einer tüchtigen Hand voll von Futterbeuteln neben 
den Ofen. Als sie das Esseu herausnahmen, schlug Quasavara 
mit seiner Keule nach Quat, fehlte ihn aber. Quat lief 
davon auf die andere Seite des Ofens, und indem er Speise 
herausnahm rief er: „Das ist für meine Brüder, dies für 
meinen Gefährten", und steckte sie in seinen Beutel. 
Quasavara sprang hinter ihm drein, schlug nach ihm, ver- 
fehlte ihn jedoch abermals. Und Quat rannte auf die 
andere Seite, steckte Nahrung in den Beutel und rief das- 
selbe. So sprangen sie hintereinander her, bis der Ofen 
leer und Quats Beutel gefüllt war. 

Dann lief Quat fort zu seinen Brüdern, Quasavara 
hiuter ihm her, nach ihm schlagend, im Laufe aber ver- 
fehlend, und so jagte er ihn, bis Quat seine Brüder er- 
reichte. Da kletterte Quat auf den Baum und Quasavara 
hinter ihm her. Die Brüder hatten sich an der Spitze 
versammelt, und Quat klomm zu ihnen empor und blieb 
dort sitzen, denn höher konnten sie nicht klettern. Da 
stieg Quasavara nahe zu ihnen und streckte seinen Arm 
aus, so weit er konnte, um nach ihnen zu schlagen. Quat 
aber rief aus: „Mein Casuarina, verlängere Dich!" Und so 
verlängerte sich der Baum zwischen Quat und Quasavara 
und Hess diesen weit zurück. Quasavara kletterte jedoch 
abermals hinter ihm her und kam wieder ganz nahe zu 
ihm. Und wiederum rief Quat: „Werde länger, mein 



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- 105 - 

Casuarina". Abermals trug der Baum, .sich verlängernd, 
Quat und seine Bruder von Quasavara fort. So ging es 
weiter, bis die Spitze des Baumes den Himmel erreichte. 
Da sprach Quat: „Biege dich herab, mein Casuarina!" Der 
Baum bog seine Spitze herab bis zur Erde, und sie stiegen 
einer nach dem anderen auf den Boden, Quat als der 
Letzte. Als er den Boden erreicht hatte, hielt er die 
Spitze des Casuarina fest, und ehe er loslies wartete er, 
bis Quasavera, der ihm folgte, den Boden erreicht hatte. 
Da rief Quat aus: „Jetzt räche ich mich!" „Ach Quat", 
flehte Quasavara, „thue mir kein Leid an, nimm mich in 
Dein Haus, ich will für Euch arbeiten." „Mit nichten", 
entgegnete Quat, „ich will mich rächen für das Unrecht, 
das Du mir angethan hast." So Hess er denn den Gipfel 
des Casuarina fahren. Der Baum schnellte zurück und 
schleuderte Quasavara fort. Sein Kopf schlug gegen den 
Himmel und er stürzte auf die Erde. Da liegt er der 
Länge nach auf der Erde auf dem Antlitz, in einen Stein 
verwandelt. 

6. Mythe von Quat (Banks-lnseln). 

Die Sage erzählt, dass Quat auf Gaua von der Welt 
Abschied genommen habe. Wo jetzt in der Mitte der 
Insel der grosse See liegt, war früher eine grosse mit 
Wald bedeckte Ebene. Quat schlug sich dort aus einen 
der grössten Bäume ein Boot. Während er es herstellte, 
ward er oft von seinen Brüdern ausgelacht. Sie frugen 
ihn, wie er ein so grosses Kanoe in die See bringen wolle. 
Er antwortete stets nur, sie würden es schon sehen. Als 
das Boot beendet war, nahm er sein Weib und seine 
Brüder hinein, sammelte die lebendigen Geschöpfe der 
Insel, besonders so kleine wie die Enten und begab sich 
mit ihnen in das Kanoe, das er mit einer Decke versehen 
hatte. Dann kam ein Regenbruch. Die grosse Senkung 



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106 — 



inmitten der Insel ward voll Wasser, welches durch die 
umgebenden Hügel hereinbrach an der Stelle, wo jetzt 
der grosse Wasserfall von Gaua herabstürzt. Das Boot 
nahm seinen Weg durch einen Kanal in die See und ver- 
schwand. Das Volk meint, dass mit Quat das Beste von 
der Insel genommen sei und wartet noch immer auf seine 
Rückkehr. 

7. Mythe von Quat (Aurora). 

Es kamen einstmals einige Frauen vom Himmel, die 
hatten Flügel gleich den Vögeln. Die kamen zur Erde 
herab, um sich in der See zu baden. Und als sie badeten, 
nahmen sie ihre Schwingen ab. Als Quat vorbeiging, sah 
er sie zufälligerweise. Er nahm ein Paar der Flügel fort 
und ging in das Dorf und vergrub sie am Kusse des 
Hauptpfeilers seines Hauses. Dann kam er wieder zurück 
und beobachtete die Krauen. Als diese das Bad beendet 
hatten, kamen sie um ihre Klügel zu ergreifen. Sie flogeu 
auf gen Himmel. Eine aber blieb zurück; der hatte Quat 
die Schwingen geraubt. Und sie schrie. 

Da trat Quat herzu und betrügerischen Sinnes fragte 
er: „Warum weinst Du?" Sie antwortete: „Meine Klügel 
sind mir weggenommen worden/ Da nahm Quat sie mit 
nach Hause und heiratete sie. Quats Mutter nahm sie mit 
zur Arbeit. Als sie das Blatt des Yams berührte« waren 
die Yamsknolleu da, als ob sie schon jemand ausgegraben 
habe. Als sie ein Blatt einer Banane berührte, waren 
die Krüchte sogleich reif. Als die Mutter Quats solche. 
Dinge sah, schalt sie, nicht aber Quat, der war auf die 
Vogeljagd gegangen. Und als Quats Mutter also schalt, 
da ging sie ins Dorf zurück, setzte sich an den Hauspfeiler 
und weinte bitterlich. Da flössen die Thränen auf den 
Boden und machten eine tiefe Höhle. Und die Thränen 
tröpfelten herab, spülten die Klügel hervor und wuschen 



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- 107 

die Krde von ihnen ab, sodass sie sie fand. Da flog sie 
wieder zurück zum Himmel. 

Als Quat vom Vogelsehiessen heimkehrte, sah er, dass 
sein Weib nicht mehr da war und schalt seine Mutter. 
Er tötete ein Ferkel, befestigte Spitzen an sehr viele Pfeile 
und erklomm das Dach seines Hauses. Er schoss zum 
Himmel empor. Da er sah, dass sein Pfeil nicht zurück- 
kam, schoss er zum zweitenmal, und der zweite Pfeil traf 
den ersten. So schoss er lange Zeit und traf stets, und 
die Pfeilkette reichte herab zur Erde". Und siehe da, eine 
Feigenwurzel schlang sich um die Pfeile.' Quat nahm nur 
einen Korb mit Schweinefleisch in seine Hand und kletterte 
zum Himmel empor. 

Und er traf eine hackende Person an; und er fand 
sein Weil). Er sagte zu der hackenden Person: „Wenn 
Du eine Feigenwurzel siehst, zerstör« sie nicht". Als aber 
die beiden an der Feigenwurzel herabkamen und den Boden 
noch nicht erreicht hatten, hackte diese Person die Wurzel 
ab. So stürzte Quat herab und starb. Die Frau jedoch 
flog zum Himmel zurück. 

Die beiden Hauptmotive, die aus jeder Sonnenmythologie 
in allen möglichen Melodien wiederklingen, sind Auf- und 
Untergang. 

Der Aufgang wird im Mauimythus eingehend behan- 
delt. Wenn Maui das Feuer geholt hat und der Horizont 
mächtig von Flammen umlodert wird, sodass die Eilande 
scheinbar dem Untergange im Feuer geweiht sind, so ist 
dies das Bild der mit blutiger Röte den Himmel über- 
ziehenden aufgehenden Sonne. Den Untergang erkennen 
wir in der Mythe wieder, derzufolge Maui von der Ahn- 
frau Hine-nui-te-po verschlungen wird, als er in ihren 
Rachen geschlüpft ist und der kleine Vogel Tiwakawaka 
lacht. Das langsame Hinschleichen am Himmel zur Mittags- 



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- 108 — 



zeit wird bezeichnet, wenn Maui den Fang der Sonne, die 
Bändigung am Stricke zugeschrieben wird. Das alles ist 
schon von Schirren, Waitz- Gerland und Achelis so ein- 
geheud und oft behandelt und ausserdem haben wir noch 
einen so grossen Teil derartiger Mythen auf dieser Seite 
zu besprechen, dass wir hier kurz darüber hinweggehen 
können. 

Die erste der Quatmythe beschäftigt sich mit dem 
Sonnenauf- und -Untergang insofern, als Quat einerseits 
aus dem Steine geboren wird und er andererseits die 
Nacht, die im Westen — die Torresinseln liegen im Westen 
des Banks und soweit geht für die Banksinsulaner die 
Sonne in deren Mitte unter — oder am Fusse des Himmels 
zu holen ist. macht. Kr lernt es, die Dämmerung zu 
machen. Für die Verkündigung des Tagesanbruches wer- 
den der Haushahn und andere Vögel augestellt, womit ein 
schöner Anklang an die afrikanische Anschauung vom 
tagesverkündenden Hahn und an Maui's Eigenart als Licht- 
vogelgott geboten ist. 

Die zweite Mythe beschäftigt sich mit Quats Frau. 
Aus der letzten Mythe hören wir, dass dieselbe himm- 
lischer Abstammung ist. Da sie dort den Weg zur Hei- 
mat fliegend nur zurücklegen kann und da die Brüder 
Quats sie zu stehlen suchen, was in der dritten Mythe 
auch auf eine gewisse Zeit gelingt, so haben wir es hier 
wohl mit einer weiblichen Auffassung der Sonne zu thun. 
Der zweite wichtige Teil in dieser Mythe ist der Kanoebau. 
Tagsüber arbeitet Quat an demselben. Es liegt geöffnet 
vor ihm; nachts wird es von Marawa geschlossen. Das 
ist die Erde, die am Tage vom Himmelszelt überspannt, 
des nachts von der Dunkelheit bedeckt ist. — Nach ocea- 
nischer Kosmogonie lag im Anfang der Himmel auf der 
Erde, — das ist die Nacht, mit der die Schöpfungsge- 
schichte beginnt; — bis er in die Höhe geschoben wurde, 



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109 — 



— das ist der Tag. Die Wichtigkeit der Kahne in der 
Sonnenmythologie der Oceanier ist begreiflich. Die Sonne 
geht nicht nur im Meere unter, sondern es wandern die 
Seelen auch im Kahne, im Todtensehifte ins Jenseits. Wie 
die Sonne morgens erst aus dem Meere emporsteigt, so 
holt Quat auch die Kähne des nachts aus dem Wasser. 
Wenn Quat in die Höhle der Krabbe geworfen wird, so 
ist daran zu erinnern, dass dieses Tier in der Todesmythe 
der Melanessier eine grosse Rolle spielt und dass die 
Sonnenhöhle, wie anderweitig zu besprechen, auch sonst 
in den verwandten Mythen vorkommt. Ist doch ausser- 
dem Quat selbst vom berstenden Steine geboren. 

Iu der dritten Mythe gelingt der Raub der Ro Lei — 
vielleicht ist Ro mit dem malaischen Worte Ra = Sonne in 
Verbindung zu bringen. — Quat steigt auf einen Baum 
(Sonnenaufgang), wird auf ihm festgebannt (Müdigkeit und 
schleppender Gang in des Tageshöhe) und kommt endlich 
am Marawas langen Haaren wieder herunter (Sonnen- 
untergang). 

Die folgende Mythe enthält eine schöne Lntergangs- 
darstellnng. Tangaro der Narr, der auf dem Baume ge- 
klettert ist, stürzt herab und die Brüder werden in die 
Speisekiste Quasavaras gesteckt. Das ist der Sonnen- 
untergang. Der Kampf Quasavaras mit Quat ist der 
Kampf von Tag und Nacht. Der Tag siegt und die Sonne 
steigt wieder (aus der Speisekiste) empor. 

Die bei weitem klarsten Mythen kommen aber jetzt 
erst. Quasavara, der Tagesfeind, will die Brüder ver- 
schlingen. Die Sonnenhelden sind aber jede Nacht seiner 
Macht entschlüpft. Jedesmal, wenn die Brüder in einem 
Pfahl oder Sparren schlüpfen, geht die Sonne unter, 
kommen sie heraus, geht sie wieder auf. 

Der Hauspfahl spielt, wie wir im nächsten Kapitel 
sehen werden, auch sonst in die Sonnenmythen hinein. — 



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11) - 



Ganz wundervoll ist aber in der Flucht Quats die Sonnen- 
wanderung dargestellt. Kr besteigt den Baum, der sich 
immer mehr verlängert, bis er den Himmel erreicht (die 
Tageshöhe), dann senkt sich die Spitze zur Knie, bis 
Quat auf derselben angelangt ist. 

Im folgenden Stück ist der Sonnenuntergang als Flut- 
mythe beschrieben. Kr fährt im Kahne von dannen. — 
In der letzten Mythe ist eine sehr gute Beschreibung der 
Sonnenbahn enthalten, der Aufstieg an der Pfeilleiter und 
der Untergang mit Quats Absturz und Tod. 

Dass die Brüder Quats Tangaro heissen, kann nicht 
in Krstaunen setzen, da die Verwechslung Tangaroas und 
Mauis auch in Polynesien eine durchaus häufige, schon 
mehrmals nachgewiesene Erscheinung ist. Die Hauptzüge 
sind also enthalten. Ob die Nebenerscheinungen die gleichen 
in der melanesischen und polynesisehen Mythologie sind, 
wird sich im Kerneren zeigen müssen. 

Der Unterschied der melanesischen und polynesisehen 
Sonnenmythen ist vor allen Dingen ein formaler. Die 
erstere sind vermenschlicht, mehr märchenhaft als gross 
und majestätisch, mehr im Kleinen bezeichnend als im Ganzen 
bedeutend, mehr malerisch als plastisch. 

Demgegenüber ist die polynesische Mythologie mehr 
mächtig als lieblich, mehr wuchtig als poetisch. Sie neigt 
sogar zu philosophischen Grübeleien im grossen Stil. Vor 
allem: sie ist klarer, weniger beeinflusst durch menschliche 
Gefühle, bietet mehr und wahrhaftigere Götter als die 
Mythologie Melanesiens. 

Maui, der grosse, meergeborene Gott, der die Inseln 
fischt, der Gott mit dem mächtigen Haupte, von dem wir 
hören, dass er in der Sonne lebt, dass er die Sonne geschaffen, 
Mond und Sterne an ihren Platz gesetzt hat, dass er sich 
nach dem durch den Feuerdiebstahl erzeugten Brande ins 
Meer stürzt, die Sonne zum ersten Male untergeht, dass 



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111 



ist ein wahrer Sonnengott 1 ). Das ist mehr ein Gott als 
diese Tangaros, die überall den Kürzeren ziehen, als dieser 
Quat, der sich betrügen lässt, der in menschlicher Rührung 
den Brüdern, die er überwunden hat, verzeiht und das 
Boot des Friedens willen zerstört. Es fehlen ausserdem in 
Melanesien nach unseren allerdings geringen Kenntnissen 
jene vielsagenden Erscheinungen, wie Götter und Riesen 
mit einem Auge — Maui's rechtes Auge ist die Sonne, 
ein einäugiger Stamm lebt in der Unterwelt — mit einem 
Arm — Mafuike und Miru — etc. 2 ). 

Feuerbringer ist in Polynesien fast stets Maui 3 ). 

Auf den Carolinen bringt ein Geist, der aus dem 
Himmel gestossen ist, den Menschen das Feuer, bei den 
Motu auf Neu-Guinea der Hund 4 ), dessen Stellung zu den 
Sonnenmythen Schirren erörtert hat. Ewige Feuer, ein 
Zeichen des Sonnenkultus werden im Osten (auf Nukahiva) 
und im Westen (Timor) unterhalten; auf den Gräbern 
brennt das Feuer und die Seele erscheint Nachts im Feuer- 
funken etc. 5 ). 

Zu diesen Mythen Melanesiens mögen hier noch die 
ebenfalls weniger beachteten Mikronesiens hinzugenommen 

») Schirren S. .29. Forster 8. 444. Gill S. 74. Taylor S. 24. 
Yate S. 143. Tyrmann und Beimet Bd. II S. 40. 

*) Pollack Bd. I S. 16. Gill S. 74. In Nias liefen Sonne und 
Mond früher gemeinsam, bis die erstere im Streite mit dem Monde ein 
Auge verlor. Rosenberg 8. 175. Turner S. 254. Gill S. 94. 

8 ) Bastian: „Oceanien" S. 232, S. 21. — „Hawai" S. 100 -104, 
S. 98 100. Turner 8. 255. Tyrmann und Bennet Bd. I S. 526. Nach 
einer hawaiischen Version ist auch hier Kanaloa an Mauis Stelle ge- 
treten. Bastian: „Hawai* S. 231 und a. a. 0. 

*) Hockin S. 34. Bastian: „Oceanien" S. 96, S. 87, S. 83 u. 
a. a. O. 

») Krusenstern Bd. I S. 240. Junghuhn Bd. II S. 316. Korbes 
8. 446. Turner S. 232, S. 236 und a. a. O. 



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112 — 



werden. Ich beginne mit der Wiedergabe der von Chamisso 
erzählten, von Ulea stammenden Mythe 6 ). 

Der Ursprung aller Dinge ist wie folgt. Vor alten 
Zeiten war ein Götterweib , Ligopup geheissen. Diese 
wird für die Krsehafferin der AVeit gehalten. Sie gebar 
Aluelap, den Herrn alles Wissens, den Herrn der Herrlich- 
keit, den Vater des Lugeleng. W r er aber Lugelengs Mutter 
und wie dessen Geburt gewesen, weiss man nicht. Lugeleng 
hatte zwei Weiber, eine im Himmel und eine auf Erden. 
Die himmlische hiess Hamnlub, die irdische Tarisso, die 
an Schönheit und anderen naturlichen Gaben sonder- 
gleichen war. 

Tarisso gebar Olifat nach vier Tagen Schwangerschaft 
aus ihrem Seheitel. Olifat entlief sogleich nach seiner 
Geburt und man folgte ihm nach, um ihn von dem Blute 
zu reinigen. Kr aber sagte, er wolle selber es thun und 
litt nicht, dass man ihn berühre. Kr reinigte sich an dem 
Stamm der Palmbäume, an denen er vorbeilief, daher sie 
ihre rötliche Farbe behalten. Man rief ihm zu und ver- 
folgte ihn, um ihm die Nabelschnur abzuschneiden. Er 
aber biss sie sich selber ab; er sagte, er wolle selber für 
sich sorgen und Hess sich von keinem Sterblichen berühren. 
Kr gedachte, wie es Brauch sei, den Neugeborenen die 
Milch der jungen Kokosnus trinken zu lassen und kam zu 
seiner Mutter, die ihn die Kokos zu trinken reichte. Kr 
trank und wandte die Augen gegen den Himmel, woriu 
es seinem Vater Lugeleng gewahrte, welcher nach ihm 
rief. Da folgte er dem Rufe seines Vaters und seine 
Mutter mit ihm. Also schieden beide von der Welt. Wie 
Olifat in den Himmel gelangt war, begegnete er daselbst 
etlichen Kindern, die mit einem Haifische spielten, welchem 
sie eine Schnur um den Hals gebunden hatten. Kr stellte 
sich, um unerkannt zu bleiben, aussätzig au. Da hielten 

■) ChamiftBo 8. 259, 265. Hockin S. 22/3. Rienzi Bd. II S. 239. 



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— 113 



sich die Kinder fem von ihm und berührten ihn nicht. 
Er begehrte von ihnen den Fisch, um auch damit zu 
spielen und sie verweigerten ihm denselben. Einer jedoch 
erbarmte sich seiner und reichte ihm die Schnur, woran 
der Fisch gebunden war. Er spielte eine Weile damit 
und gab ihn sodann den Kindern wieder, sie ermahnend, 
sich nicht zu fürchten, sondern fortszuspieleu, der Fisch 
werde ihnen nichts thun. 

Er biss aber alle bis auf den, der sich dem Olifat 
gefallig erwiesen. Olifat hatte dem Haifisch, der vorher 
keine Zähne gehabt und unschädlich gewesen, geflucht. 
Also ging er fürder durch den Himmel, seinen Fluch bei 
ähnlichen Gelegenheiten allen Kreaturen erteilend, weil 
man ihn in der Herrlichkeit reize. Da keiner ihn erkannte 
und er zu seinem Vater noch nicht gekommen, der allein 
ihn erkennen konnte, stellte man seinem Leben nach. 

Er kam an einen Ort, da ein grosses Haus gebaut 
wurde, er begehrte von den Arbeitern ein Messer, um 
Kokosblätter für das Dach schneiden zu helfen. Sie 
schlugen es ihm aber ab, einer jedoch reichte es ihm und 
er schnitt sich eine Last Blätter; aber er verfluchte alle 
Arbeiter bis auf den, der ihm behilflich gewesen, dass sie 
regungslos zu Bildsäulen erstarrten. Lugeleng aber, der 
Herr des Baues, erkundigte sich nach seinen Arbeitern 
und es wurde ihm berichtet, dass dieselben regungslos zu 
Bildsäulen erstarrt seien. Daraus erkannten Lugeleng und 
Aluelap, dass Olifat am Himmel wandelte. Sie fragten 
den Mann, der noch bei der Arbeit beschäftigt Kokos- 
blätter zu dem Baue trug, ob er nichts umhergesehen 
und er antwortete: er habe nichts gesehen, denn einen 
Canduru (eine Art Uferläufer), in welchem Vogel sich 
Olifat verwandelt hatte. Sie schickten den Mann aus, 
den Canduru zu rufen; als er es aber that, erschrak der 
Vogel ob der Stimme und flog davon. 

Frobeniui, Weltanschauung der Naturvölker. 8 



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114 



Der Mann berichtete das uud die Götter fragten ihn, 
was er denn dem Vogel entboten. Kr antwortete: er habe 
ihn kommen heissen. Sie schickten ihn abermals ans uud 
unterwiesen ihn, den Vogel sich entfernen zu heissen, 
weil er den Häuptern hinderlich sei. Er that es also und 
der Vogel kam alsbald herbei. Er verbot ihm ferner, 
hineinzugehen und sich in Gegenwart der Häupter zu 
setzen, und der Vogel that alsbald, was ihm verboten ward. 

Sobald der Vogel sich gesetzt hatte, befahl Lugeleng, 
die Arbeiter, welche im Walde erstarrt geblieben, zusammen- 
zurufen. Und diese kamen alsbald zur Verwunderung der 
Umstehenden; denn Aluelap und Lugeleng wussten allein, 
dass jener Olifat war. 

Die Arbeiter fuhren nun mit dem Bau fort und gruben 
tiefe Löcher in den Boden , um die Pfosten darin auf- 
zurichten. Dieses schien ihnen, die damit umgingen, den 
Olifat zu töten, wegen des vielen Unheils, das er gestiftet, 
eine gute Gelegenheit zu sein. Olifat erkannte aber ihren 
Vorsatz und führte bei sich versteckt: gefärbte Erde, Kohlen 
und die Rippe eines Palmblättchens. So grub er nun in 
der Grube und machte eine Seitenhöhle, sich darin zu 
verbergen. Sie glaubten, es sei nun die Zeit gekommen, 
warfen den Pfosten hinein und Erde um dessen Fuss und 
wollten ihn zerquetschen. Er aber rettete sich in die 
Seitenhöhle, warf die gefärbte Erde aus, und sie meinten, 
es sei sein Blut. Er streute die Kohlen aus, und sie 
meinten, es sei Galle. 

Sie glaubten, er sei nun tot. 

Mit der Kokosrippe machte Olifat sich durch die Mitte 
des Pfostens einen Weg und entwich. Er legte sich als 
ein Balken quer Ober den Pfosten, aus dem er heraus- 
gekommen, und wurde nicht bemerkt. Als nun das Tage- 
werk vollendet war, setzten sich die Arbeiter zum Mahl. 
Olifat schickte eine Ameise hin, ihm ein Bischen Kokos 



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115 — 



zu holen. Sie brachte ihm ein Bröcklein nach ihren 
Kräften. Er ergänzte selbiges nach seiner Macht zu einer 
ganzen Nuss. Er rief sodann laut: Gebet acht da unten, 
ich will meinen Kokos spalten! Sie wurden ihn bei dem 
Ausruf gewahr und wunderten sich sehr, dass er am Leben 
geblieben sei. Sie hielten ihn für Alus, den bösen Geist. 

Sie beharrten bei ihrem Vorsatz, ihn umzubringen, 
und sagten zu ihm, er solle nur seine Mahlzeit beendigen, 
sie wurden nachher ihm einen Auftrag geben. Sie schickten 
ihn nach dem Hause des Donners, demselben sein Essen 
zu bringen. Olifat nahm ein Rohr zu sich und ging ge- 
trost hin. 

Er kam zu dem Donner ins Haus und sagte ihm roh 
und herrisch: „Ich habe mich ermüdet, Dir die Nahrung 
Deines missgestalteten Mundes zu bringen. 1 ' Er gab das 
Essen ab und ging. Der Donner wollte über ihn herfalleu, 
aber er versteckte sich in sein Rohr. Der Donner konnte 
ihn nicht finden und Hess ab, ihn zu verfolgen. Olifat kam 
wieder hervor und erregte, da er aus dieser Prüfung ohne 
Unheil zurückgekehrt, desto grössere Bewunderung. 

Die Werkleute schickten ihn abermals aus, dem Fische 
Fela sein Essen zu briugen. Olifat trat in des Fischers 
Haus, und da dieser selbst nicht zugegen war, so warf er 
denen, die da waren, das Essen hin, indem er sagte: 
„Nehmt hin für Euch", und ging. Als der Fisch nach 
Hause kam. so fragte er nach dem, der das Essen ge- 
bracht. Die Familie erzählte, einer hätte ihnen das Essen 
hingeworfen, sie wüssten aber nicht wer er sei, noch wo- 
hin er gegangen. Der Fisch fing nun an eine Angel an 
einer langen Leine nach allen Winden auszuwerfen, und 
wie er zuletzt die Angel nach Norden warf, so zog er den 
Olifat heraus. Da gab er ihm den Tod. Nachdem 4 bis 
5 Tage verstrichen, ohne dass Olifat wieder erschienen, so 

8* 



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trösteten sich die, welche ihm am Himmel nachstellten 
und meinten, er sei mm tot, 

Aber Lugeleng suchte seinen Sohn und fand ihn end- 
lich entstellt und voller Würmer. Er hob ihn in seinen 
Armen empor und weckte ihn wieder auf. Er fragte ihn, 
wer ihn getötet? Olifat antwortete: er wäre nicht tot 
gewesen, sondern habe nur geschlafen. Lugeleng rief den 
Fisch Fela zu sich und schlug ihn mit seinem Stock über 
den Kopf und zerbrach ihm die obere Kinnlade, Lugeleng 
und Olifat gingen nun in die Herrlichkeit ein, wo sie die 
Gerechtigkeit auszuüben sich beschäftigten. 



Nach einer anderen Mvthe versuchte Olifat, der wohl 
wusste, dass Lugeleng der Himmlische sein Vater sei, 
emporzufliegen, aber er stürzte zurück. Trostlos weinte 
er, sein unglückliches Schicksal bitter beklagend. Indessen 
stand er von seinem Vorhaben nicht ab, zündete ein 
grosses Feuer an, und mit Hülfe des Rauches stieg er zum 
zweiten Male in die Lüfte empor, wo er endlich in die 
Arme seines Vaters gelangte. — Der Sonuenheld wird nach 
anderer Mythe von der Mutter, die in der Mitte der Luft 
schwanger ward, und zur Erde herabstieg, geboren. Die 
Erde, die damals unfruchtbar war, wurde in einem Augen- 
blicke mit Gras, Blumen und Obstbäumen bedeckt. Auch 
die Erde ward mit vernünftigen Menschen bevölkert. 

Ein anderer Typus ist auf den Gilbets heimisch 7 ). 
Der Gott Rigi oder auch Nareua war in Tamoa — welches 
Parkinson sehr richtig mit Samoa, demnac h dem Ursprungs- 
lande dieser Insulaner indentifiziert — • aus einem Stein 
hervorgekommen. Zunächst erhob Nareua mit Hilfe des 
Aales Rigi das Himmelsgewölbe empor und gestaltete es 
rund. Danach ging der Gott spazieren und traf das wüste 

T ) Parkinson: „Gilbert-Insulaner S. 104,5. 



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117 — 



Land Tarawa, welches angeblich die älteste Gilbertinsel 
ist. Er beflanzte die Insel mit Palmen, ebenso eine andere, 
auf die er das erste Menschenpaar setzte. Er verbot diesen, 
Kinder zur Welt zu bringen. Als er fort war, vergassen 
die zwei Menschen das Gebot und gaben drei Kindern das 
Leben: der Sonne, dem Monde, dem Salzwasser. Nareua 
erfuhr dies von Rigi dem Aal. Zornig kam er herbei, Hess 
sich aber besänftigen. 

Wie der Gott weiter wanderte, sah er auf einer Insel 
zwei Geschöpfe: Tangatta (Jangata heisst auf Samoa der 
Mann) und Emabine (fafine heisst auf Samoa die Frau). 
Er verwandelte sich in ein schreiendes Kind, das Emabine 
mitleidsvoll auf den Schooss nahm. Davon ward sie 
schwanger. Der Mann darüber erzürnt, zerbrach das Kind 
in kleine Stücke. Rigi erzählte das den Menschen Nareuas; 
die holten die Bruchstücke und fügten sie wieder zusammen. 
Nareua wanderte weiter nach Tamoa, das er bedeutend 
verschönert und bewachsen wieder fand. 

Emabine brachte ein sonderbares Kind zur Welt, 
einen Kopf ohne Leib und Glieder. Tangatta zerschellte 
es im Zorn. In der Nacht fanden sich jedoch die Teile 
des Kopfes wieder zusammen. Das geschah mehrmals, 
bis zwei Frauen vorbei kamen und den Kopf in einem 
Körbchen mit nach Tamoa nahmen, wo Nareua mit Er- 
staunen sein Kind wiedererkannte. Als die beiden Frauen 
den Kopf auf die Erde legten, begann diese sofort zu 
brennen. Das Feuer verbreitete sich über alle Inseln und 
die Bewohner, Nareuas Verwandte, bestiegen ein Kanoe 
und fuhren auf Nareuas Unterweisungen nach Tarrawa. 
So besiedelten sie die Gilbertinseln. Nareua blieb mit seinem 
Sohne, dem Kopf, auf Tamoa zurück. 

Alle diese Mythen sind leicht verständlich. Der himm- 
lische Vater schenkt der irdischen Mutter das Sonnenkind, 



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1 ls — 



das auch den Mauimythen zu eigen ist 8 ). Kaum der Erde 
entsteigend, läuft es schon selbständig. Blutrot ist der 
Himmel bei Sonnenaufgang beleuchtet, darum ist das Kind 
noch nicht rein vom mütterlichen Blute. Während es 
trinkt — die Sonne steigt im Meere empor — sieht es 
den Vater und läuft zu ihm empor. Auch die aufsteigende 
Sonne wendet das Antlitz nach oben, wie der trinkende 
Olifat und Maui in einigen Anfangsmythen. 

Der Schluss der Version Chamissos ist der Untergang . 
der im Meer versinkenden Sonue. 

Ein Fisch tötet ihn. Die Mittelteile stellen im asyme- 
tischen Rhytmus die Sonnenlaufbahn dsr 9 ). Es ist kein 
milder Gott, der Sonnengott, sondern ein grimmer. 

Ausgezeichnet ist der Untergang in der Sonnenhöhle 
geschildert. Als er in die Grube geworfen wird, wirft er 
rote Erde herauf — die Glut der Abendsonne — dann 
schwarze Kohlen — die Nacht. Wie die Sonne als ein 
Streifen erst am Horizonte erscheint, so lagert sich Olifat 
als ein Balken über dem Erdboden. 

Sonst steigt Olifat fliegend empor, auch wohl mit 
Hilfe des Feuerrauches. — Die Fruchtbarkeit ist ein W r erk 
der Sonne. Gräser, Blumen und Obstbäume sprossen aus 
der Erde empor, wenn sie aufgeht. 

Auf den Gilbert ist zunächst Nareua, der im Morgen- 
grauen als Sonne Himmel und Erde trennt, der Sonnen- 
held. W ie Quat ist er aus einem Steine emporgesprossen. 
Er verleiht die Palmen als Fruchtbarkeit spendender Gott. 
Er ist der Wandernde. Er wird, in drastischer Darstellung 

*) Lesson Bd. II S. 132. 

9 ) Ueber den Rhythmus in den Sonnenmythen anderen Orte». 
Einerseits verdankt diese Erscheinung dem Einschaltungsprozesse 
ihre Entstehung. (Die Sonnenmythe absorbiert die niederen.) Anderer- 
seits mögen mehrere Sonnen, jeden Tag eine neue, angenommen 
worden sein, wie z. B. bei den Motu. Yergl. Chalmers S. 175. 



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— 119 — 



des Unterganges, zerschmettert. Andererseits ist sein 
Kiml, der Kopf ohne Glieder, die Sonne. Derselbe wird 
am Abend mehrmals zerschmettert, aber am Morgen ist 
er stets wieder der vollendete Ball. Wie er auf die Erde 
gelegt wird, brennt er; die Sonne bedeckte mit feuriger 
Glut, die alle Inseln überzieht, im Sonnenaufgange den 
Erdboden. 

Die Wandersage ist hier mit der Sonnenmythe ver- 
schmolzen 10 ). Die Sonne ist in Samoa, dem Stammsitze 
der Polynesien zu Hause. Schirren hat auch in den Wander- 
sagen der Maori den Rhytmus der Sonnenmythologie nach- 
gewiesen. Aber auch sonst deutet der Charakter dieser 
Mythologie mehr nach Polynesien als nach Melanesien. 
Besonders der Anfang der Olifatmythen verrät in seiner 
durchaus erhabenen Form polynesischen Stil. Wohl ist in 
der Gilbertmythe die historische Thatsache sprechend be- 
wahrt, aber die Züge sind doch keineswegs derart ver- 
menschlicht, wie in der melanesischen Formsprache. 

Es erübrigt nun noch, die indonesische Sonnenmythe 
zu prüfen. Aber diese Aufgabe wird am besten mit der 
des nächsten Kapitels verbunden, in deren Beginn typische 
Beispiele gegeben werden sollen. 



Jetzt soll aber der Frage nach dem bewussten Gehalte 
der Sonnenmythen wenigstens insofern Rechnung getragen 
werden, als eine Betrachtung des Sonnenkultus es ermög- 
licht. Von kleinen Anfängen der Sonnenfeuer sprach ich schon. 

Die Maori widmeten der Aufgehenden eine Verehrung. 
Sonne, Mond und Sterne wurden bei Vermählungen ange- 
rufen. Die Bewohner Tahitis verrichteten aber nicht allein 

I0 ) So hat nicht nur hier ein Stammvater die Sonne erzeugt, 
gondern aueh in Samoa verdankt sie dem Ahnherrn ihre Entstehung. 
Auf östlichen Inseln Indonesien« spricht man vom „Grossvater 
Sonne". Williams: „Narrative" S. 542. Riedel a. a. 0. 



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1 



— V2Q — 

zur Zeit des Sounenauf- und -Unterganges Gebete, sondern 
opferten auch Menschen bei bestimmten Sonnen -Erschei- 
nungen ir ). 

Die Motumotu beten die aufgehende Sonne an. In 
Kerepunu beobachteten Chalmers und Gill einen Tanz zu 
Ehren der aufgehenden Sonne. In Aneityum wurden Sonne 
und Mond verehrt, auf den Banks, auf Florida, den Neu- 
Hebriden Wetterzauber mit Sonnensteinen etc. geübt 12 ). 

Wohl wohnen die Hauptgötter der Tidoren, Timoren 
etc. in der Sonne, eine Verehrung wird ihnen aber nur in 
geringem Maasse zuteil. Auf den Philippinen Aru, Leti, 
Mota, Lakor etc. wird aber zur Sonne gebetet 13 ). 

Grosse Schlüsse lassen sich auch hieraus nicht ziehen. 
Vielleicht gelingt es später, wenn Vergleichspunkte ge- 
wonnen sind. 



") „The New Zealanders* 8. 232 3. Pollack Bd. I 8. 270. Bou- 
gainville 8. 191, S. 183. 

J1 ) Chalmers 8. 171 2. Chalmers und Gill S. 302 3. Meinicke 
8. 334,35. Codrington S. 184. 8. 201 2. 

,s ) Eysinga Bd. II 8. 70. Junghuhn Bd. II 8. 316. Auch Riedel; 
Bo wring S. 120. Riedel S. 252 8. 372 375. 



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VII. Kapitel. 
Die Sonnenbahn in Oceanien. 



Die Sonnen- und Schöpfungsmythen Indonesien». — Der Typus 
derselben. Sonnenstrahlen. Die Tawhaki Mythen Neu-Seelands. 
Form und Gestalten oceaniseher Göttergestalten. Die Spinne. 
Der Regenbogen. Der Baum als Pfad der Götter und Menschen. 
- Die Sonnenbahn. 

Die Bantik im nördlichen Teile von Celebes erzählen 
von ihrer göttlichen Abstammung Folgendes l ) : 

Utahagi, die Tochter der Limumu-ut und des Toar 
schwebte mit sechs anderen Nymphen, welche ihre Schwestern 
und ebenfalls schöne Frauen waren, vom Himmel herab, 
um sich in einem dortigen Brunnen, der sehr helles und 
reines Wasser hatte, zu baden. In dieser Zeit wohnte in 
Mandolang ein gewisser Kasimbaha, ein Sohn der Mainola 
und des Linkanbene, welch letzterer ein Sohn der Limumu-ut 
und des Toar war. Da nun Kasimbaha die Nymphen in 
der Luft entdeckte, sah er sie zuerst für weisse Tauben 
an, bemerkte aber, nachdem sie zum Brunnen gekommen 
waren und sich entkleidet hatten, zu seiner grössten Ver- 
wunderung, dass es Frauen waren. Während nun die 
Nymphen im Bade waren, nahm Kasimbaha ein Blaserohr, 
schlich sich durch das Gebüsch möglichst nahe zum Brunnen 
und zog durch dasselbe einen der leichten Röcke zu sich 
hin. Dieses besass die Kraft, dass derjenige, der es anhatte, 
dadurch (liegen konnte. Jedes der Mädchen zog nach be- 

') Schmidtmüller S. 536 538. 



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122 



endetem Bade ihr Kleid wieder an und sehwebteu heim- 
wärts; eine derselben konnte aber das ihrige nicht finden 
und musste daher zurückbleiben. 

Diese war Utahagi, so nach einem weissen Härchen 
genannt, welches auf dem Scheitel ihres Hauptes wuchs 
und eine besondere Kraft hatte. Kasimbaha brachte sie 
nach seiner Wohnung und machte sie zu seiner Frau. 
Aus dieser Ehe entspross ein Sohn Namens Tambaga, 
welcher sich später mit Matinimbang verheiratete. Einige 
Zeit danach teilte Utahagi ihrem Manne das Geheimnis 
des weissen Härchens insoweit mit, dass sie ihm empfahl, 
ja vorsichtig damit zu sein, weil, wenn sie es durch einen 
Zufall verlieren sollte, grosses Unglück daraus entstehen 
würde. Ob er nun diesen Worten nicht geglaubt, ob aus 
einer anderen Ursache, die man nicht gekannt — kurz 
so viel ist gewiss, dass, da er dasselbe ausgezogen, ein 
schwerer Sturm, begleitet von Blitz und Donner, entstand. 
Nachdem dieses Gewitter ausgetobt hatte, war Utahagi 
verschwunden und in den Himmel zurückgekehrt. Ihren 
Sohn Tambaga hatte sie bei Kasimbaha zurückgelassen. 
Dieses Kind, das nunmehr die mütterliche Brust entbehren 
musste, hörte nicht auf zu weinen, was seinen Vater sehr 
betrübte. Da derselbe voraussah, dass er seinen Sohn auf 
die Dauer nicht würde versorgen können, sann er nach 
einem Mittel, auch in den Himmel zu kommen. 

Er wollte dies vermittelst einer Rottangrauke thun, 
welche von der Erde bis in den Himmel reichte. Aber sie 
war voll Dornen. Als er nun dastand und überlegte, was 
zu thun sei, kam eine Feldratte, nagte alle Dornen ab und 
machte ihm so das Klettern längs der Rottangranken möglich. 

Kasimbaha klomm nunmehr, mit seinem Söhnlein auf 
dem Rücken, empor. Als sie schon sehr weit gekommen 
waren, entstand ein schwerer Sturm im Westen, der sie 
nach der Sonne verschlug. Auf derselben war es aber 



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— 1 23 — 



sehr heiss. Deshalb erwarteten sie den Aufgang des 
Mondes, mit dessen Hülfe sie glücklich den Himmel 
erreichten. 

Ein kleiner Vogel wies ihnen Utahagis Haus. Kasimbaha 
ging hinein, konnte aber, da es Abend war, nichts unter- 
scheiden. 

Ein Johanniswürmchen kam zu ihm und sagte: „Ich 
sehe schon, wenn ich Dir nicht weiter helfe, wirst Du 
Utahagis Aufenthalt nicht finden, denn in diesem Hause 
werden sieben Zimmer von sieben Schwestern bewohnt. 
Merke also wohl auf die Thüre, auf welche ich mich 
setzen werde, diese nämlich führt in das Zimmer Deiner 
Frau." Diesem Rate folgend, trat er in das Zimmer 
Utahagis und überreichte ihr ihren Sohn Tambaga. 

Sie gab ihm jedoch einen strengen Verweis, da sie 
all das ihn überkommende Unglück seiner eigenen Schuld 
zuschrieb. 

Utahagis Bruder, der auch hnpong (ein Halbgott) 
war, sagte zu den anderen Himmlischen: „Was wird das 
jetzt? Da meiner Schwester Mann kein Impong ist, kann 
er nicht bei uns bleiben. Wir wollen ihn aber auf die 
Probe stellen und neun zugedeckte Schüsseln auftragen, 
acht mit Reis, eine mit etwas anderem gefüllt. Oeffnet er 
die letzte zuerst, so ist er ein Menschenkind und kein 
Impong." Diesmal kam eine Fliege Kasimbaha zur Hülfe 
und riet ihm, wohl auf ihre Schritte zu achten. Sie sprach: 
„Die Schüsseln, in welche ich ein- und aus welchen ich 
wieder herausgehe, darfst Du ohne Scheu öffnen; berühre 
aber nicht die, in die ich hineinkrieche, aus der ich aber 
nicht wieder herauskomme." 

Da er die Schüssel mit dem unreinen Inhalte nicht 
berührte, war man überzeugt, dass er kein Menschenkind, 
sondern ein Impong sei und blieb er daher bei seiner 
Frau im Himmel. Später Hess er aber seinen Sohn Tambaga 



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— 124 — 



an einer hingen Kette auf die Erde herab, der auf diese 
Weise in seinen Geburtsort Mandolang zurückkehrte. 

Von Tambaga und Matinimbang stammten die Bantik ab. 



Auf ßorneo trafen wir verwandte Züge. Von Singalong 
Burong, dem Gotte der Kopfjagden, erzählen die Linggas 
viele Geschichten. Die hauptsächlichste aber handelt davon, 
wie er aus dem Himmel seine Frau, die in einer Schlinge 
gefangen und durch seinen alten Feind Apei Sabit Borkait 
dort hinaufgezogen war, zurückeroberte 2 ). 

Das gleiche Motiv in anderer Form liegt in den 
Schöpfungsmythen der ßattak 3 ). Der Gott des Anfangs 
Umpang Guru Diatas und sein Weib Butara Diatas hatten 
drei Söhne. Von diesen wählte der älteste den Himmel, 
der zweite die Erde, der dritte die Unterwelt. An einem 
Tau liess der Vater den zweiten hinab und, auf dass er 
stehen könne, warf er Erde herab, aus der der Erdball 
geformt ward. Der jüngste Sohn in der Unterwelt konnte 
aber seinen Vater wegen der dazwischen ruhenden Erde 
nicht sehen. Deshalb ward sie zertrümmert. Das ereignete 
sich sieben Mal. Als nun der jüngste Sohn zum achten 
Male die Erde zerstören wollte, ward der zweite böse; er 
nahm ein Eisen und durchstach seinen Bruder mit soviel 
Kraft, dass dasselbe durch die Erde in die Unterwelt ein- 
drang. Darauf baute er ein Haus. Die Fortsetzung, wie 
mittelst des Huhnes Manuk Kredjan Kridjan die Erde be- 
lebt wurde, ist im ersten Kapitel besprochen. (S. 10/11.) 

Nach einem anderen*) Berichte über die Schöpfungs- 
geschichte der Battak war im Anfang ein Huhn, das auf 
drei kochtopfgrossen Eiern sass. Es weinte Tag und Nacht, 
weil es nicht im Stande war, dieselben auszubrüten. Das 

•) John Bd. I S. 71. 

s ) Pleyte: „Zur Kenntnis 8.290. 

*) Brenner: 8. 217;8. 



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125 



sah eine Schwalbe und fragte mitleidsvoll: „Warum weinst 
Du?" Da klagte das Huhn sein Leid. Alsbald tiog die 
Schwalbe dem Himmel zu, wo sie dem Gotte Mula djadi 
na bolon erzählte, was sie gesehen und ihn anging, wie 
da zu helfen sei. Dieser antwortete: „Eile hin und sage 
dem Huhn, dass die Eier mein seien und dass ich für sie 
sorgen werde." Da öffneten sich dieselben und ein Knabe 
und zwei Mädchen kamen zum Vorschein. Mula djadi na 
bolon nahm sie zu sich in den Himmel auf und gab ihnen 
Namen. Als sie heranwuchsen und er sah, dass sie nackt 
waren, gab er ihnen Hanf, den das Mädchen Si Boro deak 
paradjar spinnen sollte, um Kleider anfertigen zu können. 

Mit Fleiss ging sie an die Arbeit und war Tag und 
Nacht thätig, aber so sehr sie sich auch bemühte, sie 
konnte auf ihre Spindel nicht mehr Garn wickeln, als ein 
Hühnerei gross ist. Da entglitt ihr diese mit einem Male 
und fiel in die weite Tiefe; nur das Ende des Fadens hielt 
sie in den Händen. Trostlos wandte sie sich um Rat und 
Hülfe an ihren Vater, der ihr den Befehl gab, sich an dem 
Faden herabzulassen. 

Unten angelangt, fand sie nichts als Wasser und keine 
trockene Stelle, auf die sie ihren Fuss hätte setzen können, 
bis sie endlich nach langem Suchen eine Blume entdeckte, 
die aus den Gewässern emporragte und in deren Kelch 
sie sich niederliess. Müde, verlassen und traurig fing sie 
an bitterlich zu weinen. Das sah die Schwalbe wiederum 
und erkundigte sich nach der Ursache ihrer Thränen. 

„Freund", sagte sie, „fliege zu meinem Vater im 
Himmel und bitte um ein Stückchen Erde." Die Schwalbe 
that wie ihr befohlen und brachte eine Handvoll Erde, 
die das Mädchen knetete und wie einen Teig flaeh in die 
Breite zog, dass sie so gross wurde, wie ein Büffelfell, 
dann legte sie dieselbe flach auf das Wasser — wo sie 
immer grösser wurde — und wollte sich eben anschicken, 



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126 



den Blumenkelch zu verlassen, um das schwimmende Land 
zu betreten, als der böse Geist, in Gestalt einer Schlange, 
Naga Pahoda erwachte und sich wälzte, so dass das Meer 
in heftige Bewegung geriet und die Erde verschwand. 

Das Mädchen Hess durch die Schwalbe abermals Erde 
holen und vollzog das Schöpfungswerk abermals. Sieben 
Mal zerstörte die Schiauge die Erde. Da ward das Werk 
mit Hülfe Mula djadi na bolons und einer grossen Trocken- 
heit, die alles Meer vertrocknen Hess, so befestigt, dass 
die Schlange reumütig sich von dem Mädchen in Ketten 
legen Hess. Das Mädchen, zu dem die Geschwister herab- 
stiegen, ward die Mutter der Menschheit. Da aber die 
Erde alt und schmutzig geworden war, sandte Dibata eine 
grosse Flut. Danach nahm er eine Handvoll Erde, druckte 
und knetete dieselbe, befestigte sie an einem Faden und 
legte sie auf die steigenden Fluten. Da rettete sich das 
letzte Menschenpaar darauf. Diese Scholle wuchs in dem 
Maasse, als sich die Menschen vermehrten und bildete die 
heut bestehende Erde d. h. Sumatra. 

Die Mythen unterscheiden sich durch ihren morgen- 
ländischen Typus von denjenigen Mikro-Poly- Melanesiens. 
Dort handeln Götter und Menschen mit eigenen Kräften 
energisch und selbstbewusst. Hier wird viel geweint und 
geklagt und müssen Vermittler helfen. 

Die Mythen selbst werden als Sonnenraythen insofern 
bezeichnet werden müssen, als die Erde Objekt der solaren 
Schöpfungskraft ist. Die Erderschaffung als dem von deu 
Indonesiern anscheinend am meisten verehrten Weltkörper 
(siehe Riedel und Pleyte) tritt in den Vordergrund. Die 
Anzeichen der älteren Sonnenmythe sind aber dennoch 
unverkennbar. Die Erde wird geschaffen und zerstört, nicht 
einmal, sondern oftmals. Sonnenauf- und -Untergang sind 
darin versinnbildlicht. In interessanter Weise spielt in die 



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1-J7 — 

zu Schöpfungsmythen umgewandelten Berichte die Vogel- 
mythe herein und trägt in bekanntes Fahrwasser, ebenso 
wie die Flutmythe. 

Was am meisten Interesse erregen muss, ist aber die 
Analogie der Utahagi- Mythe zur letzten Quat- und zu der 
Tawhaki- Mythe und der Leinen, der Stricke, der Spinnen- 
fäden, der Pfeilleitem, die in diesen allen so klar in ihrer 
Bedeutung ausgebildet sind. 

Waren schon die Analogien der Vogel- und Flutmythe 
in Indonesien und Polynesien sehr deutlich, so ist mit diesen 
Fäden oder Stricken noch auffallendere Aehnlichkeit ge- 
boten. Dort klettert das erdschaffende Wesen am Strick 
vom Himmel herab. In Polynesien zieht Maui mit der 
Angelschnur die Inseln aus dem Wasser 5 ). Diese Binde- 
glieder werden leicht in dem Strick und Schlingen wieder- 
erkannt, mit denen Maui die Sonne fängt 8 ), in den Stricken, 
Ranken, Rottangs etc., die im Anbeginn Himmel und Erde 
zusammenhalten, die vor der Treunung beider erst zerrissen 
werden müssen 7 ). 

Schirren meint, es seien in allen diesen Angelschnuren, 
Ranken, Flachsbändchen, Ketten etc. Sonnenstrahlen zu 
erkennen, Strahlen der Sonne im Aufgang und in der 

5 ) iNeu Seeland. Pollack Bd. I 8.12. Earle 8.266. Hoch- 
fetter S. 50. Tylor 8. 26. Dieffenbach Bd. II 8. 88/89. Yate 8. 142 3, 
Thomson Bd. I S. 109. Nieholas S. 36. Tonga. Dieffenbach Bd. II 
S. 89. Mariner 8.428 9. Bastian: „Oceanien* 8.28, 36. Prichard: 
„Occanien 44 8.114. Tahiti. Schirren S. 111. Bastian: „Oceanien" 
8. 1 etc. Meinicke 8. 334 etc. Andererseits ist auch eine Um- 
kehrung zu beachten. Maui steht hier im Kahn und zieht an der 
Leine die Inseln empor. Oft sind ausserdem die Kähne der sich aus 
der Fluth rettenden an Tauen befestigt. Z. B. Kubary S. 53 55. 
Das Seelenschiff ist nach der Dajakmythe mit einem Tau an die 
Seelenstadt befestigt. — Grabowsky : „Tod, Begräbnis 44 8. 184. Nord- 
westamerikanische Analogien sind häufig, 

•1 Siehe Kapitel 6. 

T ) Siehe Kapitel 18. 



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Mittagshöhe 8 ). Wir wollen prüfen, ob hier Schirren tief 
genug gegriffen hat. Als Bahnen der Götter gelten an 
bestimmten Erscheinungen: der Spinnenfaden, der Regen- 
bogen und der Baum einerseits, dann Strick, Rottang, Kette, 
Ranken etc. anderseits. 

Die Spinne gemahnt zunächst an den neuseeländischen 
Tawhaki, von dem die Mythen folgendes erzählen: 

Tawhaki ward auf dem Rückwege vom Fischfang von 
zweien seiner vier Schwäger erschlagen, von seinem Weibe 
Hinepiri-piri aber wieder belebt. Er nahm für den Tod 
seines Vaters Rache. Mit einem Mädchen, das vom Himmel 
zu ihm herabstieg und bei ihm blieb, erzeugte er eine 
Tochter Arahuta. Dies Weib verliess ihn gekränkt und 
flog auf zum Himmel. Da wanderte er aus, um sie zu 
suchen, nahm seinen Weg bei der Festung Tongameha vor- 
bei, in deren verbotenen Anschauen einer seiner Sklaven 
den Tod fand, und erreichte den Ort, wo seine Ahnfrau 
Matakerepo die Enden der Schlingpflanzen, welche vom 
Himmel herabreichten, in der Hand hielt. 

Nachdem er und sein Bruder Karihi der Alten einen 
Streich gespielt hatten, wie Maui sie sonst gern ausführt, 
wurden sie bewirtet und am Morgen ermahnt, nur an 
solchen Ranken aufzuklettern, welche vom Himmel herab- 
hängen und im Erdboden W T urzel geschlagen haben. Karihi, 
welcher fehl griff und eine lose herabhänge Ranke erfasste, 
ward vom Winde himmelauf und himmelab geschleudert, 
sprang aber zur rechten Zeit noch auf die Erde. 

Tawhaki aber erreichte den Himmel, wo er seinen 
himmlischen Schwägern beim Kahnbau half und endlich 
von seinem Weibe erkannt ward. Als er die kleine Tochter 
taufte, ging Glanz von ihm aus und seine Ellbogen flammten 
Blitze •). 

8 ) Schirren S. 145. 

») Schirren S. 41 und 126. 



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— 1-29 - 

Nach einem anderen Berichte ward Taki (Tawhaki), 
Mauis Bruder, an einem Spinngewebe gen Himmel empor- 
gehoben und sein rechtes Auge als Polarstern eingesetzt, 
weil er Maui bei seinen Abenteuern unterstutzt hatte. 
Andere Nachrichten lassen auch in der ersten Mythe Taw- 
haki am Spinngewebe zum Himmel und vom Himmel 
zurückgelangen 10 ). 

Die Eigentümlichkeiten Tawhakis als Gewittererzeuger 
sind klar ausgesprochen 11 ). Seine Kinder sind der Donner 
und der Regenbogen; er erzeugt Donner und Blitz. 

Zur niederen Mythologie tritt Tawhaki insofern in 
Beziehung, als er die Seelen der Häuptlinge am Spinnfaden 
ins Jenseits trägt 12 ) und zur Sonnenmythe insofern, als — 
wie Olifat — sein Leib, ehe er wieder zusammengefügt 
war, nach seinem irdischen Tode von Vögeln zerfressen 
ward, als fernerhin sein Gefährte herabstürzt und mit 
seinem Blute den Horizont rot färbte 13 ). 

Die Beziehungen der Tawhaki-, zur Utahagi- und der 
letzten Quat- Mythe sind so klar, dass ich mich mit Ver- 
gleichen derselben nicht weiter aufzuhalten brauche. — 
Schirren sagt, Tawhaki sei identisch mit Maui, Waitz be- 
streitet das; Schirren fasst ihn als Donnergott, Waitz als 
Wolkengott auf. 

Inbezug auf erstere Ansichten kann man sagen, dass 
beide Gelehrte Unrecht haben. Es ist falsch, einem ocea- 
nischen Gotte einen ganz unabhängigen und selbständigen 
Charakter unterzuschieben. Es giebt keinen Gott, der 

,0 ) Tylor S. 37/8. Thomson: „New Zealand* Bd. I S. 112. Yate 
8.144 5. Bastian: „Hawai w 8.98. Anmerkung „Oceanien* 8.145. 

n ) Nicholas S. 36. Shortland bei Bastian : „Allerlei 44 Bd. I S. 318. 
Bastian: „Oceanien u S. 219. 

'*) Thomson: „New Zealand" Bd. I S. 112. Bastian: „Ooeanien" 
8. 145. 

1S ) Bastian: „Oceanien" 8.157. Waitz Bd. VI 8.273. 

Frohenius, Weltanschauung der Naturvölker. 9 



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— 130 — 

nur Donnergott, Wolkengott, Sonnengott, Meeresgott etc. 
ist. Wohl kann mit einer solchen Beziehung die Richtung 
der Entwicklung angegeben werden, aber mit einer solchen 
hat man nur eine Seite, eine Eigenschaft, einen Zug des 
Gottes geschildert. Man mag auch wohl damit seine Haupt- 
eigenschaft, eben sein Entwicklungsziel, entdecken. 

Beurteilt man diese Gottheiten nicht von diesem Stand- 
punkt aus, so begeht mau einen Gewaltakt. Man bricht 
alle die feinen Beziehungen. Uebergänge, Verwandtschafts- 
zuge ab, durch die sie seit ihrer Entstehung verbunden 
sind. Man wird die grosse Menge der wichtigen Ent- 
wicklungs- Erscheinungen überhaupt ubersehen. 

Vor allen Dingen haben auch diese beiden Gelehrten, 
und zwar eben aus besagtem Grunde, die Gesetze der 
herrschenden Motive, des Rhytmus, der Einschaltungen 
übersehen. Sie, und Achelis ebenfalls, haben die Spiegel- 
bilder Mauis in allen möglichen Gottheiten wiedergefunden. 
Indem sie aber die Ilaupterscheinungen der Maui- Mythologie 
vom Standpunkt Mauis aus betrachteten, verwechselten 
sie Ursache und Wirkuug; die Beziehungen, die wir mit 
Leichtigkeit auffanden, sind jenen, wenigstens in ihrer 
schwerwiegenden Bedeutung, entgangen. (Mauis Ursprung!) 

Ganz abgesehen davon, ist die Betrachtung Tawhakis 
als eines werdenden Gewitter- und Wolkengottes eine 
berechtigte, die aber auf sein Verhältnis zur Spinne kein 
Licht verbreitet. Demgemäss muss die Ansicht, dass es 
sich um ein Verhältnis zur Sonne, das den Spinnen -Mythen 
eigen ist, handele, als die berechtigtere zunächst er- 
scheinen. Auch ist die inmitten des Faden -Strahlen- 
kranzes hockende Spinne kein unebenes Symbol der Sonne. 

In den Quatmytheu tritt die Spinne zum zweiten Male 
auf. Marawa baut das Boot — sonst eine Handlung des 
Sonnengottes — , Marawa befreit Quat, der auf dem Baume 
gebannt ist, indem er sein Haar zu ihm heraufwehen lässt. 



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131 - 



Marawa holt Quat unter dem Steine hervor aus der Höhle, 
in die er geworfen ist. Marawa tritt also alle dreimal 
mit dem Sonnen -Auf- und vor allem mit dem Untergänge 
in Verbindung. Sonst ist nicht viel zu sagen. Die Palauer 
wahrsagen aus Spinnweben, die Maori erklären die Spinne 
für einen ihrer Götter 14 ). 

Den Regenbogen bewohnt Uenuku. ein Sohn Tawhakis 1 5 ). 
Der Regenbogen ist das Symbol der Schönheit. Auf Tahiti 
lieisst des Königs Kanoe also, die Mutter Mauis wird die 
Regenbogen gleich genannt. Der Regenbogen ist der Gürtel 
Tangaroas. 

Vor allen Dingen ist der Regenbogen aber die Brücke 
der Götter. Als ein Uebergang zum Folgenden mag es be- 
zeichnet werden, wenn er auch der Pfad Oros, des Stamm- 
vaters der Areoi, ist 16 ). 

Auf Neu -Seeland, den Philippinen und Serang gelangt 
die Seele entweder auf ihm wandernd oder von ihm gehoben 
in das Jenseits. In Hawai verrät der Regenbogen den 
Aufenthaltsort der verborgenen Häuptlinge 17 ). 

Ein gleiches Resultat zeitigt die Betrachtung der Baum- 
pfade. Zunächst klimmen die Götter auf ihm himmelauf und 
himmelab 18 ). Dann ist wieder der Baum als Kommunikations- 
mittel der irdischen mit der Naturwelt wohl bekannt als 
Sprungbrett, als Brücke etc. 19 ). Vergessen werden dürfen 

u ) White bei Bastian: „Hawai" 8. 80. Kubary 8. 41. 
,5 ) Thomson: „New-Zealand u Bd. 1 S. 111. Bastian: „Oceanien" 
S. 145. 

") Bastian: „Oceanien" 8. 46 und 22. Bastian: „Hawai" 8. 13, 
S. 66. Schirren S. «6. Die beiden letzten nach Mörenhut. 

") Pollack Bd. I 8.273. Bastian: „Oteanien" 8.219. Marsden 
8.203. Riedel 8. 145. Bastian: „Hawai" 8. S. 

") Turner 8. 246, 8. 247. Bastian : „Oceanien" 8. 36, 8. 45, 8. 30 
und a. a. O. Vergl. auch den Baum in Mondinythen. 

'») Auf Ysabel : Codrington 8. 257, 8. 180. Auf Yap: Kubary S. 7. 
AufJSamoa: Turner 8. 235/6. Auf Neuseeland : Hochstetter 8. 55 etc. 

0* 



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- 132 — 

hier allerdings die Mythen vom Ursprung der Mensehen 
aus Bäumen nicht 20 ). 

So mag mehreres zusammeufliessen. Ausschlaggebend 
ist hier aber das Auftreten der Bäume in den klaren 
Sonnenmythen. Olifat färbt die Bäume mit seinem Blute 
rot. Das ist noch nichtssagend, denn es ist damit nur 
angedeutet, wie der Abglanz der aufgehenden Sonne die 
Baumstämme bemalt. Weiterhin steht am Eingang der 
Sonne nach Palau- Mythe der dichte Wälder bildende Denges- 
baum. Quat wird auf den Baum gebannt 21 ). 

In eine direkte Beziehung zum Lichte und zur Sonne 
treten aber die Blätter. Die Tangaro - Brüder der Banks- 
Inseln sind nach Baumblättern benannt. Blätter dienen 
auf Florida beim Zaubern zwecks Sonnenscheines. Blätter, 
die auf die letzte Stelle des Schattens in der Abendsonne 
geworfen sind, dienen in Fidji der Baumverehrung. Auf 
Maewo werden auf einen Stein unter einem Baume Blätter 
gelegt für Fruchtbarkeit der Schweine. Ueberschattete 
Blätter sind auf Vate gut zum Krankmachen und des- 
gleichen mehr 22 ). 

Als Quat dem Quasawara entflieht, steigt er auf einen 
Casuarinabaum. Derselbe wächst bis zum Himmel, biegt 
sich dann wieder, und so kommt Quat wieder auf dem 
Erdboden an. 

So ist der Baum nicht nur ein Weg der Seelen ins 
Jenseits, sondern auch der Sonne am Firmament. Denn 
es ist kaum anzunehmen, dass er eine mythologische Form 
der Sonnenstrahlen ist. 

2a ) Vcrgl. L. F.: „Ursprung der Kultur«, S. 296/208. 

51 ) ChamisBo Bd. II S. 260. Kubary S. 57. Codrington 8. 160. 

") Codrington S. 201/2. Hawkesworth Bd. II 8. 235. Bastian: 
„Oceanien* 8. 74 8. 89, S. 92, 8. 141, 8. 12/3. Ueber Pisangblfttter: 
Turnbull 8. 94. Wilson : „Missionareise* S. 375, 8. 399 460 u. a. a. O. 



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133 - 



Ich halte auch die Stricke, an denen die Götter von 
oben die Erde herniederlassen, die Leine, an der Maui die 
Erde hinter sich herschleppt, die Pfeilkette, an der Quat 
zum Himmel emporklimmt, nicht allein für Sonnenstrahlen, 
dazu sind sie zu markant und kompakt ausgebildet. Das 
ist die Bahn der Sonne. 

Wenn das so ist, so fragt es sich, wieso die Menschen 
stets auf denselben Wegen wandern, wie die Götter?, 



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VIII. Kapitel. 
Die Seelen-Sonnenbahn und Abteilung in Oceanien. 



Die Seele folgt der Sonne. Die Seele auf der Sonnenbahn. 

— Maui als Schiingenfänger und Strickverfertiger. - Die Seelen 
im Netz der Sonne. — Die Seelen in Schlingen gefangen. — Der 
Strick im Tempel. Die Strick-Seelen der Götterbilder. - Der 
Strick beim Gebet. — Der Strick als Trauerzeichen. Seine Be- 
ziehung zur Hüttenmaske. Der Strick als Zaubermittel (Amulett). 

— Der Strick als Hohheitszeichen. 

Es ist jetzt Zeit, an das zu erinnern, was die Vogel- 
mythe schon lehrte: die Art der engen Beziehung zwischen 
hoher und niederer Mythologie. Ich habe es mir nicht 
zur Aufgabe gestellt, nochmals die Sonnenmythen Oceaniens 
darzustellen, sondern ihr Wesen und ihre Entstehung 
kennen zu lernen. Und dafür ist jetzt schon mancherlei 
gewonnen. 

Der Vogelgott trügt die Seele der Sonne nach ins 
Jenseits, das war ein P>gebnis des ersten Kapitels. Die 
Seele wandelt auf den Sonnenpfaden der Götter, konnte 
ich zuletzt feststellen. Das Bindeglied dieser Variationen 
macht deu Eindruck einer primären, somit hochwichtigen 
Anschauung. Schon die Mauimythen weisen darauf hin. 

Wenn Maui nicht gestorben wäre, so stürben auch 
die Menschen nicht. An der Stelle, die schon Maui auf 
dem Wege zu Mauike passierte, geht der Weg der Seelen 
ins Jenseits. Die Häuptlinge höheren Ranges folgen Maui 



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135 



in die Sonne l ). Wie Mauis rechtes Auge die Sonne. Tawhakis 
Auge der Polarstern ist, so glänzen die linken Augen der 
Häuptlinge als Sterne am Himmel 2 ). 

Die Seele folgt der Sonne! 

Die grösste Freude der Seelen auf Mangaja ist es, der 
Sonne folgen zu können. Auch auf Puka-Puka eilt alles, 
was dem Zorne der Vaeru entrinnt, hinter der Sonne her. 
Auf Hawai führt ein Gott mit Namen „der Augenball der 
Sonne" die Seelen gen Himmel. Durch die gleiche Oeffnung 
wie die Sonne steigen die Seelen in die Unterwelt. Der 
Sonnengott Ra sucht in der Tiefe seine Frau auf, die mit 
an das Kinn gezogenen Knien in einer Höhle ruht 3 ). 
Diese Stellung is einerseits die des Kindes im Mutterleibe, 
andererseits die des Leichnams im Grabe. 

Daher wird die Leiche der Samoaner mit dem Kopfe 
dem Aufgang der Sonne zu gebettet, deshalb erscheinen 
Anzeichen kämpfenden Kriegs auf der Sonne, deshalb lebt 
unter der Erde ein einäugiger Stamm. Wenn eine Frau 
von der Sonne schwanger wird, so liegt darin eine Um- 
kehrung *). 

Auf den Salomonen folgen die Seelen der Abgeschiedenen 
der Sonne und steigen mit ihr in den Ocean. Auch auf 
den Neu-Hebriden liegt die Unterwelt im Westen. Die 
Mythe der Carolinen versetzt eine grosse Anzahl Menschen 
auf die Sonne*). 

l ) Thomson: „New Zealand" Bd. I 8. 110. Schirren S. 34 (nur Ii 
8hortland). Gill 8. 73/4. Förster 8. 463, 8. 454, 8. 441. 

*) Pollnek Bd. I 8. 16, 8. 61. „The New Zealanders" S. 233. 
Dumont DTTrville 8. 81. Nichola» 8. 31/2. Dieffenharh Bd. II S. 67. 
Yate 8. 142. 

*) Gill 8.75, 8.912, S. 77. Elli*: „Hawai 14 8.129. Bastian: 
„Hawai 1 * 8. 43. Stolpe 8. 28. Gill 8. 74. 

*) Turner 8. 230. Pollack Bd. 1 8. 245. Dieffenharh Bd. II, 
8. 118. Gill 8. 74. Turner S. 148/9. 

R ) Bastian: „Ozeanien* 8. S2. Meinirke 8. 338. Hockin 8. 25. 



I 

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— 13« 

Du siehst zum letzten Mal das Auge des Tages („die 
Sonne u ) wird dem Toten gesagt, denn jetzt sinkt er mit 
dem Sonnenball in die Unterwelt. „Die Sonne eines Königs 
ist untergegangen", klagte ein Priester beim Tode des 
Häuptlings 6 ). 

Die Seelen der verschiedenen Dajak gleiten im Toten- 
schiff ins Jenseits. Dasselbe hat ein Feuerfeld zu über- 
winden, dessen Herr Sempon Telon ist. An der Spitze 
des Vogeltotenschiffes steht deshalb dessen Lootse. Seine 
Haare sind feurig und seine Schienbeine scharf wie Messer, 
mit denen räumt er alle Hindernisse aus dem Wege 7 ). 
Das ist die Sonne und das mächtige, himmlische Vogel- 
Totenschiff der Dajak. Von Santa Crux, Sumatra, Neu 
Guinea wird berichtet, dass die Seelen zunächst geröstet 
werden und dass die Sonne so nahe an ihrem Aufenthalts- 
ort vorbeikomme, dass sie arg litten 8 ) 

Also in welche Richtung wir schauen, welches Kapitel 
wir auch aufschlagen, überall klingt die Melodie von den 
der Sonne folgenden Seelen. Daher ist auch in all jenen 
Mythen von den Ranken, Stricken, Ketten kaum ein anderes 
Motiv zu vermuten, oft sind es Umkehrungen der ein- 
fachsten Art. Wie die Seelen der Toten hinabsteigen auf 
der Sonnenbahn, so klommen einst die Ahnen empor an 
den Bindegliedern zwischen Himmel, Erde und Unterwelt, 
die von den Sonnenstrahlen herstammen mögen, aber als 
selbstständige Sonnenbahnen ausgebildet sind. 

Die Maori-Toten steigen an Ranken nach Hawaiki ein. 
Die Rarotonga-Ahnen kletterten von Awaiki empor. Im 
Anfange Hessen die Menschen im Himmel ein Rohr herab, 

«) Junghuhn Bd. 11 8. 141. Williams: „Fidji" Bd. I S. 196. 

7 ) Grabowsky: „Tod, Begräbnis 14 , 8. 184 mit Tafel. Siehe auch: 
Bastian: „Zur Lehre" Bd. II Taf. 1. 

8 ) Codrington: 8. 264. Pleyte: „Zur Kenntnis" 8. 291. Marsden 
8. 386. Chalmers S. 169. 



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— 137 — 

damit die Motu (Neu Guinea) emporsteigen könnte. Die 
Tanembar Insulaner stellen eine grünende Bambusstange 
auf, daran die Seele ins Jenseits gelange 9 ). Wir haben 
oben gesehen, wie die Ahnen der Battak und Bantik am 
Tau zur Erde gelassen wurden. 

Für den Weg nach Reinga (Totenland der Maori) 
# nimmt der an der Küste Wohnende ein Bündel Seegras, 
der im Inlande Wohnende ein Blatt des Palmbaumes mit 
sich. Diese Blätter und Bündelchen werden an den Rast- 
punkten auf der Reise liegen gelassen. Es sind die Bruch- 
teile des Sonnenpfad-Strickes. Dieselben Bündel kehren 
nämlich als Kreise geflochtenen Grases an den Schädeln 
der Toten wieder. Dies Gras war an heiligen Plätzen ge- 
pflückt und wieder von den schattenhaften Geistern der 
verstorbenen Häuptlinge auf dem Wege ins Jenseits nieder- 
gelegt 10 ). Auf Tahiti haben die für die Götter bestimmten 
Opfergaben tragenden Menschen, Stricke um den Hals. 
Ehe die Leichen auf Mangaja versenkt werden, wird ihnen 
ein Tuch um den Leib gebunden 11 ). Das möge als Bei- 
spiele der sich auflösenden Sonnenbahn-Himmelsleiter ge- 
nügen. 



*) Bastian: „Oceanien" S. 212. Schirren S. 108. Chalmers S. 174. 
Riedel S. 307. Auf Rajatea wird Po in eine Höhle am Meeresstande 
verlegt. Da unten herrscht als Totenfürst ein alter Häuptling, der 
sich zu Lebzeiten durch grosse Grausamkeit ausgezeichnet hatte. 
Als er daher, so erzählt die Mythe, durch Neugier getrieben, sich 
von seinen Leuten an einem Seile dahinablassen Hess, schnitten die 
das Seil haltenden Männer dieses ab und Hessen ihn hinabstürzen. 
— Tyrmann und Bennet Bd. 1 S. 539. Schirren S. 92. Bastian: 
„Oceanien* S. 21. 

lü ) Taylor S. 104. Pollack Bd. I S. 78. 

n ) Ellis: „Pol. Res." Bd. II S. 215. Rienzi Bd. III S. 24. — 
Bei der Aufbahrung wird die Leiche auf den Nikobaren an Ellbogen, 
Hüften und Füssen mit Stricken gebunden, die erst im Grabe wieder 
gelöst werden. Svoboda Bd. VI S. 26. 



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■ 

— 138 — 

Eine andere Gruppe von Beziehungen gipfelt in der 
Mythe von Maui als Schiingenfänger. Er fängt mit der 
Schlinge die Sonne, um ihren Lauf aufzuhalten. Oder er 
stellt dem Gestirne Netze. Oder er bindet den Feuerball 
an den Strahlen fest 12 ). Einige Züge sind besonders 
charakteristisch. Hikuleo, in diesem Falle die Sonne, — denn 
er raubt die Erstgeborene der Häuptlinge auf Tonga d. h. , 
die Seelen der Vornehmen folgen der Sonne — wird von 
Maui mit einem Strick unter der Erde festgehalten oder 
gebändigt. Auf Neu Seeland sind die Taue Mauis zu 
den Sonnenstrahlen geworden, eine hübsche Umkehrung. 
Auf Tonga ist die Kanke, an der der Kaituhu emporklimmt 
von Maui gepflanzt. Ueberhaupt: Maui ist der Strick- 

* 

verfertiger l3 ). 

Nach Melanessien zu ist wenig Klares, fundamental 
AYichtiges in diesem Falle zu finden. Wichtig ist eine 
Mittheilung Walpoles. Einst lebte ein Mann, der mit allem, 
so auch mit seinem Hause unzufrieden war. Er wollte 
sieh eines aus grossen Steinen aufbauen, aber konnte nicht 
fertig werden, da die Sonne zu rasch ging. So fuhr in 
seinem Kahne aus und stellte der Sonne Schlingen und 
Netze in den Weg. Aber vergebens! Sie durchriss alle 
und zog weiter. Da er aber ein grosser Krieger war, Hess 
Itu für ihn eine Ranke wachsen. Daraus machte der Mann 
eine Schlinge und fuhr abermals im Kahn heraus. Es 
war die Zeit im Jahre, da die Sonne schwerfällig, müde 
und schläfrig ist. 



,J ) Tyrinann und Bennet Bd. II 8. 40; 1. Bastinn: „Oceanien" 
8. 9 und 158. Yate 8. 143 (siehe auch Rosenberg S. 175, wonach der 
Lauf des Mondes an den der Sonne gebunden ist). Wilson: 
„Missionsreise* 8.208 9. Schirren 8.38. Bastian: r Hawai* 8.17. 

,a ) Schirren S. 72. Thomson: „New Zealand" Bd. I 8. 110. 
Schirren 8. 81, 8. Hl. 8. 09. Bastian: „Hawjti- 8. 35. „Oceunien 8. 45. 



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139 



So vermochte sie sich von der übergeworfenen Schlinge 
nicht zu befreien. Vergebens schrie sie: der Mann baute 
sein Haus weiter. — Auch hier ist nur die Schlinge von 
Itu zum Sonnenfange geeignet. Auch sonst vermag sie nur 
der Sohn, den die von der Sonne geschwängerte Frau ge- 
boren hat, dem glühenden Ball vom Baume aus die Schlinge 
werfend, zu fangen. Auf Fidji aber sinkt die Mythe ganz 
in den Kreis der niederen Anschauungen. Reisende binden 
auf den Hügeln Bäume aneinander, um vor dem Unter- 
gang der Sonne die Stadt zu erreichen 14 ). 

Wie viel grösser ist das Bild aber im eigentlichen 
Polynesien gemalt Maui mit dem wallenden langen Haar 
stellt das Netz. Mit Stricken war die Sonne nicht zu 
fangen, wohl aber mit Haaren 15 ). Aber trotzdem sind 
auch in Polynesien die Farben aus der niederen Mythologie 
genommen. 

Die Seelen derjenigen, die des natürlichen Todes 
sterben, lassen sich auf Mangaja auf dem Bua-Baume nieder. 
Sogleich taucht dieser mit seiner Bürde in die Tiefe, die 
Unterwelt herab. In den Wurzeln erblickt der Menscheu- 
geist nun ein grosses Netz, das dort unten ausgespannt 
ist, um ihn aufzufangen. Sowie er hineinstürtzt, wird er 
wie durch Zufall in die Höhe gezogen und die halbertrunkene 
Seele tritt nunmehr zitternd vor die schreckliche Miru, all- 
gemein die „Rötliche" genannt, weil ihr Gesicht die Hitze 
des stets glühenden Ofens zurückstrahlt 16 ). 

Den glühenden Ofen konnte ich oben auf die Sonne 
zurückführen. Die Bedeutung Miru's ward im ersen Ka- 
pitel besprochen. Der Baum, das Netz kurz alles ist 

'*) Waitz Bd. VI 8. 252,3. Sehirren 8. 37. Bastian: ..Oeeanien* 
S. 45 46. Turner 8. 248/9. Williams: .Fidji- 4 8. 250. 

15 ) Bastian: „Zur Lehre" Bd. 1 8.145. r Oee»nien u S. 17 und 
146. Former 8. 444. Sehirren 8. 8 ). 

,8 ) Gill 8.81. Dasselbe auf Karotongn ebenda 8. 81» HO. 



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140 — 



deutlich. So ist denn die Sonne als ein grimmiges, heim- 
tückisches Wesen gleichsam mit der Spinne identifizierbar, 
die auf Beute lauernd im Innern des Netzes hockt, stets 
bereit, sich der armen Seelen, die sich in ihrem Strahlen- 
glanze fangen, zu bemächtigen. Tawhaki, der im Spinnen- 
faden sich zur Erde herablässt und die Seelen tapferer 
Häuptlinge zum Himmel emporträgt, ist nur eine veredelte 
Form desselben Motives. 

/i Dieses Motiv tritt im Dienst der niederen 
Mythologie im Kultus auf. In drastisti- 
scher Weise ward auf Aitutaki die Gottheit 
mit Schlingen eingefangen, um entweder das 
Kind im Mutterleibe zu beleben oder ihn zu 
Jt zwingen der Partei im Kriege den Sieg zu 
verleihen. Auf Rarotonga ward der Gott 
Oro so eingefangen, auf Hawai die Seelen 
die den Körper des Lebenden verlassen 
hatte 17 ). (Vergl. nebenstehende Figur.) 
Wie auf Rarotonga, Aitutaki etc. die 
lwsietenTnÄ'ki Sonnengottheit *Ke Seelen der Toten im Netze 
(nach j. wiiHams). auffängt, so auf Puka-Puka die Priester. 

Die heiligen Männer gebrauchten im Jahre 1802 auf 
dieser Insel zwei Ere vaerua, d. h. Schlingen, um die Seelen 
zu fangen, aus starken Fasern geflochten, die eine Schlinge 
von 28 Fuss Länge, die andere von der halben. Die 
Schleifen, welche an jedem Ende angebracht waren, hatten 
eine verschiedene Grösse, angemessen den Grössenverhält- 
nissen des Geistes: denn einige sind dünn, andere dick. 
Wenn nun jemand recht krank wird oder die heiligen 
Männer gekränkt hat, dann hängen die Priester einige von 
den Geisterschlingen in den höchsten Zweigen der Bäume 
auf und erwarten nun das Entschlafen des Geistes. Wenn 



') Williams: ,.Narrative k ' S. 10S 9, S. 342. Bastian S. 46 und 66. 



! 

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die Seele des Kranken nicht in die Sehlinge in Gestalt 
eines Insektes oder eines Vogels fährt, so erholt sich der 
Kranke wieder, aber wenn, wie die weisen Männer ver- 
sichern, der unglückliche Geist sich in den Schlingen ver- 
strickt, so ist keine Hoffnung mehr vorhanden. Der 
Dämon Vaerua, d. h. „Geist", der in dem Geisterlande 
herrscht, trägt den unglücklichen Geist jetzt eiligst davon 
in die Unterwelt, um ihn zu verschmausen 18 ). 

In Indonesien fehlen Anklänge nicht. Nach der Dajak- 
Mythe ward das Weib des Kriegsgottes von dessen Feind 
in einer Schlinge gefangen und gen Himmel gezogen. Die 
Niasser halten den Regenbogen für ein Netz, das Nadaaja 
ausgeworfen hat, um Menschen zu fangen 19 ). 

Aber auch die ureigentliche, unverfälschte Sonnenbahn- 
Himmelsleiter ist im Kulte wiederzuerkennen. Im Bure- 
Tempel hängt auf Fidji ein langer Streifen aus weissem 
Rindenstoff herab. Der Priester, der die Gottheit befragen 
will, setzt sich hinter diesen Stoff*. An demselben lässt 
sie sich herab, um den Priester zu begeistern. In Tobi 
steigt der Gott an einem Brette herab, das ebenfalls im 
Tempel aufgehängt ist 20 ). Deshalb hängen auch wohl in 
den Tempeln die heiligen Gegenstände in Körben oder ein- 
fach angebunden vom Dache herab 21 ). 

Im Falle schwerer Krankheit wird auf Nias vor dem 
Hause eine mit Palmblättern verzierte Stange aufgerichtet, 
von deren Spitze eine Kette mit gleichem Schmuck nach 

18 ) Gill S. 81, S. 91, S. 912. Williams: „Narrative" 8. 10S. 
Bastian: „Oceanien" 8. 22, 8. 26, S. 211. 

l ') John Bd. I 8. 71. Rosenberg 8. 175. 

so ) Williams: „Fidji- Bd. I 8.222/3, 8.224 5. Bastian: „Oee- 
anien« 8. 68, S. 110. 

") Turner 8. 240 1. Williams: „Narrati ve u S. 819. Williams: 
„Fidji" Bd. 1 8. 221. 



i 



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U'2 - 



einem von dem Ere auf der Firste des Daches befestigten 
Troge läuft. Der Ere nimmt nun ein Schwein, bringt 
dasselbe auf das Dach und bietet es dem Geiste als Sühn- 
opfer an. Er tötet es und lässt es von dem Dache herunter- 
fallen. Der nach dem Schweine begierige Teufel lässt sich 
an der Kette herunter und der betreffende gute Geist sorgt 
dafür, dass der schlimme nicht wieder heraufkommt. — 
Bei den Bliksu in Macassar werden Schnüre aufgehängt 
zum Herabsteigen des Geistes 22 ). 

Die Bedeutung, die der Strick derart gewonnen hat, 
lässt sich noch nach zwei anderen Richtungen feststellen. 
Die Götterbilder der Hervey-Inseln waren mit einer Hülle von 
Tapa und Stricken umgeben. Die Art der Umwickelung 
war durchaus nicht gleichgültig und die Mangaja 
behaupteten, die Art und Weise der Umschnür- 
ung von den Göttern gelernt zu haben. Be- 
sonders interessant aber ist es, was Williams 
feststellte. Unter der Umhüllung einer solchen 
Götterstatue fand er nämlich eine einzelne 
Schnur, die als Manava „the soul of the god" 
bezeichnet wurde 23 ). (Vergl. nebenstehende 
Figur.) 

Auch die Götterbilder Neu -Seelands waren 
mit Flaxbändern umgeben. Die heiligen Namen 
derjenigen, die sie anfertigten, sind interessant. 
Se biidnu$es SS 1 " ^ er erste ist üm-manu. Uru ist nicht nur der 
(nacH'MfLs). Schädel, sondern „Oro", der Gott des Krieges, der 
in manchem Zuge seine Bedeutung als Seelen- 
führer der tapfereu Häuptlinge erkennen lässt; manu weist 
auf den Vogel hin. Der zweite Name ist Taki-taki. Das 
Wort ist wahrscheinlich eine Kontraktion von Tawhaki und 



") Rosenberg 8. 174/75. Bastian: „Fetisch" 8.42. 

") Stolpe 8. 46 und 53. Williams: ,.^arrativc^ S. 115/6 8. 117. 




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143 



ist auch mit diesem Nameu ein Hinweis auf den gleichen 
Sinn verbanden. Im übrigen werde den Götterbildern 
auch eine Schnur umgebunden, wenn ihre Belebung durch 
den Gott selbst zwecks Konsultation erwünscht war 24 ). 

Die oben erwähnten Flaxbündel oder Blätter, die deu 
Toten mitgegeben werden, führen zu der zweiten Gruppe 
der Erscheinungen. Wir sahen schon, wie den Toten ein 
Tuch umgebunden ward. Auf Tonga und Neu-Seeland wird 
ihnen ein Blumenkranz geweiht, der wahrscheinlich auch 
eine Form der degenerierten Himmelshahn ist. Der Priester, 
der beim Tiwah die Rolle des Seelenführers auf Borneo 
übernimmt, trägt eine Achatperlenkette 25 ). 

Ks ist naheliegend, dass sich die Menschen auch mit 
dem Strick umgürten, wenn sie beten oder den in der 
Krankheit dem Körper entwichenen Geist zurückrufen 
wollen 26 ). Ich brauche wohl nicht auf die im Osten be- 
sonders häufige Sitte, den Schädel des verstorbenen Gattea 
umzubinden , hinzuweisen. Der Mensch will mit seinem 
lieben Toten in Verbindung bleiben. Auf Neu-Hebriden, 
Tahiti und Markesas sind Arm- und Halsbänder aus dem 
Haare der verstorbenen Freunde beliebt 27 ). 

") Taylor 8. 67, S. 72 3. Siehe auch Kap. 1. 
") Rienzi Bd. III 8.174. Mariner 8.308. Grabowsky „Tod" 
S. 197 und 196. 

2B ) Xicholais 8. 76. Mariner S. 215, 8. 292, S. 293. Wilson: 
r Missionsreise" S. 300. Finsch: Ethnol. Erf." 8. 457. Svoboda Bd. VI 
8.13. Parkinson: ^Gilbert" 8. 44. Die beim 8aki (Blutbestreichen) 
ausgesprochenen Wünsche werden durch Umbinden einer Palmschnur 
festgehalten. Bastian : „Zur Lehre-' Bd. II S. 83. Aha ist ein vom 
Gefaser der Kokosnuss gedrehter Strick und bedeutet ein mit dem 
Kapu verbundenes Gebet: Bastian: „Manuskript" 8. 145. Ich will 
schon hier darauf hinweisen, dass die Lappen an den Tabupfählen 
wahrscheinlich auf nichts anderes zurückzuführen sind, als die 
Himmelsleiter, an der die Geister sich in den Stab herablassen sollen. 

2T ) Melville S. 85. Turner S. 80. Wilson: ..Missionsreise* 
S. 387. 



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1 



144 — 

Damit bin ich denn bei der Deutung eines der sonder- 
barsten und verbreitetsten Trauergebräuche Oceaniens an- 
gelangt, bei dem Trauerstrick. Ks ist das Band, das den 
Toten noch an die zurückgebliebenen Trauernden fesseln soll. 

Trauernde Maori-Frauen weben einen Rosenkranz von 
grünen Blattern oder einen schönen aus Leukopodium. 
Die Haupttrauernde, eine ältere Frau, trägt um die Schläfen 
einen Rosenkranz von Hundehaaren, sowie einen sehr ge- 
schmackvollen von schwarzem Meergras. Die Alten be- 
decken sich bei der Totenklage die Häupter mit Kränzen 
von grünen Blättern 28 ). Auf Tahiti wird sowohl ein Schleier 
als auch eine Schnur mit Perlmutterschalen und Daumen- 
nägeln als Trauertracht erwähnt. Die Trauernden Man- 
gajas umhüllen sich mit geisterhaftem Netzgeflecht von 
Kräutern und niederen Schlingpflanzen, gefärbtem Garne 
vergleichbar. Als die Häuptlinge Tongas den Ort, wo die 
Leichen der Fürsten liegen besuchten, hatten sich alle 
statt in die gewöhnliche Kleidung in Matten gehüllt und 
trugen aus dem Laube des Iii- Baumes gemachte Stricke 
um den Hals. Mariner war Zeuge eines interessanten 
Sittenwechsels. Der selbständige Fürst Finow Hess näm- 
lich eines Tages statt des Laubes des Ifi-Baumes Kränze 
aus bunten Blumen als Trauerzeichen tragen 29 ). 

Die Bewohner Auroras tragen in den hundert Trauer- 
tagen einen Strick um den Nacken, die Frauen ausserdem 
eine bis auf den Boden reichende Matte um die Lenden 30 ). 
Es deutet das auf eine nicht uninteressante Umwandlung. 
In einem weiteren Kapitel (19) will ich die entsprechenden 
afrikanischen Vorkommnisse begründeu. Es handelt sich 
hier um eine Einwirkung der Hüttenmaske. Dieselbe löst 

") Taylor 8. 102. Diefenbach Bd. II S. 62. 
") Bougainville S. 194. Wilson: „Misaionsreiae" S. 357. Gill 
S. 75. Mariner S. 98, S. 351, 8. 308. 
so ) Codrington S. 281, 282. 



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— 145 — 



sich auch in Oceanien iu gewisse Bestandteile auf. Es 
sind unter diesem Einflüsse die Netze, die Röcke, die 
Schleier, die Trauerbehänge entstanden. 

Man kann diesen Zusammenhang auf Neu-Guinea be- 
sonders schön beobachten. Vom Trauerschmuck Ost-Neu- 
Guineas sagt Finsch: am häufigsten wurde eine Art Brust- 
latz aus kunstvoll aneinander geknüpftem Bindfaden ge- 
tragen, und zwar von beiden Geschlechtern. In Bentley-Bai 
sind breite, aus Gras geflochtene Bänder, die kreuzweise 
über Brust und Rücken laufen, Zeichen der Trauer. 
Häuptlingsfrauen, und zwar diese allein, dürfen sich hier 
noch eines besonderen Trauerschmucks, Diadiro genannt, 
bedienen. Derselbe besteht in einem Reifen so gross als 
von einem kleinen Fass, an dem weisse Eierschalen be- 
festigt sind und der über die Schultern getragen wird. In 
Port Moresby wird ein die Brust bedeckendes Netz als 
Trauerzeichen getragen und zwar anscheinend nur von 
Frauen. Bei den Motu-Motu- Witwen fällt dasselbe bis auf 
die Knie. Ausserdem siud Ringe um die Arme, krinoliuen- 
artige Röcke etc. zu erwähnen. Die Frauen von Moatta 
tragen als Trauergewandung eine eigenartige Schärpe, die 
aus einer grossen Anzahl Schnüren besteht, welche vom 
Nacken vorn und hinten herabfallen, den Körper bis zu 
den Füssen bedecken und über die Hüfte mit einem Gürtel 
aus Strick befestigt ist. Die Arme und Beine über den 
Knien sind mit ähnlichen aus Schnüren zusammengesetzten 
Arm- und Beinringen bedeckt 3l ). 

Auf Yule werden in Trauerfällen Ringe aus Schnüren 
um Arme und Knöchel getragen, auf Darnly Fransen von 
Gras an Nacken, Armen und Beinen, auf Jervis der ge- 
rötete Sogere, ein langes Blättergehänge, gewöhnlich aus 

M ) Finsch: „Ethnol. Erf ." S. 158. Chalmera und Gill S. 35, S. 271. 
Chnlmers 8. 240, Abbildung 8. 15R. D'Alberti, IM. II 8. 9. 

Frobcnius, Weltanschauung der Naturvölker. 10 



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I 



— 146 — 

dem Laub der Sagopalme, welches rund um den Nacken 
gebunden war und zur Hälfte von hinten herabfiel. Dazu 
traten hier wie auch auf Tud Arm-, Hein- und Knöchel- 
bänder aus dem gleichen Material 32 ). 

Sowie wir das Maskengebiet verlassen, wird die Trauer- 
tracht auch einfacher und die Schnur tritt wieder selbst- 
ständig auf. Das Trauerzeichen in Dore besteht im ein- 
fachen Faden, den die dem Toten Näherstehendeu um den 
Hals. Fernerstehenden am Oberarm tragen. Auf den Kei 
erkennt man beim Leichenfest die Blutsverwandten an 
Ringen um Arme und Beine und einen Gürtel um den 
Leib; auf den Luang Sermata- Inseln kennzeichnen den 
Trauernden ein Leinwandfetzen auf dem Kopf, auf Timor 
hat Witwe oder Witwer ein Stück der Leichenkleidung, 
gewöhnlich des Schamgürtels des oder der Verstorbenen, 
im Haar. Letzterer Fall ist besonders charakteristisch und 
deutlich. Auf den Uliasse-Inseln treffen wir weisse Scham- 
gürtel und ein weisses Band im Haar 33 ). 

Ein Dajak muss beim Tode seiner Frau als Witwer 
ein Kopftuch aus Stroh anlegen und so lange trageu, als 
die Leiche der Frau über der Erde ist. Daran, an die 
weissen Tücher und die Strohlappen schliessen sich dann 
die spitzen Trauerhüte an (siehe z. B. bei Rosenberg) als 
Bindeglieder zwischen Trauerschnur und Hüttenmaske (vergl. 
m. Masken werk), — Mütter tragen auf den Marianen in Er- 
innerung an den Tod eines Kindes Schnuren um den Hals 3 *). 

Schon in der Vogelmythe konnte gezeigt werden, wie 
ein derartiges Mittel des Verkehrs mit den übermensch- 

3J ) IVAlbertlft Bd. I 8. 354, 8.388. Haddon: „Secular" S. 27» 
S. 23. Für die Umbildungen 8. 24, 8. 25/26, S. 27 8. 30 1 und Taf. 
Nr. XVI 

35 ) Rosenberg 8. 457. Eysinga Bd. I 8. 220. Riedel 8. 328. 
8. 307, 8. 81. 

3i ) Grabowsky: „Tod" 8. 173, 8. 183. Kienzi Bd. II 8. 78 nach 
Le Gobien. 



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— 147 — 

liehen Mächten zum Amulett aktiver und passiver Natur 
in letzter Linie wird. 

Die Nukahiva haben einen Zauber, der dem Feinde 
Sehaden bereitet. In einem geflochtenen Beutel wird ein 
wenig von den Exkrementen des Feindes vergraben. Er 
wird eines sicheren Todes sterben. Das wichtigste des 
Geheimnisses besteht in der Kunst, den Beutel richtig zu 
flechten. Das ist eine direkte Beziehung zu den Um- 
hüllungen der Götterbilder, deren Anfertigung schwierig 
und von den Gottern selbst gelernt war 35 ). 

Wichtiger und verbreiteter sind die Abwehrmittel 
dieser Gruppe. Dass die Leinwandlappen an den Tabu- 
stangen von der Sonnenbahn -Himmelsleiter abstammen, 
ist annehmbar. — An Stelle der früher den Leichen ge- 
opferten Sklaven fertigten die Dajak Menschenbildnisse aus 
Holz an. Doch ist dies Unternehmen nicht ganz unge- 
fährlich und der Verfertiger bindet sich daher einen Schmuck 
von Achatperlen um. 

Die Nikobaren tragen beim Totenfeste einen aus der 
Rippe eines Bananenblattes verfertigten Kranz zum Schutze 
gegen die bösen Geister. Bei Ankunft eines Schiffes 
pflegte man früher einen Streifen Pandanus oder Kokos- 
blatt um den Hals der Kinder zu binden, um diese vor 
etwaigen schädlichen Einflüssen zu schützen. Die Häupt- 
linge auf Rotuma trugen, wenn sie in die Schlacht zogen, 
ein Schutzamulett in Gestalt einer aus vier Perlmutter- 
muscheln gebildeten Kopfbinde 36 ). 

Zum Schlüsse soll noch auf eine letzte Gruppe der 
von der Sonnenbahn abgeleiteten Gegenstände Erwähnung 
finden: die Hochzeitszeichen : 

35 ) Krusenstera Bd. I 8. 250. 

M ) Grabowaky: „Tod" 8. 191. Svuboda Bd. VI 8. 27. Fingen: 
„Ethnol. Krf." 8. 457. Rienzi Bd. III 8. 287, vergl. Parkinson: 
„BiHinarckarchipel" Tat'. 8. 136. 

10* 



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- 148 - 

Die goldenen Ketten, an denen die Ahnen malaischer 
Fürsten zur Erde herabstiegen, befinden sich jetzt noch 
als Reichskleinodien in den Schatzkammern der grossen 
Häuptlinge aufgehoben. Auf Tahiti war ein wichtiges 
Attribut der Königswürde: jene heilige Binde, die gewöhn- 
lich auf den Gräbern der Ahnen ruhte — sicher ein 
charakteristisches Merkmal! — und dem Fürsten am Krö- 
nungstage angelegt wurde 37 ). 

Im nordwestlichen Neu -Guinea bezeichnet ein finger- 
dicker Halsstrick den Häuptling; auf Viti Halsbänder aus 
gespaltenen Walfischzähuen. Dann kommen die Häupt- 
lingsringe aus Perimutterschale, die nach anderen Rich- 
tungen wieder Beziehungen andeuten, in Betracht 38 ). 

Vielleicht erscheinen die letzten Ausführungen bedeu- 
tungsloser; ich glaube aber, dass gerade in diesen unschein- 
baren Zweigen der Weltanschauung, in diesen Aeusserungen 
im Kultus und alltäglichen Leben die besten Reste der 
älteren Anschauungen liegen, und daher auch sie den 
fruchtbarsten Boden der Studien bieten. 

37 ) Schmidtmüller 8. 538. Schirren S. 132. Aumerk. Wilson: 
„Missionsreise 41 S. 337—339. Yankouver Bd. I 8. 104. 

") Flinsch: „Samoafahrten", S. 108. Rienzi Bd. III S. 308. 
Hawkesworth Bd. III 8. 294. Hockin 8. 12 s. a. Chamisso, vergl. 
„Ausland" 1888 8. 48. Keate S. 230—233 und a. a. 0. 



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IX. Kapitel. 

Sonnenmythen, Sonnenbahn und Ableitung in Nord- 
westanierika und Australien. 

Nordwestamerika. — Da« Formale der Mythen. — 1. Sonnen- 
bahn-Pfeilleiter. - 2. Sonnenfahrtsmythus-Strickleiter. Oceanische 
Parallelen. — 3. "Wasserfahrtsmythen. — Die Sonnenbahn der Ober- 
und Unterwelt. — 4. Wasserfahrtsmythen-Strick. — Analogie zum 
Feuerdiebstahl Mauis. ■— Die Zahl 4. — Die Menschen auf der 
Sonnenbahn. — Die Seele folgt der Sonne. — Bastringe. — Trauer- 
schurtz. — Australien: Sonnenmythen. — Die Seele folgt der 
Sonne. -- Der Strick als Leiter, die Schlinge, der Trauerstrick. 

Die nordwestamerikanisxhe Mythologie enthält einen 
verhältnismassig sehr grossen Prozentsatz solarer Figuren. 
Während in der ozeanischen noch alle Eigentümlichkeiten 
einer Gottheit des Himmels oder der Sonne oder des 
Meeres etc. in eiuer Person sich finden, die ReHexlichte 
derselben auf mehrere andere noch fallen, während dort 
eine grosse Lebendigkeit und Bewegungsfähigkeit überall 
zu finden ist, fehlt der nordwestamerikanischen diese Freiheit 
und Selbstständigkeit, die das Zeichen eines grossen und 
hohen Geistes genannt werden kann. Die nordwestameri- 
kanischen Mythen sind versteinert. Es fehlt ihnen das 
tropische Leben und die südliche Wärme. Die Motive sind 
hüben und drüben die gleichen, aber hier sind sie fort- 
pflanzungskräftig und gelenkig, dort zwar nicht kraftlos, 
aber gebannt, gefesselt, ohne Elastizität. Hier herrscht der 
schöpferische Gehalt, dort die strenge Form. 



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150 



Der Unterschied uoil der Variationenreichtum der nord- 
westamerikanischen Mythologie beruht lediglich in einem 
verschiedenen Zusammensetzen immer derselben Mosaik- 
steine. Entweder es ist einmal grün, weiss, schwarz oder 
weiss, grün, schwarz oder weiss, schwarz, grün gesetzt. 
Oder auch, es wird eine Figur einmal aus schwarzen, dann 
aus grünen und endlich dieselbe aus weissen Steinchen 
gebildet. Aber fast nie kommen Nuancen in den Farben 
vor. Es sind immer die gleichen. Welcher Unterschied 
gegen in Oceanien, wo nie dasselbe zwei Mal ganz gleich 
ohne Nüance gefunden wird. 

Also der Unterschied ist zunächst ein formaler. 

Dem anders gearteten Material entsprechend muss 
auch eine andere Behandluugs weise zur Untersuchung ge- 
wählt werden. Es wird das Richtigste sein, einige Typen 
von Mythen — Dank dem eifrigen Boas fehlt es ja an 
Material nicht — zu erörtern und zu zergliedern. 

1. Sounenfahrtsmythus — Pfeilleiter. 

a) Die zwei Söhne Aielens steigen auf der Pfeilbrücke 
zum Himmel, um die zwei Töchter Tlaiks zu erwerben. 

b) Sie treffen auf dem Wege im Himmel einige alte 
blinde Frauen, die sie sehend machen und die als Eulen 
von dannen fliegen. Eine, die am Bein festgehalten wird, 
rät den Brüdern, ehe sie. zu Tlaik gehen, sich von ihrem 
Grossvater Bescheid zu holen. 

c) Ihr Grossvater, der Kranich, belehrt sie: Erstens: 
Tlaiks würde sie auffordern, auf einem Stachelschwein 
Platz zu nehmen. Deshalb verwandelt er ihr Gesäss in 
Stein. Zweitens: er lässt sie einen feurigen Stein ver- 
schlucken, der durch sie hindurchfällt, ohne ihnen zn 
schaden. Drittens: er lehrt ihnen die Zähne in der Scheide 
der Mädchen zu entfernen, indem sie mit einem Keil, den 
sie statt des Penis benutzen, dieselben abdrehen. 



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151 



d) Io Tlaiks Hause bestehen sie die drei Abenteuer 
gut. Daher wird Tlaik zornig und beschliesst, sie zu 
töten. Als sie in die Spalte eines Baumes, den Tlaik auf- 
gesperrt hat, hineinkriechen, um ihm den hineingefallenen 
Hammer zu holen, zieht derselbe den Keil heraus, so dass 
die beiden Teile zusammenschlagen. Die Bruder ent- 
kommen aber glücklich, in diesem wie in mehreren anderen 
Abenteuern, der List Tlaiks. 

e) Sie rächen sich an Tlaik. Der Specht, ihr Gross- 
vater, muss ihm die Augen aushacken 1 ). 

Die Catloltq haben ausser dieser Version noch eine 
zweite, deren von der ersten abweichende Stellen im folgenden 
wiedergegeben werden mögen. 

a) Nur ein Sohn steigt an der Kette empor. Oben 
trifft er den Tintenfisch. Von diesem lässt er sich Mantel 
und Harz geben. 

b) u. c) Entsprechen der ersten Version. Nur wird 
ihm gesagt, die drei älteren Schwestern besassen die 
Scheidenzähne, die jüngste nicht. 

d) Als Tintenfisch lässt er sich von Tlaiks Tochter 
nach Hause tragen. Von ihr nur lässt er sich Nahrung 
geben. Nachts wirft er den Mantel ab; „da sah sie, dass 
es die leuchtende Sonne war." Am nächsten Tage lässt 
er durch den Specht die Hirsche warnen. Daher sind die 
Leute Tlaiks auf der Jagd erfolglos. In dem zur Jagd 
ausfahrenden Boote ist der Tintenfisch an diesem und dem 
nächsten Tage der Steuermann. Als Tlaik auch am zweiten 
Tage ohne Beute zum Boote zurückkehrt, da hat der 
Sonnenheld den Mantel abgeworfen und sass aufrecht im 
Hinterteile des Bootes. „Er strahlte hell wie die Sonne 
und als Tlaik die Sonne im Hinterteile des Bootes sitzen 
sah, fürchtete er sich." Als sie nun am nächsten Tage 

l ) Boas: „Verh." 1892 S. 34—38. 



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— 152 — 

auf die Jagd gehen, hat das Boot grosses Glück und viel 
Beute. So nimmt der Sonnenheld die Jüngste zur Frau. 
Der Versuch Tlaiks, den Schwiegersohn zu töten wie in 
Version 1. 

e) Siehe Version 1 2 ). 

Um die wichtigen Züge noch mehr hervorzuheben, 
füge ich noch entsprechende Teile aus den entsprechenden 
Mythen bei anderen Stämmen hinzu. 

Nimkisch d). Giyi — der statt auf der Pfeilleiter 
emporgestiegene, im Vogelboote hinaufgelangte Sonnenheld 
— bindet sich am Himmel den Tintenfisch vor das Gesicht, 
so dass er aussieht wie ein alter Mann. Erst wie er mit 
der Erwählten allein ist, nimmt er die Tintenfischmaske 
vom Gesicht und erscheint nun in seiner wahren Gestalt. 
„Das Mädchen fiel in Ohnmacht, so hell strahlte sein Ge- 
sicht." Ihres Vaters Hausthüre hat die Eigentümlichkeit, 
jeden zu erschlagen, der hereintritt. Da fingiert er erst 
einen Eintritt und sie schlägt zu. Erst als sie sich wieder 
öffnet, springt er hinein 3 ). 

Nutka d). Der Häuptling begrüsst den Sonnenhelden 
und fragt: „Willst Du meine Tochter heiraten?" r Ja u , 
sagt Anthtine, „deshalb bin ich gekommen." Da lässt 
der Häuptling ihn neben sich niedersetzen und macht ein 
grosses Feuer, um ihn zu verbrennen. Anthtine wirft 
heimlich Muscheln hinein, welche das Feuer mit ihrem 
Wasser dämpfen. Viermal versuchte es der Häuptling, 
ihn zu verbrennen, aber es gelingt ihm nicht. Da sagt 
er: „Du sollst raeine Tochter haben, setze Dich zu ihr." 
Sie sitzt aber auf einer Matte von Stacheln und die Rücken- 
lehne des Sessels ist gleichermassen mit Stacheln besetzt. 
Da legt Anthtine Steine unter seine Füsse, sein Gesäss 

*) Boas: „Verh." 1892 S. 38—40. 
*) Boas: „Verh." 1892 S. 390. 



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- 153 — 

und seinen Rücken und druckt die Stacheln nieder, so 
dass er sich ungestraft setzen kann. Er nimmt sie zur Frau. 

e) Entspricht der Catloltq-Schreibweise 4 ). 

Dass in diesen Mythen die Zuge der Sonnenhelden 
vorherrschen, ist klar. Aielen ist einmal der Name für 
die Sonne als Mensch, dann die Bezeichung für gutes 
Wetter und endlich ist sein Geschick mit den Wanderungen 
der Sonne verbunden 5 ). 

Am wichtigsten erscheint mir, dass die Haupterlebnisse 
sich nach Aussage der Mythe am Himmel anscheinend 
abspielen. Das ist aber nicht ganz richtig. Der Baum- 
stamm, in dem der Sonnenheld zerquetscht werden soll, 
die Scheide, die mit Zähnen versehen Glieder abbeist, die 
Thüre, die im Zuschlagen zerdrückt, sind Darstellungen 
des Sonnenuntergangs. 

Wenn der Held seine Tintenfischmaske abnimmt — 
welche, wie wir später sehen werden, eine sekundäre Be- 
deutung hat — , strahlt er so, dass das Mädchen ihn nicht . 
ansehen kann, dass Tlaik erschrickt. 

Die verwandtschaftlichen Beziehungen Zu den Sonnen- 
diebstahlmythen sind innige. Der Rabe lässt sich ver- 
schlingen und wiedergebären. Das ist in gleicher Weise 
Sonnenunter- und -Aufgang. Die Pfeilkette ist die in 
Nordwestamerikas Mythen typische Form der Sonnenbahn, 
der im nächsten Kapitel eingehende Behandlung gewidmet 
werden soll. 

2. Sonnenfahrtsmythus — Strickleiter. 

Ein junger, der Geschwisterehe entspringender Mann 
beschliesst, in den Himmel zu steigen. Er schiesst einen 

*) Boas: „Verh." 1892 S. 334/5. 

*) Ich brauche wohl kaum darauf hinzuweisen, dass der Stachel- 
pelz, auf den sich der Held setzen soll, die strahlende Sonne ist, 
dass, indem er die Muscheln in das Feuer wirft und es dämpft, die 
Sonne im Meere untergeht etc. 



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— 154 — 



Adler und in dessen Balg gehüllt, fährt er empor. Er 
will die Tochter der Sonne heirateu. 

Oben auf dem Wege am Himmel kommt er an zwei 
blinden Schwestern vorbei. Er macht sie sehend und sie 
machen seine Haut hart. Sie geben ihm zwei Knochen 
mit Fleisch umwickelt und warnen ihn vor dem Monde. 

Am Eingang zum Sonnenhaus wirft er den beiden 
Wache haltenden Wölfen die Knochen vor. Kr springt dann 
schnell vorbei. Drinnen sitzen drei Töchter der Sonne 
und drei Töchter des Mondes. Erstere sind sehr schön, 
letztere hässlich. Er setzt sich zu den Töchern der Sonne, 
die Stacheln niederdrückend und bekommt von der Sonne 
eine Tochter zur Frau. 

Er wird vom Monde aufgefordert, mit ihm am nächsten 
Tage eine Ceder zu spalten. Erst holt er sich bei jenen 
beiden Frauen Rat. Infolgedessen stemmt er zwei Knochen 
in den Spalt, als der Mond ihn zerquetschen will, lässt 
aber weisse und rote Farbe als Hirn und Blut umher- 
spritzen. Wie der Mond nun den Baum wieder aufspaltet, 
kommt er wohlbehalten empor. 

Nun sehnt er sich zur Erde hinab. Die Sonne lässt 
zwei alten Frauen, die spinnen, die unter der Sonne wohnen, 
ein Seil anfertigen, setzt den Mann, seine Tochter und 
deren Kinder in einen Korbe und lässt denselben an einem 
Seile hinab. Auf der Erde angekommen, zogen sie am 
Seil und der Korb ward wieder emporgezogen. 

Während sie herunterkamen, ward der Himmel ganz 
rot. Da sprach der junge Vetter im Heimatlande des 
Sonnenhelden: „Mein Vetter wird jetzt zurückkehren. Er 
sagte mir, ehe er verschwand, dass der Himmel rot werden 
würde, wenn er zurückkehre." 

Niemand konnte auf Erden die Frau des jungen 
Mannes ansehen, da sie zu hell leuchtete. Sie hielt sich 
deshalb immer im Hause auf und Hess sich von niemand 



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155 



sehen. Aus diesem Grunde glaubten die Leute gar nicht, 
dass sie die Tochter der Sonne sei. Ein Mann, der darum, 
von Neugierde getrieben, durch einen Spalt in ihr Zimmer 
blickt, ward im ganzen Gesicht verbraunt, so hell leuchtete 
sie auf. Ihr Mann machte ihn aber wieder gesund. Von 
nun an waren die Leute gläubiger. 

Diese Mythe vom unteren Fräser River 6 ) bietet ge- 
nügende Anklänge an die erste Gruppe von Mythen, um 
sogleich verständlich zu sein. Es ist in einen grossen 
Rahmen der rhythmische Bau mehrerer kleiner Erzählungen 
eingefugt. Im Vogelbalg steigt der Held empor und am 
Seil wird er wieder herabgelassen. Eine derartige Fassung 
ist für all diese Mythen charakteristisch. Von der Erde geht 
die Dichtung aus. Sie endet entweder am Himmel oder 
wieder auf der Erde. Ich deutete schon oben darauf hin, 
dass der in Oceanien mächtig ausgebildete Begriff der 
Unterwelt in Nordwest- Amerika verloren gegangen ist, nur 
in nebensächlichen Ereignissen lässt er sich erkennen. 

In diesem Rahmen findet sich nun der Sonnenrhythmus 
mehrmals. Der Held wirft den Wölfen den Knochen hin 
und springt an ihnen, die ihn verschlingen wollen, vorüber 
(Sonnenuntergang). Er setzt sich auf den Strahlenteppich 
zur Sonnentochter (Sonnenaufgang). Mom Monde wird er 
in den Baum gestossen, wobei er Weiss und Rot ausspeit 
(Sonnenuntergang) und er kommt glücklich wieder empor 
(Sonnenaufgang). 

Der Mond, das Gestirn der Nacht, der Feind des 
Tages, ist hier wie in Polynesien etc. (siehe Kapitel 21) 
der Feind der Sonne. Wahrscheinlich lässt sich auch in 
anderen Gestalten der Nutka-Mythologie, in anderen Feinden 
der Sonnenhelden die Mond-Todesgottheit nachweisen. Im 



•) Boas: „Verh." 1894 S. 569-571. 



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150 — 



Anschluss hieran will ich noch eine weitere Himmelsfahrt- 
mythe aus Kolumbia verwandter Art heranziehen 7 ). 

Der Coyote hatte einen Sohn. Der hatte zwei Frauen. 
Coyote wünscht sehr eine derselben für sich zu haben. 
Daher suchte er seinen Sohn aus dem Wege zu räumen. 
Eines Tages schickte er ihn aus, einen Vogel zu fangen, 
der auf einem Baume sass. Als der junge Mann nun auf 
den Baum kletterte, machte Coyote, dass derselbe wuchs, 
bis er den Himmel berührte. 

Da sprang der junge Mann von dem Baumwipfel in 
das Himmelsland und der Baum schrumpfte wieder zu seiner 
früheren Grösse zusammen. Er fand sich auf einem Pfade, 
dem er folgte. Zwei alte, blinde Frauen, die er auf dem 
Wege beim Holzfällen traf, spotteten seiner, weshalb er 
sie in Vögel verwandelte. 

Weiterhin traf er eineu alten Mann und eine alte 
Frau, die Spinne, die nahmen ihn freundlich auf. Da blieb 
er bei ihnen. Mittlerweile machte ihm die Spinne ein Seil. 
Und als er nun Heimweh bekam, sich ins Bett legte und 
nicht zu bewegen war, Nahrung zu sich zu nehmen, sprach 
sie zu ihm: „Wir wollen Dich zur Erde zurücksenden." 
Sie brachten den jungen Mann mit einem reichlichen Vor- 
räte von getrocknetem Fleisch in eineu kleinen Korb und 
banden den an das Seil. Ehe sie ihn nun herabliesseu, 
sagten sie: „Oeffne Deine Augen nicht, so lange Du im 
Himmel bist und wenn Du an den Wolken, den Bergen, 
den Bäumen vorbeifährst, sondern warte, bis Du am Bodeu 
anlangst. Dann öffne den Korb, knüpfe ihn los und zieh 
am Seil, damit wir es wieder einziehen können." Und also 
geschah es. 

Es ist das eine jener nordwestamerikanischen My theo, 
die den Stempel der oceanischen Abkunft tragen. Man 

7 ) Boas: „Verh." 1891 S. 548,9. 



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- 157 — 

erinnere sich nur der Quat-Mythen. Wie Quasavara den 
Sonnenhelden verfolgt, besteigt er den Kasuarina, der ihn 
gen Himmel trägt. — Als er vom Baume nicht wieder 
herabkam, weht Marawa, der Spinnengeist, ihm ein langes 
Haar hinauf, an dem er herabsteigt. 

Auch gemahnt manches an die schreckliche Miru. 
Jedoch ist der solare Typus der Helden so ausgeprägt, dass 
das Gefühl des Leidens (der Seelen in der Unterwelt) bei 
ihnen nicht zum Durchbruch gelangt. 

Ehe ich den letzten unter den richtigen Sonnenbahn- 
mythen zur Betrachtung heranziehe, will ich die gleich be- 
deutungsvollen folgenden Mythen zergliedern. 

3. Wasserfahrtmythen. 
1. Version der A wikyenoq 8 ). a) Vier Bruder gehen 
aus, um zu baden. Auf einem am Strande gefundenen 
Stamme legen sie sich nieder, um zu schlafen. Sie treiben 
auf dem Stamme ab und als sie um sich schauen, sehen 
sie nichts als Wasser und Himmel. 

c) Sie sehen eine schwarze Küste, der Jüngste springt 
ans Land und sinkt unter. Ebenso versinken der zweite 
und der dritte in dem vermeintlichen Lande. 

d) Der älteste und letzte Bruder kommt endlich im 
Lande des Menis au. Die Tochter desselben erblickt ihn 
und bringt ihn nach Hause. Sie reicht ihm aus einer 
Kiste Essen. Siehe, es sind Menschenaugen. Das ist ihm 
eklig und er lässt sich Seehundfleisch reichen. Menis giebt 
seine Tochter dem Manne zur Frau. 

e) Des Morgens findet die Tochter des Menis die 
Leichen der drei ertrunkenen Bruder am Fischwehr. Einem 
derselben war vom Haben ein Auge ausgehackt. Menis 
nimmt aus der Kiste ein Auge und setzt es an die Stelle 
des fehlenden. Er schüttelt sie und sie werden wieder 
lebendig. 

H ) Boas: „Verh." 1893 S. 453 455. 



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158 — 



f) Menis schickt die Brüder nach Hause, damit sie 
ihm Cedernholz bringen. Er giebt ihnen allerhand Tiere 
mit, unter denselben ein Stachelschwein und lässt sie ab- 
fahren. Die Tochter des Menis fährt mit ihnen und sagt: 
„Steuert immer der aufgehenden Sonne entgegen und haltet 
die sinkende Sonne hinter Euch, dann werdet Ihr Eure 
Heimat erreichen." So kommen sie wieder nach Hause. 

g) Später kehren sie zurück und bringen dem Menis 
alles, was er gewünscht hatte. 

2. Version der Tlalasikoala 9 ). a) Apotl will 
einen Seehund fangen und fährt mit seinen zwei Vettern 
hinaus. Der Seehund zieht den Kahn an der Leine fort. 

b) Sie können die Leine nicht durchschneiden. 

c) Wie in Version 1. Der Steuermann versinkt. 

d) Sie kommen in das Land des Amiaequet. Sonst 
Version 1. 

e) Amiaequet macht den untergegangenen Vetter 
wieder lebendig. Er nimmt nämlich ein Auge aus einer 
Kiste, bindet sich ein Seil um den Leib, das er von einem 
Sklaven halten lässt, und taucht in das Meer hinab. Dort 
holt er die Gebeine des Vetters, die er dann zusammen- 
setzt. Er setzt ihm das neue Auge ein und besprengt ihn 
mit dem Wasser des Lebens. Da steht jener auf. Ami- 
aequet spricht zu Apotl und seinem Vetter: „Mein Haus 
steht im äussersten Westen. Wenn Ihr in die Heimat 
zurückkehren wollt, so reist immer der aufgehenden 
Sonne zu." 

f) Der Sonne entgegenfahrend gelangen sie in die 
Heimat. 

3. Version der Nakomgyilisala 10 ). a) Nemokot- 
salis will einen Taucher, ein schönes weisses Tier erlegen. 

») Boas: „Verh." 1893 S. 262-261. 
10 ) Boas: „Verh." 1893 8. 439—441. 



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159 



Drei ihn begleitende Brüder schiessen auf den Vogel, ohne 
ihn jedoch töten zu können. Nun binden sie eine Leine 
an den Pfeil, um ihn ans Boot ziehen zu können. Sie 
treffen wohl, aber der Vogel zieht das Boot hinweg. 

b) Sie wollen die Leine durchschneiden, aber es ge- 
lingt nicht. Sie sind fest an den Vogel gekettet. 

c) Längst haben sie das Land aus den Augen ver- 
loren. Da seilen sie eine dichte Masse schwarzen Gesteines 
auf dem Wasser liegen. Der Vogel zieht sie hindurch. 
Wieder kommen sie an ein scheinbares Land. Der Steuer- 
mann springt darauf und sinkt unter. 

d) Endlich gelangen sie an eine Küste. Der weisse 
Taucher verwandelt sich in einen Mann, der sie zum Hause 
Kunkunqulikyas fährt. Der giebt dem einen, Keqtlala, seine 
Tochter zur Frau. 

f) (Dieser Teil ist hier besonders reich ausgebildet.) 

Keqtlala will mit seiner Frau heimziehen. Da giebt 
Kunkunqulikya dem Winde den Auftrag, die Frau und die 
Brüder heimzuführen. Auf dein Wege kommen sie erst 
zum Hause des grauen Bären. Die Frau legt zu dem 
Stück Walfisch fleisch hier ein Stück Lachs in ihren Korb» 
denn der Bär hat sie reich bewirtet, Sie kommen, „dem 
Laufe der Sonne folgend", an das Haus des Hirsches. 
Hier fügt die Frau Muscheln den Nahrungsmitteln im 
Korbe zu. Sie kommen zum Hause des Otters, „dem 
oben auf dem Hause sitzenden". Der Häuptimg zeigt 
ihnen eine Falle und fordert Keqtlala auf hineinzukriechen. 
Infolge der Zauberkünste seiner Frau entgeht er der List. 
Den Spiess umdrehend erschlagen sie die Otter in der Falle. 

Sie reisen weiter und kommen endlich an einen See, 
in welchen das Ungeheuer Tsekis haust. Die Brüder 
wissen nicht wie sie vorüberkommen sollten, denn das 
Ungeheuer sitzt am Wege und sein Mund klappt beständig 
auf und zu. Die Frau gelangt glücklich vorüber, denn 



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! 



— 160 — 

ihr kann das Ungeheuer nichts anhaben. Dann ruft sie 
den Brüdern zu: „Sobald ich schreie, lauft rasch vorwärts, 
denn dann kann Euch Tsekis nichts anhaben u . Als dieser 
seinen Rachen weit geöffnet hat, ruft sie und er kann 
ihn nicht wieder schliessen. So gelangten die Brüder 
glücklich durch sein geöffnetes Maul. 

Derart kommen sie glücklich wieder keim. 

Die Frage nach der ursprünglichen Zusammensetzung 
der letzten Mythen ist leicht zu lösen. Die Bootsfahrer 
folgen im ersten Teil (bis f.) offenbar dem Sonnenlaufe, 
denn sie fahren auf das offene Meer hinaus, also nach 
Westen. Dann aber fahren sie auch im zweiten Teil, dem 
Laufe der Sonne folgend. Es sind hier also zwei Teile 
aneinandergefügt, die nicht zusammen gehören. 

Erledigen wir den zweiten Bestandteil. Der Besuch 
bei den Tieren inuss auf einer Himmels- also Tagesfahrt 
gemacht sein, denn der Otter, welcher der auf dem Hause 
zu oberst Sitzende heisst, wird von der siegreichen Sonne 
erschlagen. In der Mittagshitze ist die Sonne noch ge- 
waltig. Das Ungeheuer Tsekis ist die Nacht, durch deren 
Rachen die Reisenden hindurch, d. h. hinabfahren (Sonnen- 
untergang). 

Der erste, bei weitem wichtigere Teil stellt ein ab- 
gerundetes Ganze vor. Was für eine Gestalt ist jener 
Menis, wie wir mit den Awikyenoq den Häuptling des 
fernen Landes nennen wollen? 

Vor allen Dingen ist dies auch der Name jenes Alten, 
dem, als alles noch in Dunkelheit gehüllt war, der Rabe, 
die Sonne, aus der Kiste steigt, worauf er im Kahn von 
dannen fährt. Ausserdem sind die Fischwehre in seinem 
Lande aus Kupfer 11 ), ein sicheres Anzeichen, dass er mit 
der Sonne in Beziehung steht. 

u ) Boas: „Verh." 1893 S. 444, 1892 S. 33ü. 



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— 161 — 

Nun bieten die Sagen ein sicheres Anzeichen ihrer 
Bedeutung. Ich meine das schwarze schwimmende Laud. 
Dort versinkt einer der Reisenden. Dort geht die Sonne 
(im Westen) unter. Menis, der die Sonne in der Kiste 
bewahrt, aber nicht nur die Kiste, sondern auch die Menschen- 
augen, ist der Herr der Sonne in der Unterwelt. 

In diesem Falle ist auch der Anfang angedeutet. Menis 
fugt nämlich das Auge, das der Rabe ausgehackt hat, wieder 
ein. Jung belebt mag so die Sonne wieder emporsteigen. 
Die Fahrt zur Erde ist in f. geschildert. Menis Land liegt 
im äussersten Westen. Jetzt fahren sie — als Uuterwelts- 
sonne — dem Sonnenaufgang entgegen. Sie bringen aller- 
hand Gaben mit nach Hause, denn die Sonne ist die Gottheit 
der Fruchtbarkeit. 

4. Wasserfahrtsmythus — Strick. 

Ein grosser Tsimshiamjäger erlegte eine weisse See- 
otter, deren Fell er durch seiue Frau zubereiten Hess. Als 
diese am Strande es abwaschen wollte, rissen die Wellen 
das Fell fort, und ihnen nachgebend, ward die Frau mit 
hinfortgezogen, immer tiefer hinab, bis ein Walfisch kam, 
der sie auf seinem Rücken hinwegtrug. Die Leute setzten 
dem Fische nach, bis er untertauchte. Da band der Jäger 
ein Tau um den Leib und Hess sie Ii hinabsenken. Er kam 
an eine Höhle, die nicht von Wasser erfüllt war. Er sah 
blinde Gänse das Kraut abweiden — nach anderer Version 
blinde Frauen — , bestrich deren Augen mit einer Wurzel 
und machte sie auf diese Weise sehend. 

Er bestand nun Abenteuer mit der Muschel, die ihn 
im Spalte fangen wollte, dem Einhornfisch, der Heibutte, 
die er bewegte, die rauhe Seite nach oben zu kehren, 
da er über ihre glatte nicht hinweg konnte u. s. w. Dann 
kam er zu dem arbeitenden Sklaven des Walfisches, dem 
er erst den Keil zerbrach und den er dann durch Wieder- 

Frobcnius, Weltanschauung der Naturvölker. 11 



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— 162 — 



Herstellung desselben für sich gewann. Darauf goss der 
Sklave drinnen Wasser auf das Feuer. Der Jager ergriff 
seine Frau und begann mit derselben die Flucht. Der Sklave 
verfolgte anscheinend mit, erhielt aber von Zeit zu Zeit 
Stücke Tabak und hemmte so die anderen. Am Tau an- 
gelangt, lässt sich der Jäger nach oben ziehen 12 ). 

Wie in den anderen analogen Mythenbildungen, ist die 
zuklappende Muschel mit dem Sonnenuntergang in Beziehung 
zu bringen, der Strick mit der Sonnenbahn, das Auslöschen 
des Feuers mit dem Verscheiden des Uchtes etc. Aber, 
fragt es sich, handelt es sich um eine Sonnenwanderung 
in der Unterwelt? 

Ich glaube dies deshalb, weil der Walfisch der Ent- 
fuhrende ist. Er ist (s. Kap. 11) das Symbol des die Sonne 
verschlingenden Meeres. Ist das so, so liegt dem Zerbrechen 
des Keiles dasselbe Motiv zu Grunde, wie der polynesischen 
Mythe, der zu Folge Maui dem Besitzer des Feuers den 
Arm abdreht. Die Sonne kämpft mit der Nacht und siegt. 
Auch die Verfolgungssonne entspricht dem; Maui entflieht 
mit dem geraubten Feuer zur Oberwelt, hinter ihm her 
tost das Feuermeer. 

Eine hier wieder eingeschobene Stelle erinnert an die 
Sonnenbahn-, Himmelsmythen. Der Held macht blinde 
Frauen sehend 13 ). An Stelle der Frauen treten oftmals 
Vögel; oder auch der Held verwandelt blinde Frauen in 
Vögel. Ich halte das für eine, in den Rahmen des Bildes 
vollkommen passende Variation des Lichtvogelmotives. 



1S ) Krause: „THnkit" S. 275 278. Boas: „Tsimahiam" 8.240/1. 
In Hr. Kolumbien: Boas: „Verh." 1892 8.61, 1891 S. 638. Bei den 
Bilquala: Boas: „Verh." 1894 8.299 300. 

ta ) Br. Kolumbien: Boas: „Verb." 1891 S..368, 1892 8. 35, 8. 38. 
Nutka: Boas: „Verb." 1892 8.334. Nimkiseb: Boas: „Verh." 1892 

8. 383. 



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— . 163 — 

Ausser diesen Sonnenmythen kommen noch die 
wandernden in Betracht, Kunsnootl der Catlotlq, Qa'is und 
Qäls bei andern Stämmen. Diese erschaffen, senden Krank- 
heiten, vernichten durch Feuer, verwandeln vor allen Dingen 
Steine 14 ). Das erinnert uns wieder an Quat. 

Aus Oceanien kennen wir seit Sehirrens 15 ) Unter- 
suchungen aber noch eine Eigenschaft der Mythen, die in 
Nordwest -Amerika fast noch typischer ausgebildet ist. 
Maui hat vier Brüder und 2x4 Köpfe. Der Windgott 
sendet vier Söhne in die Welt, Westen, Osten, Norden, 
Süden. Die Zahl vier ist die herrschende in Oceanien. 

Der wandernde Sonnengott in Nordwest-Amerika ist 
aus vier Brüdern zusammengesetzt. Vier Jünglinge reisen 
über das Meer. Von vier roten Vöglein wird die Frau von 
Jelchs Onkel (die Sonne) bewacht 10 ). 

Der Rabe ladet die vier Winde bei sich zu Gast. Schleift 
man den Igel — man denke an seine Verwendung in den 
Sonnenmythen — auf der Erde, so entsteht starker Wind. 
Daher spielt diese Zahl die mächtige Rolle in den Mythen. 
Die vier Winde sind der Sonne tributär. Daher dauert es 
bis zur Vergeistigung vier Tage, und vier Tage dauern die 
Trauerfeierlichkeiten 17 ). Und wie oft hören wir in den 
Mythen, dass vier Tage oder vier Jahre eine Reise, ein 

") Boas: „Verh." 1892 8. 32 ff., 1891 8. «89 etc. Der Habe tritt 
ah Begleiter im Süden, als Wandernder und Verwandler im Norden 
auf, z. B. Boas: „Verh." 1895 8. 219/20, S. 228. 

5 ) Schirren S. 195 ff. 

u ) Boas: „Entwicklung" S. 499, S. 522. „Verh." 1891 8. 550 ff. 
und 628 ff., 1892 S. 214, 1893 8. 430. „Chinook" 8. 20. Erman Bd. II 
S. 372. Es mögen auch 2 und nicht 4 sein. Dann ist statt aller nur 
die östliche und westliche Richtung in Frage gekommeu. 

,7 ) Krause: „Tlinkit" 8. 300, 8. 223, 8. 236. Erman Bd. II 
8.370 1. — Die Erde ist darum auch viereckig. Eine Ecke liegt 
nach Norden, eine nach Söden, eine nach Osten, eine nach Westen. 
Boas: „Verh." 1895 8. 231. 

11* 



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— KU. — 

Seheintod, eine Verzauberung gedauert habe, dass jemand 
meint, vier Tage habe seine Abwesenheit gedauert, sie 
währte aber vier Jahre l8 ). 

Ausser diesen wichtigen Eigentümlichkeiten drängt 
noch mancher weitere Mythenteil zum Vergleich mit ocea- 
nischen Parallelen. Vor allem muss jetzt den Stricken 
ihr Recht werden. Sie verknüpfen nicht selten Himmel 
und Erde. Zwei Frauen wünschten sich Jupiter und Mars 
als Gatten. Im Schlafe werden sie an den Himmel ver- 
setzt und ihr Wunsch ist erfüllt. Gegen das Verbot graben 
sie eines Tages Zwiebeln. Es entsteht ein Loch im Himmel, 
dadurch können sie auf die Erde blicken. Sie flechten 
ein Tau und klimmen zurück in ihre Heimat. Auf dem 
Berge Ngakun langen sie glücklich an. „Ein Jüngling u , 
so schliesst die Mythe, „der alle Vorschriften genau be- 
obachtet, oft badet, und noch nie ein Weib berührt hat, 
kann das Seil auf dem Herge Ngakun sehen. Für andere 
Menschen ist es unsichtbar 19 ). 

Also nicht nur Sonnenhelden und höhere Mythologie 
kennen diese Himmelspfade. Ein Jüngling der die Ver- 
geistigung durch Euthaltungsgebote auf eben beschriebene 
Weise durchgemacht hat, sieht es auch. Es mag das einer 
jener jetzt so seltenen, einst sicher häufigen Beziehungen 
zwischen den Formen der höheren und niederen Mytho- 
logien in Nord-West-Amerika bilden. 

Diese Beziehungen sind — es ward schon oben darüber 
gesprochen — verkümmert. Zum Individuum, als Toten- 
mythe tritt die Mythologie nicht mehr in Beziehung, sie 

, 

< 

") In Peru spielen die gleichen 4 Brüder, auf Madagaskar die 
4 Winde, in Yoruba die 4 Himmelsrichtungen eine hervorragende 
Kolle. Die Damara mit solaren Totem» meinen vom Winde abzu- 
stammen. Müller: „Amer. Urreligionen" 8.409. Burton: „Dahome" 
Bd. II S. 135. Andersou Bd. I S. 237. Copland 8. 64. 

"*) Boas: „Verh." 1891 8. 645, vcrgl. auch ebenda 8. 170. 



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1(>5 — 



ist rein historischer Art und weiss nur von der Vergangen- 
heit zu erzählen. Dass noch Seelenschicksalsmythen exi- 
stieren scheint mir nicht, wir hätten von Boas darüber 
hören müssen. 

So können wir auch nicht erwarten, zu hören, dass 
die Menschen an den Striken ins Jenseits eilen. — Dass 
die Seelen der Sonne folgen geht aus vielem hervor 
(S. Kap. 1). Der Gott der Unterwelt hat eine Kiste mit 
der Sonne, aber auch eine mit Menschenaugen. Es heisst, 
dass nur die Seelen derer, deren Leichen verbrannt sind, 
sich im Jenseits erwärmen können. Wie die Leichname 
oder deren Reste in Kisten bewahrt werden, so steigt die 
Sonne aus der Kiste empor. Die Sterne sind Seelen von 
Indianern. 

Aus der ümkehrung, dass die Ahnen vom Himmel 
herabsteigen, oder von der Sonne abstammen, lässt sich 
schliessen, dass die Seelen der Sonne nach über das 
Himmelszelt, dem Sonnenuntergänge zu eilen 20 ). 

Also dürfen wir das Schicksal aller Toten in den 
Geschichtsbüchern jener Völker, in den Mythen wieder 
aufsuchen. 

Es lässt sich auch aus der Bedeutung und Verwen- 
dung der bekannten Gedern bastringe ein Schluss auf die 
Abstammung derselben aus der Himmelsleiter ziehen, wenn 
auch keine direkte Aussage ihn unterstützt. In ihnen 
beruht die ganze Kraft, der Hametzen. Sie verleihen das 
Flugvermögen, die Kraft zu verzaubern, sie sind Schutz- 
und Angriff-Amulette 21 ). 

50 ) Krause: „Timkit" 8. 181. Boas: „Entwicklung" 8. 513. 
„Verh." 1893 S. 237 8, 1891 8.399 400, 1891 8. ti29. Dixon 8.174. 
8wan 8. 56 und 90. 

21 ) Boas: „Verh." 1892 8.407, 8.401, 8.327 8, 1891 8.643. 
Swan S. 74. JJiblaek Taf. 18. Jakobsen i. d. „Verh. der Berl. Gea, 
f. Anthrop." 1894 8. 105. Boas: „Chinook" 8. 258. 



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]()() — 

Vergrossert wird die Wahrscheinlichkeit der Annahme 
durch eine hochwichtige Thatsache. Die bekannten bunten 
Tanzdecken werden als Trauertracht getragen 22 ). Und 
endlich mag völlig den Anschlag geben, dass man auch 
die Asche und die Knochen reste der Leichname mit frommer 
Gesinnung in solche Decken einhüllt 23 ). Die Thatsachen 
sind Merksteine auf einem Entwickelungswege, dessen 
Richtung, Herkunft und Ziel vollständig dem respectiveu 
ozeanischen entsprechen. 

Ueber australische Vogelmythen wolle man sich in 
den oben Mitgeteilten unterrichten. Die Betrachtung des 
kleinen Materiales der Vogelmythe lehrte wenigstens soviel, 
dass die Mythen den ozeanischen entsprechen. 

Auch in Australien folgt die Seele der Sonne. Der 
Umkehrung entsprechend deuteten die Australier nach der 
Richtung ihrer Herkunft befragt, nach Westen; oftmals 
hören wir, dass die Toten mit dem Sonnenaufgänge zu- 
gewendetem Antlitz bestattet werden. Wenn die Seele 
eine Zeit lang am Grabe verweilt hat, wendet sie sich 
andererseits dem Sonnenuntergänge zu. 

Wenn die Sonne untergeht, kommt sie in das Land 
der Toten. Bei ihnen verweilt sie eine kurze Zeit. 
Diejenigen, denen sie dort ihre Gunst gewährt, schenken 
ihr das rote Fell eines Kangerus. Dann steigt sie mit 
diesem Gewände am Morgenrot empor 24 ). 

Wie die Ahnen zum Himmelszelt emporklommen, 

2i ) Die Augen auf denselben entsprechen totemistisehen Ideen. 
Berühmte Hametzen hängen Menschenschädel an ihre Bastringe. 
Derartiges mag zu den Augenornamenten geführt haben. Jakobsen 
in „Verh. d. Berl. Ges. f. Anthrop." 1891 8. 389. 

") Krause: „Tlinkit" S. 200 1 S. 225, S. 22«. 

**) Prichard: „Oceanien" S. 28. Angas a. a. O. ßrouglt Smyth 
Bd. 1 S. 432, 8. 111. 



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167 



wird im nächsten Kapitel besprochen. Auch hier ist die 
Mythe vom Himmelstau nachzuweisen. 

Und denselben Strick treffen wir in gleicher Bedeutung 
verschiedentlich. Neben den Sterbenden wird eine Schnur 
aus Gras oder Fiber gelegt. Wenn der letzte Athemzug 
ausgehaucht ist, wird sie ihm zwei oder dreimal um den 
Hals gelegt. Das ist die Leine, die ihn zur Sonne führt 25 ). 

Wie zwischen Jenseits und diesseits, so stellt auch 
unter den noch diesseits wohnenden Menschen die Schnur 
ein Bindeglied dar. Der Zauberer saugt an einer Schnur, 
die dem Kranken um die Stirn gebunden ist, den Krank- 
heitsstoff aus 26 ). 

Wenn ein Leichnam in der geöffneten Gruft ruht, 
wirft der Haupttrauernde das Halsgehänge aus Schilfrohr 
und das Stirnband hinab. Darnach scheint der Geist jenes 
in ihm fibergegangen zu sein 27 ). 

Der Zauberer, der einen anderen in seine Gewalt 
bringen will, bedient sich eines Gerätes aus zugespitzten 
Schenkelknochen des Kängerus, an diesem ist ein langer 
Strang zusammengeflochtener Schnur befestigt, der in einer 
Oese endigt. Der Zauberer wartet ab, bis sein Opfer 
schläft und kriecht zu ihm hin, wobei er das Instrument 
aus Knochen unter seinen Knien hindurch rund um dessen 
Nacken wink Durch die Schlinge zieht er den Strang 
und versichert sich seines Opfers, welches derartig den 
Ansprüchen der Zauberkunst gemäss hingerichtet, geeignet 
ist, das zu Zauberzwecken notwendige Nierenfett zu liefern. 
So wird auch der zu Yergeistigungszereinonien bestimmte 
Knabe mit der Schlinge eingefangen 28 ). 

") Brough Smyth Bd. 1 S. 100. 

*•) Dumont D'Urville 8. 80,1. Angas Bd. II S. 227. 

17 ) Brough Smyth Bd. I S. 104. 

28 ) Howitt S. 230 ff. S. 262. Dason »>. Bastian: „Allerlei" Bd. 1 
S. 173 4. 



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- 1(58 - 



Die Knochen des Verstorbenen, die um den Nacken 
gebunden werden, die Haare der Toten, welche in die 
Krieger ermutigenden Kopfschnüre geflochten werden, 
leiten auch hier zu den Trauersträngen über, die als 
Schnuren aus kurzen, gelben (Jriisern, an die 10 bis 20 
mal in Queensland um den Hals geschlungen werden 29 ). 

J ") Brough 8m\th Bd. I S. III, S. 112. Lumholtz S. 256. 

) 



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X. Kapitel. 

Pfeil in ythen in östlichen und westlichen Provinzen. 



Nordwestamerika: Pfeilketten. — Pfeil und Vogel. — Die 
Mink-Mythen. Sonnenaufgang. Tiere in der hohen Mythologie. 
Strahlen der Mittagssonne. — Oeeanien. Mythe von Delingavouv. 

Tangaro. Pfeilmythen in Polynesien. — Pfeilwerfen im Cultus 
Australien. Pfeilmythen. — Die Entwicklung der Pfeilkette. 
Afrika. Pfeil und Sonne. — Pfeile im Cultus. — Pfeile in Mythen. 
— Einheitliche Verbreitung der Fundamente der Pfeilmythen. 

1. Nordwestamerika. 

Eine Pfeilmythe der Nordwestamerikaner ist schon im 
vorigen Kapitel besprochen worden. Aielen, der Sonnen- 
held, steigt auf ihr in das Reich Tlaiks. Tlaik ward als 
das sonnenfeindliche Princip erkannt. Wenn er als die 
Nacht angesehen wird, als gleichbedeutend mit Menis, 
dem Herrscher der unterirdischen Sonne, dann entspricht 
die Pfeilleiter dem Wege der Sonne am Himmel von Osten 
nach Westen. Dann ist die Erwerbung der Himmelstochter 
als der Aufgang der neuen Sonne am Morgen zu bezeichnen. 
Das liisst sich um so mehr annehmen, als damit der 
schwierige Eintritt in das Haus Tlaiks verständlich wird. 
Anfangs ist auch stets der Held dem Herrscher der Unter- 
welt ergeben. Am Schluss aber tötet er ihn. Die Sonne 
über windet die Nacht. 

Ausser diesen Merkmalen deuten aber noch mehrere 
andere auf eine Beziehung der Pfeilleiter zum Pfade der 
Sonne am Tage. Gamdigyethneeq, „das einzig sehende 



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17.) — 

Feuer", ein Somienheld der Tsimshiam, steigt au der Pfeil- 
kette zum Himmel empor und besucht den Mond 1 ). Der 
Mond ist das Gestirn der Nacht und ist auch, gleich wie 
bei den Oceaniern, mit dieser in Zusammenhang zu bringen. 

In der Anschauung konnte sich aber die den ganzen 
Himmel überspannende Pfeilkette nicht erhalten, weil sie, 
wie ich nachher zeigeu werde, der Morgensonne entspross. 
Es ist auch eine Ausmalung des Bildes nur parciell unter- 
nommen. So in einer Mythe vom unteren Fräser River. 

Ein Enkel des Spechtes weiss den Weg zum Himmel 
zu schaffen. Er bemalt sich rot und schliesst die Kette. 
Als die Kette fertig ist, wischt er die rote Farbe vom 
Gesicht und bemalt seinen ganzen Körper mit gebranntem 
Kuochenweiss. Dann verwandelt er die Pfeile in einen 
breiten Weg, der zum Himmel hinauffuhrt 2 ). 

Rot steigt die Sonne empor. Nur ein Teil, der Kopf, 
ist sichtbar. Der ganze Hall strahlt in weisser Farbe vom 
Himmel herab. Auf breiter Bahn zieht er danach hinüber. 
Dass es sich um eine Sonnenaufgangsmythe handelt, geht 
auch schon aus dem Aufange einer Nutka-Pfeilmythe her- 
vor. Darin heisst es nämlich: Damals war der Himmel 
noch nahe bei der Erde 3 ). Charakteristisch ist es auch, 
wenn ein Mann aus einem Baum einen Pfeil holen soll 
und derselbe ihn zum Himmel herauf trägt 4 ). 

Eine dem Wesen der Mythe entsprechende Variation 
ist es, wenn an Stelle des Pfeiles ein Vogel abgeschossen 
wird, oder an den Stellen in den Mythen, in denen wir 
gewohnt sind, die Pfeilleiter anzutreffen, der Held im 
Yogelpelz emporsteigt. Die Vögel schiessen anderseits die 

') Boas: „Verh." 1805 8. 201 2. 
*) Boa»: „Verh." 1S91 8. 562. 
») Boa«: „Verh." 1892 8. 333. 

4 ) Ueber die weite Verbreitung dieser Mythe: Boas: „Ent- 
wicklung" 8. 503. 



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— 171 — 

Kette, ein Pfeil trifft den Himmel und bleibt sitzen, der 
zweite den ernten und so weiter. Nachdem sie oben ange- 
langt (Sonnenaufgang), bricht die Pfeilleiter zusammen 
(Sonnenuntergang). Bei den Kootenay schiessen zwei 
Habichte, „welche schon früher einmal den Himmel be- 
sucht hatten", die Kette. Sie reicht aber nicht bis zum 
Boden. 

Um die Kette zu vervollständigen, steckt der Rabe 
seinen Schnabel in die Kerbe des letzten Pfeiles und 
stemmt seine Füsse gegen die Knie 3 ). Im 2. Kapitel. sahen 
wir, dass auch sonst der Habe die erste aufgehende Sonne 
ist. Auf den Sonnenaufgang wird auch sonst hingewiesen, 
als zwei Männer dahin gehen, „wo die Sonne aufgeht", um 
die Kette zu schliessen. Der eine wird die Sonne, das 
Tagesgestirn, der andere der Mond, der die Nacht be- 
herrschende 6 ). 

Am häufigsten ist aber der Mink oder Nerz, der auf 
der Pfeilkette emporklimmende. 

Der Mink ist der Sohn der Sonne. Von den Menschen 
arg verspottet, steigt er an der Pfeilkette empor (Sonnen- 
aufgang). Sein Vater ist die Sonne. Von ihm empfängt er 
das Gestirn als einen Nasenpflock. Als aber Mittags die 
Wolken ihm den Weg versperren, wird er uugeduldig und 
beginnt zu rennen. Da wird es so heiss. dass die Felsen 
bersten und die Wasser kochen (Mittagshitze). Der Vater 
rennt hinter ihm her, reisst ihn den Nasenpflock ab und 
schleudert ihn in s Meer (Sonnenuntergang), wo er von 
einer Frau (Nacht) aufgefangen wird 7 ). 

*) Boan: „Verh." 1893 S. 241. „Entwicklung*' S. 522. „Verh." 
1S91 S. 548, S. 165. 

8 ) Boas: „Verh." 1892 S. 34. 

') Z. B. Boas: „Verb." 1892 S. 470, 1893 S. 228 9, S. 244, S. 251 2, 
1894 S. 28« etc. 



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172 — 



Dass gerade der Mink die Pfeilleiter so häufiig schliesst, 
ist nicht auffallend. Indem er aus dem Geisterlande das 
Feuer für die Mensehen stiehlt 8 ), ist seine Beziehung zu 
dem Mythenkreise, dessen typische Form Maitis Feuerdieb- 
stahl ist also den Sonnenaufgangsmythen, festgelegt. 

Dass im Allgemeinen mehr Tiere als Menschen in der 
nordwestamerikanischen Mythologie auftreten, ist nahe- 
liegend. Die Menschen leiten in totemistischer Grundan- 
schauung ihre Herkunft von den Tieren her. Anderseits 
treffen wir, wie schon besprochen, auch in allen Wander- 
und Ahnensagen der Sudsee den Rythmus der herrschen- 
den Sonnenmythologie an. 

Damit ist das Rätsel einfach und verstandlich gelöst. 

Die Strahlen der aufgehenden Sonne sind anderseits 
auch in den Pfeilen wieder zu erkennen, die von übel- 
wollenden Zauberern als Krankheiten auf die Menschen 
abgeschossen sind. Aber auch diejenigen Pfeile, die in 
zauberhafter Weise auf einen Menschen nur gerichtet, den 
Tod herbeiführen, die Todbringer sind in diese Kategorie 
zu stellen. Jedoch ist hier auch die Bedeutung der sengen- 
den, verzehrenden Strahlen der Mittagssonne nicht zu über- 
sehen. 

2. Oceanien. 

Melanesien ist das zweite Heimatland der typischen 
Pfeilmythen. Auf der Pfeilleiter klimmt Quat empor, um 
die entflohene Himmelsfrau zurückzuholen (Sonnenaufgang). 
Auf der Rückkehr stürzt er herab (Sonnenuntergang). 
Aber die Mythe tritt noch häufig auf. Die folgende stammt 
von den Torres-Inseln 9 ). 

*) Z. B. Boas: „Verh." 1891 S. 637, S. 574/5. Auch tritt die 
Pfeilmythe direkt mit dem Feuer in Beziehung. Z. B, Boas: „Verh." 
1801 S. 164/5. 

») Codrington S. 273—275. 



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173 — 



Sie lebten an ihrem Platze und seine Genossen machten 
einen Garten, in dem sie die Bauanen pflanzten. Als diese 
Fruchte trugen und diese reif wurden, ging Delingavouv 
jeden Tag hin und ass Bananen, nicht auf dem Boden, 
sondern er stieg auf die Bäume und ass. Nach einiger 
Zeit wurde er entdeckt; einer von den Genossen ging in 
den Garten und sah ihn auf einem Bananenbaume sitzen. 
80 lief er denn hin und erzählte es den andern. Er 
sagte: „Ihr Burschen, ich habe einen gesehen, der stiehlt 
und isst unsere Bananen." „Daun", sagte Maraw-hihi, 
„mache Bogen für uns, damit wir hingehen und ihn töten". 
Aber sie sagten: „Maraw-hihi, niemand wird im Staude 
sein ihn zu schiessen und zu töten." „Ich will ihn schiessen 
und töten", sagte Maraw-hihi. „Es ist vollständig unmög- 
lich", sagten sie. 

Immerhin machten sie Bogen, jeder für sich selbst 
und brachen Spitzen für ihre Pfeile. Und als das ge- 
schehen war, sagte Maraw-hihi: „Lasst uns gehen, einer 
nach dem andern." So ging der Erste in den Garten und 
sah ihn auf dem Bananenbaurae sitzen, uud schlich sich auf 
den Zehen hin, um ihn zu schiessen. Aber Delingavouv 
streckte seinen Arm aus, wie eine Fledermaus, und der 
Mann erschrak und rannte zurück und erzählte es den 
andern. „Es ist unmöglich, es zu tun", sagten sie. Maraw- 
hihi sagte, es müsse wieder einer gehen, und ein weiterer 
ging und dieselbe Geschichte geschah nochmals. 

So gingen sie alle hin nach einander, und kamen 
zurück und stritten mit Maraw-hihi, sagend, es könne 
unmöglich vollbracht werden. „Dann", sagte Maraw-hihi, 
„werde ich es selbst thun. Ich werde ihn schiessen und 
töten". Und dieser Maraw-hihi, sagen sie, war geschickter 
als sie alle; und er ging als Letzter und sah Delingavouv 
auf dem Bananenbaume sitzen und er schlich auf seinen 
Zehen unter den Bananenbaum. Als Delingavouv seinen 



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— 174 



Arm ausstreckte, erschrak er nicht: aber er schoss ihn 
mit einem Vogelpfeil von Casuarinaholz und traf ihn an 
das Ohr und schoss das rechte Ohr ab. Delingavouv fiel 
daher auf den Boden. So läuft Maraw-hihi hin und erziihlt 
es seinen Freunden. 

Aber Delingavouv erhob sich unter der Banane und 
ging heim zu seiner Mutter. Als er deren Haus erreichte, 
suchte er sie auf und sie sagte: „Was gibt es mein Sohn? u 
Und er sagte: „Gib mir eine Axt. tf Und seine Mutter 
sagte: „Was willst Du damit?" Aber er hinterging sie 
und sagte ihr nicht, dass Maraw-hihi ihm das Ohr abge- 
schossen habe. Sondern er ging hin und schnitt sich 
ein anderes Ohr aus der Wurzel eines Baumes namens 
„Raw u . Und als er die Rawwurzel hackte, sagte er: 
„Schlage in Stücke, schlag auseinander}" Aber Maraw- 
hihi hatte einen von seinen Leuten hingesandt, der ging 
und lauschte und hörte ihn sagen: „Schlage in Stücke, 
schlage auseinander!" Und er ging zurück und sagte 
Maraw-hihi, dass Delingavouv sich ein Ohr schlage an 
Stelle des abgeschossenen. 

Danach machten Maraw-hihi und seine Leute ein Fest 
und tanzten jeden Tag. Und als Delingavouv davon hörte, 
sagte er: „Ich will gehen und Rache nehmen." Er sammelte 
eine grosse Menge Kastanien und nahm Feuer. Er sammelte 
Steine und nahm einen Tanzmantel von Blättern. So 
ging er zu ihnen. Aber er ging nicht offen und 
aufrecht zu ihnen, sondern blieb hinter dem Dorfe. Dann 
machte er ein Feuer und röstete seine Kastanien und 
erhitzte die Steine und grub eine sehr tiefe Grube und 
bedeckte deren Oeffnung mit dem Tanzgewand von Blättern. 
So sass er und bewachte die Tanzenden. 

Als sie lange getanzt hatten, hörte einer auf, um 
Athem zu schöpfen; und als er Delingavouv da sitzen und 
Kastanien essen sah, bat er ihn, ihm einige zu geben. 



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— 175 — 



„Laufe hier herüber", sagte Delingavouv; so rennt jener 
zu ihm herüber und setzt sich auf das Tanzkleid nieder. 
Doch wie er sich niederwirft, um hinzusetzen, da geht es 
straks hinab in die Höhle. Delingavouv benutzte den 
gleichen Kniff für alle Genossen des Tanzes und Hess sie 
alle hinab in die Grube, Maraw-hihi zuletzt. Dann nahm 
er die Steine, die er über dem Feuer erhitzt hatte, und 
warf sie hinab in die Höhle, um die Männer durch die 
Hitze zu töten. Daun ging Delingavouv mit der Ueber- 
zeugung, sie getötet zu haben, nach Hause. 

Als Delingavouv sie hinabgeworfen hatte, hatte Maraw- 
hihi zu seinen Genossen gesagt: „Kommt rund um mich 
auf diese Seite der Höhlung." Also hatten sie gethan 
und kein einziger ward getötet. Dann sagte Maraw-hihi 
zu seinen Leuten: „Wisst Ihr, wie wir unser Leben retten 
werden?" Und sie antworteten: „Wir sind alle schon tot." 
„Nicht auf einmal," sagte er. „Ich weiss sehr wohl, dass 
wir nicht sterben werden." 

Maraw-hihi erhob seine Augen auf zu der Oeffnung 
der Grube und sah den über die Grube hängenden Zweig 
eines Feigenbaumes. Kr sprach: „Lasst uns ker galgalaput 
an diesen Feigenzweig" (d. h. schoot one arrow after 
another, making each one stricke and fix itself into the 
one before it). Und sie tbaten also; und die Rohrschäfte 
der Pfeile, die sie hinaufgesandt hatten, reichten zu ihnen 
hinab in die Höhle. Da sagte Maraw-hihi: „Klimmt hinauf 
au den Schäften. a Sie sagten zu ihm: „Du zuerst und 
wir nach Dir." Dann kletterte er an der Reihe der Pfeile 
empor und gelangte aus der Grube und so retteten sie 
alle ihr Leben. — 

Die ganze Anlage der Mythe spricht schon dafür, 
dass hier eine Schilderung des Kampfes von Tages- und 
Nachtgestirn die ursprüngliche Form darstellte. Delingavouv 
wäre danach der Mond. Das abgeschossene und wieder 



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angefügte Ohr spricht dafür (Vollmond). Aber es hiesse mit 
allzu rauhen Händen eine so zarte Materie, wie diese Dich- 
tungen, anfassen, wenn man hier kategorisch eine Person als 
bewusste Personifikation eines Gestirnes bezeichnen wollte. 

Vielmehr glaubte ich, dass diese Mythen schon durch 
den Hauptcharakterzug der afrikanischen Mythologie aus- 
gezeichnet sind. Der bewusste Gehalt dürfte verloren 
gegangen sein und nur noch einzelne Teile in alter Weise 
in neue Mythen eingefügt werden. Oder, und das scheint 
noch ansprechender, der Stoff ist alt, aber in moderne 
d. h. melanesischer Fassung gebracht. Doch ich will hier 
noch nichts Entscheidendes gesagt, sondern vielmehr ledig- 
lich auf ein Problem hingewiesen und dem vorgebeugt 
haben, den bewussten Gehalt zu überschätzen und nicht 
Vorhandeues in der Auslegung unterzuschieben. 

Giebt der erste Teil in dieser Weise zu denken, so 
ist der zweite verhältnismässig klar. Maraw-hihi, der 
Sonnenheld, stürzt in die Grube. Das wäre der Sonnen- 
untergang. Er hebt seine Augen empor und steigt an 
der Pfeilleiter auf (Sonnenaufgang). 

Durchaus an samoanische und vor allem tonganische 
Mythen vom Schiingenfänger erinnert die folgende von den 
Neu-Hebriden.— Tangaro (der demQuatder Banksinseln ent- 
spricht) hat weder Weib noch Kiud von seiner Art. Jedoch 
wurde er der Vater eines Knaben auf Erden. Als dieser die 
Mutter nach seinem Vater frug und hörte, er sei im 
Himmel, verlangte er in den Himmel zu kommen und 
seinen Vater zu sehen. Seine Mutter machte ihm einen 
Bogen und einen Pfeil von Ere, dem blühenden Schilfe. 
Er schoss und traf den Himmel. Und der Ere verwandelte 
sich gleichsam in eine ätherische Wurzel einer indischen Feige. 

Daran klommen die Beiden gen Himmel. Sie fanden 
Tangaro, der sich bereit erklärte, mit ihnen zur Erde 
zurückzukehren. 



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— 177 



Doch als er herabstieg, schnitt er die Leine «her 
ihnen und unter sich ab und kehrte zum Himmel zurück, 
während sie nach Atam bulu, dem ersten Wohnplatze der 
Menschen auf Erden, herabkamen 10 ). 

Hier ist das Verhältnis klar: Pleilleiter, Strick, Ab- 
sturz. Danach repräsentieren die Pfeile auch hier die 
Strahlen der Sonne und sind identisch mit den Nägeln, 
die Mauis Ahnfrau auszieht, als er das Feuer holt 11 ). 

In Polynesien fehlt die Pfeilmythe, die wir mittlerweile 
als eine neue Form bekannter und recht wohl in Polynesien 
heimischer Mythen erkannt haben durften. Es ist aber 
wenigstens auf die Speere, die die Götter und Helden 
schleudern, hinzuweisen, zumal den Speer Mauis, mit dem 
er die Seelen, die in das in der anderen Hand getragene 
Netz geraten, tötet 12 ). Vielleicht ist auf den Kreis solcher 
Anschauungen auch ein Orakel zurückzuführen, das die 
Priester Neu-Seelands aus geschleuderten Pfeilen lesen. 

Musste ich oben an die sengenden Strahlen der nord- 
westamerikanischen Mittagssonne erinnern, so darf ich im 
tropischen Oceanien diese Beziehung nicht übersehen. 

Diese Pfeilmythen müssen sich überhaupt aus einem 
Gemenge verschiedener Regungen, Kenntnisse, Gebräuche, 
Beobachtungen herauskrystalisiert haben. Eine Zusammen- 
stellung wie die folgende ist schon bestimmend in dieser 
Richtung. 

Von den Dajak meinen manche, Krankheiten wären 
verursacht durch Verwundung von Geistern mittelst unsicht- 
barer Speere. Im westlichen Melanesien sind die Ghost- 
shooter bekannt 13 ). Andererseits schiesst der glückliche 

10 ) Codrington S. 169. 

n ) Bastian: „Hawai" 8. 99. AcheliH, Sehirren etc. 
1J ) Williams: „Narrative" 8. 108. Schirren S. 145. Bastian: 
„Oceanien" 8. 1(>8. 

,J ) John Bd. I S. 187. Codrington 8. 197 u. a. a. O. 
Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 12 



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Vater einer Alfurenfamilie im Glück über einen Neu- 
geborenen drei Rohrpfeile über das Dach seines Hauses 14 ). 
Und endlieh wird der Pfeil gegen die Geister geschleudert, 
die in nächtlicher Stunde Unruhe den Menschen bereiten, 
die in der Sonnenfinsternis dem Tagesgestirne zu .Leibe 
rücken 15 ). 

3. Australien. 

Es ist noch eine Lücke auszufüllen. Auch die Australier 
besitzen eine typische Sonnenbahn -Mythologie. Der Gott 
Nurrundere sandte die Flut, um seine Frauen zu vernichten. 
Er zog sich nach Westen als alter Mann zurück. Da, ein 
zurückgelassenes Kind sehend, warf er demselben den am 
Ende eines Stabes befestigten Strick zu und zog es an 
dejnselben empor. So oft seitdem ein Mensch stirbt, 
reicht Nurrunderes Sohn dieses Seil ihm zu und hilft ihm 
auf den Weg, den er zuerst gekommen 16 ). 

Der Gott, der, die Fluten erzeugend, im Westen als 
alter Mann versinkt, muss einem Sonnengotte sein Dasein 
verdanken. Und dies wird um so wahrscheinlicher, da in 
Australien die Anschauung: „die Seele folgt der Sonne 
ins Jenseits" noch sehr klar ausgebildet ist, und wir hier 
hören, dass auf dem Pfade dieses im Westen versinkenden 
Mannes die Seelen folgen. 

Haben wir so den Strick mit einer Untergangsmythe 
verbunden gesehen, so treffen wir in weiteren Mythen die 
Pfeil- oder vielmehr Speerleiter als Teil einer Sonnen- 
aufgangsmythe. Nach Mythen vom Lake Condah warf 
ein Mann seinen Speer, an dem ein Tau gebunden war. 
in die Wolken. Er kletterte an dem Stricke empor und 

u ) Juughuhn: Bd. II S. 323. 

,5 ) Komillv S. 81. D'Albertis Bd. I S. 131 und 147. Riedel 
8. 142. (Rosenberg S. 200.) 

'*) Bastian: „Oeeanien" S. 115. 



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179 — 



brachte das Feuer von der Sonne auf die Erde. Alle 
Menschen kletterten so in den Himmel bis auf einen 
Mann, der Stammvater der Menschen ward 17 ). 

Diese Mythe muss zerlegt werden. In der Mink- 
Mythe der Nordwestamerikaner und in der Mauimythe 
der Oceanier sahen wir schon, dass der Feuerdiebstahl 
eine seeundäre Mythe ist. Es ist das Sonnenaufgangs- 
motiv das primäre. Nach dem Tode klettern die Menschen 
am Strick ins Jenseits. Der Umkehrung entspringt auch 
in diesem Falle das Stammvatertum, demnach gehört der 
Speer in den ersten Teil der Himmelsbahn, das Tau in 
den zweiten. 

Andere Mythen bieten das Bild klarer. Waijungngari, 
den Zorn seines Bruders fürchtend — Maui vom Gott der 
Unterwelt verfolgt — warf seinen Speer an den Himmel 
und klettert mit seinen zwei Frauen daran empor, sie 
glänzen als Sterne im Himmel. Vollendet tritt die Mythe 
unter den Adelaidestämmen auf. Monana steigt an „hinter- 
einander zum Himmel geworfenen Speeren empor" 18 ). 

4. Afrika. 

Afrika, dessen Mythen wir so wenig kennen, entweder, 
weil sie wirklich schwach ausgebildet sind, oder weil dies 
Kapitel noch mehr weisse als beschriebene Blatter enthält, 
hat noch nichts von einer Pfeilleiter verlauten lassen. 
Immerhin fliessen Mitteilungen über die Verwendung von 
Pfeilen in Gebräuchen reichlicher als in den östlichen 
Provinzen, so dass wir wohl auf das Bestehen einer ent- 
sprechenden Mythe schliessen dürfen. 

Zunächst ist an der Loangoküste das Bildnis der 
Sonne zu erwähnen, deren Gesicht mit einem Pfeilenkranze 

") Brough Smyth Bd. I S. 462. 

18 ) Brough Smyth Bd. 1 S. 425. Ratzel: ,. Völkerkunde" 2. Aufl. 
Bd. I 8. :*52. 

12* 



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umgeben ist. Der Jäger, der morgens auszieht, steckt 
eiuen seiner Pfeile dazu und zieht ihn erst nach Tötung 
eines Tieres heraus. Agoye, der Weidagott, dessen Be- 
ziehungen zu den Sonnengöttern noch besprochen werden 
sollen, ist ebenfalls mit einem Pfeile gekrönt 19 ). 

Die Beziehung zur Sonne, die hierdurch schon ange- 
deutet ist, wird durch die Verwendung der Pfeile im Regen- 
zauber noch weiterhin bestätigt. Der Jaga-Ganga Ya 
Burilla-Invula schoss in die Wolken, um Regen zu erreichen. 
Die Namaqua haben eine grosse Furcht vor dem Blitz 
und schiessen bei Gewittern in die Wolken vergiftete Pfeile 20 ). 

Noch näher kommt aber der östlichen Mythologie die 
Anschauung, die aus dem Brauche der Ho-Neger spricht, 
welche zur Besiegelung unwiderruflicher EntSchliessungen 
in die Sonne schössen 21 ). Den Anschluss an westliche 
Motive erreichen wir bei den Namaqua. Der Doktor eines 
Patienten erklärt nämlich gewöhnlich, dass eine grosse 
Schlange einen Pfeil in den Magen des Kranken geschossen 
habe 22 ). 

Und damit sind wir schon auf den Pfaden der Götter. 
Hubeane, der Sonnenheld schiesst einen Pfeil auf das 
Heubundel, in dem der ihn verfolgende Feind verborgen 
ist. Der Mann springt empor. Ein zweiter Pfeil erlegt 
ihn 23 ). Das ist der Anfang der Pfeilleiter. Denn Hubeane 
ist hier der verfolgte siegreiche Held, die aufgehende 
Sonne (siehe Teil III, Kapitel 14). 

19 ) Bastian: „Loangoküste" Bd. I S. 326. Des Marchais Bd. II 
8. 129. 

ao ) Cavazzi Bd. II S. 182 184. Bastian: „San Salvador" S. 203/4. 
Brough Smyth Bd. I 8. 457 8. 

21 ) Herold Bd. V S. 159. 

**) Anderson Bd. II S. 66. 

") Wangemann : „Lebensbilder S. 84. 



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— 181 — 

Zum Schluss erinnere ich noch an den Fischspeer in 
einer Stammesmythe der Tschi 24 ). Der Mann, der bei den 
Verwandten seiner Frau, unter den Fischen im Meere 
wohnt, hat die Eigenschaft, im Wasser zu leuchten, ange- 
nommen; ein Fischspeer wird nach ihm geschleudert. Er 
wird getroffen und soll an der Leine emporgezogen werden. 
Diese Scene und die Bedeutung, die der gefundene Speer 
nachher gewinnt, erinnert an australische Speermythen. 
Eine direkte Beziehung braucht aber allerdings nicht vor- 
zuliegen. V 

Immerhin genügen diese fragmentarischen Mitteilungen 
um zu zeigen und zu erkennen,dass auch in der afrikanischen 
Anschauung die Motive der Pfeilleiter nicht radieal fehlen. 
Damit ist nicht ungewöhnlich viel, aber doch schon genug 
gewonnen, um besonders dann, wenn viel derartige Fragmente 
sich finden, als ein wichtiger Bestandteil für Reconstruktions- 
arbeiten dienen zu können. 

*') „Kamerun. Schiffsschnabel" S. 79/80. 



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XI. Kapitel. 
Untergangs m yt heu in östlichen und westlichen 

i ■ ' 

Provinzen. 

Oceanien: Maui's Tod. Die Nacht verschlingt die Sonne. 
Die (lötter verschlingen die Seelen. Götterkot. — Anschluss an 
die Vogelmythe. — Anschluss an die Mondinythen. — Dan Ver- 
schlingen der Augen. — Jonaamythen. — Mythe von Kamakajakau. 

- M. v. Mutuk. Haarausfall. — Weitere Jonasmythen. Mauis 
Geburt. Der Hai in der niederen Mythologie. — Australien: 
Mond und Nacht verschlingen die Seelen. Anschluss an die 
Vogelmythen. Nord westaraerika: Sonnenuntergang. — Jonas- 
mythen. — Haarausfall. Die Mythe von Tsekis. Afrika: Die 
Mythe von Kammapa. Jonasmythen. Die Gestirne werden 
verschlungen. — Ocean. Austr. Nordwest am. Atr.: Kampf am 
Eingang zur Unterwelt. — Verschlungen werden in der Vergeistigung. 
— Das „Beissen" in der plastischen Darstellung. - Unterkiefer. 
Gleichheit der Motive in allen Provinzen. 

„Untergangsmythen" ist insofern ungenau ausgedrückt, 
als nur eine bestimmte Gruppe derselben, allerdings die 
wichtigste, besprochen werden soll, nämlich der Kreis von 
Mythen, die den Untergang als ein „Verschlungen werden" 
auffasst. 

Bis jetzt haben wir mehr die Aufgangsmythen berück- 
sichtigt. Dennoch trat das Bild des Unterganges so häufig 
hervor, dass schon jetzt die Beobachtung gemacht sein wird, 
dass für die in Frage kommenden Völker die Untergangs- 
viel wichtiger als die Aufgangsmythen sind. Uns nimmt das 
nicht Wunder. Ist doch das Schicksal der Menschenseele 



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innig an das Geschick der Gestirne gebundeu. Die Seele 
folgt der Sonne. Der Untergang des Menschenlebens ist 
wichtiger wie sein Beginn. Deshalb die grosse Menge von 
Beziehungen, die gerade in dem vorliegenden Kapitel zur 
Besprechung gelangen soll. 

• 

1. Oceanien. 

- 

Die Geschicke der Ahnen, die der Sonne und die der 
Toten, sind in den Mauimythen in den Abenteuern dieses 
einen Wesens, das bald mehr Vogel, bald mehr Sonne, bald 
mehr Ahnherr und bald mehr Totenfürst ist, vereinigt. So 
ist auch Mauis Tod hier besonders interessant. 

Man sieht, dass er seiner Streiche wegen nicht länger 
in Irawarus Dorf bleiben darf. Der Vater meint, ihn werde 
bald sein Verderben treffen durch die Ahnfrau Hine- 
nui-te-po, welche aufblitzt und gähnt, wo Himmel und Erde 
sich begegnen. Maui beschliesst, sie zu zwingen, da er 
doch Tama-nui-te-Ra überwunden habe. Er nimmt sich 
Vögel zu Gefährten, warnt, wenn er in den Mund der 
Schrecklichen krieche, dass jene nicht lachen; lachen sollen 
sie, wenn er heraus komme. Im ersteren Falle müsse er 
selbst umkommen, im andern werde Hine-nui-te-po sterben. 
Er entkleidet sich. Die Haut seiner Hüften ist schön und 
bunt von den Tatumarken. Als er in den Rachen tritt, 
lacht der kleine Vogel Tiwakawaka laut auf. Hine-nui- 
te-po erwacht daraufhin und tötet Maui. Wenn Mauis 
Vorhaben gelungen wäre, brauchten die Menschen 
nicht zu sterben. Eine andere Version ist noch inte- 
ressanter. Maui-potiki hat das Feuer im Hause der Hine- 
nui-te-po gestohlen, entkommt aber der Rache der Diener, 
da die Göttin befohlen hat, nur denjenigen zu fangen, der 
aufrecht herankomme, während der schlaue Dieb kriechend 
auf allen Vieren sich dem Hause genähert hatte, das Antlitz 
nach oben gekehrt (man denke an den Aufgang der Sonne 



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184 



in der Olifatmythe!), wogegen ein anderer Bruder Mauis, 
Maui-mo, der diese Vorsichtsmassregel nicht beachtet hatte, 
angehalten und von der Alten zwischen den Lenden zer- 
drückt wird 1 ). Ist hier die Ahnfrau Mauis die Todbringende, 
so ist sie in Melanesien Quats Mutter. Sicher ist das eine 
wichtige Parallele 2 ). 

So verschlingt die Nacht die untergehende Sonne. 
Aber auch alle der Sonne folgenden Seelen erleiden das 
gleiche Schicksal. Nach dein Tode wird nach neuseeländischer, 
hawaischer, tahitischer etc. Tradition die Seele von den 
Göttern verschlungen oder „in Gestalt eines inneren Feuers 
verzehrt", welch letzteres noch besser die Analogie zum 
Sonnengeschick klar macht 3 ). Durch diesen Prozess des 
Verschlungenwerdens wird die Seele nicht nur gereinigt, 
sondern es wird ihr die Unsterblichkeit gesichert. Sie geht 
darauf in das Po ein. 

In drastischer Ausmalung der Mythe ist daraus ein 
für uns wenig poetischer Anschauungszyklus entstanden. 
Die Seele wird dadurch Götterkot. Es wird wohl genügen, 
darauf hinzuweisen, dass aus dieser Fundamentalbildung 
eine Reihe der wunderlichsten Umgestaltungen hervor- 
gegangen ist. Die Menschenseele muss sich von Kot nähren, 
aus dem Kot werden Menschen gebildet, es wird damit 
gezaubert und so weiter. Andere Seiten dieser Anschauungen 
sind aber e ntschieden anziehender 4 ). 

») Thomson: „New Zealand" Bd. I S. 110. Schirren S. 33 4. 
Achelis (nach Shortland) S. 6/7, 

a ) Codrington S. 260, 8. 265. Ahnfrau insofern, als die Nacht 
die Sonne ja auch hervorgebracht hat. 

*) Dumont DHJrville S. 83. Ellis: „Hawai" S. 368. Kotzebue 
Bd. I S. 77. Bastian: „Hawai" S. 55, S. 46. Tyerraann und Bennet 
Bd. I & 273. Cook 3. R. Bd. II S. 303. Ellis: „Pol. Res." Bd. I 
S. 51 6 7. Gill 82/3. 

*) Codrington S. 275, S. 288. Taylor S. 104. Bastian: „Hawai" 
S. 55. Brough Smyth Bd. I S. 425, vergl. das Beleben der Exkre- 
mente in Nordwestamerika, vergl. auch Steller S. 361. 



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— 185 - 



Den Anschluss au die Vogelmythe bildet einerseits das 
Eingreifen des lachenden Vogels und andererseits die 
Meinung der Tahitier und Tonganer, der zufolge am Grabe 
ein Vogel die entfliehende Seele erwartet und verschlingt, 
eine Ansicht, deren australische Analogie wir noch kennen 
lernen werden 5 ). 

Die ursprüngliche Mythe vom Untergang durch Ver- 
schlungenwerden ist aber durchaus nicht auf Polynesien 
beschränkt. Die Babar- Insulaner meinen, dass Menschen, 
die eines ungewöhnlichen Todes sterben, als z. B. ertrinken, 
vom Baume stürzen, von Tieren zerrissen, von Feinden 
erschossen werden, vom Geiste Rarawoliai, dem im Monde 
weilenden, den Tod verursachenden Wesen, verschlungen 
werden 6 ). Diese indonesische Form der Mythe erinnert 
an die bekanntesten Mythen von der Entstehung des Todes 
(s. Kap. 21), welche mit dem Monde in Beziehung gebracht 
werden. 

Auch die polynesische Todesmythe trägt noch Spuren 
der Mondsagen. Hine oder Hina ist der Mond, der hier 
allerdings als Repräsentant der Göttin der Nacht erscheinen 
mag. Anders verhält es sich mit der Babarmythe. Den 
Träger derselben muss die Mondmythe — die ja älter ist — 
noch vertrauter gewesen sein. In der Hine-nui-te-po 
ist der Horizont gegeben. Das ist das Charakteristik on 
der Sonnenmythe. In Rarawoliai aber ist das form- 
wechselnde Gestirn hervorgehoben. Das ist das Bezeichnende 
der Mondmythen, zu der in diesem Falle nur das Motiv 
des Verschlungenwerdens aus einem fremden Strome den 
Trägern der Sonnenmythologie hier zugeflossen ist. 

Es wäre übrigens eine Unterlassungssünde, wenn hier 
nicht auf ein auch den Mondmythen eigenes Motiv des 
Verschluugenwerdens hingewiesen würde. Bei Finsternissen 

*) Wilson: „Miasionsreise" S. 367. Cook 3. U. Bd. II 8. 95. 
•) Riedel S. 361. 



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18« 



soll sich ein grosses Krokodil der Sonne oder dem Monde 
nähern, auch wohl ein Drache, um das Gestirn zu ver- 
schlingen 7 ). Dies ist aber ein ganz anderes Bild, das mit 
dem Seelenschicksal nichts zu thun hat, wenigstens habe 
ich nichts hierfür Sprechendes finden können. 

Im Anschluss an die Mythe, der zufolge die Menschen- 
seele zur Nahrung der Götter wird, darf ich wohl daran 
erinnern, dass die Augen der Opfer im Krieg und Frieden 
vom Sieger oder Priester verschlungen werden, manchmal 
thatsächlirh, manchmal nur andeutungsweise 8 ). Je mehr 
Menschenaugen der Krieger verschlungen hatte, desto heller 
erglänzte sein eigenes Auge als Stern am Himmelszelt. 

Einen engen Kreis in mitten dieses grossen Zyklus 
möchte sich als den der „Jonasmythen" bezeichnen. Eine 
sehr schöne Form derselben hat Codrington auf Ysabel 
entdeckt 9 ). Es ist folgende Mythe: 

Er wohnte auf den Hügeln von Gaji. Er besserte 
seine Netze aus und sah hinab auf den Ocean. Er sah 
ihn sehr dunkel. Seine Enkel gingen hinab zur See, um 
zu fischen zwischen Ritten, und Kamakajakau sagte zu ihnen: 
„Gehet und bringt Salzwasser für mich auf diesen Platz, 
damit ich sehe, ob seine Farbe gleich der des Oceans ist. u 
Also sprach er zu ihnen. Seine Enkel gingen fort, hinab 
zum Ufer und fischten am Ufer, sie fischten mit Netzen. 
Danach schöpften sie Salzwasser und kamen wieder hin- 
auf und gaben es ihm. Und er sprach zu ihnen: Gebt 
das Gefäss hierher und ich will es herabgiessen und sehen 
ob die Schwärze dieses die gleiche ist, „wie die des Meer- 
wassers, die ich von oben aus sah". Also sprach er. Und 

7 ) Scharfenberg i. d. „Zeitschrift f. Ethnol.« Bd. 17 1885, S. 32. 
Busch mann S. 41 2. 

8 ) Cook 3. R. Bd. II S. 156. Bastian: „Hawai* S. 43 etc. 
!l ) (Vulrn-ton S. 265 «6. 



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— 1S7 — 



er goss es herab und sah. dass es Dicht die gleiche Schwärze 
war, wie die, die er von obenherab gesehen hatte. 

Als es Morgen war. nahm er das Salzwassergefäss 
und ging von dannen. Er steckte in das Ohr ein Stuck- 
chen Obsidian und wanderte dahin und kam zur See und 
legte am Ufer seinen Beutel und Schild und Keule nieder. 
Er nahm das Gefäss in die Hand und watete in das 
Wasser hinaus. Er schaute auf den Hügel, auf dem er 
wohnte und von dem er kam, und er konnte ihn noch 
erblicken. So schwamm er denn noch weiter fort vom Ufer, 
bis er den Hügel von Gaji erblickte. Da tauchte er hinab. 

Die Oberfläche des Meeres wogte und Blasen stiegen 
empor. Und er hörte, wie ein Kombili (Königstisch) von 
mächtiger Grösse auf ihn zukam. Der Fisch kam und 
verschluckte Kamakajakau und wandte sich mit ihm ost- 
wärts zum Sonnenaufgang, und bewegte sich mit ihm fort, 
bis er an eine seichte Stelle kam, wo er sich hinwarf, so 
dass Kamakajakau merkte, dass hier offenbar Ufer sei. 

„Hier bin ich", sagte er zu sich und dachte an den 
Obsidian in seinem Ohr uud fühlte nach ihm. Er fand 
ihm und schnitt den Bauch des Kombili auf und schlüpfte 
heraus. 

Da sah er einen Glanz. Er setzte sich nieder und über- 
legte: „Ich wundere mich wo ich bin?" dachte er. Da 
stieg die Sonne mit einem Kuck empor uud warf sich 
von einer Seite zur andern. Und die Sonne sagte: „Stelle 
Dich nicht auf meinen Weg, Du musst sonst plötzlich 
sterben, stelle dich auf meine rechte Seite." Und er ging 
auf die S^ite, bis die Sonne emporgestiegen war. Dann 
folgte er. Die beiden stiegen himmelan und kamen so 
endlich an das Dorf der Kinder der Sonne. Die Sonne 
sprach: „Hier stehe." So stand Kamakajakau bei den 
Kindern und Grosskindern der Sonne: sie aber ging von 
dannen. 



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— 1*8 — 



Kamakajakan blieb stehen und sie fragten ihn: „Von 
wo bist Du hierher gekommen ? u Er sprach: „Von der 
Erde. Ich wohnte an meinem Orte und ich tauchte in 
das Salzwasser und ein grosser Fisch verschlang mich. 
Und so bin ich hierher in Eure gute Stadt gekommen." 
So blieben sie bei einander. Sie assen nur rohe Nahrung. 
Da zeigte er dem Volke da oben das Feuer, sodass sie 
gekochte Speisen verzehren konnten. 

Sie warnten ihn davor, einen gewissen Ort zu be- 
treten; er sei tabu. Sie gingen ihrer Wege. Während er 
allein zu Hause ist, geht er an dem verbotenen Platz. 
Er hebt einen Stein empor und blickt durch ein so im 
Himmel entstandenes Loch auf die Erde l0 ) und er sieht 
die Hügel von Gaji. Da weint er. Und auch als sie 
ihm Nahrung bringen, kann ihn das nicht trösten. Und sie 
fragen ihn, ob er auf die Erde will. Da bejahte er. 

Darauf setzten sie Kamakajakau in ein Haus und 
geben ihm Nahrung und Samen von Pau (to deye with). 
Sie binden an die Spitze des Hauses ein Rohr und lassen 
ihn hinab. Und sie sagen ihm, wenn Vögel und solche 
Wesen, die die Luft beleben, schreien, dann solle er nicht 
herausschauen. AVenn aber Geschöpfe der Erde zu ver- 
nehmen seien, dann solle er heraussehen. 

Sie lassen ihn am Rohre hinab. Wenn aber eines 
zu kurz wird, dann binden sie noch eines daran, so 
lange bis Kamajakau auf den Hügeln der Heimat an- 
langt. — 

Die Hauptzüge dieser Sage sind unverkennbare Symp- 
tome der Sonnenmythen. Da, wo das Meer schwarz ist 
(Nacht), wird Kamajakau verschlungen. Der Fisch schwimmt 
nach Osten. (Der Weg der Sonne bei Nacht.) Und da, wo 
die Sonne aufgeht, schlüpft Kamakajakau aus seinem Leibe. 

10 ) Dieses und das folgende vergl. mit Kap. 9 8. 1314. 



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189 — 



(Sonnenaufgang.) Eine Beziehung zu der polynesischen 
Aufgangsmythe in Form von Mauis Feuerdiebstahl, besteht 
auch darin, dass Kamakajakau den Kindern im Sonnen- 
dorfe das Kochen der Speisen lehrt. Der Abstieg der 
Sonne ist in bekannter Weise dargestellt. 

Diese Sonnenmythen in der „Jonas-Form" sind in 
Oceanien verhältnismässig häufig. — Auf Badu, einer 
Insel der Torres-Strasse u ) lebte vor langer Zeit einmal 
ein Mann mit Namen Mutuk. Er fischte einstmals auf 
einem Riff, als seine Angelschnur sich verfing. Daher 
tauchte er in das Wasser, um sie zu befreien. Ein vor- 
überschwimmender Hai schnappte ihn aber auf und ver- 
schluckte ihn, ohne ihn zu verletzen. 

Der Hai schwamm nordwärts über das Riff von Man- 
grove Insel. Mutuk fühlte die Wärme und er sagte zu 
sich: „Jetzt sind wir im warmen Wasser." Als der Hai 
in tieferes Wasser tauchte, empfand Mutuk die Kälte und 
wusste nun, dass sie wieder untergetaucht waren, zuletzt 
schwamm der Hai nach Boigu und strandete, als die Ebbe 
eintrat. Mutuk fühlte die pralle Sonne den Körper des 
Fisches bescheinen und erkannte, dass er hoch und trocken 
lag. So nahm er denn eine scharfe Muschelschale, die 
er hinter dem Ohr trug und hackte den Leib des Haies 
auf, bis er eine genügende Oeffnung gemacht hatte. 
Aus seinem sonderbaren Gefängnis entschlüpfend, merkte 
er, dass seine Haare ausgefallen waren. — 

Der Schlusssatz wird dann seine Würdigung finden, 
wenn die nordwestamerikanischen Jonasmythen uns gezeigt 
haben, dass die Hitze im Magen der Fische — die Hitze 
der Sonne — der Grund des Haarausfalles ist. 

Melanesier (Erromango) und Indonesier (Tanembar) 
erzählen ähnliche Mythen, deren Beziehung zum Kreise 

n ) Haddon: „Logende* 8. 56. 



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190 



der Jonasmythen selbstverständlich ist 12 ). Sagen von 
Männern die verschlungen und wieder ausgespieen sind, 
von durch Fischen verwüsteten Landern etc. sind hierher 
zu rechnen. Wichtiger sind für uns die Abweichungen und 
die Reihe der Mythen und Anschauungen, welche die De- 
generation der Mythe zeigen. 

In vollendester Klarheit berichtet die Mvthe von Mauis 
Geburt: Die Mutter warf ihn in eine Locke ihres Haupt- 
haares gewickelt in das Meer. Seegras umschlang den 
Kleinen; ein Fisch verschluckte ihn; die Vögel spülten 
den Fisch auf den Strand, wo Vögel an ihm. saugten und 
pickten bis Tama-nui-ki-te-Raugi ihn aus dem Fische her- 
ausschnitt, nach Hause nahm, in das Dach hängte und 
durch die Wärme des Feuers belebte 13 ). 

Sowie nun die Mythe an Klarheit und Vollendung ver- 
liert, beschränkt sie sich auf die Untergangssonne. Ich er- 
innere an die Olifat-Mythe. — Olifat wird vom Fische tot 
gebissen. — Ferner an eine Sonnenuntergangsmythe von dem 
Palaus. Nach dieser befindet sich das Haus der Sonne 
im Westen unter der See. An der Stelle wächst ein Denges- 
Baum. Wenn die Sonne Abends zu dem Baume kommt, 
reisst sie die schon auf dem Baume keimenden Früchte 
ab und wirft sie in die See. Die Haitische, die den Ein- 
gang zu dem Sonnenlande bewachen, sind begierig hinter 
diesen Früchten her und bemerken nicht wie die Sonne 
untertaucht und glücklich zu ihrem Hause gelangt 14 ). 

Und diese Betonung der Untergangssonne niuss zur 
niederen Mythologie führen. So beschreibt Williams von 
Aitutaki das Idol Te-rongo, den Menschenesser, dessen Priester 
vom Hai inspiriert wird. Von anderer Seite wissen wir, 

1S ) Meinieke S. 338. Turner S. 497. Riedel S. 309. Siehe auch 
Melville S. 197. 

ls ) Schirren S. 29. 

,+ ) Chamisso Bd. II S. 2(U. Kubary 8. 57. 



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191 



dass Rougo die Seelen der im Kriege gefallenen verschlingt 
sie aher noch lebendig sind in dessen Unterleib. Ehe nach 
der Anschauung der Pentecost Insulaner die Se'elen das 
Jenseits erreichen, müssen sie die See berühren. Da wartet 
ein Hai seiner Beute und beisst allen denen, die nicht mit 
gehörigen Ceremonien die Schweine schlachteten, die 
Nasen ab 13 ). 

Und daran schliesst sich dann die Bestattung in 
Trögen von der Gestalt eines Haifisches an 16 ) und wohl 
ein bestimmtes Motiv neuirländischer Schnitzerei, welches 
aus einem Hai-Kopf mit halbverschlungenem Menschen- 
körper oder aus einem Haitischkopf mit aus dem Rachen 
herauswachsenden Vogel (siehe Taf. 2) besteht 17 ). 

Sowie die Sonnenhelden im Moment des Unterganges 
so wird die Menschenseele im Tode vom Hai verschlungen. 

2. Australien, 

Auch in Australien finden sich verwandte Mythen. Sie 
treten aber mehr in der niederen, als der hohen Mytho- 
logie auf. 

So werden die abgeschiedenen Seelen manchmal durch 
den Mond verhindert, das Land der Seeligen zu erreichen. 
Dieser nämlich verschlingt sie, wenn er sie trifft. Er nährt 
sich von den verirrten Seelen der Männer und Frauen. 
Weun er rot ist, sehen sie, dass er genugsam von dieser 
seiner. Lieblingsspeise verschmausst hat. Andererseits er- 
zählen die Australier von Wandong, einem bösen Geiste, 

15 ) Williams: „Xarrative* S. 108. Gill 8. 83,4. Codrington 
8. 287. 

") Codringtou S. 262. Ouppy: „Salomon Islands 44 8. 5H. Finsdr. 
„Ethnol. EH. 14 8. 405. 

. l7 ) Schürt/: „Augenornament u 8. 56 59. A. B. Meyer Taf. XVI11 
Nr. 4. 8churtz und Krause S. 63 und Taf. IX Nr. 1. Bastian: „Oee- 
anien u 8. 89. 



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— 192 — 

den sie als einen schwarzen Mann beschreiben, der Nachts 
umherwandelt und bereit ist, einen unglücklichen Wanderer 
zu ergreifen und zu verschlingen 19 ). 

In direkte Beziehung zur Vogelmythe aber tritt die 
Mitteilung, dass die auf einem Baume mit Vogelstimnie 
klagende Seele unter der Reihe Leidtragender in den 
Mund des Ersten hineinfährt, am anderen Ende wieder 
hinaus, in den nächsten u. s. w. bis im letzten verbleibend. 
Die ozeanischen Parallelen erklären die Entstehung der 
Anschauung zur Genüge 20 ). (Siehe oben.) 

Endlich besitzen wir in folgender Erzählung ein hübsches 
Glied, das nach verschiedenen Seiten die Verbindung her- 
stellt 21 ). 

Der Mond wandelte anfangs auf der Erde. Eiues 
Tages besuchte er den Adler und verschlang ihn. Der 
Mond traf dann auf der Wanderung die Frauen des Adlers, 
die ihn auf seinen Wunsch an frisches Wasser führten. 
Während er trank, erschlugen sie ihn, öffneten seinen Leib 
und brachten ihn wieder zum Leben. 

Da darf ich wohl zunächst an jene Mythe von der 
Fluterzeugung durch die Krähe erinnern. Das war eine 
Sonnenuntergangsmythe, oder wenigstens eine dieser Gruppe 
von Mythen sehr nahe stehende. Ausserdem ist die vor- 
liegende eine „ Jonas-Mythe". Der Mond repräsentiert 
also in Australien vollständig die Nacht, spielt in gewisser 
Hinsicht die Rolle der Hine-nui-te-po. Die Motive auch 
dieses Kreises entsprechen den polynesisch-melanesischen 
Analogien vollständig. 

3. Nord-West- Amerika. 
Die Mythen, die bis jetzt betrachtet worden sind, 
haben schon oftmals das Motiv des Unterganges erkennen 

19 ) Prichard: „Oceanieu* 8. 278 ; 9. Brough Smyth Bd. I 8. 274. 

20 ) Bastian: „Oceanien" 8. 135. 
ai ) Brough Smyth Bd. I S/432. 



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1 



— 193 — 

lassen. Die zuklappende Muschel, die zuschlagende Thür, 
der zusammenschnellende, gespaltene Baumstamm und die 
zuschnappenden Wölfe, die mit Zähnen besetzte Scheide 
etc. sind mehr oder weniger figurlich und persönlich, 
lebendig und drastisch aufgefasste Untergangszenen. 

Die charakteristische Sonnenmythe von Jelchs Sonnen- 
befreiung beginnt fast immer damit, wie der Rabe sich 
verschlucken (Sonnen-Untergang) und wieder gebären 
(Sonnenaufgang) lässt 22 ). 

Dann ist noch au die Figur des Baqbuabakualano- 
sinae zu erinnern, jenes Unholdes, der „zuerst Menschen- 
fleisch an der Flussmündung (also im Westen) ver- 
schlang" 23 ). 

Bei weitem am schönsten unter allen diesen Formen 
ist jedoch der „Jonas" Typus ausgebildet, der bis in das 
kleinste Detail den oceanischen Mythen dieser Gruppe ent- 
spricht. 

Maui wird bei seiner Geburt vom Fische verschlungen. 
Jelch s Mutter ist die Walfischtochter. Anderer Version 
zufolge, giebt ein Wal den Rath, den Stein zu verschlucken, 
der Jelchs Geburt bewirkt 24 ). 

Sodann lässt sich Jelch vom Walfisch verschlucken. 
Er zündet ein Feuer im Magen des Tieres an und zer- 
hackt darauf dessen Herz. Infolgedessen stirbt der Fisch 
und wird ans Land geschwemmt. Die Leute, die ihn finden 
und zerteilen, schaffen Luft, sodass Jelch ans Tageslicht 
schlüpfen kann. Weiter im Süden überträgt man die 
Mythe auf zwei kahnfahrende Knaben. Es ist das Toten- 
schiff auf dem sie gleich der Sonne in die Unterwelt ge- 
langen. Wie Jelch werden auch sie aus dem Leibe des 

**) Krause: „Tlinkät" S. 261,263, 8.315. Erman Bd. 11 S. 374, 
375. Boas: „Verli." 1S93 S. 44 45 u. a. a. O. 

"J Boas: „Verh.* 1S93 8. 459 60, S. 476/7 u. a. a. O. 
") Erman Bd. II S. 372. Krause: „Tlinkit* 8. 254 ff. 

Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 13 



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— 194 — 



Riesenfisches befreit. Und nun kommt der prächtige Schluss: 
„Es war aber so heiss im Walfisch magen ge wesen, 
dass sie alle Haare verloren hatten" 25 ). 

Die Bagu-Version der Mythe endet ganz gleich 2 *). 
Die Toten mfisssen nach indonesischer und melanesischer 
Mythe ganz dicht an der Sonne vorüber. An sonstigen 
frappierenden Analogien ist neben der Anschauung: „in 
der Finsternis sucht ein Fisch die Gestirne zu verschlingen", 
auf gewisse Schnitzereien hinzuweisen, die den von dem 
Haifischraehen halbverschlungenen Menschen darstellen 27 ). 

Ich schliesse den nordwestamerikanischen Kreis mit 
einer Mythe ab, die ihrer westlichen Parallelen wegen von 
bleibendem Werte ist 28 ). 

Als Kanigyilak einige Zeit gewandert war, kam er zu 
einem Dorfe, und mit Erstaunen sah er, dass aus keinem 
einzigen der Häuser Rauch aufstieg. Er ging in jedes 
einzelne Haus, aber er sah niemand. 

Endlich im letzten Hause fand er einen Mann, Namens 
Nauetsa, und dessen Enkelin ein kleines Mädchen, die 
einzigen Bewohner des Dorfes. Er fragte: „Wo sind denn 
alle eure Landsleute?" „Das Ungeheuer Tsekis, das in 
jenem See haust, hat. alle getötet" 29 ). Sobald jemand 
herabging, um Wasser zu holen, kam es und verschlang 
ihn. Wir sind die einzigen U eberlebenden. Er blieb im 
Hause mit Nauetsa und dessen Enkelin. 

Eines Tages sprach er zu dem Kinde: „Gehe hinab 
zum See und hole mir Wasser". Dem aber widersetzte 

") Swun bei Niblack S. 323. S. a. Taf. 51 und 52, Fig. 280 
und 283. Boa«: „Tlingit* 8 164. „Verh." 1893 8. 242 3, 1895 8. 220/7, 
1892 8. 44, 317,8, 1891 S. 634. 8. a. Entwickelung 8. 498. 

") Vergl. S. 00. 

* T ) Swan 8. 90. Abbildung bei Sehurtz: „Einleitung" 8. 43. 
s ") Boas: „Verh." 1893 8.432. 
") Vergl. Kap. 9 8. 159 160. 



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195 — 



sich der Alte aufs heftigste und wollte es nicht dulden. 
Er rief: „Nein sie soll und darf nicht gehen. Tsekis soll 
mir nicht das letzte meiner Kinder auch noch entreissen, 
und gewiss wird er sie fressen, wenn sie geht". Kanigyilak 
aber suchte ihn zu beruhigen. Er gab dem Kinde den 
Eimer, band ihr den Gürtel aus der Haut des Sisiutle um, 
und hiess sie gehen. 

Er folgte ihr, sah, wie der Tsekis auftauchte und das 
arme Kind verschlang. Da ergriff Kanigyilak einen Stock 
und indem er auf einen Steine Takt schlug, sang er: 
„Sisiutle! werde lebendig und töte ihm; erwache und töte 
ihn! u Kaum hatte er ausgesungen, so kam das Ungeheuer 
aus den Tiefen empor und wand sich in Todesqualen. Die 
Knochen aller Menschen, die es verschlungen hatte, spie 
es aus. Dann erschoss Kanigyilak es mit seinen Pfeilen. 
Er setzte die Knochen wieder zusammen und besprengte 
sie mit dem Wasser des Lebens. Da standen sie auf, 
rieben sich die Augen, als wenn sie geschlafen hätten. 
(Olifat!) 

4. Afrika. 

Hubeana 30 ) ward vom Weibe geboren, als alle Menschen 
von dem Ungeheuer Kammapa verschlungen waren. Er 
wuchs wunderbar schnell empor. Seinen Hals schmückte 
ein köstliches Geschmeide von Anbeginn. Er ward gleich 
den anderen von Kammapa verschlungen. Aber er begann 
den Leib des Tieres zu durchbohren, tötete es und gelangte 
mit allen Menschen wieder an das Tageslicht. 

Diese Mythe ist eine so vollständig der uordwest- 
amerikanischen analoge Bildung, beide entsprechen in allen 
Details — ich erinnere an das Halsband — sich so merk- 
würdig, dass von vornherein dasselbe Motiv als beiden 
zu Grunde liegend angenommen werden darf. 

30 ) Der Sonnenheld der Basuto-Mythologie. Vergl. Kap. 14. 

13* 



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196 — 



Ausser dieser muss noch eine entsprechende Mythe 
der Akpoto Neger am Niger berücksichtigt werden. 

Unusa-ben-Mata war ein Prophet des wahren Gottes. 
Aber er überhob sich im Stolz auf seine Mission und eines 
Tages warf er sich in das Wasser, in dem Glauben, ein 
Wunder wurde ihn über demselben halten. Um ihn für 
seinen Dünkel zu strafen, erlaubte der Herr einem grossen 
Fisch, ihn zu verschlingen. Der Fisch aber wurde die 
Beute eines Alligators, der Alligator wurde von einem 
Flusspferd verschlungen und so lebte einer im anderen 
tausend Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit befahl Gott, dem 
Hippopotamus, den Alligator auszuspeien, dem Alligator, 
den Fisch auszuspeien, dem Fische, Unusa an das Ufer 
zu speien 3l ). 

Zweifellos ist dieser Unusa, der „Jonas" der israe- 
litischen Mythologie und die ganze Erzählung verdankt 
mohamedanischen Priestern in diesen Landern ihr Leben. 
Immerhin ist sie doch interessant insofern, als ein so 
weites Einsickern nach Süden damit bewiesen ist. Bei 
dieser Gelegenheit wiederhole ich meine Ueberzeuguug, 
dass Naturvölker derartige Motive in ihre Mythologie und 
Dichtung nur dann aufnehmen, wenn schon verwandte Züge 
ihrem eigenen Schöpfungsborn entflossen und ihnen somit 
vertraut sind 32 ). Also ist, auch von diesem Gesichtspunkte 
aus betrachtet, die Mythe wertvoll. 

Dass die Madegassen, in Finsternissen von verschlingen- 
den Drachen die Gestirne bedroht glauben, geht aus 
linguistischer Eigentümlichkeit hervor 33 ). Mehr auf eine 
Jonasartige Mythe deutet die Efikbenennung für den auf- 



8l ) Burdo 8. 163. (Vowthcr und Taylor 8. 233. 
") K.-Sebiffsschiiabcl 8. 89. 
M ) Goldic 8. 73 und 8. 330. 



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— 197 — 

gehenden iSonnenball: Utin Ekpök d. h. Die Sonne der 
Eidexe 

Weiteres über „Verschlungen werden" in der afri- 
kanischen Mythologie wird sich im nächsten Teile ergeben. 

Diese Mythen, die zunächst als Sonnenmythen be- 
zeichnet werden müssen, geben uns den Schlüssel zu einer 
Reihe schwer verständlicher Anschauungst'ormen. Derjenige 
Punkt auf dem Reiseweg, der der Sonne folgende Seele, 
der die meisten Schwierigkeiten und Gefahren bringt, liegt 
am Horizonte, da, wo die Sonne versinkt, oder um mit 
der Mythe zu reden, wo der Sonnenball verschlungen 
wird. Aus der grossen Menge der in Frage kommenden 
Mythen greife ich nur wenige heraus, doch wird es jedem 
ein Leichtes sein aus der Zahl der sonst erwähnten die 
kleine Beispielsammlung zu vermehren. 

Nach Ansicht der Fate Insulaner (Neu-Hebriden) sitzt 
am Eingang zur Unterwelt ein Mann, Namens r Salatau", 
der jeder eintretenden Seele auf den Kopf schlägt. „Samu" 
heist der Mann nach Fidjianerglauben. Er kämpft mit 
der vorüberwandernden Seele und verschlingt diejenigen, 
die er überwindet. Am Styx der Maori muss die Seele 
schnell in ein Boot steigen, denn in der Nähe harrt ein 
grosser Vogel um die zögernde als Beute hinweg zu 
schleppen 34 ). 

Die Ysabel-lnsulaner glauben, dass der Tote ein 
Gewässer auf einen Baumstamm überschreiten muss. Der 
Totenwächter lässt sich darauf die Hände der Ankömmlinge 
zeigen und stürzt diejenigen, auf deren Händen sich nicht 
das Bild des Fregattvogels als Tätowierungsmarke findet 
in die Flut. Damit ist die Beziehung zur Vogelmythe und 
anderen verwandten Anschauungen in so verlockender 

a *) Meinicke S. 338. Williams: „Fidji" Bd. I S. 246. 8. a. S. 247 
u. a. a. 0. Taylor S. 104 5. 



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108 — 



Weise geboten, dass ich auf einige weitere hierhergehörige 
Analogien hinzuweisen, mich nicht enthalten kann. Auch 
auf Fidji geht es den Seelen der Niclittätowirten übel. 
Einige afrikanische Stämme glauben ebenfalls, dass die, 
so keine Zeichen auf dem Leibe haben in der Unterwelt 
dem bösen Geiste auheimfallen. — Bei den Battak wird 
der Tote von Priestern zu Grabe geleitet, deren Gliedmassen 
mit Vogelgestalten tätowiert sind 35 ). 

Nach dem Glauben der Aschanti werden die Seelen 
derer, die nicht die Enthaltungsgebote einhielten, vom 
Fährmann in den Totenstrom geworfen. Dann lauert 
ein böser Geist auf die Seelen der Anina und Moko. 
Die Ibo-Toten müssen eine gefährliche Wand passieren 36 )etc. 

Beachtenswert ist fernerhin der Eiufluss dieses Motives 
auf Anschauung und Brauch im Sinne der Vergeistiguug 37 ). 

Auf Seram (also Oceanien) wird der Profane, der in 
den Kakeanbund aufgenommen wird, durch eine Oeffnung 
in Gestalt eines aufgesperrten Krokodilrachens oder Kasuar- 
Schnabels zur Nachtzeit in das Kakeanhaus gehoben. Es 
heisst von ihm, der grosse Teufel habe ihn verschlungen 38 ). 

Bei dem Tlinkit (also Nordwestamerika) Hess sich 
ein Schamane, der einen neuen Geist gewinnen wollte, 
vom Meere verschlingen, er hing am vierten Tage umge- 
kehrt an einem Baume am Gestade 39 ). 

In einigen Gegenden von Queensland (also Australien) 
soll das Gebrüll des Schwirrholzes von den Zauberern 
herrühren, die es ausstossen, wenn sie die Knaben ver- 



ss ) Codrington S. 257. Oldendorp S. 340. Marsden S. 388. Williams: 
„Fidji 44 Bd. I S. 247. 

M ) Bowdich: „Essay" S. 43. Oldendorp S. 340. 

37 ) „K. Schiffsschnabel 44 8. 20 ff. 

38 ) Rosenberg S. 318. Ribbe: „Seran 44 S. 191. 
") Krause: „Tlinkit 44 S. 287. 



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— 199 — 

»schlingen und diese wieder als Jünglinge von sich geben. 
Die Nalarois des oberen Darling sagen, dass der Knabe 
einem Geiste begegne, der ihn töte und ihn dann als 
Mann wieder ins Leben rufe *°). 

In Senegambien (also Afrika) werden die Jünglinge 
vom Horrey verschluckt, eine Weile im Wanste behalten 
und dann wieder ans Licht der Welt gebracht* 1 ). 



Endlich habe ich das schon mehrmals besprochene 
r Beissen u in plastischen Darstellungen zu besprechen. In 
den Schnitzereien der Nordwestamerikaner, Oceanier und 
Afrikaner sind Figuren-Zusammenstellungen der Art, dass 
mehrere Menschen und Tiere einander beisseu oder lecken, 
nicht selten. Ich verweise auf die Tafel mit den Toten- 
schiffschnitzereien, dann die Abbildungen in der Abhand- 
lung über den Kameruner Schiffsschnabel. Auf Neu-See- 
land fiel Karle ein ungemein häufiges Motiv der Maori- 
Schnitzereien auf, eine Eidechse, die einen Mann in den 
Haarschopf beisst. Essoll das die Darstellung der Mythe: 
Maui zog den ersten Menschen bei den Haaren aus dem 
W T asserseiu. Wenigstens glaube ich diesen Sinn aus zwei Mit- 
teilungen des Reisenden entnehmen zu müssen 42 ). Das 
ist dann unbedingt eine Umkehrmig; nämlich die Ursprungs- 
mythe kann kaum eine andere sein als: das betreffende 
Tier verschlingt die Seele des Toten. Jedenfalls treffen 
wir das gleiche Motiv, die den Menschen verschlingende 
Eidechse, in Nordwestamerika auf den Rabenrasseln * 3 ) und 
iu Neu - Mecklenburg in gewissen Ahnenbildern, die den 
Menschen verschlingenden Haifisch versinnbildlichen, Dar- 

*°) Howitt S. 256. 

41 ) „Allg. Hist. d. R." Bd. II S. TU) 1. 

42 ) Earle 8. 2G6 und 142. 

4S ) Seier S. 244 Nr. 41 und 42. Schurtz: „Augenornament* 
Taf. III Fig. 3. 



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'200 — 



Stellungen, die dem zu nahe stehen, um nicht in Parallele 
gezogen werden zu müssen. Noch deutlicher und noch 
leichter mit der Mythe indentificierbar ist es, wenn der 
Vogel, wie wir gesehen haben, die Seele nicht nur trägt, 
sondern verschlingt. 

Damit möchte ich das von Seier erkannte aber offen 
gelassene Problem der „Zungenzauber" auch lösen* 4 ). 
Das dürfte eine Rückbildung sein. Die Nordwestamerikaner 
haben eine Deutung für die von den Oeeaniern über- 
nommenen Motive der Totenschiftssehnitzereien in dieser 
Weise selbständig aufgefunden. 

Zum Schlüsse soll auch noch der Kinnbacken in der 
Sonnenmythe gedacht werden. Als Maui die Inseln fischt, 
gebrauchte er als Angelhaken die Kinnlade seiner Ahn- 
herrn 45 ). Achelis weisst darauf hin, dass auch in anderen 
Sonnenmvthen-Herkules und Simson-Kinnladen vorkommen. 
Schirren denkt daran, dass die eben aufgehende Sonne 
gleichsam in die Erde beisst 46 ). 

Ohne direkt etwas hiergegen sagen zu wollen, will 
ich nur in sofern meinem Bedenken Ausdruck geben, als 
icli darauf hinweise, dass diese Mythe doch wohl einer 
Umkehrung ihre Entstehung verdankt. Die Leine, an der 
Maui die Erde heraufzieht, ist doch wohl die Bahn, an der 
Sonne und Tote hinabklimmen. Wenn das so ist, dann 
ist der Angelhaken Mauis eher der Unterkiefer der ihn 
zu verschlingen drohenden Nacht. 

**) Seier S. 234. Schurtz: „Augenornament* S. 50 1 und 86. 
Erman Bd. IT S. 370. Boa»: „Tlinkit" S. 172. Auf Inseln der Torres- 
strasse wird die Zunge des Toten von den Hinterbliebenen Weibern 
aufbewahrt. Haddon: „Secular* S. 30. 

**) TaylorS. 24. Thomson: „New-Zcaland" Bd. II S. 109. Yate: 
S. 143 u. a. a. 0. 

* a ) Achelis S. 6. Schirren S. 144. 



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— 201 



Diese Ueberlegung hat mich auch zur Prüfung der 
sonst um Unterkiefer gebildeten Glauben und Anschauungen 
geführt. Ich habe keine weitere Beziehung auffinden 
können, als dass dem menschlichen Unterkiefer im Osten 
und Westen ein gleich grosser Wert beigemessen wird. 
Vielleicht entdeckt ein anderer noch wichtigere Binde- 
glieder. 

Es ist das übrigens verhältnismässig natürlich. Denn 
wenn einmal durch den Schädeldienst die Beobachtung 
auf den Totenschädel gelenkt ist so fällt es auf, dass er, 
der im Leben fest am Schädel sitzende Unterkiefer, abfällt. 
Das ist zumal in Afrika der Fall, wo man entweder an 
den unterkieferlosen Schädel eine Tierkinnlade anfügt, 
damit der Tote kauen könne, oder überzeugt ist, dieser 
Mangel zöge ihm die Uugunst des Herrn der Unterwelt 
zu 47 ); auch meint man, es sei der einzige Körperteil, den 
der Mensch von seiner Mutter erhalte — von seinem 
Vater empfängt man nichts — oder aus dem Unterkiefer 
der Toten würden neue Menschen gemacht 48 ). 

Der Unterkiefer mag so auch als ein den ganzen 
Schädel vorstellendes Glied angesehen werden. Ausser aus 
Afrika 49 ) wissen wir das von Tahiti, von Neu -Guinea 
— wo sie als Amulette häufig sind — von den Philippinen — 
wo sie an den Trommeln hängen 50 ). 

47 ) Herold 1893 S. 65. Baumann: „Usambara" 8.238 9. 

48 ) Ellis: „Yoube u 8. 131. Herold 1893 S. 05. 

*") Speke S. 253. Vogel S. 483. Stuhlmann 8. 186. „Allg. Hist. 
d. R. u Bd. III S. 483. 

50 ) Hawkesworth Bd. II S. 167. D'Albertis Bd. 1 8. 187. Finsch : 
„Ethnol. Erf. 44 8. 132, 8. 156, 7. Chalmers and Gill 8. 48. Schurtz 
und Krause S. 19, 8. 80/1. Sehadenberg i. d.: „Verh. d. Berl. Anthrop. 
Ges. u 1888 S. 39. In der Mythologie Br. Kolumbiens ist der Unter- 
kiefer der zweiköpfigen Sehlange ein so grosser Zauber, dass wenn 
die Leute ihn sehen, sie tot zu Boden sinken. Boas: „Verh.' 4 1891 
8. 642. 



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— 202 — 



Nur der Vollständigkeit halber habe ich diesen Bericht 
hinzugefügt, dessen Resultat insofern sich für das Kapitel 
als nicht ergebnislos erwiesen hat, als es abermals die 
grosse, bis in die Einzelheiten in den östlichen und west- 
lichen Provinzen sich erstreckende Einheitlichkeit und 
Gleichheit der Sitten und Anschauungen beweisst. 



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XII. Kapitel. 

Rohrursprungsmythen in den östlichen und westlichen 

Provinzen. 

Mikronesien.: Umkehrung der Untergangsmytho. — Indo- 
nesien: Menschenerschaffung. — Das Totenkahnrohr. — Polyne- 
sien: Die Kiji-Kiji-Mythe. — Die indonesisch-polynesische Parallele. 
— Mauis Ursprung. — Melanesien: Die Mythe von Upi. — Lösung 
derselben. Fragmente im östlichen Melanesien. — Australien. — 
Nordwestamerika: Jelchmythen. — "Wandermythen. — Afrika: 
Baumursprung. — Rohrursprung. — Vorläufer der Mythe im Norden. 

Die Rohrursprungsmythe ist so eigenartig, dass wohl 
wenig andere zu finden sind, deren Verbreitung derartig 
Aufsehen erregt, wie ihr Studium es mit sieh bringen muss. 
Glücklicherweise fehlt in keiner Provinz eine Variation. 
Ich beginne den Kundgang in den vier Provinzen Oceaniens. 

1. Mikronesien. 

Vier Männer aus Ngargeukl, einem Dorfe auf der Insel 
Pililu (Palau- Gruppe), entschlossen sich einstmals, der Sonne 
einen Besuch abzustatten. Das Haus der Sonne befindet 
sich im Westen unter der See. da, wo ein Dengesbaum am 
Gestade dichte Wälder bildet. Die vier Männer ruderten 
also hinter der Sonne her und erreichten besagten Baum 
gerade, als sie untergehen wollte. Als die Sonne von ihrem 
Vorhaben hörte, hiess sie die Leute, ihre Kanoe treiben 
zu lassen und ihr rasch zu folgen. Das thaten sie und 
befanden sich bald in einem neuen Lande in einem guten 



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— 204 — 



Hause, wo sie von der Sonne trefflich bewirtet' wurden. 
Die dargebrachten Speisen waren winzig klein bemessen, 
wurden aber trotz des kräftigen Zulangens nicht weniger. 

Als die Männer nun heimkehren wollten, waren ihre 
Fahrzeuge fortgetrieben. Da schloss sie die Sonne in ein 
dickes Bambusrohr, welches in Palau noch unbekannt war. 
In demselben trieben sie an das Ufer ihrer Heimat. Sie 
wurden darauf die vier ersten Häuptlinge. 

Auch andere J ) Mythen der Karoliner wissen von einer 
Wanderung in solchen Behältern zu erzählen. Aller unnutzen 
Spekulationen über die Entstellung des Motives uberheben 
uns die Analogien in der Olifatmythe. Als Olifat in die 
Grube geworfen ist (Sonnenuntergang), steigt er in der 
Mitte eines Pfostens wieder empor. Später versteckt er 
sieh in einem Rohr 2 ). 

Wenn sonst die Stellung der Mythe in der höheren 
Mythologie ihre enge Beziehung zum Kreise der Sonnen- 
sagen leicht erkennbar ist. wird es auch nicht schwer fallen, 
ihre Quellen in der niederen Mythologie aufzufinden. Die 
Mythe von den vier der Sonne folgenden Männern, die im 
Kohr von ihr zurückkommen, lasst schon durchblicken, 
dass es sich um eine zur Entstehungsmythe umgekehrte 
Untergangsmythe handelt. Und wenn wir unter den bisher 
besprochenen Motiven uns nach einem in Frage kommenden 
Motive umsehen, so meine ich, muss in erster Linie die 
Mythe von der der Sonne im Kahn folgenden Seele in 
Betracht gezogen werden. 

2. Indonesien. 

Nach der Anschauung der Tagalen auf den Philippinen 
entstand die Menschheit aus einem grossen Kohr mit zwei 



') Kubary S. 57 8, S. 59/60. 

*) Chamisso Bd. II S. 263 und 264. 



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— 205 



Gelenken, welches auf dem Wasser umhertrieh, his es end- 
lich von den Wellen ans Ufer gerade vor die Küsse des 
Hühnergeiers geworfen wurde, der ehen am Strande stand 
und das Rohr mit dein Schnabel aufpickte. Da kam aus 
dem einen Gelenk der erste Mann, aus dem anderen die 
erste Frau 3 ). 

Auf Celebes wird Bata Guru — dessen solare Bedeutung 
Schirren eingehend besprochen hat — von seinem Vater 
Pitutu in ein hohles. Bambusrohr geschlossen und zur Erde 
hinabgelassen. Auf derselben angelangt, bricht er die Hülle 
und geht als erster Mensch hervor 4 ). 

Mit der Mitteilung, dass die Tanem bar- Insulaner eine 
frische und grünende, mehrere Meter lange Bambusrute 
als Leiter der Seele, die ins Jenseits führt, aufstellen 5 ), 
ist der Anschluss nach allen Seiten geboten. 

Die schon gewonnene Vermutung findet durch diese 
ergänzenden Berichte ihre Bestätigung. Wie der seelen- 
führende Vogel den Totenkahn mit der Seele der Ab- 
geschiedenen in das Jenseits lenkt, so hackt er aus dem 
vom Meere ans Land geschwemmten, vom Kahn zum Bambus 
umgestalteten, hohlen Behälter den ersten Menschen heraus. 

Das Motiv des die Seele bergenden Bambusrohres ist 
selbständig und in andere, verwandte Kreise eingeschaltet 
worden 6 ). In Sonnen- und Sonnenbahnmythen tritt es, den 
primär-verwandtschaftlichen Beziehungen entsprechend, nicht 
selten sowohl in Ursprungs- als in Untergaugsmythen auf. 



3 ) Marsden S. BOB. Die gleiche Anschauung bei den Tagalen. 
Ebenda 8. 302. Schirren S. 122. 
*) Schirren S. 117. 
B ) Riedel S. 307. 

') Dann wird im Rotang nach dem Urheber eine» Diebstählen 
befragt. Es ist eine den Ahnen vorgelegte Frage. Riedel S. 341, 
S. 377. 



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— 206 — 



3. Polynesien. 

Als nach samoanisrher und tonganischer Sage die Erde 
geschaffen war, sprosste die heilige Schlingpflanze auf und 
brachte die Würmer hervor, aus denen Kiji-Kiji (Maui- 
Kiji-Kiji) die ersten Menschen herauspickte. Auch sendet 
wohl Tangaloa, der Schöpfer, Tangaloa den Boten oder 
auch Turi, den Vogelgott, herab, um die Fue- Schlingpflanze, 
die Stammmutter der Menschheit, herabzubringen "'). 

Die Fue -Pflanze ist an Stelle (tes Bambus getreten. 
Die Form der Mythe entspricht vollständig derjenigen der 
Tagalen auf den Philippinen. Die Zahl der auffallenden 
Analogien ist mit diesen aber noch nicht erschöpft. 

Das Madchen, das nach battakischer Mythe (s. Kap. 7 
S. 12.)) am selbstgesponuenen Faden vom Himmel herab- 
klomm, fand unten nichts als Wasser und kein trockenes 
Land, auf das es den Fuss hätte setzen können, „bis es 
endlich nach langem Suchen eine Blume entdeckte, die 
aus den Gewässern emporragte und in deren Kelch sie 
sich niederliess u . Als Wakea und Papa auf den Köpf- 
chen des Seegrases zeugten, entstand das Land 8 ). 

Pflanzenstengel, Seegras, Schlammwasser sind die Ver- 
treter des Rohres. Der Sohn Wakeas und Papas, der 
diesen folgte, hiess Halva, d. h. Pflanzenstengel. Der erste 
Mensch entsteht aus dem Schlammwasser genannten Alii- 
Baumes, oder, wie auf Rapa-nui, aus anderen Pflanzen 9 ). 

Auch im Mauimythus Neu -Seelands fehlt das Motiv 
nicht. Seine Mutter warf ihn nach seiner Geburt ins Meer. 
„Seegras umschlang den Kleinen" l0 ). 



7 ) Bastian: „Oceanien" S. 36. „Samoanisehe" S. 11, S. 13, S. 37. 
.Schirren S. 25. 

•) Brenner S. 217. Bastian: „Oceanien* 8.227. 
») Bastian : „Oceanien* S. 233, S. 268, S. 95. 
10 ) Sehirren S. 29. 



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— 207 — 

4. Melanesien. 

Eine Frau 11 ) ging in den Wald, um im Garten zu 
arbeiten. Sie hing ihr Kind, ein Baby Namens Upi. in 
einem Korbe in dem Thürrahmen auf. Der Korb ward vom 
Südostwinde ergiffen und herabgeworfen. Die heimkehrende 
Frau fand ihr Kind nicht wieder und begann zu weinen. 

Inzwischen war ein Mann mit seinem Weibe vorbei- 
gekommen. Die hatten den Korb mitgenommen. Sie waren 
kinderlos und beschlossen das Kind an Stelle eines eigenen 
anzunehmen. Sie legten Upi im Busche nieder und er- 
zahlten den Männern des Dorfes, dass sie ein Kind ge- 
funden hätten und der Mann holte es, um es zu zeigen. 
„Gut, wir sehen, Ihr nehmt es w . 

Später sagten sie: „Wir gehen spielen." Sie steckten 
zwei Pfähle etwa zwei Fuss von einander in den Boden. 
Darauf sprachen sie zum Adoptivvater, sie wollten den 
Knaben jetzt Speeren. Der Vater verweigerte ihnen das; 
er wollte den Knaben zurück mit nach Hause nehmen. 
Darauf erwiederten aber die zwei Männer, wenn sie den 
Knaben nicht erhielten, würden sie mit dem Pflegevater 
fechten. 

So ward der Mann gezwungen, den Knaben aufzu- 
geben. Er aber und seine Frau baten, ja nur Arme und 
Beine, nicht aber Rumpf und Augen zu treffen. Die 
Männer befestigten je ein Bein und einen Arm Upi 8 an 
einen Pfahl und nachdem sie ihn mit Speeren beworfen 
hatten, begaben sie sich zum Mahle in den Busch. Am 
Abend übten sie sich im Speerwerfen auf den unglücklichen 
Upi. Der Knabe blieb den ganzen Tag und während der 
Nacht an dem Pfahl festgebunden. Er gedieh jedoch 
trotz der Behandlung, die er erfahren hatte, trefflich und 
wuchs wu nderbar schnell. 

n ) Mythe von Budu (Torres StrasKe). Haddon: „Legends* 
8. 65 ff. 



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— 208 — 



Am nächsten Tage gingen sie in den Busch und er- 
griffen bei ihrer Rückkehr am Nachmittage ihre Wurfspeere 
und Wurfbretter und unterhielten sich abermals, indem 
sie Upi als Zielscheibe benutzten. Die Pflegeeltern baten 
die Männer nicht lange, sondern kurze Speere zu benutzen. 
Der Knabe schrie. In der Nacht nahmen der Mann und 
die Frau Upi fort, um ihn zu waschen und zu futtern. 
Darauf banden sie ihn wieder fest. 

Am nächsten Morgen spielten die Männer abermals 
und warfen ihre Speere auf Upi. Zur Mittagszeit gingen 
sie iu den Busch aber am Abend warfen sie wieder ihre 
Speere auf den Knaben. Nachher kam der Pflegevater, 
um einen Blick auf den Knaben zu werfen, der zu dieser 
Zeit zu einem starken Knaben aufgewachsen 
war und ihn bat, wenn er schlafen ginge, die Stricke zu 
entfernen. Der Mann that also und als alle Leute schliefen 
lief der Knabe von dannen. 

Als Upi so durch die Büsche lief, kam er an einem 
kleinen Hause vorbei und entdeckte beim Eintreten in 
demselben zwei Leichname. Er ergiff deren Schädel, 
wusch sie und steckte Büsche daran. Er legte sie zu- 
sammen und sprach zu ihnen: „Alle Männer Speeren mich 
gebt ihr zwei mir guten Weg". Sie rieten ihm in einer 
bestimmten Richtung zu wandern, wo er eine grosse Art 
Bambus den „Upi u finden würde. Er ging dahin un trat 
mit den Füssen die Unterenden des Bambus nieder, so 
dass es splitterte und er ging in den Bambus „and by — 
— and bye upi sorry for you w Upi replied, „all right, you 
two tinish telling ine?, 1 go no\v u — him, he go!" Alles 
geschah, wie es die Schädel vorher gesagt hatten, und 
nachdem Upi in den Bambus gekrochen war, kam er 
wieder heraus und machte dicht dabei ein Feuer. 

Die Männer des Dorfes blickten am nächsten Morgen 
umher, fanden aber Upi nicht. Sie warfen den Pflege- 



i 

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— 209 



«ltern vor, dass sie den Knaben wahrscheinlich entfernt 
hätten, sie aber beteuerten, er sei selbständig entwichen. 
Die Männer ergriffen darauf ihre Bogen und Pfeile und 
machten sich auf, im Busche nach Upi zu suchen. Sie 
fanden seine Spuren, denn er hatte auf dem Wege zu dem 
kleinen Häuschen viel Blut verloren. Sie sahen in das 
Hüttlein hinein und sahen, dass Upi die Schädel zur Divi- 
nation benutzt hatte. Sie nahmen die Spuren wieder auf 
und fanden endlich Upi's Aufenthaltsort. 

Manalboa und Sasalkadzi sagten zu Upi: „Du siehst 
uns, wir wollen dich jetzt töten." „Gut" erwiderte er. „Ihr 
zwei tötet mich". Alle Männer kamen herbei. „Upi Struck 
the bamboo, went inside, and is closed up. The cane 
then iumped about, and its leaves ,fought' all the men and 
killed them; no man went home. Der Knabe Upi ver- 
hielt sich drinnen vollständig passiv. Der Bambus upi 
vollbrachte alles. 

Als das geschehen war, ordnete der Bambus den 
Platz, das Blut ward gesammelt, die Köpfe abgeschnitten 
etc. Als der Rest der Männer von dem Dorfe kam, geschah 
<las Gleiche; abermals blieb Upi im Rohre, die Männer, 
-dazu die Dorgai (kleine mißgestaltete Kobolde) wurden 
erschlagen. Der Bambus focht etc. 

Upi holte sich darauf bei den Schädeln weiteren Rat. 
Sie meinten, er solle allen Bambus abschneiden. Die 
Weiber der Erschlagenen würden kommen, sie würden 
sein Eigentum werden. Darauf machte er sich mit den 
Schädeln zu seiner Mutter auf. Er nahm dieselbe mit in 
das andere Dorf, in dem er ein Haus bezog. Dort gab 
er alle Frauen der getöteten Männer seinem Pflegevater, 
•die Mädchen und jungen Weiber behielt er für sich. 



Man muss mehrere dieser sonderbaren Mythen aus 
Süd-Neu-Guinea und von der Torresstrasse gelesen haben, 

Frohen ius, Weltanschauung der Naturvölker. 14 



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— 210 — 



um ihre Sprache zu verstehen. Sie scheint zunächst der 
oeeanischen fremd. Man muss lange gesucht und sich an 
die Töne dieser rauhen Kehlen gewöhnt haben, ehe man 
entdeckt, das die Motive meist echt oeeanisch, allerdings 
auch ebenso oft missverstanden und umgedeutet sind. 

Das gilt auch für diese Mythe. Wenn Haddon meint, 
sie sei eine der Entdeckung des Bambusmessers, das auch 
Upi heisst, gewidmete Dichtung, so hat er wohl den 
sekundären Sinn, kaum aber die leitenden Schöpfungs- 
motive aufgedeckt. 

Das schnelle Aufwachsen des blutüberströmten Knaben 
ist offenbar das einer Sonnenmythe entlehnte Motive des 
Aufganges. Und ebenso deutlich scheint mir die Beziehung 
des zweiten Teiles der Upi-Mythe zur Rohrursprungsmythe 
erkennbar zu sein. Dass hier eine Einschaltung in diesen 
Wilden näherliegende und verständlichere Ideen vor sich 
gegangen ist, soll nicht bestritten werden. 

Auch sonst finden sich nur Reste und Kümmerformen 
der Rohrursprungsmythe in Melanesien. 

Kamakajakau wird an einandergebundenen Rohren vom 
Himmel gelassen. Quat steigt in Quasavarras Hause zum 
nächtlichen Aufenthalte in einen Pfosten — eine schöne 
Parallele zur Olifat- Mythe. Durch ein Schilfrohr bläst 
Quat den in der Kiste ruhenden Gebeinen der Brüder wieder 
Leben ein etc. 

Endlich erwähne ich noch die „ghost-shooter", Bambus- 
stücke, die mit Zauberingredienzien gefüllt, auf den Feind 
gerichtet, Krankheit oder Tod bringen, — vielleicht eine 
Umkehrung des Entstehungsmotives l2 ). 

5. Australien. 
Die Australier meinen, der erste Mensch sei aus dem 
Knoten eines Baumzweiges hervorgegangen 13 ). 

,2 ) Codrington S. 205. 

,s ) Brough Smyth B<1. I 8. 425. 



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— 211 



(>. Nord-West- Amerika. 

Hier ist zunächst an die Sonnenbefreiungsmythen zu 
erinnern. Nicht nur, dass die Sonne in einer Kiste ge- 
fangen gehalten wird, — das kann auch auf andere Motive 
zurückgeführt werden — sondern dass Jelch der Rabe sich 
als Tannennadel verschlucken oder im Treibholz sich ins 
Land des Sonnenbesitzers schwemmen lässt, ist beachtens- 
wert 1 *). 

Ich erinnere daran, dass wir das Material zur Auf- 
findung dieses Motives ja in zwei Formen finden können, 
einmal in der Entstehungsmythe — die auf Grund einer 
Umkehrung des Totenschiftmotives entstanden ist — und 
dann der daraus entstehenden Untergangsmythe. Die oben 
angeführten Beispiele gehören dem Kreise der ersteren an. 
Ebenso die Legende, dass Jelch den Menschen aus Gras 
gemacht habe. Dem zweiten Kreise zuzurechnen ist die 
Sage, dass der Sonnenbesitzer seine Neffen in trogartig 
ausgehöhlte Stämme, die er später verspundet habe, ge- 
steckt hätte 15 ). (Yergl. den Anschluss an die Fanany- 
Mythe Kap. 4.) 

Die Sonneumythen lassen einen sehr regen Einfluss 
des Motives erkennen. Als ein Mann die Kupferplatte, die 
die Sonne ist, in einem hohlem Baum verbirgt wird es 
dunkel; nimmt er sie heraus wird es hell 16 ). 

Am nächsten kommt den westoceanischen Formen die 
Mythe, deren folgende Version vom Fräser River stammt. 

Einige Frauen machten einen grossen Korb, setzten 
sich mit ihren Männern und Kindern hinein, banden ihn 
zu und Hessen sich ins Wasser werfen. Der Wind und die 
Wellen führten den Korb weiter und derselbe landete 

u ) Erman Bd. II S. 874/5. Boas: „Verh." 1893 8. 444; 5, S. 244. 
Krause: „Tlinkit" S. 261/2. 

") Erman Bd. II S. 373. Boan: „Verh." 1895 S. 230. 
'«) Boas: „Verh." 1892 S. 394. 

14* 



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— 212 



endlich in Pnkpakotl. Da machten sie den Korh auf und 
stiegen heraus. Sie wurden die Ahnen der Potemeer 17 ). 

An Stelle des Bambus sind in Amerika also hohle 
Bäume, Tannennadeln, Körbe etc. getreten. 

7. Afrika. 

In den südafrikanischen Gegenden treffen wir zwei 
verschiedene Mythen, deren verwandtschaftliches Verhältnis 
zu unserem Motive klar ist. 

Die Ovaherero erzählen über den Ursprung der Menschen: 
„Mukuru haute die Menschen aus dem Omumborombonga- 
Baume u l8 ). Auch bei den Muschikongo sind die Menschen 
aus dem Baume hervorgegangen 19 ). Aber zwischen den- 
selben ist der Unterschied, dass wir vom Omumborombonga 
wissen, dass er hohl ist. Also ist der Prozess morpho- 
logisch zu fassen. 

Die Ama-Sulu erzählen, Umkulunkulu habe den 
Menschen aus dem „hohlen" Stamme, dem U-hlanga ge- 
schält. U-hlanga ist das Bambusrohr oder das Schilfrohr. 
Die Basuto erzählen, die Menschen seien dem Mohlaka ent- 
stiegen. Mohlaka kann sowohl „Sumpf" als „Röhricht" 
heissen, sodass mir Merenskys Uebersetzung mit „Niederung" 
nicht ganz richtig erscheint 20 ). 

Es ist nun aber in der zweiten Mythe nicht nur eine 
treffliche Form des Motives gefunden, sondern nach dem 
Norden zu Iässt sich auch noch das Verlaufen derselben 
nachweisen. Bei Sulu und Betschuanen beginnt ein Ver- 
lust der Idee. Bei ersteren ist Uhlunga der Gott des 
Donners und Blitzes, bei letzteren Uhlanga oder Thlanga 

im ') Boas: „Verh." 1891 S. 372. 

,Ä ) Brinker 8. 1. Galton S. 108. Anderson Bd. I S. 236 7. Halm 

>S. 498. 

") Bastian: ,.San Salvador" S. 81. 

l0 ) Brinker S. 1. Merensky: „Beitrage" S. 123. 



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1 



— 213 — 

der Name eines alten Königs, vor dem die Betschuanen 
einen grossen Respekt haben und bei dem sie schwören 21 ). 

Der Styx in der Unterwelt der Basuto heisst Tlatlana. 
Maji Kalunga ist das Geisterwasser der Baschilange. — 
Eine sekundäre Mythe über ein Gewässer in der Nähe 
Ambasses ist ebenfalls sehr wichtig: Nach den Sagen des 
Volkes entstanden diese Sümpfe nämlich aus den Thränen 
des Gottes Ungha über die Verwüstungen der Jaga. 
Andere erzählen allerdings, dass bei deren Annäherung 
die Götter des Landes erschreckt in die Wasser flohen 23 ). 

Also tritt in der Verwendung des Wortes der Begriff 
des Rohres im Verhältnis zu dem des Totenstromes be- 
deutend zurück, eine Erscheinung, die mich nur in der 
Annahme bestärken kann, dass es sich in der Mythe um 
eine Umkehrung der Mythe von dem Eilen der Seelen im 
Totenschiff ins Jenseits handelt. 

21 ) Prichard: „Afrika" 8. 309. 
") Moffat 8. 258. 

") Casalis 8. 261. Wissmann Pogge 8. 87. BaHtian: „San Sal- 
vador" S. 188. Vergl. auch Brinker 8. 3. 



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III. Teil. 

♦ 

Die Kosmogonien, Götter- und 

Sonnenmythen 
in den westlichen Provinzen 
nebst östlichen Analogien. 



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> 



XIII. Kapitel. 
Die Götter Afrikas. 



Oceanische und afrikanische Parallelen. — Fetischismus. — 
Bastian. — W. Schneider. — Reisewerke. — Ratzel. — Mythologie und 
geographische Provinz. — Die Fragmente der afrikanischen Welt- 
anschauung. — Die Abstammung der afrikanischen Götter. — Dreierlei 
Ursprung derselben. — Die Oötter der hohen Mythologie. — Die 
Weltanschauungsprovinzen. — Deren Merkmale. Die Geschichte der 
Afrikaner. — Bezirke der Weltanschauung. — Verbreitung der 
Götternamen. — Veränderung der Götternamen und Götterbegriffe. 
- - Ableitungstabelle I Tschuku. — Ableitungstabelle II Tsui Goab. 

- Ableitungstabelle III Rupe. — Gleichheit der Motive bei formaler 
Verschiedenheit. — Unsere Kenntnis der Götter. 

Mit dem endgültigen Betreten des afrikanischen Bodens 
stehe ich anderen und andersartigen Aufgaben gegenüber. 
Wenn ich bisher ein Motiv, eine Mythe in den Östlichen 
Provinzen geprüft hatte, dann habe ich auch wohl schüchtern 
den Blick nach Afrika gewandt mit der Frage, ob es auch 
verwandtschaftliche Züge biete. Die Frage konnte in ge- 
wisser Weise stets bejaht werden. Deshalb muss ich selbst 
warnen, überschnell weiterzuschiessen, denn bis jetzt sind 
wohl einige Bausteine zu einer Weltanschauung der Afrikaner 
herbeigeschafft, noch ist aber nicht das Fundament gelegt. 

Die armen, oft wohl überschätzten, noch weit häufiger 
aber unterschätzten Neger sind bis jetzt schlecht fort- 
gekommen. Ihr Denken, Dichten und Glauben ward selbst 
von den trefflichsten Gönnern in den Mantel des „Fetischismus" 
gehüllt. Sie waren durch ihn wohl gegen den Ansturm 



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— '2 18 



der Gelehrten und Reisenden gesichert, wurden durch ihn 
aber im Zustand der Unfreiheit, niederdrückender Fesselung 
gehalten. Diese Banden, den trügerischen Fetischismus, 
galt es zu zerreisen. Ich glaube, das ist mir in den Studien 
zum Kameruner Schiffsschnabel gelungen. 

Denjenigen, der am tiefsten in die Geheimnisse der 
afrikanischen Weltanschauung eingedrungen war, Bastian 
nämlich, interessierte stets das einzelne Volk und die einzelne 
Rasse weniger als die ganze Menschheit. Wenn er daher 
auch bei weitem am meisten unter allen Ethnologen und 
Reisenden über die r Religion der Neger* gesonnen und 
gesammelt hat, so dienten ihm doch die Ergebnisse der 
Studien und Forschungen weniger zu dem Bemühen, die 
Weltanschauung in ihrer Einheitlichkeit gegenüber denen 
anderer Rassen und Völker darzustellen, als die Ideen 
und Ideenentwickelung r des Menschen" auch in den afri- 
kanischen Erscheinungsformen, in deren Charakterzügen 
und Nuancen aufzufangen und zu verstehen. Für die Lehre 
vom Menschen war das sicherlich sehr förderlich und es 
wird auch berechtigt gewesen sein, dem grossen Ziele die 
kleineren zu opfern, aber der afrikanischen Völkerkunde 
hat es mehr Verwirrung als Nutzen eingetragen. 

Wenn ich neben Bastians Arbeiten das Werk Schneiders 
stelle, so will ich damit Bastian in keiner Weise zu nahe 
treten. Ich will nur neben des grossen Gelehrten Leistungen 
auch die des Laien erwähnen. Wilhelm Schneider hat grosse 
Materialien gesammelt, zusammengefügt, die afrikanische 
Weltanschauung aber nicht im geringsten verstanden. 

Neben diesen die gesamten Afrikaner in den Rahmen 
der Besprechung beziehenden Werke kommen noch die 
Ethnographien und Reisewerke in Betracht. Die grossen 
„klassischen" Reisewerke sind nicht von Völkerkundigen, 
sondern von Botanikern, Zoologen, Offizieren, Geschichts- 
forschern und im besten Falle von Medizinern geschrieben. 



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219 — 



Es ist eine charakterische Thatsaehe, dass in dem geradezu 
idealen Werke Junkers über die Weltanschauung, über 
Mythologie oder Kultus absolut nichts von Belang zu 
finden ist. Im Üebrigeu haben sich die Verhältnisse im 
Laufe der letzten Jahre bedeutend gebessert und Männer, 
wie Stuhlmann und Baumann, haben in Anbetracht der 
kurzen Reisen sehr gute Berichte geliefert. Die hervor- 
ragendsten ethnographischen Monographien über die west- 
afrikanische Weltanschauung verdanken wir fraglos dem 
Engländer Ellis. Die Werke Calaways waren mir nicht 
zugänglich. — Wenn die Ethnographien nichts Selb- 
ständiges, Grosses geschaffen haben, so ist das natürlich, 
denn sie können erst dann die Ergebnisse der Ethnologie 
verwenden, wenn diese Wissenschaft ihnen ihre reifen 
Früchte überreicht hat. Dennoch darf nicht vergessen 
werden, dass auch die Ethnologie aus einem so mächtigen 
Werke, wie der Völkerkunde Ratzels, den ich den ersten, 
grossen Ethnographen nennen möchte, Anregung schöpfen 
muss. 

Das deutet schon den Unterschied meines neuen Arbeits- 
feldes an. So bedeutende Arbeiten, wie die von Schurtz, 
Schirren, Seier etc., fehlen. Hier reicht mir niemand 
die Hand. 

Es hiesse aber Ursache und Wirkung verwechseln, 
wollte man die Schuld den Gelehrten in die Schuhe schieben. 
Der Grund des grossen Mangels an Mitarbeitern und Vor- 
arbeitern liegt, wie in einer Beziehung schon oben ange- 
deutet ist, im Stoffe selbst. 

Die reichen Mythologien der Oceanier und Amerikaner, 
die in vieler Hinsicht unseren eigenen Dichtungen gar so 
fern nicht stehen, mussten Aufsehen erregen. Die frische 
Seeluft, die grossen Thaten der Wanderungen, die Gefahren 
und die Bannung an die Scholle haben einen freien Sinn, 
hohe Dichtkunst und edle Schöpfungen erzeugt. Das 



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— -2-20 — 



traurige Schicksal der zur Fried- und Ruhelosigkeit ver- 
dammten Afrikaner hat ein Gemisch von verkümmertem, 
grossem und gewuebertera, kleinem Anschauen und Denken 
hervorgebracht, das wenig sympatisch berührt, und dessen 
üppiges Füllhorn bei jeder Berührung eine Flut von 
Ordalien. Zaubereien, Hexenkünste und „Aberglauben" vor 
uns niederregnen lässt, die wenig angenehme Erinnerungen 
an unsere nicht allzu lange im Schoosse der Vergangenheit 
begrabenen Anschauungen und Handlungen hervorruft. 

Wenn ich alle Eigentümlichkeiten der afrikanischen 
Weltanschauung in einem Satze zusammenfassen soll, so 
kann ich mich kaum anders fassen als: Die afrikanische 
Weltanschauung ist ein unklares, flüssiges Ge- 
menge der niederen Mythologie, von welchem 
einerseits jede höhere Mythe nach längerer oder 
kürzerer Zeit absorbiert wird, das aber anderseits 
hie und da diese Stoffe als trübe und unreine 
Krvstalle wieder ausscheidet. 

Welchem Kreise von Sitten und Anschauungen wir 
auch naher treten, stets fällt die Uebermacht der abgeleiteten 
Motive auf, stets drängt sieh das Gefühl auf, dass die 
Anzahl der kleinen Gebräuche, Anschauungen, Motive oder 
um mit einem viel missbrauchten Ausdrucke zu reden, 
der Aberglaube nicht anders verstanden werden könne, 
als dass sie selbstständig gewordene, selbstständig sieb 
entwickelnde Teile einst grösserer Auschauungsgebilde seien. 
Deshalb spreche ich von den Fragmenten einer Welt- 
anschauung. 

Die Grundzüge der afrikanischen niederen Mythologie 
habe ich im Kameruner Schiffsschnabel versucht festzu- 
stellen. Heute nun sollen die „Götter" besprochen werden. 
Es soll sich zeigen, ob die verzerrten, lebensschwachen, 
halbverbannten, nur halb anerkannten afrikanisehen Gott- 



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— 221 



lieiten verkümmerte Reste aus besseren Zeiten oder ver- 
heissungsvolle Vorläufer einer grösseren Zukunft sind. 

Ich will hier die Frage, ob wir berechtigt sind, die 
afrikanischen Gottheiten überhaupt „Götter" zu nennen, 
nur insofern berücksichtigen, als ich betone, dass diese Be- 
zeichnung mit allem Vorbehalt verwendet ist. Dies musa 
um so mehr erwähnt werden, als diese Göttergestalten 
durchaus verschiedenen Charakters und verschiedener Ab- 
stammung sind und mir deshalb gleichartig und gleich- 
wertig erscheinen, weil sie eben der überwiegenden niederen 
Mythologie zufolge als meistens verblasste und zurück- 
gedrängte Gestalten im lichtlosen Hintergrunde stehen und 
schwer erkennbar sind. 

In ihrer Wesenheit scheinen mir die afrikanischen 
Götter dreierlei Ursprungs zu sein. 

Die erste Gruppe entsprosst der niederen Mythologie. 
Es sind Halbgötter, vergötterte Ahnen und Herrscher. 
Einerseits sind sie an bestimmte Namen gebunden, ander- 
seits an den Kollektivbegriff der Geister. Da der Tod 
die Brücke zu diesen Wesen bildet und der Mensch nach 
.afrikanischer Anschauung in der Vergeistigung schon ein- 
mal den Tod erlebt hat, so steht der Neger diesen Göttern 
sehr oft so nahe, dass .sie ihm befreundet sind. Zu diesen 
Göttern gehören die Fürsten oftmals schon zu Lebzeiten. 
Es ist aber wohl zu bemerken, dass eine lange Stufenleiter 
der Göttlichkeit in der Reihe dieser Gottheiten sich nach- 
weisen lässt. 

Im Gegeusatz zu den Gottheiten dieser ersten Gruppe 
sind die Götter der zweiten, die mystischen Götter, dem 
Neger sehr fremd. Er betet nicht zu ihnen, er schreibt 
ihnen keine Werke und Schöpfungen zu, sondern nur Gleich- 
gültigkeit und ein fernes Existieren. Sie entsprossen dem 
Gefühl, dass neben den von den Afrikanern so sorgsam 
beobachteten Ausnahmeerscheinungen eine noch unerkannte 



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I 

I 

— 2'2'2 — 

Regelmässigkeit in der Natur herrscht l ) ; sie sind gleich- 
sam die Personifikation des Rhythmus in der Natur. 

Die Gottheiten der dritten Gruppe sind es, die in den 
nächsten Kapiteln behandelt werden sollen; es sind die 
Götter der hohen Mythologie. Eine Kenntnis dieser ist über 
Afrika nur sporadisch verbreitet. Auf grosse Streckcu, 
in denen sie vollständig zu fehlen scheinen, folgen nur 
kleine inselartige Gebiete, in denen sie bekannt sind. Und 
selbst da. wo sie sich nachweisen lassen, sind sie oft arg 
verzerrt; oft existieren nur einzelne Bruchstucke und die 
sind noch mit den Farben der Gotter der anderen Gruppen 
übertüncht. 

Denn das beachte man vor allem: Schranken zwischen 
den Gottheiten der verschiedenen Gruppen giebt es nicht. 
Oft sind sie einander so ähnlich, dass man sie nicht unter- 
scheiden kann, und oft sind sie verwechselt. 

Ehe ich nun die Frage beantworten kann, ob es einen 
über ganz Afrika verbreiteten Gottesnamen giebt — sicher 
eine wichtige Frage! — muss die Thatsache und die Be- 
deutung der mythologischen Provinzen erörtert werden. 

Das Gebiet derjenigen Afrikaner, deren Weltanschaung 
uns, zwar nicht vollständig, wohl aber leidlich bekannt ist, 
ist verhältnismässig klein. Ausserdem müssen uoch die 
unter mohamedanischem Einflüsse stehenden sogenannten 
Berber und Berberverwandten in Abzug gebracht werden. 
Es sind also die Völker etwa südlich des 10. Grades nörd- 
licher Breite in Betracht zu ziehen. Unter diesen kommen 
noch die Buschmänner in Fortfall, deren Mythologie in 
Verbindung mit derjenigen der alten Aegypter als die Pole 
der afrikanischen Weltanschauung zu betrachten sind. 

Das derart stark zusammengeschrumpfte Gebiet ist 
um so leichter zu zergliedern, als in den erwähnten Vor- 

') ^Schiffsschnabel" 8. 54. 



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— 223 — 



Studien auf das Bestehen des „westafrikanischeu Kultur- 
kreises" hingewiesen ist. Diese westafrikanisohe Pro- 
vinz ist die wichtigste. Sie umfasst die Küstengelände 
von Senegambien bis nach Benguella. Die zweite südlich 
hieran, wenn auch nicht direkt sich anschliessende Provinz 
ist die der Hottentotten. Die Südafrikaner mit Ausschluss 
der Koikoin und Buschmänner stellen den Völkerkreis der 
dritten Provinz dar. Als vierte ist Madagaskar zu nennen. 

Ob die Massai und ihre Nachbarn eine weitere Provinz 
repräsentieren, ist wegen mangelnder Kenntnisse noch nicht 
feststellbar. Im Süden, und zwar seinen wichtigen süd- 
licheu und südwestlichen Teilen, in den Gebieten des oberen 
Schari, Uelle, Bahr el Ghasal-Arab, des oberen Sangha 
wohnen Völkerschaften, über deren Weltanschauung wir 
nichts wissen, die aber zu den wichtigsten des Kontinents 
gehören. 

Diese Provinzen tragen einen verschiedenen Charakter. 
Die westafrikanische Weltanschauung ist das Bild eines in 
vielen Farben schimmernden Mosaiks, die hottentottische 
dagegen ist einheitlich und einfarbig. Die madagassische 
Weltanschauung ist die Schwester der westafrikanischen, 
der sie im Charakter näher steht als der südafrikanischen. 

Die Weltanschauung ist in den Fundamenten iu allen 
vier Provinzen gleich. Der Unterschied in ihrer Erscheinung 
beruht in den durch die geographische Beschaffenheit be- 
dingten verschieden sozialen Verhältnissen. Westafrika ist 
das Land des Priestertums und der politischen Zersplitte- 
rung. In Westafrika beherrschen die Motive der Welt- 
anschauung, die mythologischen Ideen und der Kultur das 
ganze Leben. Südafrika ist das Land der grossen Staaten, 
grossen Kriege uud grossen Wanderungen. AVenn ein Volk 
zum Wandern und Staatengründen aufbricht, wird alles 
Priestertum iu den Hintergrund gedrängt. Mit dem aber- 
maligen Sesshaftwerden rücken die Ganga (afrikanische 



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— '224 — 

Priester) wieder in den Vordergrund, uod wenn die Staats- 
idee erschlafft ist, dann ergreifen sie das Zepter und halten 
es fest, bis die nächste Volkswelle das Land überwogt und 
mit dem alten Staate auch das Gangatum hinfortschwemmt. 

Denn diesem Schicksal fielen alle afrikanischen Reiche 
bis jetzt noch anheim; Melli im Norden, Congo im Westen. 
Monomotapa im Süden sind Beispiele aus der Vergangen- 
heit. In unseren Zeiten stürmten die Zuluregimenter über 
die Länder, ward das Muata-Jamwo-Reich zerrissen, wurden 
die Staaten des Tsadsees vernichtet, brechen die Haussa- 
staaten zusammen. 

Die Trümmer dieser Gebilde wurden oftmals an die 
Westküste getrieben, um so mehr als die Völkerströme 
meistens gen Westen sickern. Deshalb kann die west- 
afrikanische Provinz in Bezirke eingeteilt werden. Die 
wichtigsten derselben sind Loango, Ogovebezirk, Kamerun, 
Kalabar, Benin. Yoruba, Ewe (mit Dahome), Tschi (mit 
Aschauti), Liberia, Temne (mit Bullom), Bagos. Dazu 
können aber auch weit in das Land hinein sich erstreckende 
Ausläufer erkannt werden, die bis in das Nilbecken reichen, 
.sich am Congo und Benue-Niger weit hinaufziehen. Eine 
scharfe Grenze umrahmt die westafrikanische Provinz über- 
haupt nicht. Die Eigenart ihrer Weltanschauung flacht 
«ich nach Osten und Norden dem Innern zu ab. Ausserdem 
lassen sich insulare Kolonien, gleichsam Oasen im Innern, 
nachweisen. (Vergl. „Urspr. d. Afrik. Kulturen".) 

Wenn dieses Bild klar genug gezeichnet ist, dazu be- 
tlacht wird, dass Südafrika durch eine Linie, die von 
Kamerun zum Congobogeu und über den Nordrand des 
Viktoria nach Mombassa in Ostafrika läuft, in linguistischer 
Beziehung von Nordafrika getrennt wird, — dann wird 
wohl für jeden die Hoffnung, die oben angeregte Frage, 
ob sich über das ganze „nigritische" Afrika ein einheitlicher 



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— 225 — 



Göttername verbreitet findet, — bejahend beantworten zu 
können, sehwinden. 

Thatsächlich ist auch bis jetzt diese Thatsache, wenn 
auch nicht immer ganz sicher, stets bestritten worden, 
vielleicht deswegen, weil ihr, wie so mancher anderen der 
afrikanischen Völkerkunde, nicht die rechte Würdigung zu 
teil geworden ist. Vor allem ist aber bis jetzt ein Ver- 
fahren, das als falsch bezeichnet werden muss, eingeschlagen. 

Die stillschweigend allseitig acceptierte Prämisse, dass 
die Götternamen auf einem einzigen Gottesbegriff, einer 
feststehenden einheitlichen Basis sich erhoben hätten, ist, 
wie oben schon gezeigt, unberechtigt und die Wurzel der 
falschen Beurteilungs- und Behandlungsweise der afri- 
kanischen Götterlehre. Es giebt nicht nur drei Wurzeln, 
sondern auch dreierlei Zweig- und Blätterwerk, das oft im 
Dickicht so verwirrt ist, dass es nicht immer möglich ist, 
die Angehörigkeit eines Blattes zu einem Aste, einem 
Stamme und einer Wurzel festzustellen. Das ist so mit 
dem Sinn und ebenso mit dem Worte. 

Nun müssen wir die linguistische Eigenart der afri- 
kanischen Stämme kennen, die, wenn .sie unter der Wucht 
eines anstürmenden Volkes zu Grunde gehen, verschwinden, 
oftmals als Erbteil ihre Sprache demselben vermachen. 
Ich erinnere an die nördlichen Gebiete der Haussasprache, 
in denen schon seit langen Zeiten keine Haussaneger mehr 
wohnen (Asbiri), und an das kleine, jetzt fast vernichtete Völk- 
lein der Makololo, die ihre Sprache, das Sesuto, dem mächtigen 
Volke der Besieger überlassen hat, so dass es weiterlebt, 
wenn auch seine einstigen Träger verschwunden sind. 

Wenn nun unter dem übernommenen Wortschatze eines 
siegreichen Volkes sich Bezeichnungen für ihnen nicht 
eigene Begriffe finden, so wird das Wort so umgeformt, 
dass es einem ihnen bekannten Begriffe entspricht. Diese 
leichten Wandlungen von Wörtern in Form und Gestalt 

Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 1 5 



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— 226 — 

sind so häufig — man denke an Sambi, Zumbi, Sampi, 
Zunbi etc., Modimo, Modsimo, msimu etc. — dass ich 
darauf kaum weiter einzugehen brauche. Es ist das 
Gesetz von der Anpassung in Form und Gestalt 
(Gesetz der Einschaltung), als eine Variante des Gesetzes 
vom Wandel der Beweggründe, dasjenige, dessen Kenntnis 
dringend notwendig ist, wenn man ein Verständnis für die 
Art sowohl der Verbreitung von Götter namen als auch 
diese selbst gewinnen will. 

Ich will an dieser Stelle nur ein Beispiel geben, auf 
welche Weise die Beziehungen der Götternamen erkannt 
werden, nämlich durch Vergleichung der Formen. Ich 
nehme einen der bekanntesten Götternamen Westafrikas; 
ich gehe von Tschuku aus. 



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— 227 — 



1. Ableitungstabelle. 



Name 


Bedeutung 


Nebenbe- 


Volk 


Autor 




deutung 














iBurdo S. 97 


Tschuku 


Gott 




Bei den Ibo und in 
Kalabar 


[Baikie S. 311 
t Oldendorp S.346 


Dsuku 




Himmel 


Bei Isoama und 


Koelle P. A. 








Mbofia 


Tuku-Tuku 


Bezeichnung 


Aioino u. 
Europäer 

ff CI ULJl 

ihrer 
weissen 
Hautfarbe 
wfiffm mit 

Ehrfurcht 
u. als Gei- 
ster be- 


Am oberen Kongo 

• 


Jameson S. 200 
• 


Toka-Toka 


Bezeichnung 


trachtet. 
Vergl. 


Bakuba 


Wissmann Wolf 




der Albino 


Kap. 17. 


S. 248 


Tsoka 


Devil u. Idol 




Moravi am Niassa 


Koelle P. A. 


8oko 


Gott 




Nupe und Basa 




Soko 






Unti-Fürstentum 


Bastian : Loango- 


Tt 

Der als Ahne 




Bondu 


küste, Bd. 1,8.113 
Livingstone: 


Soko 


verehrte 
Gorilla 




Manjema 


-Letzte Reise", 
Bd. II, 8. 64 


Suku 


Gott 




Angola, Lunda 


Brinker 8. 1 u. 3 


Bokoa 


n 




Esitako 


Koelle PA., 


Seakoa 






Goali 


Tab. 78 

Pringel, 
Hahn, 


Touquo 


Vvgl. Kap. 15 






Schmidt, 


Tikoa 




Hottentotten 


Bleek, 


Taui-Goab 


• 






Moffat, 

Anderson etc. 



15* 



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— 228 — 



2. Ableitungstabelle. 



Name 



Tsui Goab 
andere Les- 
arten dessel- 
ben Namens 
Touquo 
Thuikwe 

Tikoa 
Tsuikwap 
Tschukoap 

Tuiko 

Utixo 
Tschikob 

Nikob 
Niekob 
Nyikoab 
Niekob 
Niekuob 
Niekob 

Nikob 

Nyekomm 
Niekam 

Ndsakumba 
Gumba 

Neiterkob 
Niankupong 




Nebenbe- 
deutung 



> 



Gott 




Hottentotten 



Himmel 

(Keput- 
Himmel 
beiBalu) 



n 



Ahnherr 

Blitz 
Ahnherr 



Autor 



Verschiedene 
Autoren 



Buschmänner 

Kaffern 

Südl. Kongogebiet 

Bayon 
Pati 
Balu 
Kum 
Momenya 
Papiah 
Param 

Schilluk 
Bajansi 
Sande 

Massai u. Wakuafi 
Tschi 



Ratzel: „Völkerk.», 
1. Aufl., Bd. I, S. 107 

Brinker, S. 3. 
Moffat und andere 

Kropf, 8. 186 



^ Koelle P. A., 
Tab. 74/75 



Pettermann und 
Hassenstein, S. 28 

Schneider, S. 81 
fSchweinfurt, S.247, 
\v.d. Decken II,S.22 

Krapf, Bd. II, S. 269 
Ellis, Steiner u. a. 



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— 229 — 



3. Ableitungstabelle. 



Name 


1 Be- 
deutung 


Nebenbe- 
deutung 


Volk 


Autor 


Lobe 
Rupe 

Loba 

Loba 
Lebe 
Rubi 

Lubari 

Njuba 
Kruwa 
Eruwa 
Suwa 

Cruwa und\ 
Thuwa / 

Erua \ 
Eruwa / 

Thuwa 
Ntuwa 

Djua 


^ Gott 

f " 

Götter 
Gott 

w 

T> 
1> 

n 
n 

W 


Himmel 

Sonne 

und 
Himmel 

Sonne 

Sonne 
y> 

v 


Bube 
Bakwiri 

Kamerun 

Uganda 

Wadjagga 
Wateita und 
Nachbarn 

Wadsehagga 

Wapare 
Kongo 

Ostafrika 


Bastian, San Salvador, 
S. 317; Baumann. Fer- 
nando-Po, S. 108 

Zoller, Kamerun, Bd. II, 
S. 57; Steiner im „Glo- 
bus", Bd. 63, S. 53 

Schwarz, S. 245, Schnei- 
der, 8. 254, Steiner ebda. 
S. 53, Ratzel, Völkerk., 
Bd. II, Kap. 4, S. 40 

Stuhlmann, S. 188 
j Schneider 8. 87 

Krapf, Bd. II, S. 38 u.22 

New S. 458 

| Schneider, 8. 87 

Burton, Lake Region, 
Bd. II, S. 34« 


Dso 
Zo 
So 

Zo 


\Gott des 
j Feuers 

■n 


y> 
n 


Ewe 
Yoruba 


Ellia: „Ewe«, S. 46/47, 
Skerchley, 8.471, Bur- 
ton: Dahom., II, 8. 142 

Ellia, Yoruba, Bd. II, 
S. 148. 



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— 230 — 



Diese Reihen könnten noch um ein Beträchtliches 
verlängert und erweitert werden, doch würde das kaum 
eine grössere Klarheit erzeugen 2 ). Diese Reihen kann 
man auch anderweitig auffinden, sogar in Oceanien, einem 
Gebiete, in welchem die Götter und ihre Namen im All- 
gemeinen scharf begrenzt genannt werden können. Der 
Gott, der einstmals sicher, einst höher verehrt wurde, 
Tangaroa kehrt anscheinend in entfernten Gegenden unter 
sonderbarem Namen wieder. In Polynesien treffen wir noch 
Tangaloa und Kanaloa, in Melanesien Tangaro (Banks) und 
Tagaro (Neu-Hebriden) 3 ), auf den Marianen die Bezeichnung 
für Unterwelt Zazarragua 4 ), auf Madagaskar Zanhare oder 
Zanaharv 5 ) den höchsten Gott. 

Die Tabellen lehren das Gleiche, was schon frühere 
Studien ergaben. Es sind diese Götternamen nicht be- 
ziehungslos entstanden. Dasselbe Ergebniss lieferte die 
Betrachtung der niederen Mythologie. Deren Motive waren 
auch überall die gleichen. Wenn ich daher jetzt an die 
höhere Mythologie herantrete, so darf ich voraussetzen, 
dass, in welcher Gestalt die Motive sich auch in den einzelnen 
Provinzen zeigen, sie doch sicher ursprünglich verwandt 
oder gleich sein müssen. 

Welches nun aber werden die Götter der höheren 
Mythologie sein? Die mystischen der zweiten Gruppe sind 
überall leicht zu erkennen. Es sind die von den Reisenden 
oft genannten. Die meistgenannten müssen in dem Erd- 
teile der niederen Mythologie die Ahnengötter, die wahren 
Halbgötter sein. Es bleiben die wenig Genannten leider 
übrig. 

2 ) Auch könnten noch einige sehr klare Reihen aufgeführt 
werden. Z. B. die Ableitung von Oro. 

3 ) Codrington S. 156 und 168. 
*) Rienzi Bd. II S. 67. 

») Ellis: „Hist. of Mad.« Bd. I S. 3901. Copland 8. 63/4. 



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— 231 — 



Ich greife noch einmal zum Schlüsse auf die Be- 
trachtung der einzelnen Provinzen und Bezirke zurück. 

Es giebt überhaupt nur wenige Bezirke, aus denen 
wir Erzählungen von Mythen kenneu. Die hauptsächlichsten 
sind: Yoruba, Uganda, Nama, Usuto (mit den angrenzenden 
Zululänder). Ich will zwei Götter, einen der westlichen 
Provinz aus dem Bezirke Yoruba und einen aus der süd- 
lichen Provinz, dem Bezirke Usuto, vergleichen: Schango 
und Hubeane. 



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XIV. Kapitel. 
Schango und Hubeane. 



Schangos Beziehungen und Verwandtschaft als Gott. — Schango 
als König. — Schango als Oott. — Schangos Erde. — Schango der 
„Flammende*. — Schanges Verfolgung der Oja. — Schango als 
Sonnengott. — Hubeane und Modimo. — Hubeanes Tod und Auf- 
erstehung. — Hubeane oder Litaolane und Kammapa. - Litaolane 
wird verfolgt. — Hubeane ein Sonnengott. — Oceanische Parallelen 
zu Hubeane und Schango. — Die letzten unverfälschten Sonnengöttter. 

Schango (Yoruba). 

1. Schango ist der zweitgeborene Sohn der Yemaja 
(des Meeres); Oschumare, der Regenbogen ist sein Diener, 
der in den Wolken Wasser von der Erde in seinen Palast 
tragen muss. Ära, das Donnergrollen, ist sein Bote, den 
er mit lautem Geräusche aussendet. Der kleine Vogel 
Papagori ist ihm heilig und die Verehrer des Gottes ver- 
stehen den Ruf desselben, Oya (der Niger), Oschun und 
Oba (zwei Flusse gleichen Namens) sind unter seinen 
Schwestern seine Frauen. Alle drei begleiten ihren Ge- 
mahl beständig und zwar tragen ihm Oya mit ihrem Boten 
den Afefe (den frischen Wind), Oschun und Oba Bogen 
und Schwert. Schangos Sklave, Bin (die Finsternis) geht 
in seinem Gefolge. Die Farben Schangos sind rot und 
weiss. Er wird im Allgemeinen als Gott des Blitzes und 
Gewitters angesehen 1 ). 

») Ellis: „Yoruba" S. 46-49. 



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- 233 — 



2. Diese Halbgottheit ward zu lfe geboren und regierte 
in der kürzlich zerstörten Stadt Ikoso; andere sagen, er 
sei ein aus Nupe stammender Gott. Er hatte einen Palast 
von Messing und hielt einen Stall von 10000 Pferden. 
Das zeigt, dass er anfangs nur ein Sterblicher war. Er 
ging von dannen, um im Himmel zu leben, wo er im 
Staate herrscht, jagt, fischt, Märkte abhält und Kriege führt. 

Der abstrakte Schango ist der Enkel von Aganju („Die 
Wüste oder das Firmament"), ein Nachkomme von Okikische. 
Sein Vater ist Orungan (der Mittag), seine Mutter ist 
Yemaya oder Jjemaja („die Mutter der Fische"), einem 
unbedeutenden Flusse in Yoruba. Sein älterer Bruder ist 
Dada oder die Natur — von „da" erschaffen — , sein 
jüngerer ist der Fluss Ogim; sein Freund und Bundes- 
genosse ist Orischako (Gott der Farmen); sein Sklave ist 
Biri (die Dunkelheit); seine Frauen sind die Ströme Oya 
(der Niger), Oschun und Obba; sein Priester ist Magba (der 
Empfänger). 

Schangos Verehrer tragen seine Tasche, weil er ein 
Freund von räuberischen Kriegen ist. Sachlich ist er der 
Gott des Donners, Blitzes und Feuers. Er wird auch 
Jacuta oder Steinwerfer genannt und beschützt die Guten. 
Er ist aber vor allem der Protektor der Krieger, Jäger 
und Fischer 2 ). 

3. Sangö = the god of thunder and lightning; 
Sankü = to die in the prime of life or prematuraly 3 ). 

4. Schango war früher ein König, der späterhin zum 
Gotte ward. 

Er war Herrscher zu Ovo, der Hauptstadt Yorubas. 
Er war so grausam, dass Häuptlinge und Volk ihm eine 
Calebasse voll Papageieneiern schickten mit der Botschaft, 

3 ) Burtm: „Abeokuta* S. 187 8. EMa|: „ Yoruba" S. 46/7. 
3 ) Crowther: „Dictionary" S. 261. 



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— 234 — 



dass er durch die Regierungsgeschäfte müde sei und schlafen 
gehen solle. Der König rief seine Anhänger zusammen, 
doch sie fielen und er musste sein Heil in der Flucht 
suchen. Er verliess die Stadt bei Nacht, nur von einem 
Sklaven und einer Frau begleitet. Er trachtete danach 
nach Tapa am Niger, dem Wohnorte seiner Mutter, zu 
kommen. Wahrend der Nacht bereute seine Frau ihre 
Handlung ebenfalls und verliess ihn. Er wandelte nun 
mit seinem Sklaven im Walde umher, nach einem Aus- 
gang fahndend. Zuletzt Hess er den Sklaven zurück mit 
den Worten; „Wart hier bis ich zurückkomme, wir wollen 
dann den Ausgang weiter suchen. u Der Sklave wartete 
umsonst auf Schango. Da machte er sich auf die Suche 
und fand, dass er sich erhängt hatte. Er fand den Aus- 
gang aus dem Walde und gelangte nach Oyo, wo er die 
Märe kundthat. 

Da * befiel die Häuptlinge und Edleu ein grosser 
Schrecken. Sie gingen hin und suchten den Leichnam, 
Sie fanden ihn aber nicht mehr, wohl aber eine tiefe 
Grube, aus der das Ende einer eisernen Kette hervorragte. 
Sie konnten lauschend Schangos Stimme in der Tiefe ver- 
nehmen. Da bauten sie an der Stelle einen kleinen Tempel 
und Hessen zum Dienste des neuen Gottes einen Priester zurück. 

In der Stadt sagten sie: „Schango ist nicht tot; 
Schango ist ein Orischa geworden. Er ist unter die Erde 
gegangen und lebt bei den Toten, mit denen wir ihn 
sprechen hörten." Als aber Zweifler und Spötter sagten: 
„Schango ist tot, Schango hat sich selbst erhängt 1 ', da kam 
der Gott in einem Gewittersturm selbst und erschlug viele 
der Ungläubigen, um seine Macht zu zeigen. 

Der Platz, wo Schango in die Erde gestiegen war, 
ward Kuso genannt; bald entstand an demselben eine 
grosse Stadt. Viel Volk zog hin. um dort zu wohnen 4 ). 

4 ) Klli»: „Yuruba" S. 50 f>2. 



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235 - 



5. Eine andere Mythe macht Schango zum Sohn von 
Obatalla 5 ). Er war verheiratet mit Oya, Oschun und Oba, 
den drei Wassergöttinnen. Als irdischer König regierte 
er zu Oyo. 

Die Mythe erzählt, dass Schango eines Tages von seinem 
Vater ein mächtiges Zaubermitte] erhielt. Der davon Ge- 
niessende ward in den Stand gesetzt, jedes Hindernis zu 
überwinden. Schango verzehrte den grössten Teil und 
gab den Rest Oya mit dem Auftrage, ihn zu verwahren. 
Als er sich aber angewandt hatte, ass diese den Rest selbst. 

Wie gewöhnlich versammelten sich am nächsten Morgen 
die Edlen und Häuptlinge zum Ratsprechen uud Ratschlagen. 
Alle sprachen nacheinander. Als aber Schango zu sprechen 
begann, schlugen Flammeu aus seinem Munde und es befiel 
alle ein gewaltiger Schrecken. Ebenso lohten aus dem 
Munde der Oya. die die Mädchen und Frauen des Palastes 
schelten wollte. Flammen, so dass alles entsetzt von dannen 
lief und der Palast bald ganz verlassen war. 

Da sah Schango, dass er als (iott niemand unter- 
geordnet sei und berief seine drei Frauen. Er nahm eine 
lange Eisenkette in den Mund, stampfte mit den Füssen 
auf die Erde, die sich sogleich unter ihm öffnete und stieg 
mit seiuen Frauen hinab. Die Er.de schloss sich wieder, 
aber das Ende der Kette blieb am Tageslicht 0 ). 

6. Seit Schango mit seinen drei Frauen in die Erde 
hinabgestiegen war, kam er oftmals zur Welt zurück. 
Eines Tages, als er unten in der Tiefe Oya gescholten 
hatte, weil sie von seiner Medizin gestohlen hatte und 
sie, erschreckt durch seine Gewaltsamkeit, von dannen 
geflohen war, suchte sie Zuflucht bei ihrem Bruder, dem 
Seegotte Olokun. 

6 ) Der Gott des Himmels im Gegensatz zu dein dev Krde. 
•) Ellis: „Yoruba" S. .Vi 3. 



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— 236 — 

Als Schango von ihrem Aufenthalt gehört hatte, that 
er einen heiligen Schwur, sie so zu schlagen, dass sie 
seine Streiche nie vergessen solle. Am nächsten Morgen 
stieg er mit der Sonne empor, verfolgte sie den 
ganzen Tag auf ihrem Laufe und erreichte mit ihr am 
Abend den Platz, wo Himmel und Erde sich be- 
rühren. Er stieg hinab in das Land seines Bruders 
Olokun. Die Sonne hatte absichtslos Schango den Weg 
über den Himmel zu Olokuns Palast gezeigt. Schango 
war es schwer gefallen, ihr zu folgen, ohne gesehen zu 
werden und sich zu verbergen, wenn sich die Sonne umwand. 

Als Schango Olokuns Palast erreichte und daselbst 
Oya sah, machte er ein grosses Geschrei und viel Bewegung. 
Er stürzte vorwärts, um sie zu ergreifen, doch Olokun 
hielt ihn fest. Wie nun die zwei miteinander kämpften, 
lief Oya mit ihrer Schwester Olosa (der Lagune) von 
dannen. Als Olokun sah, dass Oya entschlüpft sei, Hess 
er Schango frei, der nun, ergrimmter denn vorher, drohend 
und fluchend hinter seiner Frau herlief. In seiner Wut 
riss er Bäume rechts und links vom Wege mit den Wurzeln 
aus. Oya sah vom Hause ihrer Schwester aus, wie Schango 
über die Bänke der Lagune daherkam. Wohl wissend, 
dass Olosa sie nicht zu schützen vermöge, begann sie die 
Flucht von neuem und eilte an den Ufern entlang zu 
dem Platze, wo die Sonne untergeht. 

Als sie so rannte und Schango heulend und brüllend 
hinter ihr herhetzte, stürzte sie sich in ein Haus, das am 
Wege stand und flehte den Mann, der darin war, um seinen 
Schutz an. Sie bat diesen, den Huisi, sie zu verteidigen. 
Huisi fragte, was er, der Mensch, gegen Schango ausrichten 
könne. Da gab ihm Oya von der Medizin, die sie ihrem 
Manne gestohlen hatte, zu essen. Darauf ward Huisi ein 
Orischa und versprach, sie zu schützen. 



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— 237 — 



Als Schango näher kam, rannte Huisi zu den Bänken 
der Lagune und zog einen mächtigen Baum mit den 
Wurzeln heraus, ihn gegen Schango in der Luft schwingend. 
Da kein weiterer Baum in der Nähe stand, ergriff Schango 
das Boot des Huisi und schwang es in die Luft gleich 
einer Keule. Als die beiden Waffen gegen einander sausten, 
zerbrachen sie in Splitter. Dann rangen die beiden Orischa 
mit einander; Flammen schlugen aus ihrem Munde und 
die Füsse traten klaffende Spalten in den Boden, als sie 
sich so hin und herschleuderten. Der Kampf währte eine 
Zeit, ohne dass der eine des anderen Herr zu werden 
wusste, bis zuletzt Schango, wuterfüllt, einsehend, dass er 
hintergangen sei und fühlend, dass seine Kräfte nachliessen, 
auf den Boden stampfte, dass die Erde sich aufthat und 
hinabfuhr, Huisi mit hinabziehend. Am Ende des Kampfes 
war Oya nach Lokoso (bei Porto Novo) geflohen. Dort 
blieb sie und das Volk baute einen Tempel, sie darin zu 
verehren. Für Huisi, der infolge der genossenen Medizin 
ein Gott geworden war, wurde auch ein Tempel gebaut 
und er so auf dem Platze, wo er mit Schango gefochten 
hatte, verehrt 7 ). 

Ein Gott, der in einem strahlenden Messingpalaste 
wohnt, in dessen Gefolge die Finsternis wandelt, ist ein 
Lichtgott. Die letzte Mythe beweist aber auch, dass Schango 
ein ausgesprochener Sonnengott ist. 

Schango steigt mit der Sonne empor und verfolgt ihren 
Lauf bis zum Meere. An dem Platze, wo die Sonne unter- 
geht, geraten Huisi und Schango in Streit. Flammen 
schlagen aus ihrem Munde (das Firmament ist in der Abend- 
sonne rot Übergossen). Doch Schango fühlt seine Kräfte 
ermattet, er stampft auf den Boden, und der Sonnen ball 
sinkt unter. 

T ) Elli» : „Yoruba" 8. 54—56. 



I 

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L>38 — 



Damit ist auch leicht die Bedeutung der Medizin" 
zu finden. Es ist das gleiche Zaubermittel, das Schango 
von seinem Vater erhalten hat und von dem die Oya auch 
geniesst. Als der nächste Morgen graut, lohen Flammen 
aus ihrem Munde (Sonnenaufgang). Da erkennt Schango, 
dass er als Gott nicht in diese Welt gehört. Er stampft 
auf den Boden und sinkt in die Tiefe (Sonnenuntergang). 

So ist mit Leichtigkeit der grösste Teil der Einzel- 
heiten zu entziffern, wie das noch gezeigt werden soll. 
Schango ist ein typischer Sonnengott, dem auch die be- 
deutungsvolle Eigenschaft der ewigen Jugend und des 
täglichen Todes in jugendlichem Alter nicht fehlt. Denn 
Sanku heisst: to die prematurely. 



Hubeane 8 ) (Basuto). 

1. Im Anfange war Modimo, der alles gut erschaffen, 
nur nicht den Menschen, welcher bald dem Verderben und 
dem Tode anheimfiel. Derselbe Modimo hatte viele Frauen 
und Knechte, auch grosse Herden, die aber noch nicht Junge 
warfen. Sein Sohn Hubeane musste sie weiden und machte, 
dass die Kiihe Kälber und die Schafe und Ziegen Lämmer 
bekamen. Er zeigte sie seinem Vater Modimo und fragte: 
„Woher kommen die?" Der Vater sagte: „Ich weiss es 
nicht!" Da schlug ihn Hubeane mit seinem Stabe und 
sagte: „Du weisst das nicht? Sie kommen von mir!" Dann 
schlug er seinen Vater abermals, so dass er floh. Hubeane 
aber machte unter einem Ameisenhaufen eine grosse Höhle 
und versteckte darunter seine Lämmer. Nach einiger Zeit 
machte Modimo ein grosses Mahl und sagte dann zu Hubeane, 

8 ) Merensky schreibt: „Hubeane." Endemann: „Xuveane u . Wange- 
mann: „Chobeane." Haarhoff: „Litaolane. tt Da es mir nunmehr so 
scheint, als ob der grösste Teil der Mitteilungen von Merensky, 
sicher also von einem der besten Kenner der Basuto stamme, so 
habe ich dieser Schreibweise der anderen vorgezogen. 



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- 239 — 



sie wollten gehen und ihre Herden besichtigen. Draussen 
liefen die Schafniütter alle blökend auf den Ameisenhaufen 
zu, in welchem die Lämmer waren. Hubeane musste ihn 
öffnen, und die Lämmer sprangen alle heraus. Modiino 
fragte wieder: „Woher kommen diese?" Hubeane aber 
brachte jedes Lamm zu seiner Mutter und schlug dabei 
jedes Mal wieder seinen Vater mit dem Hirtenstab auf 
den Rücken. 

Dieser schwieg auch jetzt noch dazu ganz still und 
stieg dann mittels einer Leiter auf einen hohen Fels, um 
dort frisches Wasser aus dem Brunnen zu trinken. 

Sobald er oben war, nahm Hubeane die Leiter weg, 
eilte nach Hause, verkleidete sich in seines Vaters Kleider, 
deckte die Fleischtöpfe auf und verzehrte mit Modimos 
Frauen und Knechten die ganze Mahlzeit. Dann füllte er 
die Töpfe wieder mit Dünger vom Rinde und deckte sie 
wieder zu. Darauf ging er zu seines Vaters Weibern und 
verkehrte mit ihnen, als wäre er selbst Modimo, und nie- 
mand wurde den Betrug gewahr. 

Darauf legte er Modimos Kleider wieder ab, eilte zu 
dem Vater zurück, setzte die Leiter an den Fels, und als 
er am Abend mit ihm wieder heimgekommen war, sprach 
er zum Vater: „Bringe nun Deine Fleischtöpfe vor, sonst 
wird sich der Inhalt in Unrat verwandeln." Der Vater 
antwortete: „Du Narr, fasele doch nicht von unmöglichen 
Dingen!" Als er aber endlich die Töpfe aufdeckte, fuhr 
er entsetzt zurück, forschte den Dingen nach und erfuhr 
die Schalkheit seines Sohnes. 

Nun beschliesst Modimo, seinen Sohn zu töten und 
setzt ihm eine Schüssel mit vergiftetem Brei vor. Der 
aber verwechselt schnell seine Schüssel mit der seines 
Bruders und merkt aus der Warnung des Vaters, dass der 
Bruder nicht von dem Brei essen solle, die „vereitelte Ab- 
sicht des Modimo". Derselbe lässt nun unterhalb des 



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— 240 — 



Sitzes von Hubeane eiiie Fauggrube anlegen, in welche er 
bei der nächsten Mahlzeit stürzen soll. Hubeane aber 
wechselt den Platz und drängt seinen Bruder auf den Platz 
der Fallgrube, so dass der hineinstürzen muss. 

Hierauf ersinnt Modiino eine neue List. Er bindet 
in ein grosses Bündel Gras einen Mann mit einem Assagaie 
und befiehlt ihm, denjenigen, der das Bündel tragen würde, 
zu erstechen. Dann befiehlt er Hubeane, dieses Bündel 
hereinzuholen. Hubeane aber nimmt Pfeil und Bogen mit 
und sagt: „Zuerst muss ich doch sehen, ob ich noch schiessen 
kann." Er schiesst in das Grasbündel, so dass der in 
demselben verborgene Mann erschrocken aufspringt und 
das Weite sucht. „0!" sagt Hubeane, „fängt das Gras an 
zu laufen?" und sendet einen zweiten Pfeil, der den Manu 
erlegt. 

Dann stellt sich Hubeane dumm. Er tötet beim Hüten 
ein Zebra und giebt den Leuten, die ihn fragen, wo er 
gehütet habe, die Antwort: „Beim farbigen gestreiften 
Berge!" und führt, als die Leute von einem solchen Berge 
nichts wissen, sie zu dem Zebra. Sie sagen: „Wenn Du 
wieder etwas schiessest, musst Du Zweige darüber decken 
und rufen: „Ich habe getötet!" Er schiesst darauf ein 
Vöglein, kleiner als der Zaunkönig, häuft einen grossen 
Berg von Zweigen darüber und schreit: „Ich habe getötet!" 
Die Leute laufen nun herbei, um das Fleisch zu holen und 
fragen: „Wo ist das Wild?" Er antwortet: „Dort unter 
den Zweigen." Sie decken dieselben ab und finden nichts. 
Sie fragen wieder: „Wo ist das Wild?" Da zeigt er ihnen 
das Vöglein. Etliche der Männer lachen, andere ärgern 
sich; sie sagen aber zu ihm: „Das ist kein Zebra, das Tier 
nennen wir ein Vöglein." 

Das Ende ist, dass der Vater vor den Nachstellungen 
des Sohnes entfliehen muss und dass Hubeane nun Allein- 
herrscher ist. Wo Modimo geblieben ist. weiss niemand; 



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— 241 



von Hubeane aber sagen die Basuto, seien die Menschen 
erschaffen 9 ). 

2. Hubeane ist der Sohn eines Weibes, das nach Ver- 
schlingung der übrigen Menschen durch ein Ungeheuer allein 
noch am Leben geblieben war. Plötzlich zu einem kraft- 
vollen Jünglinge erstarkt, will er dem Menschenmörder 
seine Beute entreissen, geht aber denselben Weg wie die 
anderen. Jedoch schneidet er behutsam ein Loch in den 
Bauch des Ungeheuers, schlüpft heraus und alle, die ver- 
schlungen waren, folgen nach. Die Geretteten haben ihm 
aber schlecht gelohnt, da sie ihn wegen seiner Klugheit 
und Macht beneideten und verfolgten, ohne ihm jedoch 
schaden zu können 10 ). 

3. Uns wird erzählt, dass früher einmal alle Menschen 
zu Grunde gingen. Ein ungeheures Tier, Kammapa mit • 
Namen, verschlang sie alle, gross und klein. Es war ein 
schreckenerregendes Geschöpf. Die Entfernung von einem 
Ende des Körpers zum anderen war so bedeutend, dass 
kaum das schärfte Auge sie auf einmal übersehen konnte. 

Nur ein Weib blieb auf Erden zurück, das entging 
der Wildheit Kammapas, da es sich sorgfältig vor ihm ver- 
barg. Diese Frau empfing einen Sohn und brachte ihn in 
einem alten Stalle zur Welt. Sie war überaus überrascht, 
als sie bei näherer Besichtigung des Kindes fand, dass sein 
Hals mit einem Halsband von bezauberndem Schmucke 
geziert war. „Weil das so ist," sagte sie. „soll sein Name 
Litaolane oder der Bezauberer sein. Armes Kind! In was 
für einer Zeit ist es geboren! Wie wird es möglich sein, 
dem Kammapa zu entgehen! AVas kann ihm sein Schmuck 
nützen? 44 

") Wangemnim: „Lebensbilder 14 S. H2 -4. Merensky: „Beitrüge" 
8. 124. Endemann S. 43 4. 

,0 ) Merensky: „Beiträge" S. 124. 
Frobcnius, Weltanschauung der Naturvölker. 16 



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— 242 — 



Wahrend sie so sprach, las sie ein wenig Stroh auf, 
um für ihr Kind ein Lager herzurichten. Als sie den Stall 
wieder betrat, war sie starr vor Ueberraschung und Schrecken; 
das Kind hatte bereits die (J rosse eines erwachsenen Mannes 
erreicht und sprach Worte voll Weisheit. Litaolane trat 
ins Freie und war erstaunt über die Einsamkeit, die um 
ihn herrschte. „Mutter, u sagte er, „wo sind die Menschen? 
Sind keine ausser Dir und mir auf der Erde?" „Mein 
Kind, u sagte die Frau zitternd, „noch vor kurzer Zeit waren 
die Thäler und Berge mit Menschen bedeckt; aber ein 
Untier, dessen Stimme die Felsen erzittern lasst, hat sie 
alle verschlungen." „Wo halt sich dieses Untier auf?" 
„Dort ist es, nahe bei uns." 

Litaolane nahm ein Messer und ging, taub gegen die 
Hellenden Bitten seiner Mutter, um den Y T erschlinger der 
Welt anzugreifen. Kammapa öffnete seinen schrecklichen 
Rachen und verschlang ihn. Aber das Kind des Weibes 
war nicht tot. Es betrat, mit seinen Messer bewaffnet, 
den Magen des Ungeheuers und zerschnitt seine Einge- 
weide. Kammapa brüllte fürchterlich und brach zusammen. 

Sofort begann Litaolane sich einen Ausweg zu bahnen, 
aber die Spitze seines Messers liess tausende aufschreien, 
die mit ihm lebendig begraben waren. Zahllose Stimmen 
Hessen sich von allen Seiten vernehmen, die ihm zuriefen: 
„Nimm Dich in Acht. Du durchbohrst uns." Es gelang 
ihm eine Oeffnung zu machen, durch welche die Völker 
der Erde mit ihm aus dem Bauche Kammapas heraus- 
kamen. 

Die vom Tode erretteten Menschen sprachen unter- 
einander: „Wer ist der Mann, der vom Weibe geboren, 
nie die Spiele der Jugend erfahren hat ? Woher kommt 
er? Er ist ein Ungeheuer, kein Mensch. Er kann mit 
uns nichts gemein haben. Lasst uns ihn zwingen 
von der Erde zu verschwinden." Mit diesen Worten 



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— 2^8 — 



machten sie eine tiefe Grube, deckten ein wenig Gras 
darüber und richteten darauf einen Sitz her. Dann lief 
ein Bote zu Litaolane und meldete ihm: „Die Aeltesten 
Deines Volkes sind versammelt und wünschen dass Du 
kommest und in ihrer Mitte Platz nehmest/ 4 Das Kind 
des Weibes kam, aber als er dem Sitze nahe war, stiess 
er schlauerweise* einen seiner Gegner darauf, der äugen-, 
blicklich für immer verschwand. 

Darauf sprachen die Menschen untereinander : „Litaolane 
ist gewohnt, im Sonnenschein bei einen Binsenhaufen zu 
ruhen. Wir wollen einen bewaffneten Krieger in den 
Binsen verstecken." Dieser Anschlag gelang nicht besser 
als der frühere. Litaolane wusste alles; und seine 
Weisheit machte stets die Bosheit seiner Verfolger zu 
Schande. 

Mehrere von ihnen fielen, als sie sich einst bemühten, 
ihn in ein grosses Feuer zu werfen, selbst hinein. 

Als er eines Tages heiss verfolgt wurde, kam er an 
das Ufer eines tiefen Flusses und verwandelte sich in einen 
Stein. Seine Feinde überrascht, ihn nicht zu finden, er- 
griffen den Stein und warfen ihn auf die andere Seite hin- 
über, wobei sie sagten: „Damit möchten wir ihm das Haupt 
zerschmettern, wenn wir ihn auf der anderen Seite sehen 
würden." Der Stein wurde wieder zum Manne und Lita- 
olane lächelte furchtlos, wie sie ihrer Wut in Geschrei und 
drohenden Bewegungen Luft machten. 

Die heutigen Eingeborenen sagen, dass sie keine Aus- 
legung dieser seltsamen Sage geben können" u ). 

Natürlich ist Litaolane mit Hubeane zu identifizieren. 
Dieser Gott, der plötzlich empor wächst, dessen prächtiges 
Geschmeide Ursache des Namens und der Zauberkraft ist. der 
Gott der Fruchtbarkeit, dem niemand etwas anhaben kann,, 

") Haarhoff S. 17 20. Endemann S. 64. 

16* 



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— 244 — 



der muss entweder als ein Sonnengott entstanden sein, oder 
unter dem Kinflusse eines solchen dessen Eigenschaften über- 
nommen haben. 

Die grosse Mythe von Litaolane ist natürlich eine 
Sonnenmythe. Er wächst im Dunkeln (Stalle) geboren 
plötzlich empor. Er wird verschlungen (Sonnenuntergang) 
aber er zerschneidet die Eingeweide der Ungeheuers und 
steigt wieder empor (Sonnenaufgang). Alle Menschen 
folgen ihm d. h. erwachen im Schimmer der Morgen- 
sonne l2 ). 

Hubeane hat in seinem Wesen eine grosse Aehnlich- 
keit mit Maui. Er ist der Schalk, der, wo er kann, Streiche 
spielt, Maui stiehlt das Feuer und soll deshalb von Hineu- 
ni-te-po's Sklaven getötet werden. Aber der Schlaue ent- 
geht und sein Bruder verfallt dem Untergange. So auch 
hier, Hubeane, der lieber den Bruder untergehen lässt. als 
selbst stirbt. 

Die grösste Aehulichkeit herrscht aber zwischen Olifat 13 ) 
und Hubeane. der in ähnlicher Weise zwar verfolgt, stets 
an Schlauheit und Macht aber alle übertrumpft. 

Die Schango-Mythen haben in gleicher Weise ihre 
Analogien. Die „Medizin 1 ', die als Feuer gedeutet 
werden kann, weist nicht allein auf die Mauifeuerdiebstahl- 
mythe hin, sondern auch das Kämpfen und Wüten bei 
der Verfolgung. 

Die Vergleich ung Schaugos mit Hubeane ergiebt, dass 
ersterer mehr einheitlich als grausamer, gestrenger und in 
grösseren Verhältnissen ausgebildet ist, wogegen Hubeane 
einen doppelten Charakter nicht verleugnen kann. Ein- 
mal ist er ernst und mächtig. — in der Litaolane- 
Version — dann wieder der Schalk. Er ist einmal mehr 

,2 ) Siehe Kap. XI, S. 194, die Mythe von Taekia. 
") Siehe Kap. VI 8. 112 ff. 



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245 — 



der Götterfeindliche, in welcher Eigenschaft er den Menschen 
naher steht, dann mehr der Menschenfreundliche, der 
Menschenbefreier, als der er wieder den Göttern verwandt 
ist, aus ihrem Kreise als ein Abtrünniger hervorgeht. 
Es sind dies mehr oder weniger auch die allen anderen 
Sonnengöttern charakteristischen Züge. 

Mit Schango und Hubeane haben wir den ganzen 
Vorrat der unverfälschten Sonnengötter des „ nigritischen" 
Afrika erschöpft. Wie hier stets mehr die Kümmergestalten 
als vollendete Formen und unbeirrte Klarheit aufzufinden 
sind, so auch in diesem Falle. Und wenn ich nun ein 
Bild der alten Sonnengötter Afrikas in s Leben zurück- 
rufen will, so muss ich wohl oder übel den altbekannten 
Weg einschlagen, nämlich aus allen Zweigen der Welt- 
anschauung und Sitten die Fragmente einst vollkommenerer 
Gebilde zusammenlesen. 

Zunächst wende ich mich den Hottentotten zu, deren 
Mythologie verhältnismässig bekannt ist. Ich will aber 
voraussenden, dass die Hottentotten als ein Völkerrest zu 
betrachten sind. Ausser anderem geht das aus ihrer 
Mythologie, überhaupt der ganzen Weltanschauung hervor. 
Dieselbe hat einen verknöcherten Charakter. Sie ist gleich- 
sam ein fossiler Typus. Ich nehme an. dass sie nicht nur 
zusammengeschrumpft und welk, sondern dass ihr auch 
mancher bedeutsame Zug abhanden gekommen ist. 



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- 



XV. Kapitel. 
Die Mythologie der Hottentotten. 

Urteile über dieselbe. — Heitsi-Kibibs Durchgang durch das Meer. 
Heitsi-Kibib als Stier und Topf. Heitsi-Eibib als Schutzgeist. 
Heitsi-Kibibs Gräber. Tsui-Goab als Mensch. — Tsui Ouab als 
Gott. — Kauna oder Gunja. — Ursprungsmythen. — Entwicklung 
der Hottentotten-Mythologie. — Die Untergangs- und Ursprungs- 
grube. — Wanderung der Hottentotteu. Die Sonnengötter der 
Hottentotten. Entwicklungsprozesse. 

„Aber noch niemandem ist es gelungen, ein System, 
das eben nicht darin liegt, in dieses Wirrsal zu bringen u , 
meint Ratzel r ). Theophilus Hahn sieht in allen Göttern, 
Gottheiten, Halbgöttern oder wie man sie nennen will, 
den Mond. Andere deuten auf Ahnen, wieder andere auf 
„Zauberer" hin. 

Ks handelt sieh um drei Götter: Gounia, Tsui-Goab 
(mit einem Sehmalzlaut vor Goab) und Heitsi-Eibib, welcher 
auch den Namen Kabib fuhrt. 

Dazu kommt noch die ausgesprochene Verehrung des 
Mondes und eines kleinen Insektes. Eigentliche Sagen 
haben sich aber nur um Heitsi-Eibib und Tsui-Goab ge- 
bildet oder erhalten. Deshalb gilt es, diese zunächst kennen 
zu lernen. 

1. Heitsi-Eibib. 
1. Mythe 2 ): Heitsi-Eibib oder Kabib war ein grosser 
und berühmter Zauberer unter den Nama. Er konnte ge- 

y ) Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. I S. 107. 
2 ) Mythe 1—3 nach lileek Nr. 36 -39. 



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- *247 



heime Dinge erzählen und prophezeien, was in Zukunft 
geschehen würde. 

Einst reiste er mit einer grossen Anzahl Volkes und 
ein Feind verfolgte sie. Bei der Ankunft an einem Wasser 
sagte er: „Meines Grossvaters Vater, öffne Dich seihst, 
dass ich hindurchgehen kann und schliesse Dich hinterwärts." 
So geschah es, wie er gesagt hatte und sie kamen glücklich 
hindurch. Dann versuchten ihre Feinde auch durch diese 
Oeffnung zu gehen, aber sobald sie in die Mitte gelangten, 
schloss sich das Wasser über ihnen und sie kamen um. 

Heitsi-Kabib stirbt zu wiederholten Malen und lebt 
•wieder auf. Wenn die Hottentotten eines seiner Gräber 
passieren, so werfen sie einen Stein für gutes Glück darauf. 
— Heitsi-Eibib kann verschiedene Gestalten annehmen. 
Zuweilen erscheint er schön, sehr schön, oder sein Haar 
wächst lang bis zu den Schultern, zu anderen Zeiten war 
es sehr kurz. 

2. Mythe: Anfaugs waren zwei. Der eine Ga Gorib 
hatte eine grosse Höhle und setzte sich dabei und befahl 
den Vorübergehenden, Steine gegen seinen Kopf zu 
schleudern. Der Stein sprang jedoch jedesmal zurück und 
tötete die Person, welche ihn geschleudert, so dass sie in 
die Grube fiel. Zuletzt ward Heitsi-Eibib benachrichtigt, 
dass viel Volk auf diese Weise starb. Da machte er sich 
denn auf und kam zu Ga Gorib, der Heitsi-Eibib auf- 
forderte, ihn zu werfen. Das schlug er aber aus, denn 
er war zu klug; aber er richtete Ga Goribs Aufmerksam- 
keit auf etwas zur Seite Liegendes und während dieser sich 
umwandte, darauf zu sehen, schlug Heitsi-Eibib ihn hinter 
das Ohr, so dass er starb und in die eigene Grube fiel. 
Darnach war Frieden und das Volk sehr glücklich. 

3. Mythe: Man sagt, als Heitsi-Eibib mit seiner 
Familie auf Reisen war, sei er in ein Thal gekommen, wo 
der Rosinenbaum reife Früchte hatte und woselbst er von 



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I 

1 



— 248 — 

einer gefährlichen Krankheit befallen wurde. Dann sprach 
sein junges Weib: „Dieser Brave ist durch diese Rosinen 
(rötlichen, wohlschmeckenden Beeren) krank geworden. Der 
Tod herrscht an diesem Platze. " Der alte Heitsi-Eibib 
sprach zu seinem Sohne Urisib (dem Weisslichen) : „Diese 
Lehre befehle ich Euch zu befolgen: Von den Rosinen- 
bäumen dieses Thaies sollt Ihr nicht essen, denn wenn 
Ihr davon esset, werde ich es Euch anthun und Ihr werdet 
ganz sicher auf dieselbe Weise sterben." 

Sein junges Weib sprach: „Er ist krank geworden 
durch die Rosinen dieses Thaies. Lasst uns ihn beerdigen 
und gehen!" — So starb er und wurde sofort mit leichten 
Steinen bedeckt, wie er angeordnet hatte. Dann gingen 
sie von ihm fort. 

Als sie an einem anderen Ort gekommen waren und 
dort abpackten, horten sie stets von der Seite, von wo 
sie hergekommen waren, ein Geräusch, wie wenn jemand 
Nüsse ässe. Der Essende und Singende sprach: 

„Ich Vater von Urisib, 

Vater dieses L'nreinen, 

Ich, welcher gegessen diese Rosinen und starb 

Und im Tode lebe." 

Das junge Weib hörte, dass das Geräusch von der 
Seite kam, wo des alten Mannes Grab war und sprach: 
„Urisib, geh und schau!" Dann ging der Sohn zu des 
alten Mannes Grab, wo er Spuren wahrnahm, die er als 
die Fussspuren seines Vaters erkannte; darauf kehrte er 
heim. Dann sprach das junge Weib: „Er ist es allein, 
deshalb thue dies!" 

„Thue so dem Manne, welcher Rosinen isst, auf der 
Windseite (d. h. von wo der Wind kommt), beachte den 
Wind, so dass Du ihn von der Landseite beschleichst." 

„Dann fang ihn ab auf seinem Wege zum Grabe." 



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— 249 — 

„Und wenn Du ihn gefangen hast, lass ihn nicht 
wieder los." 

Er that so und sie kamen zwischen das Grab; und 
Heitsi-Eibib, welcher den Vorgang bemerkte, vom Baume 
sprang und schnell lief, ward am Grabe abgefangen. 
Dann sprach er: „Lass mich, denn ich bin ein Mann, der . 
tot gewesen ist, damit ich Euch nichts anthue!" Das junge 
Weib aber entgegnete: „Haltet den Schelm fest!" So 
brachten sie ihn nach Hause und seit jenem Tage war er 
frisch und gesund. 

4. Mythe 3 ): Gras wuchs und er (eigentliches) wurde 
von einer Kuh abgeweidet und die Kuh wurde trächtig 
und gebar ihn als einen Stier (als ein Stierkalb). 

Und dieser Stier wurde ein grosser Stier. Da ver- 
sammelten sich die Menschen eines Tages, dass sie ihn 
schlachteten. Darauf lief der Stier einen Hügel hinab; 
dann folgten sie ihm, dass sie ihn wieder zurückholten. 
Da sass da ein Mann, Milchgefasse aushöhlend (d. h. welcher 
Milchgefässe anfertigt). Und sie fragten ihn: „Wo ist 
denn der Stier, welcher hier heruntergekommen ist ? u 

„Ich weiss nicht, sollte er denn hier gerade vorbei- 
gekommen sein?" 

5. Mythe: Und die Menschen, sie schlachteten ein 
Rind. Und er wurde ein Topf. Da haben sie in dem 
Topfe gekocht. Da hat der Topf all das Fett eingezogen 
und sie haben kein Fett erhalten. 

6. Mythe*): Der Heizi oder Heize Eilib ist ein Schutz- 
geist. Er thut viele gute Dinge. Er rät den Leuten, die 
jungen Löwen zu töten und ihre Speise zu essen, denn 
so sagt er: „Des Löwen Kinder lasst uns töten und seine 
Speisen essen!" Dasselbe sagt er auch in Bezug auf die 
Mäuse, nämlich sie zu töten und zu essen. 

*) Mythe 4 — 5 nach Hahn: „Die Sprache* 8.60. 
*) Missionar Eggert bei: B Hahn u : „Beitrage* 8.68. 



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— 2Ö0 — 



Doch Heitsi-Eibib ist zuweilen auch ein grosser Schelm. 
Kr macht sich zum Topf und wahrend das Fleisch in ihm 
kocht, isst er es. 

Dass man Steine, Holz und Gras auf sein Grab wirft, 
geschieht ihm zu Ehren. Er soll sich darüber freuen, 
* wenn er vom Felde, wo er Zwiebeln gräbt, zurückkommt 
und sieht, dass mau seiner nicht vergessen hat. 

Giebt man ihm nur wenig Honigwasser, so wird er 
böse und sagt: „Ihr seid nicht gut, volle Backen begehre 
ich. u Giebt man ihm viel, so ist er froh und sagt: r lhr 
seid gute Leute ! kt 



Mit den Steinhaufen, die sich im ganzen Hottentotten- 
lande und ihrer früheren Heimat im Osten, aber auch im 
Norden finden 5 ), ist ein wichtiges Glied der Mythen des 
Heitsi-Eibib-Kreises erreicht. Mit ihnen sind bedeutsame 
Mitteilungen verbunden. Folgende als Beispiele. 

Die Nama geben an, von Osten zu kommen. Man 
findet in diesen (legenden gewöhnlich grosse Steinhaufen, 
auf welche Strauchwerke geworfen werden. Die Namaqua. 
nach der Bedeutung dieser Hügel befragt, sagen, dass 
Heitsi-Eibib ihr Grossvater darunter ruhe. Sie wissen 
nichts von seinem Aussehen und Handeln zu berichten: 
berichten nur, dass er gleich ihnen aus dem Osten komme 
und viele Schafe und Ziegen besitze. Wenn sie einen 
Stein oder Zweig auf den Haufen werfen, murmeln sie: 
„Schenk uns viel Vieh !" 

Anderson lasst es unentschieden, ob r Heitjebib oder 
Heitjekobib u ein Gott, ein Kobold oder ein vergötterter 

5 ) Diese Gräber Heitsi Kibibs liegen meist in Engpässen. Sie 
bestehen aus Hügeln von massigen Kieseln, die wohl 20 —30 Sehritt 
im Umfang haben. Hahn: „Die Sprache- S. 60. 



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— 251 



Mensch ist. Er hat aber von den Namaqua gehört: „dass 
er sich in den Gräbern der V erstorbenen finde att ). 

Den Namen übersetzt Hahn mit „der baumartig Empor- 
wachsende" 7 ). 

•2. Tsui-Goab. 

1. Mvthe"): Zwei Bruder, Söhne eines mächtigen 
Fürsten, stritten sich einst um die Herrschaft. Der Jüngere 
überwand den Aelteren, wurde aber am Knie verwundet 
und erhielt deshalb den Namen Cükoab; so geht die Sage. 

2. Mythe 9 ): Die Alten berichten, von ihren Vorfahren 
gehört zu haben, Cükoab, Gott habe einen Mann (Kauima 
d. h. Straussenfeder) und eine Frau (Hau Na Maos d. h. 
gelbes Messing) geschaffen und habe ihnen Kühe, deren 
Milch sie trinken, einen Schakalsschwanz, mit dem sie den 
Schweis*? abtrocknen und Waffen, mit denen sie sich schützen 
sollten, gegeben. Von diesem Cükoab erwarten sie 
alles Gute. Er wohnt jenseits des blauen Himmels in 
einem weissen Himmel, und wenn er den Menschen zürnet 
und sie strafen will, so schiebt sich der blaue Himmel 
dazwischen und wendet das Unheil ab. 



Peter Kolb spricht von „Gounia Titjuoa tf , einem guten 
Gotte und übersetzt diesen Namen mit „Gott aller Götter". 
Nach Jong (resp. Schmidt) heisst der gute Gott „Tui qua" 10 ). 
Ein anderer Bericht macht „Touquoa" zum Gotte, der alle 

•) Anderson Bd. II S. 63. Alexander Bd. I S. 167. Anderson 
aagt von diesen Cairns, dass man sie häufig an Stellen finde, wo es 
von Natur keine Steine giebt, „woraus man sehliessen kann, dass 
die Eingeborenen dieselben weit herbeigeschleppt haben". 

7 ) Hahn: „Die Sprache* S. 69. 

ft ) Kropf in den „Verh. d. Berl. Ges. f. Anthrop." 1888 S. 43- 
Moffat S. 258. Letzterer nennt ihn Tsui kuap — wounded knee. 
•) Burekhardt und Orundemann Bd. IV S. 218 9. 
10 ) Kolb S. 95. Jong Bd. I S. 274 und 271. 



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'252 

Krankheiten und alles Unheil verursacht und deswegen 
verehrt wird 1 *). 

3. Kau na. 

Im Gegensatz zu Tsui-Goab wird öfters ein Gott 
Gounja, Kauna (vielleicht ist auch Chamöuno der Teufel 
derselbe), oder Kaunaam genannt. Ks ist ein übelwollen- 
der Gott und die „Bosen" kommen zu ihm uarh dein 
Tode. Er wohnt im Feuer. 

4. Schöpfungsmythen. 

1. Mythe 13 ): Die Eingeborenen haben eine eigentum- 
liche Sage von einem Felsen, an dem man deutlich die 
Spuren von allen Wilden sehen soll, die im Lande heimisch 
sind. Ferner sagen sie, dass Menschen und Tiere früher 
hier in grösster Freundschaft zusammenlebten; aber eines 
Tages (sie wissen nicht warum) erschien ganz unerwartet 
ihre Gottheit und zerstreute sie. „Ich habe nie das Glück 
gehabt, diesen Stein zu sehen", sagt Anderson. 

2. Mythe 14 ): „Im Anfange der Dinge gab es nur den 
Dios genannten Menschen, der aus der Knaus genannten 
Gottheit (in Gestalt eines Felsen), neben welchem sich 
der Gott Thu-Khuap und der hinkende Gott Kauna 
findet, der die Menschen quält, geschaffen war und sich 
mit einem flachen Stein (als seine Frau) vermählt." 



Ratzel hat Recht, in diesem Gemenge ist kein System. 
Dagegen ist entschieden einmal ein solches darin gewesen. 
Ein Degenerationsprozess ist mit Leichtigkeit nachzuweisen. 

n ) „Nieuve Algemene* Bd. I S. 215,6. 

'*) Burckhardt und Grundemann Bd. IV S. 212. Jong S. 274. 
Kolb 8. 95 ff. und S. 102 ff. „Nieuve Algemene* Bd. I 8. 119. Nach 
S. 204 scheint auch die Mondgottheit „Gounja** zu heissen. 

,s ) Anderson Bd. U 8. 64. 

") Bastian: „Loangoküate" Bd. II S. 208. 



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- 253 — 



Der bekannte Entwickeluugszng der afrikanischen Welt- 
anschauung, das Herabzerren alles Höheren auf das Niveau 
der niederen Mythologie lässt sich auch hier nicht ver- 
kennen. 

Tsui-Goab soll eine historische Persönlichkeit sein. 
Ratzel stimmt mit Recht der Ansicht Büttners bei, dass 
die Deutung „Wundkuie" der Volksethymologie entstamme. 
Heidsi-Eibib soll der Ahnherr sein. Er soll die Vorfahren 
durch das Meer geführt haben, er soll in deren Gräbern 
sich befinden etc., kurz alles wird möglichst nahe in den 
Bereich uicht nur der Menschen überhaupt, sondern auch 
der speziellen Ahnen und sogar der Lebenden gezogen, 
so dass zuletzt Schutzgeister, Kobolde, Seelsorger und 
ähnliche Lieblings wesen des stumpfen, verdrängten, ge- 
hetzten Volkes an Stelle der Helden und Götter der edlen, 
wandernden und siegreichen Ahnen getreten sind. 

In diesem Falle ist ein Volk von einer ungemeinen 
Zähigkeit, ein Volk, dessen religiöse Instinkte Fritsch hoch- 
stellt 13 ), der Träger der Mythologie. Es konnte derart 
wohl die Mythologie verkümmern, an Lebenskraft ver- 
gehen, aber ihre wichtigsten Züge blieben erhalten. 

Die bedeutende Rolle spielt in der Hottentotten-Mytho- 
logie Grube (Grab) und Stein. Aus dem Steine gebt das 
Leben, und somit auch der Mensch hervor. In die Grube 
sinkt der Widersacher des Lebens und aus« der Grube 
kommt Heitsi-Eibib zurük, so oft er auch begraben wird. 

Damit ist das Hauptmotiv gefunden. Wir brauchen 
uns nur der bekannten Thatsacheu zu erinnern, und etwas 
von der eingeengten Betrachtung der Form zu trennen. Die 
Grube, in der Heitsi-Eibib begraben wird, treffen wir wieder 
in dem Topfe, in dem alles Fett ausgesogen wird. Wie 

Heitsi-Eibib in das Grab gelegt wird und wieder aufer- 



lfi ) Frisch S. 3H«5. 



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— 254 — 



steht, so wird er von der Kuh als Grashalm verschlungen 
und als Stierkall) zur Welt gebracht. 

Der Gott ist des Weiteren ein Wanderer. Er kommt 
von Osten. Auf der Wanderung (also im Westen) wird 
er begraben. Er ist nicht immer gleich. Manchmal fällt 
langes Haar auf die Schultern. Dann ist er sehr schön; 
manchmal ist das Haar ganz kurz. Im Uebrigen lebt 
Heitsi-Eibib wie Schango bei den Toten. 

Bedenken wir nun, dass die Hottentotten einst im 
Osten Afrikas wohnten. Damals ging für sie also die 
Sonne im Meere auf. Die erste Mvthe erzählt von Heitsi- 
Eibib, dass er glucklich durch das Meer gekommen. Der 
nachfolgende Feind ward ertränkt. Das ist der Schlüssel, 
die Mythe ist eine Sonnenaufgangs-Mythe 16 )! Die Heitsi- 
Eibib-Tsui-Goab-Mythen sind in jener Zeit, da 
für die Hottentotten noch die Sonne im Meere 
emporstieg und in der Wüste unterging, Sonnen- 
mythen gewesen: Denn Heitsi-Eibib führt die Hotten- 
totten-Ahnen sicher durch das Meer. Er wird im Westen, 
also im Lande bestattet. Sein Haarwechsel entspricht dem 
wechselnden Bilde der aufgehenden und mittäglichen Sonne. 
Er ist, wie viele Sonnengötter, ein hinkender Gott (Maui!), 
denn darauf ist wohl die Bezeichnung Tsui-Goab zurück- 
zuführen. In der Lesart von Bastian ist Kaiina der 
„Hinkende". Der Gott, der über den blauen in einem 
weissen Himmel als zürnender wohnt, ist die verzehrende 
Mittagssonne. 

Wie der Sonnengott der Basuto, Hubeane, lässt sich 
Heitsi-Eibib verschlingen. Wie derselbe stösst er den 
Widersacher in die Grube, die für ihn bestimmt ist. 

16 ) AI» Maui mit dem gestohlenen Feuer von dannen floh und 
die Glut des ihn verfolgenden Feuergottes ihn fast erreicht hatte* 
da Hess er Wasser herniederprasseln. Diesen Fluten konnte die 
Glut nicht widerstehen. — Das ist das gleiche Motiv! — 



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— 255 — 



Die dritte Mvthe von Heitsi-Eibib ist eine klare 
Sonnen bahn -Darstellung. Er steigt auf den Baum, dazu 
wird noch gesagt, dass die Familie auf der Wanderung 
war, isst die rötlichen Beeren, wird davon, wie er herab- 
steigt, krank, und als alter Heitsi-Eibib wird er bestattet. 

Die Erschaffung des Menschen aus dem Felsen oder 
den Steinen ist eine einfache Form der in solchen Fällen 
häufigen Umkehrungen. An der Stelle, wo die Sonne 
untergeht, wird der Mensch geschaffen. Dazu tritt, dass- 
Tsui-Goab in den Gräbern der Ahnen wohnt. Drehen wir 
das um. Die Seelen folgen der Sonne im Tode. 

Damit ist auch der aus dem Osten bekannte 
Ansatzpunkt an die niedere Mythologie schon geboten und 
gleichzeitig die Ursache der Einschaltung dieser Mythen 
in Ahnensagen. Im Osten, wenigstens auf den oceanischen 
Inseln, wird die Weltanschauung durch die in gewaltigen 
Bildern und Erscheinungen sich entrollende Natur ent- 
wickelt, in Afrika wird sie durch die Geschichte erzogen.. 
Die Oceanier verschmolzen die Mythologie mit den Sagen 
ihrer grossen Wanderung, die Afrikaner verquicken ihre 
Legenden mit den Erlebnissen des Tages und der Generation. 

Auf diese Weise wird die Hottentottische Mythologie 
verständlich. Es ist unter den afrikanischen eine der 
interessantesten, weil von einem der zähesten, wenn auch* 
vielleicht dem Untergang geweihten, Völker getragen. 



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XVI. Kapitel. 
O-Dente und Akotia etc. 



Die westlithen Bezirke der westafrikanischen Provinz. — Die 
O-Dente-Mythe Der O-Dente-Cultua. - Seine Verbreitung. — Der 
Erdhaufen. - Akotia. — Akotschang. — Bedeutung Akotias. — 
Schankpanna. Sapatan. Aizan. Grausame Sonnengötter. — 
Typus der Sonnengötter. — Der westafrikanische Gott. 

Der Norden der Guineaküste bietet in Yoruba-Nupe 
den Bezirk, in dem die grösste mythologische Klarheit, 
nicht nur hinsichtlich der westlichen Provinzen sondern 
auch des gesamten Afrika herrscht. Nach Westen zu 
werden die Götter und Sagen kleiner und der Zusammen- 
hang der Mythen schwindet. In Dahome ist noch der 
grosse Zug der Yoruha - Mythologie erkennbar, aber bei 
den Ga und Tsciii treffen wir nur noch zaubernde Menschen, 
übelwollende Geister, verzerrte und verkrüppelte Gottheiten. 
Für unser Wollen und unsere Ziele ist dieses Gebiet be- 
sonders fesselnd, wenn es auch wenig anheimelnd und 
einladend aussieht. Aus diesen Bezirken des Verfalles 
stammen die Gottheiten O-Dente und Akotia, denen ich 
mich nun zuwende. 

1. O-Dcnte. 

In grauer Vorzeit l ) lebte in einer Höhle in der Nahe 
von Kubease. der zu der grossen Ortschaft Date (auf der 
Goldküste) gehörigen Oberstadt eine Gottheit, Namens 

') Kottniaiui S. 3 ff. 



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— 257 — 

Konkom. Es war dieser ein Mann mit nur einem Auge, 
einem Arm, krebszerfressener Nase und voller Schwären. 
Die Leute hatten ihm Ziegen und Schafe, das beste ihrer 
Herden zu opfern. Es war daher nicht wunderlich, dass 
den Opfernden bei der Menge ihrer Opfer der Gedanke 
aufstieg, warum die Gottheit sich nie zeige. Wenn die 
Opfergaben vor der Höhle niedergelegt wurden, sah man 
immer eine weisse Hand aus der Höhle hervorkommen 
und das Opfer hineinziehen. Die Leute hätten gerne ge- 
wusst, wer denn ihre beste Habe verzehre. Sie beschlossen 
durch List und Gewalt sich Klarheit darüber zu ver- 
schaffen, nämlich sich am Eingänge der Höhle auf die 
Lauer zu legen, und wenn der geheimnisvolle Arm zum 
Vorschein komme, denselben zu fassen, den Fleischesser 
aus seinem Dunkel hervorzuziehen und ihn bei hellen 
Tageslicht zu besehen. 

Sie t bäten also. Bei der nächsten Opfermahlzeit 
stellten sich einige beherzte Männer an den Rand der 
Höhle, und als der Arm wieder zum Vorschein kam, sich 
nach den Fleischstücken ausstreckend, ergriffen sie den- 
selben und begannen den Mann hervorzuziehen. Eine 
klägliche Stimme aus der Höhe schrie : „ Ach meine Kinder, 
was thut ihr? Lasset ab von mir, thut nicht solch ein 
böses Ding! u Aber alles Flehen half nichts. Die Männer 
Hessen nicht ab, bis sie den Höhlenbewohner draussen 
hatten. 

Aber welch ein Schrecken fiel über sie, als das Schauer- 
bild im hellen Tageslichte vor ihnen stand. Entsetzt 
schrien sie: „Es ist kein gemeiner Mann, in der That es 
ist ein Gott! u Von kaltem Graus erfasst, flohen sie von 
der Stätte. Weinend vor Scham und Zorn, schrie der 
Gott ihnen nach: „Was eilt Ihr weg? Ihr habt mir ein 
grosses Unrecht angethan ; doch lasst sehen, vielleicht kann 
Euch vergeben werden!" Aber tötlich erschrocken flohen 

Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 17 

I 



■ 



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— 'JöS — 

die Menschen weiter, ohne umzuschauen. Voll Grimm 
schrie ihnen Konkom nach: r Bravo, bravo! Das werde 
ich Euch vergelten! Bravo, bravo ! u 

Unter dem Drucke des Schreckens und der Ahnung 
furchtbaren Gerichtes zu leben, war unerträglich, daher 
wurden mit dem beleidigten Gotte wieder Unterhandlungen 
angeknüpft und gefragt, was gethan werden müsse, ihn 
zu befriedigen. Er stellte sich sehr versöhnlich, war 
freundlich und vergebend. 

Nachdem ihn die Sühnopfer gebracht worden waren 
versprach er sogar die Stadt zu segnen und sie zu hoher 
Blüte zu bringen. Doch als unerlässliche Bedingung, dieses 
übersehwänglichen Segens teilhaftig zu werden, befahl er 
ihnen alles, was an Früchten des Feldes gewachsen, ab- 
zuhauen und was davon schon eingeerntet war, zu ver- 
brennen, es werde alles hundertfältig wieder erstattet 
werden. Sie thaten wie er befohlen. Kaum war aber 
dieses geschehen, da verschwand Konkom und ward nie 
mehr gesehen. Seine Absicht hatte der Entflohene er- 
reicht. Eine furchtbare Hungersnot brach aus, die viele 
dahinraffte. 

Konkom kam auf seiner Flucht den Rio Volta entlang 
in eine Stadt Namens Krakye 2 ). Dort gefragt, woher er 
komme, antwortete er: „vonDate". Aber durch die zerfressene 
Nase klang es wie: „Dente", daher den Namen Odente er- 
hielt, Er erzählte den Krakyern, was ihm begegnet und 
wie man ihn behandelt habe, und sie waren froh, dass 
er bei ihnen bleiben wollte. In einer grossen Höhle nicht 
weit von der Stadt, Hess er sich nieder. 

Nunmehr wuchs Krakye mächtig. Viele Leute zogen 
vorbei, um dem Gotte zu opfern, um Rat bei ihm zu 

*) Krakye liegt am oberen Volta im Deutsehen Togo-(iebiet. 
Seine Bewohner sind von Date eingewandert. 



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- 251) — 

■ 

holen, vor allem um einen kleinen Klumpen Lehm, einen 
kleinen Odente" oder „Odente Sohn" zu kaufen und ihn 
mit in die Heimat zu nehmen, wo er den grossen Odente 
vertreten sollte. 

Da hatten nun die Dater gerne den grossen Gott zu- 
rück erworben. Sie Hessen es weder an Mitteln noch an 
Mühen fehlen. Aber wohl wurden sie mehrmals schmählich 
betrogen, nicht aber wieder Besitzer Odentes. Ja es ge- 
lang ihnen nicht einmal die Höhle, die Odentes alter Wohn- 
sitz war, wieder aufzufinden. 

Plötzlich (etwa Ende 1885, jetzt wird die Sache 
historisch wichtig) hiess es, der Geist Odentes sei über 
ein Mädchen Namens Koko (man denke an Odentes Namen 
Konkom!) gekommen. Sie begann in der Sprache der 
Krakyer zu weissagen, Odente werde in Krakye übel be- 
handelt und sehne sich nach der alten Heimat zurück. 
Feierlich verkündete sie vor allem Volke, dass Odentes 
Ankunft nahe sei. dass wenn die Dater thäten, was der 
Gott durch sie ihnen befehle, Date durch Odente emporkomme 
und in ganz Akuapim einen grossen Namen bekommen 
werde. Folgende Befehle des Gottes müssten strenge be- 
folgt werden. 

1. Odente hasst die Ziegen ; er isst kein Ziegenfleisch; 
darf auch nicht (so wenig wie seine Söhne, die jetzt schon 
zwischen Krakye und Date hin und her eilten) auf Ziegen- 
kot treten. Darum hinweg mit den Ziegen. AVer seine 
Tiere nicht aus dem Bereiche der Stadt brachte, musste 
es geduldig mit ansehen, wie sie abgefangen und öffentlich 
gegessen wurden. 

2. Schafe genügen nicht zum Opfer. Der grosse Odente 
will Stiere haben. 

3. Auch Palm wein genügt nicht, der Gott ver- 
langt Rum. 

17* 



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21)0 — 



4. Niemand darf dunkelblaues Zeug tragen, der Gott 
hasst es. 

5. Niemand darf Nachts mit einem Licht über die 
Strasse gehen; er könnte vielleicht eines der Kinder Orientes 
sehen, die im Donner und AVindesrauschen gekommen, bei 
Nacht die Stadt durchwandern, sie zu bewachen. 

Derartige Vorbereitungen wurden also getroffen, und 
so der „Odentekultus" wieder eingeführt, dessen vornehmster 
Teil aber die Errichtung des Lehmkegels über einem 
Menschen ist. Es wurde also ein 14 jähriger Knabe in 
der Nachbarschaft gekauft. Derselbe verweilte zunächst 
acht Tage im Hause des Priesters. 

Eines Tages ward durch Koko verkündet: Odente wolle 
am Eingange der Stadt einen Altar, einen Erdhaufen in 
Gestalt eines stumpfen Kegels, wie er einen solchen in 
Krakye besitze. Nachdem dieser aber halb fertig war, 
brach er wieder zusammen. Wie Koko verkündigte, hatte 
die Gottheit ihn nicht angenommen. Er musste wieder 
aufgebaut werden, aber diesmal durften nur Eingeweihte 
daran helfen, in dunkler Nacht sollte es geschehen. Es 
ward auf Befehl der Wahrsagerin durch den Ausrufer in 
allen Strassen ausgeschrien, dass in der kommenden Nacht 
niemand das Haus verlassen dürfe Orientes Söhne gingen 
um und wehe dem, der sie zu sehen bekomme. 

Mit Beginn der zweiten Nachtwache, als alles im 
tiefsten Schlummer lag, fing der Wahrsager an, mit seinen 
Eingeweihten, den Staatsältesten, ein tiefes Loch zu graben, 
tief genug, um den Knaben aufzunehmen, so dass nur der 
Kopf herausragen konnte. Als nun Wankelmuth die Männer 
ergriff und sie bei Koko anfragen Hessen, ob das Menschen- 
opfer nicht irgend wie zu ersetzen sei, ergriff diese 

s ) Die grosse Heimlichkeit ist auf den „englischen Regierungs- 
einfluss" zurückzuführen, der in diesen Gegenden keine öffentlichen 
Menschenopfer gestattet. 



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— •-><; i — 

entschlossen einen Topf Palmöl, der über dem Feuer stand, 
eilte an die Statte und goss das Oel über das Haupt des 
Knaben mit den Worten: „Dem Gotte geweiht, Odente 
verlangt sein Opfer." 

Da ergriff einer der Aeltesten den Knaben und warf 
ihn rücklings auf den Boden; ein zweiter legte eine arm- 
dicke Stange über den Hals des Opfers und trat auf das 
eine Ende der Stange, ein dritter auf das andre Ende; ein 
vierter ergriff die Füsse des Knaben und drehte den Leib 
desselben rückwärts dem Kopfe zu, bis dass das Genick 
knirschend zerbrach. Dann richteten sie den Leichnam in 
der Grube auf, stehend, legten einen runden, schwarzen 
Topf auf den Kopf, die rechte Hand umliegend den Topf 
zu halten, in die linke gab man ihm eine Flinte und schüttete 
die Grube zu, so dass nur der Kopf hervorragte: dieser 
wurde dann in breiter Grundfläche sorgfältig ummauert. 

An einem der folgenden Tage wurde die junge Mann- 
schaft aufgeboten, die, nicht wissend, was da unten lag, 
den Kegel etwa sechs Fuss in die Höhe führte. Auf des 
Kegels Spitze kam ein Topf, mit einem Tuch umwunden. 
Alles wurde mit weisser Erde beworfen, davor zwei niedere 
Stufen angelegt, darüber ein auf vier Balken ruhendes 
leichtes Strohdach errichtet und das Ganze Odentes Thron 
oder Altar, Odente — Koffi genannt. 

Auf diesem Thron sassen Odentes Söhne und bewachten 
die Stadt bei Nacht. Jeder, der, vom Felde nach Hause 
kehrend, beim Eingang in die Stadt den Kegel passierte, 
hatte etwas zu den Füssen des Altars niederzulegen, sei 
es Pisang oder ein Stück Yams oder ein Kornbüschel oder 
Fisch oder Palmnüsse oder Wein. Eine Flasche Rum musste 
immer dort liegen. Nichts, das mit Schnüren zusammen- 
gebunden war, durfte vorüber getragen werden. Jede Last 
Brennholz musste, wenn die Trägerin in die Nähe des Altars 
gekommen war, niedergelegt, gelöst und umgebunden. 



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— 2&> — 

stückweise vorbeigetragen werden; kein Zinnbecken durfte 
sich dem Altar nahen, niemand in einem dunkelblauen 
Kleide vorübergehen. Wer eines dieser Gesetze übertrat, 
wurde mit zwei Flaschen Rum gestraft. 

Zu der einen Wahrsagerin Koko hatte sich noch eine 
ganze Schar ebenfalls von Odente inspirierter Weiber gesellt. 
Sie alle wohnten im Hause des Priesters; der hatte sie mit 
langen, weissen, wallenden Gewändern zu kleiden und hatte 
sie zu speisen. Das Chor der Priesterinnen war eine leckere 
Bande. Geringere Seefische waren nicht gut genug, sie 
verlangten nach Flussfischen. Statt Hühnerfleisch forderten 
sie Schaffleisch. Ferner mussten auch Sandalen für sie 
angeschafft werden; sie durften ja auf keinen Ziegenkot 
treten, weil die Ziegen Odente verhasst waren, aber auch 
Maisbrotkeime durften ihre geweihten Füsse nicht berühren. 
Die Adae-Tage — der grosse Adae ist an einem Sonntag, 
24 Tage später ist der kleine Adae — waren in Sonder- 
heit Tage lärmender Festversammlungen. An solchen 
Festtagen wurde auch viermal ein Stier geopfert und damit 
eine Opfermahlzeit verbunden. 

Ich habe diese Mitteilung nicht nur deswegen so aus- 
führlich gegeben, weil sie sonst wohl für die Wissenschaft 
verloren ginge, sondern auch, weil sie in ihrer Zusammen- 
stellung wirklich sehr bedeutungsvoll ist. 

Es zeigt sich hier ganz wunderschön, auf welche Weise 
eine hohe Mythe in die Geschichte heruntergezogen wird. 
Da nämlich bekannt ist, dass die Krakyer von den Datern 
abstammen, so ist damit erklärt, wie dieser Gott so voll- 
kommen lokaler Natur ist und eine festgegliederte Wauder- 
geschichte besitzt. Ks finden sich nämlich nicht nur 
°ft in den Wandersagen die Züge der hohen Mythen, 
sondern auch in den Göttersagen Erinnerungen au 
die Geschichte. 



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— 2(>3 — 

Wenn der erste Teil demnach auf eine einst allgemeiner 
verbreitete Mythe zurückzuführen ist, so ist dies in Bezug 
auf den zweiten Abschnitt der Rückerwerbung Odentes 
durch die Dater. auch der Fall. Was hier nur einmal durch 
Zufall der englischen Regierung zu Ohren gekommen und 
deshalb bekannt geworden ist, ist auf einen weit verbreiteten 
Brauch zurückzuführen. 

Einmal nämlich sagt der Text des 
Berichtes selbst, dass von Akuapim, 
Akem und Aschanti die Leute herbei- ^rj .^^ pv^ 
gekommen seien, um solche Klumpen IflLjlT 
Lehm, „kleine Odentes*, zu kaufen; _ U^O^iU 
dann kennen wir auch aus Abetifi die "Al^^'V^l^ 
mit weissem Lehm bestrichenen, unter ---^-^^ •* 
einem Strohdach sich befindende Krd- Der Lehmhügei o-Dentes 
schölle mit der darauf gestellten, Eier (nach Photographie), 
und Feldfrüchte als Opfergabe enthaltenden Schüssel, als 
Wohnort des Gottes „Deute" *). Doch noch weiter verbreitet 
sind die Odente-Hügel. 

Steiner erwähnt, dass bei den Ga ein kleiner künst- 
licher Erdhaufen, der über ein Opfer, einer Ziege, einem 
Halm, einer Katze, errichtet sei, gewöhnlich in dem Gehöft 
der Wohnungen oder an Strasseneingängen angetroffen 
werde 5 ). Bonner erzählt, dass die Stadt Akropong im 
.Jahre 1883 Odente von der Nachbarstadt Krakye für 
2000 Mark gekauft habe. Für dieses Gold erhielten die 
Akroponger eine Mischung von Erde und unbekannten 
Wurzeln in einem irdenen Topf, der in einem Erdhügel 
beigesetzt wurde 6 ). 

Nachdem also die Annahme, dass es sich in Odente 
um eine rein lokale Gottheit handele, zurückgewiesen ist, 

*) „Album" 8. 45. 

5 ) Steiner im: „tilobus u S. 134. 

") Bonner S. 215. 



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— 264 — 



gilt es, seine Analogien in den afrikanischen Mythen auf- 
zufinden. Der nächste Verwandte Odentes ist Akotia. 

Akotia. 

Unter allen Gottheiten 7 ) Berekusos, eines Dorfes des 
durch seine vielen religiösen Ansichten und Handlungen 
berühmten Volkes im Akuapim -Gebirge , ist Akotia der 
gefürchtetste. Er wird durch einen Steinblock von etwa 
zweieinhalb Quadratfuss repräsentiert. Seine Abzeichen 
sind sieben Totschläger. Er ist aber nicht der Hauptgott 
von ßerekuso. 

Dieser heisst Akotsani oder Akotschang und wird un- 
weit der Stadt durch einen grossen Seidenbaumwollen- 
Banm dargestellt, d. h. in demselben gedacht und verehrt. 
Seine Frau heisst Otudu und befindet sich am entgegen- 
gesetzten Ende der Stadt. Aber weder Akotschang noch 
sein Weib Otudu sind so gefürchtet wie ihr Sohn Akotia. 

Dieser ist zugleich Gesandter seines Vaters und anderer 
Gottheiten und durchstreift, bald sichtbar, bald unsichtbar 
das Land, sodass niemand sicher vor ihm ist. Sichtbar 
erscheint er als ein rötlich, kränklich aussehender Mann 
von mittlerer Statur und hagerer Gestalt. Er ist wortkarg, 
ja stottert sogar, und da der letztere Umstand bei den Negern 
als ein Zeichen der Bosheit, die ihn unsicher in seiuen 
Aussprüchen sein lässt, gilt, so ist das schon Grund 
genug, ihn zu fürchten. Er ist nur mit einem Lappen 
alten Zeuges um die Lenden bekleidet und geht, still vor 
sich hinschauend seinen Weg ohne sich viel an diejenigen, 
die ihm begegnen, zu kehren. 

7 ) Steiner im Tagebuch. In La war Ahulu der Götterbote. 
Bohner S. 238. Nach Bohner sind Lakpa und Kralo Vater und Mutter 
Akotias. — Ob der in alten Schriften genannte „Agoye 44 Weidas 
mit Akotia in Beziehung steht, lässt sieh schwer feststellen. Des 
Marchais Bd. II S. 129-131. „Allg. Hist. d. R.« Bd. IV S. 329 30. 



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— -J65 



Seine Strafe ist entweder ein plötzlicher Tod oder ein 
hier «ehr verbreitete Art Aussatz, von Ga-Negern „adschoto u 
genannt. Es ist deshalb kein Wunder, dass, wenn ein 
Neger einem ähnlich dreinschauenden fremden Individuum 
begegnet, er am ganzen Körper zittert und eiligst die 
Flucht ergreift. Das Aussehen und Auftreten von Akotia 
soll so fürchterlich sein, dass als seinerzeit in einer 
öffentlichen Versammlung der Gottheiten in Cumasse ge- 
fangene Aschantier von den Gottheiten der Küste aus- 
geliefert wurden, alle Aschanti Gottheiten kopflos die 
Flucht ergriffen. 

Man ist aber auch nirgends vor ihm sicher. Sogar 
wenn man mit seinem Freunde unterwegs ein vertrautes 
Wort redet, so kann man unverhofft von ihm darüber zur 
Rechenschaft gezogen und mit schwerer Strafe belegt werden. 

Auch leitet Akotia den Landbau und kein Bauer dürfte 
es wagen, das Buschmesser zum Lichten des Busches zu 
rühren oder das niedergehauene Gestrüpp zu verbrennen 
und die Saat zu bestellen, ehe Akotias- Priester gegen 
Opfergaben dieses für ihn selber gethan hat. Noch viel 
weniger dürfte einer die neue Yamsfrueht kosten, ehe 
Akotia oder sein Priester öffentlich dies vollzogen 
hatte. Alle diese Vergehen und Unterlassungen werden 
hart geahndet, indem der Uebertreter von Akotias Priester 
zitirt und durch Opfer an Branntwein, einem Schaf, einer 
Ziege, oder in leichten Fällen eines Huhnes, bestraft wird, 
um den erzürnten Gott Akotia wieder zu versöhnen. Der 
Priester richtet dabei von den erhobenen Tieren eine Opfer- 
mahlzeit an, die er mit seinesgleichen verzehrt. Wäre 
Akotia ein gewöhnlicher Gott, so müssten ihm die Ein- 
geweide der Opfertiere zufallen, aber er ist ein Sonderling 
und verlangt den Inhalt derselben. 

Akotias Heiligtum ist ein Naturtempel. Er ist an 
einer etwas abgelegenen Stelle des bergigen und zer- 



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~ 2(56 — 

klüfteten Weges von Sesemi nach Berekuso, wo eine Anzahl 
schlanker Bäume mittlerer Höhe ihre Laubkronen zu einem 
dichten grüner Gewölbe zusammenfugen. Unter dem Blätter- 
dache ist der Boden von Gebüsch und Gras gereinigt, und 
eine Anzahl gewisser Steine liegt herum, in deren Mitte 
der den Akotia repräsentirende. Die nächste Umgebung 
des Heiligtumes ist der Urwald oder dichter Busch, und 
das verleiht dem ganzen etwas Feierliches und Hehres. 

Da der daran vorbeiführende Weg von Berekuso nach 
Sesemi zugleich auch der zum Markte ist, so verbergen 
sich oft in Zeiten wichtiger Vorgänge die Priester in diesem 
Waldesdunkel, um die Marktweiber in ihren die Tages- 
neuigkeiten betreffenden Gesprächen, die nach Negerart 
zumeist sehr laut geführt werden, zu belauschen, und dann 
diese zu ihren Zwecken auszubeuten. 

Akotschang besitzt in Berekuso zwei Tempel, deren 
einer dem Akotias gleicht, nur dass er erhabener ist, da 
die Bäume, die ihn bilden grösser sind und einen majestä- 
tischen Eindruck auf den Beschauer machen. Der andere 
ist ein durch einen Zaun abgesperrter Raum. Etliche 
alternde Bäume, ein mit Sand gefüllter Topf und ein mit 
weisser Erde bemalter Schemel repräsentieren die Gottheit 8 ), 
von der wir sonst nichts von Bedeutung wissen. 

Für die Bedeutung Akotias ist noch die Weise wichtig, 
auf welche seine Priesterinnen erkoren werden. Wir werden 
dieselbe weiter unten kennen lernen. — Bonner übersetzt 
seinen Namen mit „Der Kurze"; Akotia heisst ausserdem 
auch der Fährmann, der den Toten über den Volta führt 9 ). 

Akotia hat viele Züge mit O-Dente gemeinsam. Die 
Gestalt ist bei beiden mehr oder weniger einseitig ver- 
krüppelt: beider Charakter ist wenig edel: mehr grausamer 

*) Bohner S. 83. 

•| Herold 1892 8. 1567. Bolmer S. 74. 



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— 267 — 

und boshafter Natur sind sie. Ist Ö-Dente in einen Lehm- 
kegel, so ist Akotia in einem Stein verkörpert. 

Beider Götter Eigenschaften deuten auf Entstehung 
oder Beeinflussung durch Sonnengötter hin. Akotia, „der 
Kurze u , hinkt, ist rötlich ; er ist der Fährmann, der die 
Seelen über den Totenstrom setzt, er ist Gott des Land- 
baues und einer Krankheit. O-Dente hat ein Auge etc., 
hasst die dunkle Farbe, bringt in grausamer Weise die 
Hungersnot, verlangt Menschenblut, und seine Priester sind 
weiss gekleidet. 

Doch um die Parallelen vollständig übersehen zu 
können, müssen wir die verwandten Götter der Ewe und 
Yoruba erst kennen lernen. 

Schankpanna, Sapatan, Aizan. 

1. Schankpanna 10 ) ist einer der Yoruba -Götter, die 
dem Körper der Yemaja entsprangen. Er ist der Gott 
der Kinderpocken. Der Name scheint auf „schan u , be- 
schmutzen, oder Blattern und „akpania", Menschenmörder, 
zurückzuführen sein. Buku, der die Blatterkranken durch 
Halsumdrehen tötet, begleitet ihn. 

Schankpanna wird alt, am Stocke und hinkend, ab- 
gebildet. Er hat ein abgestorbenes Bein. Eines Tages 
wollten die Götter in Obatallas Palast tanzen und lustig 
sein. Schankpanna war dabei. Infolge seines Beines stürzte 
er hin. Da lachten die Götter und Göttinnen aus vollem 
Halse. Schankpanna wollte sich rächen und sie mit den 
Blattern anstecken, aber Obatalla kam dazu, schwang 
seinen Speer und jagte Schankpanna hinweg. 

Von da an musste der Gott die Gesellschaft meiden, 
und lebte als ein Ausgewiesener in unbewohnten Land- 
strichen. Seine Tempel sind im Busch, in einiger Ent- 

10 j Ellis: „Yoruba« S. 73 4. 



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ferniing von den Orten errichtet, um ihn so von den 
Behausungen fern zu halten. 

Fliegen und Moskitos sind Schankpannas Boten. Sein 
Emblem ist ein mit weissen Flecken bedeckter Stab. 

2. Sapatan 11 ) ist der Blattern- Gott der Ewe, der in 
Einöden und dichten Wildnissen des Waldes haust. Seiu 
Symbol ist ein langer Stab mit roten und weissen Flecken. 
Er ist ungemein gefürchtet und während eines Ausbruches 
der Krankheit können seine Priester jedes ihnen zusagende 
Gebot dem erschreckten Volke auferlegen. 

Der Altar des Gottes besteht aus einem länglichen 
Lehmklumpen, der auf der rechten Seite rot, auf der 
linken weiss bemalt ist. 

3. Aizan 12 ) ist ein Gott der Ewe (Dahome). Er ist 
der Gott der Wanderer, unter dessen Schutze die Märkte, 
öffentlichen Plätze, Stadtthore und Hausthüren stehen. 

Aizan ist durch einen manchmal grossen, manchmal 
kleinen Thonkegel repräsentiert, auf dessen Spitze oder 
an dessen Fuss sich ein Stein oder ein thönernes Näpfchen 
befindet, in dem täglich Gaben an Palmöl, Palmwein und 
Speise allerlei Art dargebracht werden. 



Der Charakter und die Eigenarten dieser Götter 
sprechen durchaus dafür, dass es Spielarten desselben 
mythologischen Grundmotives sind, nämlich des grausamen, 
Krankheiten tragenden, hinterlistigen Sonnengottes. Alles 
in allem genommen sind das die echten Repräsentanten 
der afrikanischen solaren Gottheiten. Sie tragen in jedem 
Bezirke, in jedem Stamme, in jeder Stadt, in jedem Stadt- 

") Burton: „Dahome" Bd. II S. 145. Ellis: „Ewe* S. 52/3. 
Skerehlev S. 471. 

>*) Burton: „Yoruba" Bd. 11 S 166. Skerchley S. 472. Ellis: 
„Ewe" 8. 52. 



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— 269 — 

teile womöglich, einen anderen Namen. Sie sind nicht die 
mächtigen schöpferischen Götter, deren Schicksale und 
Handlungen himmelumspannend und gewaltig sind, die 
gross sind im Zorn und allgewaltig an Kraft, es sind nicht 
die Sonnengötter eines Inselvolkes. Continentale und 
tropische Gottheiten sind es; mehr Menschen als Götter. 
Und der Unterschied zwischen ihnen und den Menschen 
ist der, dass sie noch boshafter, hässlicher, tückischer sind. 
Es sind die Sonnengötter eines Volkes, dem das wahre 
Freiheitsgefühl und der ideale Mannesmut fehlen. 

Mehr will ich mit diesem Kapitel nicht, als den echten 
westafrikanischen Gott geschildert haben, den Vater des 
„ Fetisch es 4 '. Kin jeder wird den Unterschied dieser Götter 
und solcher Gestalten wie Hubeane und Schango sofort 
erkennen. Ausserdem ergiebt sich, dass, trotzdem sie ver- 
blasst und altersschwach ist, die Hottentottische Mythologie 
näher den letztgenannten Ausnahmen der afrikanischen 
Mythologie als den typischen westafrikanischen Göttern 
steht. 

Somit ist in diesen letzten drei Kapiteln der Typus 
festgestellt und gleichzeitig der grösste Teil des Materials 
dargestellt, der den Untersuchungen zu Grunde gelegt 
werden soll. Es ist daraus zu ersehen, dass die afri- 
kanischen Götter ganz anders analysiert werden müssen, 
als die Oceanischen. 

In den östlichen Provinzen verglichen wir Zuge der 
hohen Mythen untereinander und zogen dazu noch die 
spärlichen Mitteilungen über die niedere Mythologie heran, 
um das Verhältnis und die Beziehung, den Entstehungs- 
und den Entwickelungsprozess zu erkennen. 

In Afrika ist ein umgekehrtes Verfahren nötig. Es 
gilt, in den wirren Massen der Sitten und Gebräuche, den 
Fabeln, Märchen, Legenden, den Glauben oder Aber- 



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— 270 - 



glauben, kurz in dem Gestrüpp, das auf dem Boden der 
niederen Mytbologie üppig sprosst. die Reste und Ein- 
wirkungen einer älteren Mytbologie aufzufinden, aus der 
Schango, Hubeane und die Götter der Hottentotten stammen, 
und so aus den Fragmenten einer älteren Weltanschauung 
eines wichtigen Teiles derselben, der hohen Mythologie 
Grundriss zu rekonstruieren. 



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XVII. Kapitel. 

* 

Sonnenkultus und Sonnenmythen der Afrikaner. 



Einäugige Götter. — Einäugige und hinkende Götter. Die 
Sonnenhöhle. Die Ursprungshöhle. Die Mythe von Fugamu. 
-- Termitenhaufen. — Die Erd- und Steinkegel. — Die Steine; 
Motive des Steinkultus. — Sonnenhöhen, blutige Opferstätten. 
Heilige Farben. Die Farbe der Geister, Die Mythe von der Ent- 
stehung der schwarzen und weissen Menschen. Eine sekundäre 
Mythe. — Ursprünglich das Motiv der Sonnenmythen. — Vorstellung 
von der Sonne. - Lisa, der Sonnengott der Yoruba. — Feuerdienst. 
— Der Feuergott Dso. Der Feuerdienst des Damara. — Der Feuer- 
dienst in Monomatapa und Usundi (Congo). — Feuerbringer. — 
Sonneninythen und -Kultus in Afrika. 

Der erste Zug solarer Gottheiten, die Kinäugigkeit 
findet sich ausser bei O-Dente bei Mapanja Mwasse Moto, 
dein Gotte, der halb Stein, halb Mensch auf dem Pik von 
Kamerun throut, and jenen Kiesen, die nach der Ansicht 
der Ovaherero, den Himmel tragen l ). Diese letzteren 
sind noch mit dem weiteren Charakteristicon der Sonnen- 
Götter ausgestattet. Sie besitzen nur 1 Bein, 1 Arm, 1 Ohr, 
kurz alles nur einmal, dessen Besitz uns doppelt zu eigen 
ist. Auch die Neu -Seeländer nehmen an, dass Maui nur 
einäugig und einarmig sei und dass in der Sonne ein ein- , 
armiges und einbeiniges Volk lebe. Kiuarmig ist auch 
O-Dente. Akotia heisst „der Kurze*. Tsui Goab und 

l ) Rottinann S. 3. Zoeller: „Kamerun*' Bd. 1 S. 186, Bd. II S. 56. 
Hahn: „Hcrero" S. 506. 



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•27> 



Sehankpanna sind als Hiukeude aufzufassen. Bastian spricht 
von dem hinkenden Korana-Gott Kauna, und endlich wohnt 
ein Gott einiger Sudafrikaner unter der Erde, der nur ein 
Bein hat 2 ). 

Für die Afrikaner war das wichtigste Problem der 
Sonnenlaufbahn ebenso wie allen anderen Völkern, die eine 
Sonnenmythologie besitzen, der Untergang. Aber die Sonne 
sinkt nicht wie im Osten in das Meer hinab, sondern in 
die Erde. Gleiche Fälle kommen auch in den oceanischen 
Mythen zur Behandlung. Olifat wird in die Grube durch 
die Arbeiter geworfen, Quat durch die Brüder in die Grube 
der Landkrabbe. Es ist die Sonnenhöhle, die wir jetzt 
besprechen werden. 

Statt der Grube wird auch oft von Felsen gesprochen. 
Parallelen sind auch hierfür aus dem Osten bekannt. Quals 
und der Rabe verwandeln in Steine, gleichermassen Quat, 
z. B. den Quasavara und Olifat die Arbeiter. In Afrika 
wird bei den Hottentotten der Mensch aus dem Steine ge- 
boren. Tsui Goab wirft den Ga Gorib in die Grube und 
wird in den Steinhaufen verehrt. O-Dente wohnt in einer 
Höhle und wird ebenso wie Aizan und Sapatan im Lehm- 
kegel verehrt. Diese beiden Varianten der Sonnenhöhle. — 
resp. des Einganges in die Unterwelt — sind die wich- 
tigsten afrikanischen Spielformen des für alle möglichen 
Zweige der Weltanschauung so bedeutungsvoll gewordenen 
Motives. Es erscheint zunächst in den heiligen Termiten- 
haufen. 

Au einem Nebenfluss des Ogowe 3 ) sind einige Strom- 
sehnellen, von denen die eine von einem mächtigen Geiste, 
der gleichzeitig ein vorzüglicher Eisenschmied ist, Namens 

*) Schirren S. 135, 8. 101. Bonner 8. 74. Bastian: „Loango- 
kiiste* Bd. II 8.208. Ellis: „Yoruba" S. 73. Meren»ky: „Beiträge* 
S. 123. Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. I S. 173. 

3 ) Lenz 8. 210,1. 



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— 273 — 



Fugamu, beherrscht wird; die weiter oberhalb befindlichen 
Stromschnellen dagegen, stehen unter der Aufsicht von . 
Nagaschi, der Frau des Geistes Samba. Unter dem dort 
wohnenden Volke der Ivili existiert nun folgende Sage, 
die zuerst von Duchaillu mitgeteilt wird: In früheren Zeiten 
pflegten Leute zu den Flüssen zu gehen, Eisen und Kohlen 
an dem Ufer nieder zu legen und zu sagen: „0 mächtiger 
Fugamu, ich brauche von diesem Eisen ein Messer oder 
eine Hacke," — was gerade von Nöten war, — und am 
Morgen, wenn sie wieder an die Stelle kamen, fanden sie 
den Gegenstand fertig vor. 

Eines Tages jedoch begaben sich ein Manu und ein 
Sohn mit Eisen und Kohlen dahin, und die beiden hatten 
die freche Neugierde, zu warten und zu sehen, was ge- 
schehe. Sie verbargen sich, der Vater in einem hohlen 
Baum, der Sohn in den Zweigen eines anderen Baumes. 
Fugamu kam mit seinem Sohn und begann die Arbeit, als 
plötzlich sein Sohn ausrief: „ Vater, ich rieche Menschen!" 
Der Vater erwiederte: „ Natürlich riechst Du Menschen, 
denn kommt nicht das Eisen und die Kohlen aus den 
Händen von Menschen?" So arbeiteten sie weiter. 

Aber wiederum unterbrach der Sohn den Vater mit 
denselben Worten und nun sah sich Fugamu um und er- 
blickte die zwei Menschen. Er brüllte vor Wut und um 
Vater und Sohn zu bestrafen, verwandelte er den Baum, 
worin der erstere verborgen war, in einen Termitenhügel, 
das Versteck des Sohnes aber in ein Nest schwarzer 
Ameisen. Seitdem hat Fugamu kein Eisen mehr für die 
Menschen bearbeitet. 

In der vorliegenden Mythe ist ein kulturgeschicht- 
liches Motiv verwandt. Die älteste Form des Handels — 
beide Stämme legen an der Grenze ihre .Tauschartikel 
nieder und entfernen sich, damit einer und dann der an- 

Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 1 S 



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— 274 — 

dere die Sachen abschätzen mag 4 ) — ist hier beschrieben. 
Dadurch ist die ganze Mythe nach einer Seite so schwer 
betont, dass die für uns wichtige, nicht recht zur Geltung 
kommt. Immerhin ist die Verwandlung auf einen Unter- 
gang zu deuten. 

Termitenhaufen werden bei den Ga, Bulloin und Temne 
verehrt, bei den Betschuanen liegt ein Stuck eines Ameisen- 
haufens zu den Füssen des Gottes im Grabe, bei den 
Marutse wird Regen herbeigeführt, indem über Termiten- 
haufen mit Knochen-Pulver versehene Kalebassen gestülpt 
werden 5 ). 

Das mag darauf zurückzuführen sein, dass Käfer und 
Insekten, sowie Fliegen — die im Sonnenschein Umher- 
schwirrenden — als Boten der Sonnen-Götter beliebt sind. 
Auch Maui steht in mancher Hinsicht mit Insekten in Be- 
ziehung. Dass die Termiten einen Hügel bauen, macht 
sie noch mehr als Sonnenkinder geeignet. Geht doch die 
Sonne selbst in solchem Höhlenbau in ihre unterirdische 
Behausung. 

Otudu heisst, sahen wir oben, die Mutter Akotias. 
Steinhauser sagt nun, heilig sei Otudu, ein kleiner Erd- 
haufen, der über einem Opfer, eine Ziege, einem Huhne etc. 
errichtet werde und gewöhnlich im Hofe des Hauses stehe 6 ). 
Es ist also nicht nur Sonnenuntergang — an den der im 
Lehmkegel O-Dentes geopferte Knabe gemahnt — sondern 
auch Sonnenaufgang mit diesen Erdhaufen verbunden. Mit 

*) Vergl. lt. F. „Der Handel im Kongo-Becken", Separatabzug 
au» den „Deutschen geographischen Blättern" Bd. XVII S. 9. Cada 
Moso bei Leo Afrikanus 8. 413. Winterbottom S. 230, S. 233. „Allg. 
Hist. d. R. tt Bd. IT S. 76. 

6 ) Monrad S. 30. Wrnterbottom S. 284—286. Steinhauser S. 133. 
Anderson Bd. II S. 216. Steiner im „Globus" S. 134. Ratzel: „Völker- 
kunde" 1. Aufl. Bd. I S. 375. 

«) Steinhäuser S. 133. 



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— 275 — 



dieser direkten Andeutung, das* nämlich die Mutti r Akotias 
eben dieser Lehmkegel sei, ist ein durchaus massgebendes 
Bindeglied gewonnen. 

In Dahome und Aschanti treffen wir diese Kegel. In 
Loango errichtet der Ganga Amaloco Erdhäuflein für die 
Götter, die gegen den Blitz schützen sollen. Alle West- 
afrikaner werfen, um ihre Ehrerbietung an einen heiligen 
Orte zu beweisen, eineu Stein oder Zweig hin. Ebenso 
die Wakerewe, in deren Land sich so hohe Steinhaufen 
auftürmen. Bei den Balonda fand Livingstone in Form 
eines Grabes aufgehäufte Stäbe 7 ). 

Zu diesen Hügeln sind nicht nur die Kegel in den 
Tempeln der Götter 8 ), — Adamaua, Loango, Südafrika — 
sondern auch die Steinhaufen, Lehmkatafalke, Steinpyra- 
miden etc. auf und neben den Gräbern zu rechneu 9 ). 

Damit sind wir am echt afrikanischen Pvramidenbau 
angelangt. Derselbe ist ausser durch den Steinhügel durch 
den Gang unter der Erde, in dem der Leichnam ruht, 
charakterisiert. Die Bestattung in einem Seitengange des 
Grabes ist in Afrika sehr gebräuchlich 10 ). Ich möchte 

7 ) Ranisayer und Kühne 8.57. Barret Bd. I 8. 167. Bastian: 
„Loangoküste* Bd. 11 8. 191. Oldendorp 8. 327. Baumann : „Massai- 
land* 8. 214. Livingstone: „Missionsreise* Bd. 1 8. 344. Ratzel: 
„Volkerkunde* 1. Aufl. Bd. I 8. 479. Lenz 8. 107. 

") Bastian: „Loangoküste* Bd. I 8. HO. „San Salvador* 8.50. 
Vogel 8. 483. Galton S. 116. 

") Sansibar: v. d. Decken Bd. I 8. 98. Massai-Wakuaf i: 
Hildebrandt 8. 405. Waniamvesis: Stuhlmann 8. 87. Angola: 
„Das Ausland* 1884 8. 11. Damara: Ratzel: „Völkerkunde* 1. Aufl. 
Bd. I 8.341. Bajansi: Baumann: „Beiträge* 8.8. Bongo: Fro- 
benius: „Heidenneger* 8.361. Marggis: Barth: „Reisen* Bd. 

10 ) Westafrika: „Allg. Hist. d. R.* Bd. IV 8.370 1, S. 679. 
Reichenow i. d. „Verb. d. Berl. Ges. f. Anthrop.* 1873 8. 184. Bastian : 
„Loangoköste* Bd. I 8. 47, S. 221. Baumann: „Fernando Po* 8. 97. 
Bastian: „San Salvador" S. 320. Vergl. a. Wissmann Wolf. Ost- 
af rika: Baumann: „Massailand" 8. 179. Stuhlmann 8. 90 1, S. 698 9, 
8. 725. Hildebrandt 8. 405, Fritseh und andere. 

18* 



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— !>7(5 



dieselbe ebenso wie die sämtlichen r cairns w nicht direkt 
auf die Höhle der Sonne, die Nachts in die Erde in eine 
Höhle hinabsteigt 11 ), zurückführen. Den Anschluss bietet 
andererseits die Anschauung, dass die Menschen ursprüng- 
lich aus einer Höhle hervorgekommen seien 12 ). 

Da der Sonnengott im Felsen wohnt 13 ), mag auch der 
Mensch aus dem Steine stammen. Doch darf hier nicht 
eine andere Beziehung übersehen werden. Ein vom Grabe 
genommener Stein ist die Wohnstätte des Geistes. Oder 
Schädel werden durch Steine ersetzt, so mag der Ueber- 
gang zu den Steinen, die Geister repräsentiren, verstanden 
werden u ). Endlich will ich auf absonderliche Gestalten 
der Felsen, absonderliche Ereignisse (Klippen am Meeres- 
strande) und ihre landschaftliche Wirkung hinweisen, und 
damit gewarnt haben, einen Steinkultus auf ein einziges 
Motiv zurückzuführen. Erzählungen von Menschen, die in 
Steine und Felsen verwandelt wurden, sind nicht nur in 
Afrika 15 ), sondern auch anderseitig häufig zu finden. 

Um aber zu den Lehmkegeln nochmals zurückzukehren, 
möchte ich darauf aufmerksam machen, dass mit dem 
Sonnendienste die Berge oftmals in Beziehung stehen. (Die 
Sonne steigt über den Bergen empor oder versinkt hinter 
ihnen.) Es sind meistens die blutigen Opferstätten (der 

ll ) Baumann: „Massailand" S. 163. 

14 ) Merensky: „Beiträge" 8. 123. Anderson Bd. I S. 236, Bd. II 
8.205. Casalis 8. 254. Livingstone: „Missionsreise" Bd. II S. 186. 
Moffat S. 262/3. 

15 ) Zoeller: „Kamerun" Bd. I S. 186, Bd. II 8. 56. Im alten 
Aegypten glaubte man, Ra wohne im Obelisk. Wiedemann S. 14. 

") Winterbottom 8. 305, S. 306/7. Schlenker: „Tradition»" 8. X. 
Czimmermann in „katholische Missionen" 1888 S. 174. Wangemann: 
„Reisejahr" S. 500. Bastian: „Salvador" 8. 81.' „Loangoküste" Bd. II 
S. 220. Josset 8. 50. 

,8 ) Thomson: „Seen" Bd. II S. 171. Cameron Bd. I 8. 217. 
Kuffuul S. 144. Krapf Bd. 1 S. 242. 




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- 1>77 - 



rote Himmel bei Souuenauf- und Untergang) des Sonnen- 
dienstes. Nicht nur Abraham opferte seinen Sohn Isaak 
auf den Bergen. Auch lebt nicht allein der Gott der 
Kameruner auf dem Pik. In Südafrika sind die blutigen 
Sonnenhöhen häufiger. 

Hier und da finden sich nämlich in Südostafrika Berge, 
welche Modimolle heissen. Sie sind stets heilige Berge. 
Klar ist es nicht, ob der Name mit Modimo zusammen- 
hängt oder nicht. Der in der Mitte des Transvallandes 
liegende Berg Modimolle war nach der Ueberlieferung des 
Volkes ein Opferberg, um den sich vor Jahrzehnten das 
Volk von nah und fern scharte, um Opferfeste schauer- 
lichen Charakters abzuhalten; Kriegsgefangene waren zu 
den Opfern bestimmt. Die Zauberer schnitten ihnen Glieder 
von den zuckeuden Leibern und endlich warf man sie vom 
Berge in den Abgrund. — Ein Ort der die Hottentotten- 
bezeichnung „Nqoukweep" trügt, soll seinen Namen, der 
mit ,,Rote Männer" zu übersetzen ist, daher bekommen 
haben, dass die Kaffern hier begonnen hätten, sich rot 
zu bemalen. Das ist sicher eine sekundäre Deutung. — 
Jeden September ging der König Monamotapas von 
Simbaobe, seiner Residenzstadt auf einen hohen Berg, um 
eine Totenfeier für die begrabenen Vorgänger abzuhalten la ). 

Mit den roten, blutigen Opferbergen, sind wir vor 
dem Problem der Farbe angelangt. Grosse und Schurtz 
haben sieh schon damit beschäftigt 17 ). Ich will deren und 
anderer Ansicht nicht im Geringsten entgegentreten. 

Es kann die Bedeutung, die die weisse und roten 
Farben heute im Cultus für den Neger haben, auf ver- 
schiedenen Wegen erwachsen sein. Für mich ist derjenige 
wichtig, dessen Anfang im Mittage (weiss) Morgen, Abend 

'•) Merensky: „Erinnerungen" S. 41. Kropf 8. 34. Prichard: 
„Afrika" S. 325. 

17 ) Schurtz: „Philosophie" S. 86 ff. Grosse S. 58 ff. 



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278 — 



(rot) und in der Nacht (schwarz) beginnt. Die ästhetische 
Wirkung des weiss bemalten Negerkörpers wird ver- 
schieden beurteilt 18 ). 

Die Farbe des Obatalla, des Himmelsgottes der Yoruba 
ist weiss, schwarz die Oduduas; weiss und rot sind die 
Farben Schangos. Heitsi-Kibib stirbt, als er die roten 
Beeren gegessen hat; sein Sohn Urisib heisst der Weissliche 
Akotschang ist durch einen weissen Schemel, Otutu, seine 
Frau durch einen weissen Lehmkegel repräsentiert; ihr 
Sohn Akotia ist rötlich. O-Dente verlangt Menschenblut. 
Sein Lehmkegel ist weiss bemalt. Sapataus Stab ist mit 
weissen und roten Flecken, Bo s (siehe unten) Altar mit 
weissen und roten mit einander abwechselnden Streifen 
bemalt 19 ). 

Die Seelen, die nach primärer Mythe der Sonne folgen, 
werden im Jenseits weiss, oder kehren als Europäer zu- 
rück 20 ). Da weiss derart zur Geisterfarbe wird 21 ), be- 
malen sich diejenigen, die die Cerenomien der Vergeistig- 
ung durchmachen, mit dieser Farbe 22 ) und die Albino, 

'») Schweinfurth S. 13. 

u ) Kllis: „Yoruba" 8. 39, 8. 41, S. 49. Bleeek Nr. 39, Bohner 
S. 83. Steinhauser 8. 133. Steiner im „Tagebuch". Kottraann S. 6. 
S. 8. Album Blatt 45. KUis: „Kwe u S. 52-3. Skerchley S. 469. 

™) Afrika: Schlenker: „Tradition»* 4 8. XI. Römer S. 85. „Allg. 
Hiat. d. R. u Bd. II S. 428; Bd. III S. 152; Bd. VI 8. 176. Burton: 
„Yoruba* Bd. II 8. 165. Boamann 8. 190. „Mitteil. a. d. Deutschen 
Schutzgebieten* Bd. VII 8. 98. Livingstone: „Missionsreise* Bd. II 
S. 328. Australien: Angas Bd. I S. 108. Ratzel: „ Völkerkunde* 
2. Aufl. Bd. I S. 355. Lumholz 8. 328. Brough Sniyth Bd. I 8. 428. 
Neu- Guinea: Chalmers 8. 180. 

21 ) „Allg. Hiht. d. R.* Bd. IV 8. 408. Rohlfs Bd. II 8. 140 1. 
Bohner S. 42 u. 44. Hübbe-Schleidcn 8. 130. Rarasayer und Kühne 
8. 16. Hahn 8. 502. 

") Lenz 8. 301. Thormählen i. d. „Mitt. d. Hamb, geogr. Ges.* 
1884 8. 332. Baumann: „Uftambara" S. 132. Büttikofer Bd. II S. 308. 
Krapf Bd. T 8. 247. 



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— 279 — 



krankhaft hellfarbige Menschen gelten als Geister 2 a ). Um 
mit den Geistern communicieren zu können, bemalt man 
sich weiss 24 ) und weiss ist die Farbe der Trauer. Weiss 
ist daher auch die Schutzfarbe. Weisse Figuren werden 
aufgestellt, um die Geister zu verjagen. Weisse Pflöcke 
an den Häusern, weisse Bemalung, weiss und rot be- 
malte Zaubertöpfe dienen zum Schutz. Die Frauen malen 
sich weisse Kleckse auf die Stirn, um bösen Geistern, die 
sie im Traume plagten, das Wiederkommen zu verhindern 25 ). 
Weiss wird so zur heiligen Farbe, die in den Priester- 
gewändern, in der Bemalung an heiligen Tagen und so 
weiter stets wiederkehrt 20 ). 

Weiss und rot treten auch gemeinsam auf: vor der 
Schlacht bemalten sich die alten Ganga derart zweifarbig, 
zum heiligen Tanz die Accraer 27 ). 

Mit diesen beiden Erkenntnissen, der Sonnenhöhle und 
Sonnenfarbe ausgerüstet, werden wir die folgende Mythe, 
die zu einer der verbreitesten und eigentümlichsten in 
Afrika gehört, ohne grosse Schwierigkeit verstehen. 

1. Form Temne 28 ): Das erste Menschenpaar zeugte 
ein weisses Paar und ein schwarzes Paar, und zwar gebar 
die Frau zweimal gleichzeitig ein weisses und ein schwarzes 
Kind. Und Gott befahl, die Paare zu trennen und das 

2S ) „Allg. Hist. d. K. u Bd. IV 8. 667, S. 666. Dapper, Hol. Ausg. 
Bd. II S. 167. Wilson: „Westafrika" S. 230. Bastian: „San Salva- 
dor 14 8. 34. 

") Wissmann Wolf. 8. 143. „Allg. Hist. d. R. tt Bd. IV S. 190. 

J5 ) Lenz S. 192, 202, 246. Römer S. 43. Labarthe; „Guinea" 
S. 145. Ellis: „Three visits." a. a. O. 

M ) Bossmann S. 186. „Allg. Hist. d. R." Bd. V S. 105, Bd. III 
8. 467. Ellis: „Tisehi" 8.89. Sibree 8.331. 

") Bastian: .San Salvador- 4 S. 95. Büttikofor Bd. II 8. 333. 
Monrad 8. 46. 

") Schlenker: „Tradition** 8. 18. 



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— -281 — 

diese beiden Körbe zu teilen. Das schwarze Paar griff 
gleich nach dem grossen Korbe und überliess den kleinen 
dem weissen Paar. Das schwarze Paar fand in seinem 
Korbe eine Hacke zum Plantagenbau. Baumwolle zu Fisch- 
netzen, einen Bogen und Pfeile zur Jagd und Goldstaub 
zum Handel. Das weisse Paar fand in dem seinigen nur 
ein Buch, aber es las fleissig darin und erlangte dadurch 
so viel Weisheit, dass der Weisse den Schwarzen gar bald 
übertroffen hat und viel reicher wurde als er. Dann aber 
wurde der Weisse vom Schwarzen beneidet und verfolgt. 
Gott aber kam dem Weissen zu Hilfe, lies ein langes Seil 
vom Himmel herunter und leitete ihn über das grosse 
Wasser hinüber. 

4. Form Mussorongho 3l ): Zambi beschloss, Menschen 
zu schaffen und rief zunächst zwei Paare ins Leben, 
Nomandamba und Mandele oder Mundele, jedem mit einem 
Weibe als Gattin und wies ihnen ihren Wohnsitz neben 
einem Brunnen an. Dann gab er ihnen zum Haustier einen 
Hahn (Susuamba-Kala) und als derselbe am Morgen früh 
zu krähen begann, erwachte zuerst der jüngere Bruder, 
der sich rasch vom Lager erhob und in den Brunnen sprang 
und sich weiss wusch — denn Mundele ist der Name, der 
dem Europäer gegeben wird. Als der Langschläfer später 
aufstand, fand er nur noch schmutziges Wasser im Brunnen 
und blieb deshalb schwarz (als Noman — damba). 

5. Form Morawi (am Niassa) 32 ): Die Morawi halten 
Sonne, Mond und Sterne in hohen Ehren. Ihre Sage über 
den Ursprung des Menschengeschlechtes ist folgende. Die 
ältesten Menschen sassen im Mittelpunkte der Erde. Sie 
waren sämtlich schwarzhäutig. Als sie auseinander gingen, 
mussten sie zunächst durch einen Fluss waten, um sich 

31 ) Bastian: „Loangoküste* Bd. II 8. 218. 
") Cximmermann 1887 8. 51. 



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- -282 — 



zu waschen. Zum Unglück waren die Voreltern der Neger 
dem Schlafe sehr ergeben, eilten baher nicht sogleich zum 
Fluss und zum Orte ihrer Bestimmung, sondern schliefen 
weiter. Beim Erwachen sahen sie, dass alle übrigen sich 
schon jenseits des Flusses befanden und von dem Wasser 
rein und weiss geworden waren. Nun eilten auch sie zum 
Strome, gewahrten jedoch zu ihrem Schrecken, dass sein 
Bett bereits ausgetrocknet war und kaum noch einige 
Pfützen enthielt. In ihrer Hast stolperten sie und fielen 
in die Lachen, infolgedessen ihre Hände und Fusssohlen 
benetzt und dadurch etwas gebleicht wurden. 

Diese Menschen, die aus dem Inneren der Erde 
stammen, müssen Bedenken erregen. Dass hier eine aus 
der Luft gegriffene Erklärung für das Existieren schwarzer 
und weisser Menschen ein primäres Produkt der mythen- 
bildenden Schöpferkraft sei, ist nicht anzunehmen, uuiso- 
mehr, als die Mythe durchgehend gleichartig verbreitet 
ist, Die Unterschiede, in den einzelnen Versionen ge- 
nügend gewürdigt, bringen noch am ersten zur Lösung 
der Frage nach der Entwicklungsgeschichte dieser sonder- 
baren Mythe. 

Das moralische Element — die Folgen der Habgier 
des Schwarzen — , welches sich in der Lesart der Tschi 
und Ewe findet, muss ausgeschieden werden. An seine 
Stelle tritt in der Version 4 und 5 die „Langschläfigkeit u . 
Die beiden Mythen beginnen mit der Nacht. Als es Tag 
wird, erhebt sich der Weisse. Es sind also Tag und Nacht 
bedeutsame Umstände in der Mythe. 

Nun kommt dazu, dass die Menschen in der Mitte der 
Erde wohnen und über ein Wasser beim Auswandern 
kommen. Das Wasser erkennen wir auch in dem Brunnen 
der Mussorongho -Version wieder. Endlich ist das gleiche 
Glied in dem Meere, über das der Weisse ins andere Land 
geführt wird, nicht zu verkennen. Fing dieser Absatz 



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— 283 - 



mit der Beton ung der Ursprungs-Erdhöhle an, so endet er 
entsprechend mit dem Hinweis auf die Bemerkung, dass 
Gott mit dein Weissen Nachts zusammenkomme und ihm 
lehre, ein Schiff zu bauen. 

Schon früher besprach ich die Seelenfahrt der Afrikaner, 
die Mythe, wonach die Seele in einem Canoe über den 
Strom ins Land der Seeligen, die dort in weissen Kleidern 
sitzen, gefuhrt wird. Weiter oben erwähnte ich die Mythe 
ebenfalls. Ich neige zu der Ansicht, dass hier die Seelen 
über das Meer ins Land der Sonne fahren. Der Kahn 
ist das Totenschiff. 

Mit Voraussendung dieser Erwägungen dürfte es nicht 
schwer sein, das Ursprungsmotiv der Mythe von den 
schwarzen und weissen Menschen herauszulösen. Es handelt 
sich nicht um Europaer und Neger, sondern um Tag resp. 
Sonne, resp. Seelen der Toten und Nacht resp. Mond. 

„Die Menschen stammen aus der Mitte der Erde u ist 
eine Umkehrung von: „Die Sonne und die Seeleu der 
Toten siuken hinab in die Höhle, das Land der Unterwelt." 
„Der Weisse springt auf und badet sich im Flusse" heisst 
ursprünglich: „Die Sonne steigt im« Meere empor" resp. 
„die Sonne geht im Meere unter" u. s. w. 

Jedenfalls kann folgende Lesart als Schema des Ur- 
sprungsmotives gelten. 

„Die Sonne steigt empor aus dem Wasser. Sie ist 
die Frühe. Die Nacht folgt ihr 33 ). Die Sonne sinkt nieder 

38 ) Am Gabun gelten Sonne und Mond auch als Geschwister 
und Kinder desselben Vaters. - Bowdich: „Mission" S. 569,70. In 
Yoruba stehen Sonne und Mond in Ife wieder auf, uachdem sie in 
der Erde begraben gewesen waren. Hoftmann S. 224. Burton: 
„Yoruba 44 Bd. I S. 191. Sonne, Mond, Sterne und alle Götter ent- 
sprangen in lfe. Crowther: „Granunar" S. III. Das sind verständ- 
lichere Formen des gleichen Motivs, das in der Mythe von den 
schwarzen und weissen Menschen eine merkwürdige Ausdrucksform 
gefunden hat. 



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— 284 — 



ins Meer, mit ihr die Toten im Totenschiff. Nacht deckt 
die Erde. u _____ 

Wenn auch nur eine Sonne nach der allgemeinen, ver- 
breiteten Anschauung existieren mag, so fehlt es jedoch 
nicht an Meinungen, dass täglich eine Sonne im Meere 
auf immer versinkt. So bei Basuto und Damara 34 ). Es 
mag das schliesslich zu Mythen gleich denen der Mussorongho 
führen, die erzählen, dass einst viele Sonnen existiert 
hatten, welche aber schliesslich bis auf eine von Sambiampungo 
vernichtet wurden, als ihre Hitze die Menschen zu arg 
plagte 35 ). 

Im Allgemeinen glaubt man aber wie gesagt, dass 
nur eine Sonne existiere, so die Wakonde. Bei denen 
gilt der Himmel als ein festes Gewölbe, an welchem die 
Sonne am Tage von Osten nach Westen ihren Lauf voll- 
führe und in der Nacht auf der anderen Seite des Gewölbes, 
weshalb sie den Menschen unsichtbar ist, nach Osten zurück- 
kehrt. Nach Meinung der Ewe streiten im Osten und 
Westen zwei Völker um den Besitz des Tagesgestirnes. 
Die im Westen siegen bei Tage. Dann geht sie unter. 
Dies Ostvolk zieht sie während der Nacht zu sich herüber 36 ). 

Den Höhepunkt erreicht die realistische Anschauung 
in der folgenden arg materialistischen der Namaqua. Die Sonne 
besteht nach ihnen aus klarem Speck und die Leute, welche 
auf den Schiffen fahren, ziehen sie des Abends durch 
Zauberkraft zu sich herab, schneiden ein tüchtiges Stück 
herunter, wie von einem Seehunde und geben ihr dann 
mit dem Fusse einen Tritt, so dass sie davonfliegt und 
des Morgens wieder hervorkommt 37 ). Idealer ist die Be- 

Wangeinann: „Basutoland" S. 17. Anderson Bd. I 8.248. 
* Ä ) Bastian: n Loangoküste u Bd. II 8. 223. 

s «) Herold Bd. V 8. 148. Merensky.i. d. „Verh. der Berl. Ges. 
für Anthrop. 1893 8. 296. 

37 ) „Das Klein-Xamaqualand u 8. 380. Anderson Bd. II S. 69. 



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— — 

trachtungsweise der Accra, welche sagen, Nyongmo öffne 
Morgens das grosse Thor für die Sonne 38 ). 

Von der Verehrung der Sonne wird am häufigsten, 
wenn auch nur mit einer allgemeinen Bemerkung gesprochen. 
Die Sonne wird oder wurde verehrt im Sudan und bei den 
Sande und Schilluck, von den Guanchen auf Teneriffa, 
Dann an der ganzen Westküste 39 ). Die Negervölker ziehen 
der Sonne nach, so wie sicher einst die Oceanier 40 ). 

Die Ostafrikaner verehren die Sonne und wenn einer 
wegen des täglichen Brodes befragt wird, wird er hinauf 
zum Lichte des Tages weisen, und wenn man ihn nach 
den Ursachen des Todes eines Bruders fragt, wird er ant- 
worten: Jua oder Riuwe 41 ). Vergl. S. 221). 

Von der Sonnenverehrung der Aschanti wissen wir 
wenig: hinter dem Herrscher her werden güldene Sonnen 
getragen 42 ). Mehr 43 ) ist aus Madagaskar und Dahome 
bekannt. 

Die Madagassen sehen die Sonne als einen strahlenden 
Körper, als ein überirdisches aber erschaffenes und ab- 
hängiges Wesen an. Sie blicken sie mit Bewunderung 
und Verehrung an, widmen ihr aber keine Gebete. Sie 
betrachten sie als die Quelle des irdischen Besitzes, Genusses 
und aller Furchtbarkeit. Ein Spiegel, in dem Arzeneien 
für Kranke erblickt werden, ist vielleicht das Medium eines 
Sonnenorakels 44 ). 

* 

**) Steinhäuser 8. 130. 

3 ") Leo Afrikanus 8. 321, 4SI. Petermann u. Hassenstein 8. 22. 
Du Courct in Meyer's Volksbibliothek, Bd. 67 S. 210. „Allg. Hist. 
d. R." Bd. II 8. 6, 71; Bd. III 8. «08; Bd. IV 8. 501. Römer 8. H4/5. 
Ogboni 8. 309. Bastian: „San Salvador" 8. 305. 

*°) Soyaux Bd. II S. 123. 

4 ') Burton: „Lake Region* Bd. II 8. 346. 

**) Ramsayer u. Kühne 8. 87. 

*") Weiteres in Kap. 21. Beziehung zum Monde. 

*♦) Ehrmann S. 134. Capland 8. 65. Sibree 8. 347, 350. 



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- 286 — 



Lissa oder Lisa ist der Sonnengott der Eweer, der 
Geist der Sonne, der „ge u im Awuna-, „wo" im Affueh-, 
„whi u im Dahome- Dialekte heisst. Kr wird in Dahome 
und unter den östlichen Stämmen verehrt. Sein Emblem 
ist ein Topf von rotem Thon mit einem Deckel, beide in 
Streifen mit weisser Farbe bemalt und an der Oberseite 
mit dem Bilde des Chamäleons versehen, welches der 
Bote Lissas ist. Diesen Topf sieht man gewöhnlich in 
einer kleinen Schanze mit Wasser gefüllt, aufgestellt. Ge- 
schenke an Nahrung werden ihm oftmals gebracht. Dass 
das Chamäleon auf dem Deckel männlichen Geschlechtes 
ist, ist an dem gekrümmten Rücken zu erkennen. Lisa, 
die Sonne, ist die Incarnation von Kheviosoh. Vergl. S. 48. 

Lissa hat seine Frauen, die Lissa-si. Sie sind erkennt- 
lich durch Stränge von schwarzen und weissen Perlen. Bei 
feierlichen Gelegenheiten tragen sie eine eiserne Rolle, die 
in sehlangenförmige Wellen gekrümmt ist. Dem Gotte 
werden, wenn die Ernte heranreift, Opfer von Hühnern 
und Tauben dargebracht. 

Lissa heiratete Gleti, den Mond, oftmals Dsinu oder 
Sunh genannt 45 ). Diese hat eine grosse Anzahl von 
Kindern, aber da seine jungen Söhne, emporgewachsend, 
darnach trachteten, ihrem Vater durch das Khekheme zu 
folgen, ward er eifersüchtig auf sie, stürzte sich auf sie 
und tötete einige derselben, während der Rest in das 
Meer entfloh. Die Töchter trachten nicht darnach, mit 
ihrem Vater zu wetteifern. Sie begleiten daher noch 
immer ungestört ihre Mutter bei Nacht, während der Vater 
des Tages allein reist. Das Wort für Stern ist r Gletis 



45 ) Der Gott wird oft Desi oder Se genannt; doch da dieses 
thatsäehlich nun „Geist" oder „Herz 4 bedeutet, ist das kein eigent- 
licher Name. Ellis: f Ewe" S. 65. Burton nennt den Mond „Mau tt ; 
vergl. Kap. 21. 



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— 287 — 



Kind tl. h. Mond-Kind". — Einigen Eingeborenen zufolge 
schufen Gleti und Lissa den Menschen. 

Gatte und Gattin sind nicht immer derselben Ansicht, 
so kommt es, dass Lissa seinen Lauf unterbricht, Gleti 
folgt und sie schlägt. Wenn dies geschieht, fällt ein 
schwarzer Schatteu auf Gleti und verdeckt ihr Licht. Auf 
diese Weise erklären sich die Eingeborenen die Mond- 
finsternisse und in solchen Zeiten durcheilen die Eweer 
die Strassen und suchen mit Rufen und Trommeln die 
Sonne zu verscheuchen, was naturlich immer gelingt 46 ). 

Die Erzählungen von den Kindern der Sonne, den 
Söhnen, die der eifersüchtige Vater verjagt und die sich 
in das Meer flüchten, erinnert nicht nur ungemein an öst- 
liche Ansichten, sondern ist auch in anderer Hinsicht 
interessant. Die Mitteilung stammt offenbar aus dem 
Munde eines Volkes, das die Sonne im Meere untergehen 
sieht. Es geht jeden Tag eine Sonne unter. Alle zu- 
sammen sind die Söhne Lissas, jder sie verfolgt, — was 
wieder an den vom Feuerbesitzer verfolgten Maui erinnert. 
(Vergl. die Anschauung der Mussorongho.) 



Mit dem Sonnendienste steht vielleicht der verhältnis- 
mässig klar ausgebildeter Feuerdienst in Beziehung. Drei 
oder auch zwei Gebiete lassen sich nachweisen. Einmal ist 
ein Feuerkultus bei den Eve, dann ein solcher bei den 
Damara und im Anschlags an diese in Monomotapa, Loango 
und Congo nachgewiesen. 

Der Feuergott der Ewe ist Dso od Zo, auch So ge- 
nannt. Seine Beziehung zu Khevioso spricht schon aus 
dem Namen dieses. Dies ist der „Feuerschleudernde 
Gott". 



*•) Ellis: „Ewe tt S. 65/6. Skerchley 8. 472. Burton: „Yoruba* 
Bd. II 8. 147. Schneider 8. 35. 



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! 



— 288 — 

Feuerverelirung findet nur insofern statt, als Feuer 
und Flammen im allgemeinen als Manifestationen des 
Gottes betrachtet werden, der als übernatürliches und 
gewöhnlich unsichtbares Wesen im Zorne in Gestalt der 
Flamme auftritt. Es wird auch anscheinend kein bestehen- 
des Feuer unterhalten, dessen Erlöschen als unglückbringend 
angesehen wird, noch irgend eine Ceremonie des Aus- 
löschens und Wiederanzündens in bestimmten Jahreszeiten 
vorgenommen. Feuer wird in gewisser Hinsicht als eine 
Art Läuterungselement angesehen und so z. B. werden in 
Weida diejenigen, die versehentlich heilige Schlangen 
töteten, durch ein brennendes Haus gejagt. 

Wenn ein Haus neu gebaut ist, wird gewöhnlich ein 
Topf mit Feuer in einem Räume aufgestellt und ihm Opfer 
dargebracht, und das Haus so uuter den Schutz des Dso 
gestellt, dass er es vor Zerstörung durch Brand schütze. 
In früheren Zeiten wurden die Männer, in deren Haus 
Feuer ausbrach, zu Tode verurteilt als Warnung für andere. 
Die Gefahr des Ueberspringens auf benachbarte Häuser ist 
sehr nahe liegend. 

Dso-vodu sind Amulette, die zu Ehren von Dso von 
seinen Verehrern getragen oder an den Häusern aufgehängt 
weiden. So soll ein um die Häuser hängender Strang von 
Grashalmen, an dem Palm blättchen hängen, so wie ein 
weisser Streifen an der Front vor seinem Element schützen. 

Es ist ein gewöhnlicher Brauch desjenigen, dem etwas 
gestohlen ist, einen brennenden Scheit um das Haupt zu 
schwenken, bis er erlöscht; er betet, dass der Dieb so 
sterben möge wie das Feuer, das er schwenke erlöscht. 
Es ist klar, dass dieser Brauch Beziehung zur Feuer- und 
Sonnenverehrung haben muss, zumal Dso angefleht wird, 
den Tod he rbeizuführen 47 ). 

* r ) Kllis: „Ewe u S. 46/7. Skerchley 8. 471. Burton: „Dahoine" 
Bd. II 8. 142. „Yoruba» Bd. II 8. 148. Zoeller: .Kamerun" Bd. I 

8. 57. 



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— 289 



Der alte Römer erzählt, die Fantische Gottheit komme 
dreimal im Jahr mit einem Erdbeben und alle hohen 
Bäume krummen sich, um ihn zu begrüssen. Gleichzeitig 
entstehe ein Wirbelwind. Die Gottheit wohne in der 
Mitte eines Hügelkreises. Alle Neumond wurden ihm 
Opfer dargebracht, die ein Wirbelwind entführe. Das 
Zeichen dieser Fantischen Gottheit sei ein Feuer, das an 
«inem gewissen Orte Nacht und Tag, Jahraus, Jahrein 
unterhalten werde. Vor demselben singen die Priester alle 
Morgen und Abende einen altväterlichen Gesang und tanzen 
dazu **). 

Unter den Bawenda in Nord-Transvaal findet sich die 
Sage, das ein göttlich verehrter alter König dem Volke 
das Feuer gebracht habe. In den Hauptstädten werden 
heilige Feuer unterhalten, die nicht verlöschen dürfen. 
Unter diesen Herero hat jeder Stamm eine solche Stätte 
„Okuruo" genannt. Sie ist mit einer Hecke umgeben. 
Die Eingeborenen betreten sie mit heiliger Scheu, nachdem 
sie sich vorher ihrer Sandalen entledigt haben, und küssen 
die Asche. Das Feuer, welches nie verlöschen darf, 
wird von einer Tochter des Häuptlings gepflegt, welche 
Ondangere genannt wird. Sie führt das Amt, welches 
ihr eine bevorzugte Stellung giebt, nur bis zu ihrer Ver- 
heiratung. 

Dieses heilige Feuer darf nie verlöschen; während 
das Vieh gemolken wird muss es hell brennen. Jede ab- 
ziehende Familie nimmt von diesem Feuer mit sich. Sollte 
es verlöschen, so bleibt der Wauderzug liegen, bis von 
einem anderen Orte heiliges Feuer herbeigebracht ist. Am 
neuen Wohnorte angekommen, wird die neue Feuerstätte 
errichtet, Opfer werden geschlachtet und jeder Anwesende 



**) Horner S. (»5 ff. 
Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 19 



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— 290 — 



speit von einem Gemisch aus Wasser, Fett und Milch in 
Flamme * 9 ). 

Der Herrscher Monomotapas sandte alle Jahre an seine 
Vasallen einige Gesandte, die ihnen ein neues Feuer zu 
übergeben hatten, mit dem Befehle, alle alten Feuer aus- 
zulöschen. Sobald der Gesandte am Hofe vor den Fürsten 
erscheint, muss ein jeder sein Feuer auslöschen und nicht 
eher wieder anzünden als der Gesandte das neue Feuer 
angelegt hat. Von diesem Feuer müssen dann alle Unter- 
thanen desselben Fürsten ihr Feuer holen und in ihre 
Häuser tragen. Wer solches zu thun sich weigert, wird 
für einen Aufrührer gehalten und gestraft 50 ). 

Bei den Betschuanen lassen sich noch heute die Spuren 
dieses alten Feuerdienstes nachweisen. Wenn z. B. alle 
Mittel Regen herbeizuführen fehlschlagen, dann werden 
die Feuerstellen gereinigt. Während der Dauer dieser 
Ceremonie müssen alle Herdfeuer ausgelöscht sein. Der 
Unterpriester erscheint den folgenden Morgen oder Abend 
mit geweihtem brennenden Stabe und entzündet das Feuer 
aufs neue. Die Makalaka schwören beim Feuer 51 ). 

Ein Ausläufer dieser alten Zentrale reicht bis an die 
Kongomündung und noch weiter nach Norden. Schon in 
anderen Studien ist gezeigt worden, wie diese Völker nach 
Norden geströmt sind. 

In älteren Berichten aus Congo ist viel vom Ganga 
Chitome oder Chitombe die Rede. Dieser Priester ist schon 
auf Erden ein Gott und am Himmel vermag er alles. Ihm 
wurden die Erstlinge der Felder gebracht. Wenn Vater 

") Merensky i. d. „Verh. d. Berl. Ges. f. Anthrop." 1891 S. 379. 
Anderson Bd. I 8. 239 40. Hahn: n Herero u S. 499 — 501. Ratzel: 
„Völkerkunde" 2. Aufl. Bd. II S. 52. Fritseh S. 230 ff. 

Ä0 ) Dappcr 8. 631. Bastian: „Loangoküste" Bd. II 8. 214. 

5I ) Holub Bd. I 8. 422. Ratzel: „Völkerkunde" 2. Aufl. Bd. II 
S. 40. 



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— -291 — 



und Mutter einer Familie sie unter feierlichen Gesäugen 
überreichten, versprach er Vervielfältigung der Gabe bei 
der nächsten Ernte. Er und seine Angestellten führten 
bei der Saat die ersten Spatenstiche aus. 

Tag und Nacht unterhielt der Ganga Chitome in 
seiner Hütte ein heiliges Feuer, von dem er gegen Bitten 
oder Bezahlung einen Scheit abgab. Unter Ceremonien 
und Darbringung von Geschenken musste sich jeder neue 
Beamte oder Fürst von ihm weihen lassen. Alle Ver- 
heirateten mussten sich während der Zeit der Abwesen- 
heit des Ganga Chitome von seinem Wohnsitze der Frauen 
enthalten. 

AVenn der Ganga eines natürlichen Todes sterben 
würde, wird die Welt untergehen und die Erde, die nur 
durch seine Macht besteht, würde in das Nichts zurück- 
fallen. Wenn der Ganga Chitome sein Ende kommen 
sieht, wird er von seinem Nachfolger erhängt. 

Der Ganga Chitome trägt stets lange Haare 5 ' 2 ). 

Bei Jaga und Basundi treffen wir noch weitere wich- 
tige Sitten des Feuerdienstes. Wenn dem Heerführer der 
.Jaga vor der Schlacht vom Ganga-Ya-Jta der gegen Pfeile 
schützende Gürtel umgelegt wurde, ward das alte Feuer 
ausgelöscht und ein neues heiliges Feuer entzündet, um 
den lohenden Holzstoss ein Tau, das niemand berühren 
durfte, gezogen und der heilige Tanz aufgeführt. In die 
lodernde, funkensprühende Flamme, die verehrt wird, 
werfen die Bakongo Speiseopfer und das Blut, der am 
Neumond geweihten Opfer, wird in die heilige Flamme ge- 
spritzt 53 ). 

") Cavazzi Bd. I S. 254, .261, 269. Bastian: „Loangoküate* 
Bd. II 8. 214. 

n3 ) Bastian: „San Salvador* 4 S. 95. Cavazzi Bd. I 8. 368/9; Bd. II 
S. 192 3. 

19* 



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— 2?)2 — 

In Loango hören wir noch von der Prophezeihung 
ans dem Feuer und die dem Feuer bei Heileeremonien 
dargebrachten Opfer. Am Gabun, bei den Fan, klingt 
der Feuerdienst aus. In den Hauptlingsdörfern werden 
Tag und Nacht heilige Feuer unterhalten, die den Einfluss 
böser Geister abwehren sollen 54 ). 

Das Bindeglied zwischen Feuerdienst und Sonnenmythe 
liegt in der Sage vom Feuerbringer. Bei dem Damara 
entzündet der aus der Höhle resp. dem Baume ent- 
stiegene Mensch das erste Feuer. Einige sagen, es sei der 
alte König Tschohdou; andere behaupten, es sei Mukuru 
oder Odeinpo, der Feuerspender gewesen 55 ). Damit ist 
die Feuererwerbung mit dem Menschenursprung verbunden. 
Auch bei den Mussoronghi bringt Wetäkekela, der erste 
Mensch, das Feuer vom Himmel herab 5Ö ). 

Die Entstehung der Menschen ist aber in der umge- 
kehrten Form des Sonnenunterganges resp. des Todes 
— die Seele folgt der Sonne — zur Darstellung gebracht. 
(Der Ursprung in der Höhle siehe „Schwarze und weisse 
Menschen" !) Dem entsprechend lehnt sich die Feuer- 
gewinnungsmythe auch hier, wie in Oceanien. (Feuer- 
Schlange-Seele) an den Sonnenaufgang an. Wir sahen 
schon wie Schango die mit der Medizin alias dem 
Feuer entfliehende Oya verfolgt und wie die Mythe mit 
dem Sonnenaufgange beginnt. 

Im Westen der westlichen Provinz verschwimmt auch 
diese Mythe. Bei den Temne und Tschi gab Gott den 
Menschen das Feuer 57 ). 



") Hiibbe-Sehleiden. Bastian: „Loangoküste" Bd. II S. 191, 239. 

"1 Merensky i. d. „Vorn. d. Beel. Ges. f. Anthrop.* 1S91 8. 379. 
Anderson Bd. I 8. 230 7. Ratzel: „Völkerkunde* 4 2. Aufl. Bd. II 8. 52. 

*•) Bastian: „Loangoküste 44 Bd. II 8.222 3. 

17 ) Sohlenker: „Tradition*« 8. 17. Schneider 8. 41. 



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— 203 — 

Leber die Ergebnisse dieses Kapitels lässt sich mancher- 
lei Zusammenfassendes und Allgemeines sagen. Der Sonnen- 
kultus Afrikas ist wenig ausgeprägt. Er ist mehr auf 
einen selbständig gewordenen Feuerdienst beschränkt — 
immer angenommen, dass dieser nicht selbständig ent- 
standen ist. Der Feuerdienst ist am klarsten in der süd- 
lichen Provinz bei den Damara, im alten Monomotapa und 
bei den Basundi. Dagegen ist die Sonnenmythologie in- 
mitten des westafrikanischen Völkerkreises am schönsten 
erhalten. Aber die Sonnenmythen der südlichen und süd- 
westlichen Provinzen enthalten, wenn auch in einem 
anderen „Stile" zur Darstellung gebracht, die gleichen 
Motive. Die Gleichheit der Fundamente dieser eigenartigen 
afrikanischen Mythologie spricht aber in merkwürdiger 
Klarheit aus der Verbreitung der Mythe von den schwarzen 
und weissen Menschen. 

Aber auch der Typus dieser Mythe ist bezeichnend. 
Wie tief ist dies Niveau der Mythologie, das sicher einst 
hoch stand, aus der Region der „hohen" Mythologie herab- 
gesunken! Wie einzelne Klippen als Reste eines vom 
Meere hinweggespülten Erdteiles ragen noch die Mythen 
von Schaugo und Hubeane aus den Wassern der afrikanischen 
niederen Mythologie empor. 



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XVIII. Kapitel. 
Die afrikanischen Spüinenmythen. 



Verbreitung. — »Spinne als Mensehenschöpfer. — Spinne ver- 
liert die Hände. — Die drei Geister der Unterwelt. Das viel- 
flugige Tier. Knjebiribi, der Menschentöter. — Nyankupong» 
Tochter. — Spinne» Topf. — Der Tod im Spinnennetz. — Spinne in 
der Kuh. — Spinne als Schöpfer. - Der Spinne Tod. — Charak- 
ter der 3hthen. ■- Der Spinne Charakter. — Solare Eigenarten. — 
Kühe in afrikanischen Sonnenmythen. — Im malaiischen Archipel. 

Der westliche Bezirk der westafrikanischen mytho- 
logischen Provinz ist ausgezeichnet durch eine Legenden- 
sprache, die in ihrer Naivität es unklar lässt, ob sie hohe 
Mythen, Fabeln oder Märchen erzählt. Ihre Hauptfigur 
ist die Spinne. Nanj oder Anansie. Das Verbreitungs- 
gebiet der Spinnenmythen, in deren Kreis alle Erzählungen 
gezogen werden, beginnt bei den Ga und erstreckt sich bis 
zu Bagos, an deren Grenze es anscheinend endet. Mit 
diesen Mythen wollen wir uns im vorliegenden Kapitel 
beschäftigen *). 

*) Das Material stammt aus: Ellis: „Yoruba" S. 339. „Yoruba* 
S. 258 und 259. Bossmann S. 177, 383. Bastian: „Nigritier* S. 45. 
Römer S. 43—47. Bonner S. 263 — 265. Zimmermann 8. 193 — 200. 
Barth: „Volkssagen* S. 466. Schlencker: „Tradition^ S. 45—73. Eine 
<ler schönsten Mythen verdanke ich der Güte des Herrn Missionar» 
Steiner, der sie aus dem Munde eines Ga- Knaben erhalten hat 
(Nr. 4). Bei den Yaunde giebt es ein Spinnen -Orakel. Zenker 
S. 467. 



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— 295 -- 

1. Mythe (Acera). 

Die Neger haben Traditionen von einem gewissen 
Nanj, nämlich von seineu Ranken und Schelmstüeken. 
Man könnte Nanj mit Recht den Eulenspiegel der Schwarzen 
nennen. Die Neger haben fast nichts zu verrichten, sondern 
schlafen bei Tage und kommen beim Mondschein zusammen, 
sitzen vor ihren Thüren, wohl so in einem Haufen. Da 
erzählen dann die Alten den Jungen die Geschichten von 
Nanj. Diese finden an den Ränken und Betrügereien 
desselben einen sonderlichen Geschmack, und wünschen 
nichts sehnlicher, als Gelegenheit zu finden, diesen Eulen- 
Spiegel nachzuäffen. Von allen dem soll einiges hier nach- 
erzählt werden. 

Eine grosse schwarze Spinne mit Namen Nanj hat 
auf Gottes Befehl (!) die ersten Menschen geschaffen, oder 
richtiger nach der Neger-Meinung: Nanj musste die Stoffe 
herstellen, aus denen der Mensch geschaffen ward. Nanj 
war fieissig und spann Stoff zu einer Menge Menschen, 
bis sie nicht mehr konnte. Nanj erwartete hierauf für 
ihre Mühe einigen Dank von den Menschen. Sie liefen 
aber davon und eine Gottheit unterrichtete sie, was sie 
thun und lassen sollten. 

Nanj schaffte noch einen von dem wenigen Stoff, 
den sie noch übrig hatte. Dieser ward kleiner als die 
vorigen, und Nanj erzog ihn selber, unterrichtete ihn und 
legte ihm ihren Namen Nanj bei. Dieser ist der Held, 
von dem die Traditionen handeln; wie er ohne Arbeit in 
der Welt leben konnte, nämlich er betrog andere: wie er 
fähig war die Gottheit zu narren, wenn er ihr ein Huhn 
geben sollte. Seine Mutter zeigte ihm, wie er das Fleisch 
essen, die Federn und die Beine aber wieder zusammen, 
und die Gestalt des Huhnes wieder zu Wege bringen 
sollte. 



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— i>9(i - 

Sollte er ein Ei liefern, so lehrte sie ihm, wie er ein 
Loch darein sehlagen, es austrinken, es mit Erde oder 
Sand ausfüllen und das Loch wieder zukleistern sollte, 
mit der Versicherung, er würde noch Ehre damit einlegen, 
weil er ein so grosses und schweres Ei bringe. Und ähn- 
liches erzählen sie mehr. 

2. Mythe (Acera). 

AVenn die Neger die folgende Geschichte erzählen, so 
äffen sie alle Dinge der Erzählung nach. Ist Nanj von 
einem Orte zu einem anderen gegangen, so geht der Er- 
zähler gleichermassen ein paar Schritte. Hat Nanj etwas 
gespeisst, so ihm wohlschmeckt, hat er geweint, gelacht, 
getrunken, getanzt u. s. w., so macht ihm der Erzähler alles 
nach. Es sind bei der Vortragung und Vorstellung der 
folgenden Geschichte mehrere Schwarze von Nöten, deren 
jeder eine Rolle übernimmt. 

Es war einstens im ganzen Lande ein Miss wachs und 
eine grosse Hungersnot, sodass eine Bohne ein Ei kostete. 
Nanj wusste nun, dass sein Nachbar noch einen ziem- 
liehen Vorrat an Bohnen hatte. Dieser war ein Schütze 
und wenn er morgens ausging, befahl er, dass seine Kinder 
die Bohnen in die Sonne legen und sie fleissig umrühren 
sollten, damit keine Würmer in sie kommen möchten, sie 
sollten aber keine davon speisen, bis er zurückkomme. 
Dann würde er die Portionen austeilen. 

Nanj fand sich ein, wenn der Schütze nicht zu Hause 
war, grüsste die Kinder und sie thaten ein Gleiches. 
Nanj hatte seinen ganzen Körper mit Pech oder Gummi 
überstrichen und bat um die Erlaubnis, vor ihnen tanzen 
zu dürfen, dieweil er ein neues Stück erfunden habe. Die 
Kinder willigten sehr gerne ein, Nanj fing an zu tanzen, 
und wälzte sich in den Bohnen, so dass viele an seinem 
Körper hängen blieben. Als der Tanz vollendet war, zeigte 



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— 297 — 



Nanj den Kindern seine Hände und sagte: Ihr sehet wohl, 
dass ich nichts mit mir nehme." „Nein u , antworteten die 
Kinder. Nachdem nahm er die Bohnen von seinem Körper 
■nd gab sie seiner Frau. 

Da nun der Schütze zurückkam, erzählten die Kinder, 
dass Nanj bei ihnen gewesen und zeigten ihm den Tanz, 
den sie gemerkt hätten. Endlich merkte der Schütze, das* 
seine Bohnen abnahmen, und hatte Nanj in Verdacht. 
Er ging an einein Morgen aus und verbarg sich nahe bei 
seinem Hause im Gebüsch Da sah er denn wie Nanj 
auf erwähnte Weise ihn seiner Bohnen bestahl. Hierauf 
bemächtigte er sich Xanjs schlug ihm beide Hände ab 
und Hess ihn laufen, wohin er wolle. Nanj kam nach 
Hause und verbarg die Hände unter seine Leibbinde. Er 
fing an auf seine Frauen zu schelten, dass sie nicht gleich- 
falls Essen schafften und sagte, er wolle zukünftig seinen 
Frauen gar nichts mehr liefern, sondern nur seine Kinder 
ernähren, wie er denn auch befahl, die Kinder sollten in 
sein Haus gebracht werden und mit ihm speisen. 

Die Frauen waren damit einverstanden und jede trug 
ihr Kind in Xanjs Hütte. Nanj verfügte sich zuletzt zu 
den Kindern, schloss die Thür und stiess jedes von ihnen 
mit dem Rest seiner Anne vor den Mund und drohte 
ihnen gleichfalls die Hände abzuschlagen, wenn sie nicht 
sagen würden, sie seien recht wohl ernährt worden. Die 
Kinder versprachen es und schwiegen zwei Tage still. 
Deu dritten Tag aber klagten sie den Vorfall ihren Müttern, 
die den Nanj überraschten und sahen, dass er keine 
Hände habe. 

Sie entschlossen sich nun alle, Nanj zu verlassen und 
andere Männer zu suchen. Sie liefen alle von danneu. 
Der schlaue Nanj ging voraus, verbarg sich in einem Ge- 
büsch und fing an Holz zu hacken. Die vorbeigehenden 
Frauen grüssten ihn, ohne zu sehen wer es sei. Nanj 



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— 298 



-veränderte seine Stimme, dankte für ihren Gruss und frug, 
-wohin sie zu gehen gedächten ? Die Frauen erzählten ihm in 
der Kurze die Begebenheiten und ihren Vorsatz. Auch 
frugen sie ihm, ob er keine Frauen nötig habe? Nanj 
antwortete: „Freunde, wollet Ihr meinem Rathe folgen, so 
kehret wieder zurück und gehet zu Kuren Manne. Ich 
4iatte 20 Weiber; 19 von ihnen aber habe ich weggejagt, 
«denn ich habe genug an einer in dieser teuren Zeit." Die 
Frauen nahmen Abschied und gingen weiter. Nanj lief 
Avieder voraus und gab vor, 50 Frauen gehabt und 49 weg- 
gejagt zu haben. Ebenso geschah es zum dritten Male; 
da sagte er, er habe 100 Frauen gehabt und 99 weg- 
gejagt. 

Die Frauen unterredeten sich hierauf und beschlossen 
zuletzt die Gottheit um Rath zu fragen. Dieses hörte 
Nanj ebenfalls und sprach in dem Gebüsche, in dem er 
verborgen war, gleich wie die Gottheit. Das Ende von 
alle dem war, dass die Frauen nach ihres Mannes Hause 
zurückgingen. 

Er war aber auch hier schon gegenwärtig und wollte 
sie nicht nicht wieder in seine Hütte zurücklassen, bis sie 
<lem Nanj vorteilhafte Bedingungen bewilligt hatten. 

3. Mythe (Accra). 
„Soll ich erzählen oder nicht ? u — Wir sind bereit zu 
antworten 2 )." — War's nicht eine grosse Hungersnot, als 
nichts zu essen und zu beissen war und die Henne und 
-der Hahn mit knapper Not noch eine Nuss auf dem Dünger- 
haufen entdeckten, dass unser Spinnenmann und Spiuuen- 
sohn. von Not getrieben, auch nach Nüsse sich umschauten? 
Hatte da der Spinnensohn nach langem Suchen eine Nuss 

2 ) Dies ist der regelmässig wiederkehrende Anfang der Accra- 
mythen. Diese werden von einem Einzelnen im Dialog mit der Masse 
4er Zuhörer vorgetragen. 



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— 299 — 



entdeckt und sie aufgeklopft, als der Kern in eine Ratten- 
höhle hineinfuhr. Spinnchen lief nach, den Kern zu suchen, 
und ehe er sichs versah, fand er sich in der Unterwelt 
von drei Zwerggeistern umringt, einem roten, einein 
weissen und einem schwarzen. 

Ihre Haare hingen über das Gesicht herab, ihre Einger- 
nägel waren zu Kralleu geworden, gewaschen hatten sie 
sich noch nie. Spinnchen erschrack. Sie aber erkundigten 
sich, was er da zu schaffen habe? Spinnchen erzählte 
seine Geschichte. Hierauf holten die Geister eine grosse, 
schöne Yamswurzel herbei, befahlen aber Spinnchen, blos 
die Schalen auf das Feuer zu setzen, den Yams selbst aber 
auf den Düngerhaufen zu werfen. Spinnchen that es und 
aus den Schalen wurde das beste Essen. Als Spinnchen 
gegessen hatte, und satt geworden war, gaben ihm die 
Geister eine ganze Last Yamswurzeln und lehrten ihn 
<las Liedchen; 

(Der Erzähler singt:) „Weisser Geist hoho! 

Roter Geist hoho! 
Schwarzer Geist hoho!" 

(Die Zuhörer singen:) „Wird mein Kopf es übertreten, 

Was wird geschehen? 
Den Kopf, den wirft er weg: 
Den Fuss, den wirft er weg; 
Den Kopf, den wirft er weg; 
Du, Du beleidigst die grossen Gott- 
heiten 3 ). u 

Dann begleiteten sie Spinnchen, befahlen ihm aber, 
<las Lied niemals zu singen und es niemand zu lehren, 
«sowie den Yams immer auf die angegebene Weise zu 
behandeln. Spiunchen that es. Zu Hause war grosse 



*) Im Original Bteht statt Gottheiten „Fetische**. 



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— 300 — 



Freude über de» Yams. Als er verzehrt war, holte Spinnchen 
eine zweite Last und so fort. 

Nun wollte aber der Spiunemann wissen, wo Spinnchen 
den Yams hole; aber Spinnchen fürchtete das Wesen seines 
Vaters und verweigerte beharrlich jede Auskunft. Als ersieh 
nun aber wieder einmal zu einem fünften Gange anschickt* 4 , 
stand sein Vater in der Nacht auf, nahm Spinnchens Sack, 
nahm die Kleider heraus und that Asche hinein, machte 
ausserdem unten i:\ den Sack ein kleines Loch. So fand er 
der Spur der Asche nachgehend den Weg und das nächste 
Mal setzte er es durch, dass er ging. 

Wie er nun die drei Geister sah, herrschte er sie an: 
„Hei! was ist das für eine Art, wie ihr es treibt! Ihr 
Sehmutzbengel, her mit Euch, dass ich Kure Haare schneide 
und Euch wasche. u Und in der AVeise stritt er lange mit 
ihnen, bis sie fragten, was er denn eigentlich wolle und 
sie ihm Yams zum Kochen gaben. Aber er machte es 
nicht, wie sie sagten, sondern that den Yams in den Topf 
und warf die Schalen fort. Aber die Yamswurzeln wurden 
nicht weich. Da schalten die Geister ihn einen Thoren 
und befahlen ihm, es anders zu machen, worauf das Essen 
geniessbar wurde. Zuletzt lehrten sie ihm dieses Lied: 

„Weisser Geist hoho! 

Koter Geist hoho! 

Schwarzer Geist hoho! 

„Wird der Kopf es übertreten, 

Was wird geschehen? 

Den Kopf, den wirft er weg. 

Den Fuss, den wirft er weg, 

Den Kopf, den wirft er weg. 

Du, Du beleidigst die grossen Gottheiten!" 
Als sie ihm aber befahlen, das Lied weder zu singen 
noch es jemand zu lehren, und noch nicht recht ausgeredet 
hatten, begann der Spinnenmann schon zu singen. Darüber 



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- 301 



zur Rede gestellt, sagte er, er habe ein Lied seiner Heimat 
gesungen. Kaum war er aber ein Weilchen gegangen, so 
sang er wieder. Aber plumps! von oben fällt etwas her- 
unter, der Spinnenmann stürzt hin, dort liegt sein Kopf, 
da die Hand, dort ein Fuss, der Spinnenmann ist gestorben ! 
Aber immer singt er noch. Da sagt der weisse Geist zu 
den andern: „Er ist ein armer Schelm, lasst uns ihn wieder 
lebendig machen." Da hatten die Geister Erbarmen mit 
ihm, machten ihn wieder lebendig und bedrohten Ihn aufs 
neue. Aber kaum zu sich gekommen, singt er auch wieder. 
Nun prügelten sie ihn durch und Hessen ihn mit leerer 
Hand gehen. Mit Schimpf und Schande kam er heim, und 
dort ward das Betragen des Spinnenvaters verworfen, das 
des Spinneliens aber ward Sitte, nämlich: „Wenn Du in 
eine fremde Stadt kommst, dann sollst Du nicht über die 
Sitten der Bewohner schimpfen, sondern Dich in dieselben 
schicken. u 

4. Mythe (Accra). 

Es begab sich einmal, dass Spinne für den damaligen 
Konig ein Grundstück kultivierte, wofür ihm eine Kuh als 
Lohn werden sollte, da man schon damals wie heute von 
dem Grundsatz ausging, dass für nichts nur der Tod sei. 
Spinne war ein Schelm und dachte, Selberessen macht fett 
und traf deshalb genaue Vorkehrung, dass kein ungebetener 
Gast sich beim kommenden leckeren Mahl einstelle. Er 
schleppte daher das Mastvieh an einen abgelegenen Platz, 
wo die Zubereitung und das Mahl ungestört vor sich gehen 
konnte. Doch siehe da. Als er eben daran war. das ge- 
hörnte Tier auf den Boden zu legen und ihm den Todes- 
stoss zu versetzen, erschien ein Ungeheuer mit vielen Augen. 
Spinne erschrak ob der fremden Erscheinung. Hess das 
Schlachtopfer fahren und machte sich aus dem Staube. 

Doch, von dem vieläugigen Tier zurückgerufen und 
ermutigt, kehrte Spinne auf die Mahlstatt zurück und ward 



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:m - 



von ihm gezwungen, die Kuh zu töten und das Mahl her- 
zurichten. Spinne that pflichtgetreu, ob wollend oder nicht- 
wollend, das Geheissene. Eben war er mit einem Teil der 
Mahlzeit fertig und sog schon mit innerem Behagen den 
heissen Duft der dampfenden Speise ein, als das vieläugige 
Tier das Wort „Tamoku!" hervorstiess, worauf Spinne tot 
zu Boden sank. Der Mörder machte sich nun ungesäumt 
über die Speise her und verzehrte, was des andern Schweiss 
erworben und seine Kochkunst zubereitet hatte. Nach 
beendigter Mahlzeit jedoch rief das vieläugige Ungetüm 
den leblos Daliegenden durch einen andern Zauberspruch 
wieder zum Leben zurück. 

So geschah es an die zwei und die drei Male. Spinne 
kochte, hoffte und ward in Todesnacht versenkt, Da end- 
lich klagte der also übel behandelte Spinne sein Leid einem 
alten Weiblein. Dieses, erfahren in solchen Zauberkniffeu, 
wusste Rat und Abhilfe. Es wusste dem für Spinne tot- 
bringenden Tamoku ein entsprechendes Zaubersprüchlein 
entgegenzusetzen. Sie hiess ihn, sobald das vieläugige 
Tier das verhängnisvolle Tamoku bei der festlichen Tafel 
aussprechen werde, das Wort „Tomodso" auszurufen. 

Spinne that, wie ihm die Alte befohlen, und siehe 
da! Tamoku hatte nicht seine gewöhnliche Wirkung. — 
Das vieläugige Ungeheuer dagegen brach, wie vom Blitz- 
strahl getroffen, beim Klange des Zauberwortes Tomodso 
leblos zusammen. Nun that sich Spinne an der Mahlzeit 
gütlich und suchte sich bestmöglichst für die seither ge- 
habten Entbehrungen zu entschädigen. Als er seinem 
Bedürfnisse reichlich Rechnung getragen hatte, nahm er 
das leblose Tier und legte es auf das Feuer. Da sein 
Fleisch eine gar so schöne weisse Farbe durch das Rösten 
erhielt, kam Spinne die Lust an, davon zu kosten. Aber 
o weh! Im selben Augenblick wurde seine Zunge so dick 
und so lang, dass er dieselbe nicht einmal tragen konnte. 



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— 303 — 

„Was soll ich thun? u sprach der nunmehr grosszüngige 
Spinne. 

Lange ging er mit sich zu Rate, und siehe, seine 
Schlauheit liess ihn auch diesmal nicht im Stich. Als 
Dolmetscher oder Sprecher des Königs herief er das ganze 
Volk und gab einen angeblichen Befehl des Königs kund, 
der dahin lautete, dass ein jeglicher sich an die See zu 
begeben habe. Dort solle sich ein jetler in den Fluten 
baden. Bevor dies aber geschehe, habe jeder seine Zunge 
am Ufer niederzulegen. Nach dem Bade möge sie ein jeder 
wieder zu sich nehmen. 

Sie gingen in Begleitung des königlichen Sprechers 
an den bezeichneten Platz, die Lagune. Alle legten ihre 
Zungen auf dem Damm nieder und begaben sich ius Wasser. 
Während nun alle mit sich selbst und mit der Waschung 
zu thun hatten, benutzte Spinne diesen güustigen Augen- 
blick zu einem Geniestreich. Er liess seine Augen über 
die Reihe der Zungen gleiten und suchte nach der schönsten, 
zierlichsten und zartesten. Als solche erkannte er die des 
Schweines, er nahm dieselbe und eignete sie sich ohne 
Bedenken an. Er ward somit zum Lügner und Räuber. 
An die Stelle derselben legte er seine grosse und unförmige 
Zunge. Hierauf verliess er, als sei nichts weiter geschehen, 
den Platz. 

Nach alle dem kamen die Badenden aus dem Wasser 
und griffen nach ihren Zungen. Alle fanden die ihrigen 
ausser dem Schwein, welchem zuletzt nur die lange, un- 
förmliche Zunge übrig blieb. Wohl oder übel musste es 
dieselben nehmen, „denn", dachte es, „lieber eine wüste 
als gar keine Zunge u , gelobte sich aber, von nun ab sich 
nur noch von Dünger zu ernähren. Das Schwein ging hin 
und that so bis auf den heutigen Tag. 

Moral: „Was für den einen ein Verlust ist, ist für den 
andern ein Gewinn." 



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— 304 — 



Oder: „Hast Du etwas und willst solches nicht mit 
Deinesgleichen gemein haben, so musst Du es mit den 
Tieren teilen." 



5. Mythe (Akwapim). 

Es wird erzählt, der „Anansie (die Spinne) habe einen 
Sohn gezeugt", den er Eutikuma nannte. 

Dieser zeugte wieder einen Sohn, den er Enjebiribi 
(d. h. „es ist nichts") nannte. 

Eutikuma kaufte Rindvieh und übergab es der Schlange 
Nini zum Füttern. Nicht lange danach hörte Eutikuma, 
dass Nini nicht gut auf das Rindvieh achte. Er brachte 
es daher auf seine Plantagen. Enjebiribi ging eines Tages 
hin und riss einem der Rinder ein Auge aus und bereitete 
daraus eine wohlschmeckende Speise, die er mit seinem 
Vater Entikuma verzehrte. Als sie gegessen hatten, sagte 
«dieser: „Das Ding da, das Du gemacht hast, ist wohl- 
schmeckend; geh und bereite es uns nochmals." Darauf- 
hin bereitete Enjebiribi die Speise, bis die Augen aller Rinder 
aufgezehrt waren. 

Eines Tages sagte sein Vater, er wolle nach den 
Rindern sehen; und siehe, aller Augen waren gebrochen. 
Hierauf hob er einen Stock auf, um Enjebiribi zu schlagen. 
Dieser aber sagte: „Wenn Du mich sehlägst, werde ich 
schreien!" Der Vater entgegnete: „Ich werde Dich schlagen, 
und wenn Du schreist, schreist Du ebeu. u Hierauf schlug 
er ihn, und als dieser sagte: „Vater!" starb der Vater. 

Nun hob Enjebiribi einen Stein auf und warf einen 
Vogel herunter. Dem zog er die Haut ab, steckte seines 
Vaters abgeschnittenen Kopf hineiu, hüpfte und stellte sich 
auf den Weg, um weiter zu gehen. Indem er nun wanderte, 
.begegnete er gewissen Mensehen, die ungeheure Massen 



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- 305 — 

von Speisen trugen, und er sprach zn ihnen: „Der Hunger 
dningt mich, gebt mir deshalb zu essen." 

Sie: „Wir geben Dir nichts." 

Er: „Wenn Ihr mir nichts gebt, werde ich Unheil 
über Euch herabkommen lassen." 

Sie: „Lass es kommen." 

Nun nahm er eine von den Speisen weg, und sie riefen 
hierauf: „Schlagt ihn, dass er stirbt!" 

Er: „Wenn Ihr mich schlagt, werde ich schreien." 

Sie: „Wenn er schreit, was ist's denn? Schlagt ihn!" 
Kaum hatten sie ihn geschlagen und er geschrien, so starben 
sie alle, er aber hieb ihnen die Köpfe ab und steckte sie 
in die Vogelhaut. 

Inzwischen kam er an einen Ort, wo er die messingnen 
Salbenbuchsen des Königs wusch. Diese nahm er, warf 
sie in den Brunnen und sagte: „Was Thr mir thun wollt, 
mögt Ihr mir thun." — Nun standen alle auf, um ihn zu 
schlagen. 

Er: „Wenn Ihr mich schlagt, werde ich schreien." 

Sie: „Schrei nur, bis Blut herauskommt." Und dann 
schlugen sie ihn und starben; er aber schnitt ihnen allen 
die Köpfe ab und steckte sie in seinen Vogelhautsack. 

Im Weitergehen begegnete er mehreren Personen, die 
Palmwein trugen. Zu diesen sagte er: „Gebt mir etwas 
Palm wein zu trinken!" — 

Sie: „Wer bist Du, dass Du sagst, Du wollest von 
dem Palmwein trinken, den wir dem König bringen?" 

Er: „Wenn Euer Herr selbst Palm wein wäre, würde 
ich ihn trinken, wie viel mehr den da." 

Sie; „Du hast den König gelästert! Legt die Hand 
an ihn!" 

Er: „Wenn Ihr mich schlagt, werde ich sogleich 
schreien!" 

Frohenins, Weltanschauung der Naturvölker. 20 



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— 306 — 

Sie: „Wenn er auch schreit, so macht's ja nichts, schlagt 
ihn!" Kaum hatten sie ihn geschlagen, so starben sie. 
Er aber schnitt ihnen die Köpfe ab, steckte sie in den 
Vogelhautsack und ging. 

Als nun die Sache dem König berichtet wurde, sandte 
dieser Boten aus, um den Enjebiribi zu sich einzuladen. 
Enjebiribi aber sagte den Boten: „ Gehet und saget dem König, 
am Montag werde ich kommen und er solle zubereiten, 
mich zu bewirten. Hierauf Hess der König den Palmwein 
von aller Welt zusammenkaufen und mehr als 1000 Schüsseln 
voll Speise in den Häusern aufstellen, damit, wenn Enjebiribi 
käme, er zu essen hätte. Nicht lange, so hörte man von 
seiner Ankunft. Man versammelte sich, und während er 
anlangte und grüsste, trank er den Palmwein in Gedanken. 
Bis das Grüssen vorbei war, war auch der Palmwein ge- 
trunken und die Speise verzehrt. Der König aber, der 
nichts davon wusste, sandte aus, um den Palm wein zu 
holen. Als er nun erfuhr, dass von dem Palmwein und 
der Speise garnichts mehr übrig geblieben, sagte er zu 
seinen Knechten: „Gehet, fanget und tötet ihn! u 

Nun verfolgten sie ihn, bis er am Wege ermattet 
niedersank. Als seine Verfolger ihn dort erreichten, 
fragten sie: „Was ist hier auf den Boden gefallen?" — 
Darauf sagten andere: „Enjebiribi", d. h. es ist nichts. 
Daher kommt es, dass wenn etwas am Wege hinfällt und 
man weiss nicht, was es ist, auf die Frage: „Was ist's?" 
gewöhnlich die Antwort erfolgt: „Enjebiribi!" d. h. „es 
ist nichts." 

6. Mythe (Akwapim). 

Nyankupong hatte eine schöne Tochter, die er allen 
Bewerbern ausschlug. Spinne und Katze Hess er zur Be- 
werbung zu. Die Katze gewann im Wettlauf. Spinne 
darüber entrüstet, brachte durch Hinterlist die Katze in 



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— 307 — 



den Schein begangenen Frevels und so ward Nyanknpongs 
Tochter der Katze wieder abgenommen. 

7. Mythe (Akwapim). 

Ananse erfand einen selbst sich füllenden Topf. Er 
stellte ihn in sein Schlafzimmer und genoss von der immer 
neu hervorquellenden Speise. Seine Kinder zerbrachen den 
Topf. Da erfand er eine selbst prügelnde Peitsche u. s. w. 

8. Myth e (Temne). 

Die Spinne forderte die Buschziege auf, mit auf die 
Jagd zu gehen. Sie war bereit. Spinne nahm einen Kall- 
strick mit. Im Walde traf Spinne einen Stein, dem ein 
Bart gewachsen war. („Das ist nämlich das Netz der 
Ziege.") Spinne sagte: „0 Wunder! ein Stein mit einem 
Bart u . Kaum hatte Spinne das gesagt, so fiel er nieder, 
blieb liegen und erwachte erst am Abend. Dies war der 
Grund des betrügerischen Benehmens gegen seine Genossen, 
die er später verschlang *). 

So forderte er denn die Buschziege auf, ihn zur Jagd 
zu begleiten und hiess sie, in der Nahe der bewussten 
Stelle angelangt, ein Stück vorausgehen, und auf ihn, der 
sich erst erleichtern wolle, zu warten. Als sie wieder am 
Steine ankamen, sagte Spinne: „Nun komm! u Doch da 
entgegnete die Buschziege: „Schau, wie der Stein einen 
Bart bekam. u Kaum war das Wort gefallen, so fiel die 
Buschziege nieder und Spinne nahm sie auf und brachte 
sie heim, wo er dieselbe mit seinen Kindern verzehrte. 

Als die Buschziege verzehrt war, lud Spinne die 
Trak-an zur Jagd ein. In der Nähe des Steines forderte 
er diese wieder auf, bis zum Steine weiter zu gehen, da 

*) In diesen Mythen wie in anderen ist die Spinne als Weib 
betrachtet. In anderen ist sie männlichen Geschlechts. Der Mehr- 
zahl folgend, habe ich stets das letztere angenommen. 

20* 



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— 308 — 



er erst noch sein Wasser abschlagen wolle. Als er die 
Trak-an (eine Antilopenart) am Bestimmungspunkte an- 
traf, sagte diese: „Spinne, sieh doch, wie der Stein einen 
Bart bekam!" Die Trak-an fiel nieder, Spinne nahm sie 
auf und trug sie nach Hause, wo er mit seinen Kindern 
das Fleisch verspeiste. 

Ebenso machte es Spinne mit der Antilope. Doch als 
er mit der Buschkuh ' in gleicher Weise verfuhr, fiel dies 
dem Fillentamba auf, welches wohl bemerkt hatte, dass 
die Tiere, die mit Spinne zur .lagd auszogen, niemals 
heimkehrten. Also folgte Fillentamba unbemerkt und be- 
obachtete die Szene am Stein, wie die Buschkuh sagte: 
„Schau, was der Stein für einen Bart hat!" wie Spinne 
und seine Kinder das Tier zerteilten und es nach Hause 
brachten. Da lief Fillentamba auch nach Hause und er- 
zählte es allen seinen Kameraden. 

Da fordert denn Spinne auch Fillentamba zur .lagd 
auf. Fillentamba war einverstanden. AVie gewöhnlich 
schickte Spinne den Begleiter voraus. Als aber Spinne 
zum Steine kam, sagte Fillentamba nicht das Zauberwort. 
Spinne versuchte Fillentamba dazu zu bewegen, aber der 
umging der bezaubernden Antwort. Da sagten endlich 
beide das Wort und beide fielen betäubt nieder. Es war 
am Morgen und sie erwachten am Abend wieder. Beim 
Erwachen versuchte Spinne das Gespräch wieder auf das 
Thema zu bringen. Fillentamba trug darauf: „Was soll 
ich sagen? Spinne entgegnete: „Sag, der Stein bekam 
einen Bart!" 

Kaum hatte Spinne das Wort ausgesprochen, so fiel 
er nieder. Fillentamba sprach es aber nicht nach. Er 
lief nach Hause und warnte alle Leute das Wort an dem 
Steine auszusprechen, denn dann fielen sie in die Hände 
der Spinne, die sie verzehren würde. 



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— 309 — 

{). Mythe (Temne). 

Ein König hatte Acht auf seine Kühe. Spinne er- 
blickte sie; er sah eine besonders grosse und forderte 
Taba 5 ) auf, sie mit ihm zu verspeisen. Taba wollte schon, 
wusste aber nicht, wie es anzufangen sei. Spinne meinte, 
er wisse schon Bescheid. Sie gingen zusammen dahin, 
wo die Herde weidete. Da trafen sie den Ameisenbär, 
der just eine Höhle in den Boden grub. Spinne sagte zum 
Ameisenbär, das wurde, falls die Kühe des Königs in die 
(Irube träten, für ihn böse ablaufen. Da erschrak der 
Ameisenbär und begann, die Grube wieder aufzufüllen. 
Da er aber müde war, ging er bald schlafen. Derweilen 
fing Spinne die grosse Kuh und brachte sie in die Höhle. 
Dann kehrte er zur Stadt zurück. Unterdessen sagte der 
König zu seinen Leuten, es würde dunkel, sie sollten nach 
den Kühen sehen. Diese zogen aus, um sie einzufangen. 
Sie fanden aber die eine in der Höhle. Nur noch ihr 
Kopf blickte heraus. Da liefen sie zum König und er- 
zählten ihm, dass eine Kuh in einer Grube läge und stürbe. 
Da rief der König sein Volk zusammen, um die Kuh herauf- 
zuholen. 

Eingehend schildert nun die Mythe das Palaver, welches 
der König abhielt, als sie die Kuh antrafen. Der Ameisen- 
bär ward herbeigerufen und vernommen. Spinne warf seine 
Worte dazwischen und das Urteil lautete: „Da der Ameisen- 
bär die Kuh des Königs getötet hat, mag er selbst getötet 
werden." Denn das war ausschlaggebend : der Ameisenbär 
hatte die Grube gegraben. 

Der Ameisenbär ward in der Grube, in der die Kuh 
verschieden war, bestattet. Als Lohn für seine Bemüh- 
ungen bei Auffindung des Kuhmörders erhielt Spinne ein 
Bein der Kuh. Als alle in die Stadt gegangen waren, 

fi ) Tamba ist eine mystische Persönlichkeit. 



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- 310 - 



holte Spinne den Taba, der ihm den Ameisenbär auf- 
suchen, ausgraben und in sein Haus schaffen helfen musste. 
Er teilte mit Taba das Fleisch. Nach einem Monde war 
das Fleisch verzehrt. 

Als nun eines Abends, da die Leute des Königs schlafen 
gegangen waren, die beiden dahingepilgert waren, wo sie 
<lie Kühe des Königs angebunden antrafen, ergriff Spinne 
seine Medizin, streichelte eine grosse Kuh und sagte: „Kuh, 
Jass einen Wind streichen, Kuh, lass einen Wind streichen!" 
Die Kuh that so und beide schlüpften iu den Bauch des 
Tieres! Spinne zeigte Taba das Herz und warnte den Ge- 
nossen davor, dort zu schneiden. Spinne schnitt alsdann 
Fleischstücke heraus und Taba steckt sie in den mit- 
gebrachten Korb. Danach forderte Spinne die Kuh wieder 
auf, einen Wind streichen zu lassen und so gelangten sie 
wieder aus deren Leib. Vier Tage lebten sie von dem 
Fleische. Da zogen beide abermals zu gleichem Zwecke aus. 

Wie damals gelangten sie in die Kuh. Diesmal aber 
schnitt Taba und zerschnitt die Herzfibern, sodass die Kuh 
tot zu Boden sank. Nun wussten sie nicht, was thun? 
Taba setzte sich in den Mastdarm. Die Leute des Königs 
meldeten diesem den Tod der Kuh. 

Die Männer begannen das Tier zu zerschneiden. Da 
schrie Spinne: Seid vorsichtig, dass Ihr mich nicht trefft!" 
Die Leute erschraken und berichteten das dem König. 
Da kam dieser selber und befahl an derselben Stelle weiter 
zu schneiden. Aber Spinne kroch an einen anderen Ort. 
Als die Leute beim Zerlegen so weit gekommen waren, 
zogen sie Spinne und ihren Korb heraus. Spinne ward 
gebunden und sollte geschlagen werden, weil er das beste 
Stück der Herde des Königs getötet hatte. 

Da schrie Spinne: „Ich und Taba, wir waren zusammen. 
Ich und Taba waren zusammen!" „Wer ist Taba?" fragten 
sie. „Ich weiss nicht, von wo er kam", sagte Spinne. 



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— 311 — 

Der König glaubte ihm nicht. Unterdessen sass Taba im 
Mastdarm. Die Leute schnitten denselben heraus, um 
ihn am Wasser zu reinigen. Wie sie nun seinen Inhalt 
ausschütteten kam Taba mit heraus und sprang unbe- 
merkt an das andere Ufer. Er beklagte sich nun, dass 
die Leute beim Ausspritzen ihn mit Kuhdüuger überschüttet 
hätten Der König schenkte, um ihn zu beruhigen, ihm 
darauf ein neues Gewand. 

Beim Palaver behauptete Spinne nun, dass Taba sich 
au dem Diebstahl beteiligte hätte. Darauf rief man dessen 
Frau, um sie zu verhören. Diese sagte nun allerding aus, 
dass Taba seit gestern Mittag nicht zu Hause gewesen sei. 
Taba wusste sich jedoch zu rechtfertigen, indem er darauf 
hinwies, dass, wenn er dabei gewesen wäre, er auch hätte 
in der Kuh gefunden werden müssen. 

Da wurde das Urteil über Spinne gefällt; er wurde an 
einem Palmbaum gebunden und mit Palmzweigen gestäupt. 
Deshalb hat er so viele Beine bekommen. Als Spinne 
genug gepeitscht war, Hess der König ihn laufen. Er 
wurde darauf krank, erholte sich aber wieder und hatte 
nun viele Beine. Da lief er davon in den Wald. 



Es ist einleuchtend, dass es trotz des eifrigen Suchens 
nur gelungen ist, einen Theil der Spinuensagen in der 
Litteratur aufzufinden. Es ist ihnen wohl noch nie so 
recht eifrig nachgeforscht. Eben aus dem Grunde der 
maugelnden Kenntnis dürfen wir nicht erwarten, ein ab- 
geschlossenen Ganzes in ihnen zu erblicken. Vielleicht 
fehleu sogar die wichtigsten Teile, ich vermute dies sogar, 
denn Paul Steiner sagte mir, dass die meisten dieser Sagen 
der Niederschrift durch den Laien, infolge ihrer absoluten 
Unanständigkeit sieh entzögen. 

Immerhin lässt auch dieses spärliche Material mancher- 
lei erkennen, das zu der Meinung berechtigt, es handele 



i 



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— 312 — 



i 



sieh hier um eine Mythologie, ähnlich der nordwestamerika- 
nischen, das heisst einer solchen, die Motive der höheren 
Mythologie behandelt und die diese im Gewände der Tier- 
mythologie zur Darstellung bringt. 

Das Bedeutsamste ist, dass Spinne weder ein Tier 
noch ein hoher Gott ist. Auch Jelch, mit dem ich Anansie 
sonst nicht vergleichen will, ist einem höheren Gotte unter- 
geordnet, auch Maui gehört zu den niedereren Göttern. 
Dass Anansie auf einem alten Herrscher zurückzuführen 
sei, einen sogenannten Heros, scheint mir ausgeschlossen, 
trotzdem Ellis zu dieser Ansicht zu neigen scheint. 

Gegen eine solche Annahme spricht der kosmogonische 
Charakter Anansies. Derselbe ist unleugbar. Anansie 
schafft die Menschen, Anansie ist der Todbringende, der 
in keiner Mythe den Tod findet, wenn er auch manchmal arg 
mitgenommen wird. 

Bedeutsam erscheint nur der zeitweilige Tod der 
Gottheit, — denn als solche erscheint Anansie als die 
Menschen schöpfende — der in der Mythe von dem viel- 
äugigen Uugetüm, das vielleicht als Nacht zu deuten ist, 
besonders charakteristisch dargestellt ist. Auch in der 
Mythe von Fillentamba ist dieser Zug nicht zu verkennen. 

Allerdings nicht hinkend oder einarmig, ist die Gott- 
heit doch wenigstens in der zweiten Mythe der Hände 
beraubt. Das „Wandern 4 * ist in der Enjebiribi-Mythe zur 
Darstellung gebracht, in der auch eines der interessantesten 
Motive, ein Motiv der Vogelmythe auftritt. Die Gottheit 
steckt die Köpfe der Erschlagen in eine Vogelhaut. In 
der Mythe von den drei Geistern, die die Farbe des Mittags 
(weiss), Abends und Morgens (rot) und der Nacht (schwarz) 
zu repräsentieren scheinen, ist eine Wanderung in die Unter- 
welt erzählt. Das Motiv: „Verschlungen werden 44 ist auf- 
fällig in der Taba-Mythe etc. 

Im allgemeinen kann man sagen, dass eine grosse 



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I 



— 313 — 

Reihe von Anzeichen der Degeneration zu bemerken ist. 
Die Deutung des Namens Enjebiribi ist auf Volksetymo- 
logie zurückzuführen. Am Schlüsse mehrerer Mythen, wie 
auch in solche eingeflochten, sind Sentenzen, Sprichwörter 
und Lehrsätze der Moral angefugt. Die Erklärung der 
Vielbeinigkeit der Spinne ist originell aber sekundär. 

Der Charakter Anansie's ist kein idealer. Anansie 
ist diebisch, grausam, fressgierig. Vor allen Dingen ist 
Anansie ungemein schlau. 

Demnach findet sich anscheinend kein Grund gegen, 
wohl aber eine Anzahl von Gründen für die Annahme, 
dass die Spinnenmythen ein gutes Teil solarer Motive 
enthalten. Eine spezielle Bedeutung der Spinne werde 
ich im nächsten Kapitel noch zu erörtern haben. 

Einer der Gr finde, die mich dazu bewegen in der 
Spiune eine Gottheit der Sönnenmythologie zu erblicken, 
ist seine Beziehung zu den Kühen. Ochsen und Kühe 
sind für die afrikanische Mythologie sehr bedeutungsvoll. 
An den Apis brache ich wohl kaum zu erinnern. Heitsi- 
Eibib lässt sich als Gras von der Kuh verschlingen und 
als Stierkalb wieder zur Welt bringen. Akotia verlangt 
Opfer von Rindern. 

Ochsen werden im östlichen Sudan hochgeehrt. Ochsen- 
bilder sind angebetete Gegenstände bei den Heiden der 
Haussaländer. Ochsenmasken stammen aus dem Bali- 
Lande 6 ). 

Die Schilluk haben eine Art Kultus der Sonne und 
des Niles, beide besitzen in dem Dorfe üao Kühe, die 
ihnen geheiligt sind und die Sorge dieser Herden ist Wahr- 
sagerinnen, Duendam genannt, anvertraut; diese allein können 
sie auch melken, denn ein gewöhnliches Weltkind 



•) Vita Hassan Bd. I S. 40, 47, 58/9. „Allg. Hist. d. R.* Bd. IV 
S. 4S7. Staudinger S. 128. 



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- 314 - 

Avürde statt Milch, Blut erhalten. Ein Teil dieser Kühe war 
früher im Nil verborgen und ist aus demselben mit zarten 
Netzen emporgezogen worden. Die Flussgötter des Nils 
Blüten seitdem ihre Herden so sorgsam, dass man gar kein 
•Geräusch vernimmt. Während der Nacht schlagen die 
Geister Pfähle ein, um ihre Kühe daran zu binden, sie 
-selbst gehen in den Busch oder steigen daraus empor, so 
oft man Nebel auf demselben bemerkt. — In Ruanda glaubt 
man, das Tosen der Vulkane sei das Gebrüll der Ochsen- 
lierden, an der Küste wird erzählt, Ochsen-Götter erzeugten 
Erdbeben. Die Sansibariten meinen, die Erde lagere auf 
<lem Horn eines Ochsen, lege er sie auf das andere Horn, 
«o entstehe Erdbeben. Die Betschuanen endlich betrachten 
•die Sonne als die Augen eines Ochsen 7 ). 

Aehnliche Beziehung herrscht auch im Malajischen 
Archipel. Die Bewohner Süd-Sumatras glauben ebenfalls, 
<lass die Erde von einem Ochsen getragen werde 8 ). Es 
ist das eine aus Asien stammende Anschauung, die sich 
in gleicher Weise nach den australischen Inseln im 
Osten und dem afrikanischen Continent im Westen ausge- 
breitet hat. 

Immerhin ist es eine charakterische Erscheinung, wenn 
auch im Kreise der Spiunenmythen derOchse als der Spinnen- 
Verschlinger gewisserniassen auftritt, 

7 ) Petermann und Hassenstein S. 23. Stuhlmann 8. 94. Götzen 
S. 192. Muffet u. Anderson Bd. II S. 205. 

s ) Müller i. d. „Verh. d. Herl. Ges. f. Anthrop." 1892 S. 285. 
Ricnzi Bd. I S. 144 (vergl. auch S. 274). Bei den Mandans repräsen- 
tiert eine weisse Ochsenhaut die Sonne. Wied Bd. 11 S. 169 171. 



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XIX. Kapitel. 
Die Sonnenbahn und deren Ableitung in Afrika. 

Fragmente von Sonnenmythen. — Die Sonne im Totenland. — 
Die Seele folgt der Sonne. — Umkehrung; der Mensch stammt vom 
Himmel. — Die Eanda. — Strick, Kette, Baume alt* Sonnenpfade. 

— Sonnenbahnmythen. — Sonnenbahnmythe als einmaliges Ereignis. 

— „Turmbau zu Habel". — Sonnenbahnbrücke. — Die Spinnenfaden. 

— Der Strick in der Hütte. — Das Motiv des Trauerstriekea. — 
Der Trauerstrick. — Priesterabzeichen oder Götterpfade. — Der 
Uebergang zum Profanen. Der Strick im Geheimbund. — Strick- 
amulette und Speiseverbote. — Das aelbstkrüftige Amulett. — Krank- 
heitsamulette. — Geisterstricke im allgemeinen. — Verbreitung. 
„Thoramulette." Erklärung der Tafel III. — Der Strick als Be- 
lebungsmittel. — Die Geisterschlinge und -angel. — Menschenfang 
= Mensehenbeseelung. — Verbreitung der Knotenstrieke. — Ent- 
wicklung derselben in Oceanien — in Afrika. — Die n Aroko u oder 
.symbolischen Botschaften. 

Wenn — um so deu Sehluss zu ziehen aus den Ergeb- 
nissen der letzten Kapitel, — wenn man auch nicht sagen 
darf, dass die Motive der Sonnenmytliologie in Afrika 
herrschen, so ist es sicher, dass, wo sich Spuren und Frag- 
mente einer höheren Mythologie finden, auch die Zeichen 
einer Sounenmythologie nicht fehlen. 

So ist denn auch das Schicksal des Menschen mit dem 
Laufe der Sonne verbunden. Im Tode wandern die Seelen 
auf der Sonnenbahn. Im Sonnenuntergänge sinken die 
Menschen in das Jenseits. 



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31« — 



Dementsprechendes fanden wir schon mehrfach. Die 
drei grossen Sonneuhclden sind Hnbeane, Schango und 
Heitsi-Kibib. Mit Hubeane wurden alle Mensehen von 
Kammapa verschlungen. Schango ist in die Unterwelt ge- 
gangen und lebt bei den Toten. Heitsi-Eibib lebt in den 
Gräbern der Verstorbenen l ). 

Was Forster vom tahitischen Glauben berichtete, er- 
zählt Leo Afrisanus aus Benin. Nach dem Tode leben die 
Seelen in der Sonne, Wadell teilt aus Alt-Kalabar das 
Gleiche mit. Die Seele eines Kranken liess sich nicht mehr 
zurückhalten, sondern flog auf zur Sonne 2 ). 

Die Basuto legen das Land der Toten nach Sonnen- 
untergang. Ein alter Buschmann erzählte Campbell, die 
Sonne würde später aufgehen, wenn man die Toten nicht 
mit der Sonne zugewandtem Gesichte begraben würde. 
Ein sterbender Hovaoffizier befahl seineu Söhnen kurz vor 
seinem Tode, dass sie nach seiner Bestattung gelegentlich 
den Verschlussstein des Grabes aufheben sollten, auf dass 
die Sonnenstrahlen auf seinen Leichnam fieleu 3 ). 

Diesen durchaus poetischen Anschauungen entspricht 
es, wenn ein Angolaneger in traulicher Stunde Soyaux von 
den Wanderungen der Völker der Sonne nach erzählte 4 ). 

Auf diese Weise werden die unerreichbar fernliegenden 
und unverständlichen Ereignisse am Himmelszelte mit den 
unbekannten Schicksalen der Toten in Beziehung gebracht. 

Wie den Oceaniern und Nordwestamerikanern sind 
den Wambugwe die Sterne Menschen. Der Hof um die 
strahlende Mittagssonne ward Livingstone von den Barutse 

') Mereiwky: „Beitrage" 8. 124. Haarhof S. 17. Endemann 8. «4. 
KUU: „Yoruba 4 * 8.52. Anderson Bd. II 8. 03. 

s ) Leo Afrikanua 8. 481. Bastian: „Fetisch 44 8. 39 40. 

') Kndemnnn 8.44. Campbell 8.169 70. Ratzel: „Völkerkunde 44 
1. Aufl. Bd. 1 8. 74. Kllis: „Three visits." 8. 312. 

*) 8<>yaux Bd. II 8. 123. 



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— 317 — 

folgendennassen erklärt: „Die Barimo (Seelen) halten ein 
Pitscho (eine Versammlung) ab: Siehst Du nicht den Herrn 
(die Sonne) in der Mitte?" — Wenn Sonnenschein von 
Regen begleitet wird, sagen die Dahomeer, die Seelen zogen 
zu Markte 5 ). 

AVenn Sonne abends in die Höhle zu ihrer Frau hin- 
abgestiegen ist, eilt der Ball auf hoher Brücke, den Blicken 
unsichtbar wieder nach Osten. So erzählen die Massai. 
So mag etwa die nächtliche Bahn der Toten entstanden 
sein. Die Basuto nennen „jene Lichtgegend über ihren 
Häuptern den Weg der Götter". Den Ga ist die Milch- 
strasse die Heerstrasse der zur Gottheit wandernden Geister. 
Nach Aschanti- Glauben ist sie entstanden aus dem vom 
Körper der ins Jenseits eilenden und weiss bemalten Toten 
gefallenen Thon. Den Loango -Negern ist die Milchstrasse 
Umsila Zambi, der Weg des Gottes 0 ). 

Die limkehrung der Anschauung: „Die Seele des 
Toten folgt der Sonne über den Himmel hin ins Jenseits", 
lautet: Die Menschen stammen von der Sonne ab; oder 
„Die Menschen kommen vom Himmel." 

So macht denn Obatalla das erste Menschen paar Oki- 
kischi und Iffe, und schickt sie vom Himmel auf die Erde 
hinab. Diese Anschauung der Yoruba kehrt in Kalabar 
und bei den Madi wieder 7 ). Andererseits schafft Lisa, der 
Sonnengot der Kwe, das erste Menschenpaar. In Unyoro 
stammen die Menschen vom Chamaeleon (der Sonne) ab, 
dessen Nachkommenschaft die Knie bevölkerte. Die 



*) Baumann: „Massailand* S. 1SS. Livingstone: ..Missionsreisen* 
Bd. I S. 259. Burton: „Dahonie" Bd. II S. 157. 

") Baumann: r Massailand" S. 168. Bastian: „Allerlei" Bd. II. 
Eniltz 8. 4M. Casalis bei Schneider S. 72. Steiner im „Globus* S. H5 
u. 53. Bastian: „Loangoküste" Bd. II S. 229. 

T ) Burton: „Abeokuta" Bd. I S. 18(i. Bastian: „Fetisch' S. 94. 
Ratzel: „Völkerkunde* 1. Aufl. Bd. I 8. 178. 



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— 318 — 



Schwänze gingen verloren und die ursprünglich bleiche 
Hautfarbe wurde unter der glühenden Sonne bald zu einer 
dunklen 8 ). Endlich sind auch die bedeutsamen Merkmale 
der totemistisehen Eanda der Damara zu erwähnen. Diese 
Kasteneinteilung kommt vom „Winde" her. Das wichtigste 
Geschlecht der Ovakneneyuwah (yuva heisst bei den Bantu 
die Sonne) stammt von der Sonne her 9 ). 

Wie vollständig in Afrika, dem Erdteile der niederen 
Mythologie auch die Sonne in das Bereich der Todes- 
Menschen Entstehungsmythen gezogen worden ist, mag am 
besten aus den im 15. Kapitel besprochenen Mythen von 
den schwarzen und weissen Menschen erkannt werden. 
Aber auch die Vogelmythe hat schon zu den Beziehungen 
von Seele und Sonne geführt. Die Anschauungen vom 
Kampfe am Eingange zur Unterwelt wurden schon (im 
1). Kapitel) berücksichtigt, so dass ich zu dem in vor- 
liegenden Kapitel Dargestellten noch auf eine hübsche 
Reihe von anderweitigen Aeusserungen der Anschauung 
von der Seelen -Sonnen -Folge verweisen kann. Nur eine 
wichtige westafrikanische Mythe will ich noch zergliedern, 
aus der Entsprechendes zu ersehen ist, ehe ich zu der 
Sonnenbahn im Speziellen übergehe. 

Von der herrschenden Gottheit 10 ) sind Untergötter 
über gewisse Länder, Menschen, Tiere, Kräuter, Fluss und 
so weiter eingesetzt. Dieselben müssen ihrem Herrn jähr- 
lich von der Führung ihres Amtes Rechenschaft ablegen. 
Es geschieht das in einer allgemeinen Versammlung aller 
Götter an dem Hofe des grossen Gottes. Wer seinem Amte 
ein Genüge gethan hat, der wird von der grossen Gottheit 

*) Ellis: „Ewe 4 8. 65. Emin Pascha 8. 91. Ratzel: „Völkerkunde 14 
1. Aufl. Bd. 1 8. 470. 

•) Merensky i. d. „Verh. d. Berl. Oos. f. Anthrop." 1892 S. 378. 
Hahn: r Herero u S. 501 2. Galton 8. 79. Anderson Bd. 1 S. 237. 

10 ) Oldendorp 8. 321/2. 



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— 319 — 



zur Bezeugung seines Wohlgefallens mit einen glüh ende it 
Eisen in der Unsterblichkeit und in dem Amte eines- 
Gottes auf ein Jahr bestätigt; welche aber dem bösen 
Geiste zugelassen haben, ungerechte Kriege unter den 
Nationen zu stiften, oder Pest, Feuerschaden und der- 
gleichen in dem ihnen angesviesenen Gebiete wissentlich 
haben vorkommen lassen, die werden ihres Amtes entsetzt 
und werden sterblich. Aus Verzweiflung und Bosheit 
sollen dergleichen abgesetzte Götter sich zu der Gottheit 
des Uebels schlagen. 

Es wäre eine interessante Arbeit einmal diesen r Mitt- 
lern zwischen Gott und den Menschen" nachzuspüren, wie 
sie von Cruikshank, Schlegel, Steiner und mehreren anderen, 
so hier auch von Oldendorp dargestellt werden. Aber das 
ist jetzt nicht unsere Sache. Auch ohne diese weist die 
Mythe Zuge auf, die ihren Ursprung verraten. Die jähr- 
liche Berufung ist als das jährliche Totenfest zu deuten, 
wie es in Nord -Guinea in den meisten Bezirken gefeiert 
wird. Durch das jährliche Totenfest werden die Seelen 
aller in diesem Jahre gestorbenen in das Jenseits befördert. 
Die, die nicht mit hinüber kommen, werden sterblich, das 
heisst, sie irren auf der Erde umher, die andern werden 
mit einem glühenden Eisen markiert. Dies glühende Eisen 
ist die Sonne. Ich brauche nur auf analoge Anschauungen 
in Oceanien zu verweisen (Kapitel 11); um es verständlich 
zu macheu. Also auch hier folgen die Seelen der Gerechten 
(siehe a. a. 0.: „Sitte und Sittlichkeit") der Sonne. 



Die Bahn der Sonne und der Pfad der Toten nimmt 
schon in der grossen kosmogonischen Mythe, oder wenigstens 
in den uns erhaltenen Resten derselben bestimmte Formen 
an. Eine Eisenkette ragt da aus der Grube, wo Schango 
in die Tiefe gestiegen ist, auch hält sie der Sonnengott in 



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— 320 



der Unterwelt mit der Hand fest 11 ). Nach einer Version 
der Schöpfungsmythe von den weissen und schwarzen 
Menschen kam Gott dem Weissen zu Hülfe, Hess ein langes 
Seil vom Himmel herunter und leitete ihn über das grosse 
Wasser hiuüber. Dem Stricke begegnen wir in der Sonnen- 
mythe der Ewe wieder. Viele Buschleute stellen sich die 
scheinbare Bewegung der Sonne als einen fortgesetzten 
Kampf um den Besitz der wärme- und lichtspendenden 
Sonne eines starken Volkes im Westen mit einen weniger 
starken im Osten, welche dieselbe mit daran befestigen Tau 
zu sich ziehen, vor. Da die Leute im Westen stets be- 
ginnen, aber wenn sie ermüdet denen im Osten nachgeben, 
so wiederholt sich täglich die Prozedur von neuem 12 ). 

In Oceanien trafen wir Strick, Kette, Baum und Spinnen- 
faden. Der Baum kehrt in der Wakamba Mythe wieder. 
Im Anfange verkehrte das ganze Firmament samt der 
der Sonne friedlich auf Erden. Als aber eines Tages die 
Sonne einer Adansonie zu nahe gekommen war und dieser 
Baum dadurch verdorrte, entzündete sich ein Streit, der 
zu einer Scheidung der Gestirne von der Erde führte 13 ). 

Auf diesen Bindegliedern zwischen der Erde und dem 
Himmel, die in einerseits als festgelegte Gestaltungen der 
Sonnenbahn, andererseits vielleicht auch als Sonnenstrahlen 
aufzufassen sind, gleiten nun die Toten ins Jenseits und 
kamen der Umkehrung entsprechend, die Ahnen vom 
Himmel herab. 

Nach madegassischem Glauben steigen die Götter bis- 
weilen an den silbernen Faden, der den Toteu als Himmels- 
leiter dienen, herab. Eine Basuto Leichenklage lautet: 

") Ellis: „Yoruba" 8. 51, 58. 

,? ) Herold Bd. V 8. 143. Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. 1 
8. «19. 

ls ) Hildebrandt 8. 387. Ratzel: „Völkerkunde 14 1. Aufl. Bd. 1 
8. 173 4. 



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— 321 



Warum habe ich nicht Flügel um hinaufzufliegen? 
Wenn ein starkes Seil vom Himmel herniederhinge, würde 
ich mich daran klammern, würde ich hinauf klimmen, 
würde ich steigen und dort wohnen! — An der Loango- 
küste meint das Volk, die Seele des Toten werde an einem 
Haken zu Zambi emporgezogen. Die Kitsch erzählen, im 
Anfang hätten die Menschen im Himmel gewohnt. Einige 
erregten nun Aergernis. Da sandte sie Gott an einem 
langen goldenen Stricke zur Erde hinab. Die Gebesserten 
klommen wieder empor. Ein blauer Vogel pickte an dem 
Stricke bis er zerriss. Damit war die Verbindung mit dem 
Himmel abgebrochen 1 *). 

Eine merkwürdige Mythe, in der auch das Motiv der 
Sonnenbahn eine hervorragende Rolle spielt, berichteten die 
Watji: Als ihre Voreltern einst auf einem Berge standen, 
hatten sie im Himmel sehr liebliche Klänge vernommen. Eine 
Kette wäre darauf aus dem Himmel bis auf die Spitze des 
Berges herabgelassen worden, an welcher einige himmlische 
Menschen zu ihnen herabstiegen, die ihnen viel Schönes von 
dem angenehmen Orte ihres bisherigen Aufenthaltes erzählt 
und zugleich die Absicht geäussert hätten, bei ihnen zu bleiben, 
wenn Friede und Einigkeit unter ihnen wäre; das Gegen- 
teil sei ihnen abscheulich, denn sie seien Kinder des 
Friedens. Darauf hätten ihre Ahnen ihnen zu verstehen 
gegeben, dass sie es bei ihnen nicht nach Wunsch finden 
würden, denn bei ihnen sei der Friede etwas seltenes. 
Auf diese Nachricht hin hätten jene wieder ihren Abschied 
genommen und wären an der Kette in den Himmel zurück- 
gekehrt. Ihre Voreltern hätten ihnen mit Betrübnis nach- 
geschaut. Bis jetzt habe man vergeblich auf ihre Wieder- 
kunft gewartet. 

") D'Unienville Bd. III S. 261. Casalis S. 256. Bastian : „Loango- 
küste« Bd. II S. 223. Ratzel: „Völkerkunde" 2. Aufl. Bd. 11 8. 42. 
Kaufmann 8. 125. 

» 

Frobentus, Weltanschauung der Naturvölker. 21 



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— :tt2 — 



Eine verwandte Mythe erzählen <lie Zulu. Zum 
l'mkulunkulu, der auf Erden weilte, fuhr ein Wesen in 
einer Wolke herab, gleich wie eiu Fels und weiss von 
Gestalt. Die erschrockenen Menschen brachten ihm ein 
Tieropfer dar. Die geheimnisvolle Erscheinung aber ass 
nicht davon, sondern nur von dem, was sie selbst mit- 
gebracht hatte. Sie weilte eine Zeitlang hier unten und 
stieg dann in einer Wolke wieder empor. Dieser unbekannte 
Fremde war Inkosi pezulu, der Herr im Himmel, geuannt. 
Seine Gegenwart uud Macht offenbart sich im Gewitter 15 ). 

Da diese Mythe von der Seelen-Sonnen-Folge in Afrika 
ebenso verblichen ist wie jede andere höhere, so sind die 
drei Mythen der Kitsch (Diuka), Watji und Amazulu auch 
als Reste der einst herrschenden und weit verbreiteten 
Mythe anzusehen. Das. was man einst als Schicksal aller 
Toten annahm, ward als Erzählung eines einmaligen Er- 
eignisses in die Vergangenheit verlegt, und mit anderen 
Motiven der Weltanschauung vermischt, 

Eine interessante Zerrform der Mythe besteht noch 
in Karague. Der König Rumanika erzählte Speke: Jeder 
Thronerbe setzt sich, ehe er seine Wurde antrete, an einer 
bestimmten Stelle auf die Erde, worauf dieselbe sich grade 
hier wie eine Säule erhebe und den darauf Sitzenden in 
die Wolken trage. Sei er rechtmässig, so sinke sie laugsam 
wieder herab; im entgegengesetzten Falle aber stürtze sie 
zusammen und er zerschmettere 1 *). Es ist das gleiche 
Motiv des Himmelspfades, aber es ist in eine andere 
Gruppe von Anschauungen eingeschaltet worden. 

Unter den Formen der Mythe, die als Erzählungen 
eines einmaligen Ereignisses der fernen Vergangenheit noch 
lebendig sind, erscheinen die, die man unter dem Namen 

,Ä ) Oldendorp 8. 'MO. Schneider 8. HS nach Wangemann. 

16 ) Speke S. 222. Ratzel: „Völkerkunde- 1. Aufl. Bd. I S. 471. 



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- 3*23 - 



„Mythen vom Turmbau zu Babel" zusammenfassen kann, 
besonders interessant. Eine solche traf Livingstone an den 
Victoriafällen an. Folgende Form wird fast gleich von den 
Aschanti, Akuapim und Accra erzählt. Ich folge den 
Akuapim. Diese Neger erzählen, ihre Vorfahren hätten 
gesagt, sie wollten etwas unternehmen, um zu Nyankupong 
hinauf zu gelangen. Zur Ausfuhrung dieses Planes stellten 
sie alle ihre Fufu-Mörser aufeinander; es mangelte aber 
noch einer, um bis oben hinauf zu reichen und doch hatten 
sie keinen mehr. Nun wurden sie einig, den untersten, 
auf dem alle übrigen ruhten, herauszuziehen und ihn zu 
oberst zu stellen. Sie thaten es und siehe, die ganze 
Schicht fiel über den Haufen, und beinahe wären sie davon 
erschlagen worden, ein Schicksal, dem sie nur durch die 
Flucht entgingen 17 ). Diese Sage ist um so interessanter, 
als der Fufu-Mörser eine sehr bedeutende Stellung in der 
Anschauung dieser Völker einnimmt. Als eine Frau nicht 
Fufu stossen konnte, weil der Himmel zu nahe war, rückte 
Nyankupong das Firmament in die Höhe. Nach anderer 
Version stiess die Frau mit dem Mörser dem Gotte in das 
Gesicht. Um die herannahenden feindlichen Heerestruppen 
aufzuhalten, stellten die Dater als Schutzmittel ein paar 
Holzstössel in den AVeg 18 ). 

So deuten alle diese Mitteilungen nach „oben". Auch 
die Ganga steigen nach oben, wenn sie Rat von den Gott- 
heiten erhalten wollen 19 ). Aber auch als Brücke tritt die 
Sonnenbahn auf. Einen solchen muhammedanisch an- 



") Livingstone: r ,Missiousreise u Bd. II S. 186. Ratzel: „Völker- 
kunde" l.Aufl. Bd. I S. 607. Barth: „Volkswagen" S. 466. Münd- ■ 
liehe Mitteilung von Paul Steiner. Fufu wird aus gestobenen 
Yams bereitet. 

,8 ) Rottmann S. 14. Barth: „Volkttaagen" S. 4656. Schneider 
S. 34. 

'») Cruickshank S. 238. 

21* 



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gehauchten Bericht der Akpotoneger will ich noch be- 
rücksichtigen, dann aber von dieser weitausgehenden Razzia 
in das Gebiet der ungeformten Seelen-Sonnen-Folge Mythen 
zu Ketten, Stricken und Spinnenfäden zurückkehren. 

Der Meinung der Akpoto-Neger zufolge führt von du* 
Erde bis zum Eingang in das Jenseits eine ungeheure 
Brücke (Dogokadaruka), die so lang ist. dass man, um sie 
zu überschreiten, tausend Jahre (Duku sekaru) brauchte. 
Sie führt über einen bodenlosen Abgrund und ist so schmal, 
wie die Schneide eines Schwertes. Die wahren Gläubigen 
allein sind berufen, sie zu überschreiten. Sie sind gewiss, 
das Ziel zu erreichen; aber die Zeit, welche sie hierzu 
brauchen, ist je nach der Art ihres irdischen Lebenswandels 
verschieden. Manche müssen sie zu Fuss überschreiten; 
ihre Reise wird, wie man sich denken kann, sehr lange 
währen. Besser daran als sie sind diejenigen, welche sie 
zu Pferde zurücklegen werden; sie laufen keine Gefahr, 
kommen aber nur im Schritt vorwärts. Noch andere, den 
ersten und zweiten an Heiligkeit überlegen, reiten über 
die Brücke im Galopp; die wirklich Heiligen endlich ge- 
langen im Fluge, d. h. inherhalb eines Zeitraumes, dessen 
Länge dem Nichts entspricht, hinüber 20 ). 

Tawhaki und der Gott Whinni (die Spinne) .tragen in 
Neu-Seeland die Seele am Spinnenfaden in das Jenseits. 
Der Spinnenfaden als Kommunikationsmittel zwischen den 
Menschen und den Geistern spielt auch in Westafrika eine 
grosse Rolle 21 ). Der Endoxe, d. h. der Geist, klettert 
ebenfalls an einem Spinnenfaden zur Gottheit empor. Ich 
halte daher die Mythe, nach der die Spinnengottheit 
Anansie den Menschen erschaffen hat, für eine Umkehrung; 
im Tode trug die Spinne die Seelen ins Jenseits — als 

*°) Burdo S. 162. 

") Bastian: „Loangokünte" Bd. II 8. 161, 268, 240. 



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8-25 — 

eine Todesgottheit offenbart sich Anansie in weitaus den 
meisten Mythen — also schuf sie auch den Menschen. 

Die Ableitung der Sonnenbahn lässt sich in Afrika 
viel deutlicher verfolgen, als in Oceanien. Je tiefer man 
die niederen Anschauaugen hinabsteigt, desto klarer und 
vollständiger entrollt sich das Bild der Anschauung — 
immer angenommen, dass es gelingt die grosse Menge 
der dnrcheinder geschlungenen Fäden zu entwirren. Es 
gehört eine geübte und vorsichtige Hand dazu; bei jedem 
rauhen Angriff zerreissen die Stränge und die Arbeit ver- 
doppelt sich. 

Die Gbalo oder Sprecher der Ga verkehren nicht mit 
den Geistern, sie setzen sich denn in ihrer runden Hütte 
unter die Spitze des Daches. Von dieser herab hängt eine 
Kette. An dieser rüttelt der Gbalo bis sich der Geist 
herablässt, worauf er sich mit ihm unterredet. Römer 
erzählt den besonders interessanten Fall , dass von der 
Spitze des Daches ein Faden von Bast gehangen habe, der 
einer Priesterin auf den Rücken gefallen sei; auf diesem 
Wege kam der Geist hinab, ergriff die Priesterin d. h. 
nahm Besitz von ihr und sprach durch ihren Mund. Im 
Hause des Owu kletterte der Geist auf einer Leiter herab. 
Kaurischnüre hängen auch von dem Symbol des .lagd- 
gottes Oschusi u. s. w. 22 ). 

Bedeutungsvoller für Sitten und Anschauungen wird 
aber auf einem anderen Gebiete der Strick. In Aschanti 
werden eine Reihe von Schnüren um Rat gefragt. In Ost- 
afrika wird der einer Person ausgetriebene Geist in einen 
Gegenstand gebannt, der um Brust, Arm, Kopf und so 
weiter gebunden ist. Wenn ein Mann das Amulett des 
Gottes Bo, eine Franze aus trockenen Palmblättern, um den 

") Steinhauser S. 140. Römer 8. 56 - 58. Bastian: „ Fetisch" 8. 42. 
Bohner S. 239. Hoff mann S. 270. 



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- :m\ — 

Hals trägt, schützt ihn dies vor allem Zauber und er kann 
auch wenn er gefangen wird, nicht getötet werden 23 ). 

Doch lässt sich das, worauf diese Anschauungen sich 
aufbauen, noch klarer aus folgendem erkennen. r Lobo u 
hcissen gewisse Amulettringe der Isubu, die die Eigen- 
schaft haben, den Träger mit gewissen Geistern in Be- 
ziehung zu bringen. Eine weisse Korallenkette, die die 
Okomfu ((ianga) um den Hals tragen, dient dem Zweck, 
dass die Gottheit in sie hinabsteige 24 ). Damit ist 
ein ausserordentlich wichtiges Rindeglied, das in Oceanien 
fehlte und mühsam ergänzt werden musste. gewonnen. 
Dadurch wird nämlich vor allen Dingen der Trauerstrick 
verständlich. Der Ueberlebende will mit dem Toten noch 
in Beziehung bleiben und in dem Strick, den der Trauernde 
um Hals oder Lenden trägt, ist ein Kommunikationsmittel 
geboten. Betrachten wir die Verbreitung des Trauerstricks 
in Afrika. 

Ein Hauptteil der Trauertracht besteht bei Bullom 
und Temne in einem Halsbande von 3—4 Schnüren weissen 
Kauris. Wenn sie zu Hause bleiben, tragen sie anstatt 

") Bowdieh: „Mission* 8.483. Burton: „Lake Region* Bd. 11 
8. 352/». Burton: „Yoruba - Bd. II 8. 79. 

s *) Burton: „Abeokuta* Bd. II 8. H3. 8teiner im „Globus" 8.300. 
Wichtig ist auch folgendes: Wenn es sich darum handelt, einen 
Todesfall zu erkunden, so ist unter vieleu anderen Mythoden folgende, 
welche in Bonguela üblich ist, bemerkenswert^Man bindet dem 
Toten eine Ferlsehnur um die 8tirn und nun fragbihn der Oanga, 
ob er selbst ausgehen wolle, den Schuldigen zu finden. Fällt die 
Antwort durch jenes Mund bejahend aus, so tragen die Verwandten 
die Leichen in einer Hängematte im Dorfe und in den umliegenden 
Ortschaften umher, bis »ie vor einer Hütte stehen bleiben und er- 
klären, der Tote halte nie hier fest und lasse sie nicht weiter, da 
hier der Morder zu finden seilte. — Falkenstein 8. 215 (>. — An 
dieser Form der Leiehenbefragong, die der gewöhnlichen im allge- 
meinen vollständig entspricht, ist das Umbinden der Perlkette wichtig- 
Der (ieist soll sich an ihr in den toten Leib herablassen. 



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827 

der Kauris eben so viele schwarze Samenkörner von einem 
gewissen Baume, der dem Bananen bäume sehr ahnlich 
sieht und von dem Bullom Pukkollo, von denTemne Oppollo 
genannt wird. Wenn sie hingegen in einen andern Ort 
gehen, müssen sie die Kauris allemal anthun. Die Trauer- 
halsbänder der Kinder bestehen aus den Samenkörnern des 
Pokkolo, die mit Kauris untermischt sind. Andere er- 
wählen Palmstränge um Brust und Nacken statt der Kauri- 
und Samenketten. Interessant ist, dass bei diesen Völkern 
die Männer, die das Grab graben, ein Fialsband von 
Kauris tragen. — In Liberia gilt als Zeichen der Trauer 
ein tingerdicker Ring von Stroh, bei den Vey „banga" ge- 
nannt, der ineist um den Kopf, bei den Frauen auch wohl 
um den Hals getragen wird 23 ). 

Clappertons Wirtin, eine Witwe, in Wawa trug einen 
Strick um den Kopf, einen anderen um den Hals, noch einen 
um den Leib, bis die Trauerzeit verflossen sei oder sie einen 
anderen Mann gefunden habe. Im östlichen Sudan ist der 
um den Hals gelegte Trauerstrick der Dinka als das nord- 
östlichste Vorkommen unter den diese Sitte übenden 
Negervölkern bemerkenswert. Auch die A-Barmbo-Frauen 
geben ihrer Trauer über den Verlust ihres Herrn und Ge- 
bieters durch das Tragen eines mehrfach um den Hals 
gewundenen dicken Bastringes Ausdruck 2Ö ). 



») Mattheus 8.102.3. Winterbottern S. 305, 304. Bürtikofer 
Bd. 11 S. 324. 

■*) Clapperton S. 123. Junker Bd. II 8. 514. Schweinfurth S. 43. 
Nach Yaundesitte tragen die Frauen eines Verstorbenen einen langen, 
aus zerschlitzten Pisangblftttern gefertigten Hinternschmuck, einen 
gleichen, jedoch weniger dicken über die Scham. Zenker S. 09. 
Morgan S. 188. Barth: „Reisen" Bd. II S. 644 und a.a.O. Als 
Zeichen der Trauer binden sich die Marawi ein zwei Finger breites 
Stück weissen Tuches oder in Ermangelung dessen ein trockenes 
Palmblatt oder Strohgeflecht um die Stirn, die nächsten Verwandten 



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— 328 — 



Auch im Congobeeken kommt der Trauerstrick vor, 
doch sind zur Zeit die näheren Angaben nicht feststellbar. 
Bei den Betschuanen tragen trauernde Angehörige eiserne 
Halsketten statt der kupfernen und Witwen und Waisen 
eine Schnur um dem Kopf. Das Trauercostüm der Damara 
besteht aus einen um den Hals geschlungenen Riemen, an 
dessen beiden Enden kleine Stückchen Strausseneierschalen 
befestigt sind 27 ). 

Die Trauersitte der Hottentotten, ein Schaf netz strick- 
artig um den Hals zu binden, erinnert an Gebräuche der 
Galla. Will bei diesen der Kalidscha einen Kranken heilen, 
d. h. einen bösen Geist aus ihm austreiben, so hängt er 
sich vor dem Beginn der Ceremonien getrocknete Ein- 
geweide von Ziegen um den Hals 28 ). 

Der Strick oder die Perlkette, an der ein Geist in 
den Menschen hinabsteigt, hat sich nun nach mehreren 
Seiten im Cultus eine hervorragende Stelle erobert. Nicht 
nur als Trauerstrick, sondern auch als Priesterabzeichen 
kehrt die Geisterschnur wieder. 

In Dahome sind die Priester und Priesterinnen durch 
verschieden zusammengesetzte Ketten gekennzeichnet. Die 
Priesterinnen Mau's tragen lange Halsschnüre, an denen 
ein Paar Kauris immer mit schwarzen Samenkörnern ab- 
wechseln. Die Priester Nesus, des Gottes der Herrscher- 
familie sind durch Arm- und Nackengehänge von Kauris, 
die durch rote und schwarze Samenkörner getrennt sind, 

aber als Zeichen grösserer Trauer einen Streifen desselben Zeuges 
um die "Weichen. Gamitto a. a. O. S. 286 7. 

I7 ) Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. I S. 300. Hahn: „Herero* 
8. 494. Anderson Bd. I S. 243. Witwen der Waregga trauern um 
ihre Gatten durch ein Schwarzmalen des Gesichtes, „fügen ausser- 
dem noch um die Stirn gewundene Bäuder van dürren Bananen- 
blüttern hinzu. 44 Stanley: „Durch d. dunkeln Weltteil" Bd. II S. 128. 

2 *) Kolb S. 195. Krapf Bd. I S. 99. 



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— 329 — 

ausgezeichnet 29 ). Die Frauen Lissas, des Sonnengottes, 
tragen lange Schnure von weissen und schwarzen Perlen 
und die des Mondgottes Gleti solche von Kauris 30 ). 

Dso und Bo scheinen auch in dieser Beziehung ver- 
wandt. Der eine ist der Gott des Feuers, der andere der 
des Krieges. Die Verehrer des ersteren tragen die Dso- 
vodu oder Dso-sesa genannten Amulette. Auch sind sie in 
ihreu Häusern aufgehangen. Die Arm- und Halsringe be- 
stehen aus einem Stricke von geflochtenem Baste, der mit 
roter Erde beschmiert ist und an dem Perlen oder kleine 
Steinchen befestigst sind. Die Amulette für Haus und 
Geräte sind einfache Grasstricke; sie sind ebenfalls rot 
und in Abständen mit trockenen Blättern versehen. Die 
Gottheit soll die so Gekennzeichneten und deren derartig 
geheiligtes Eigentum schützen. Der Träger und Besitzer 
giebt sich durch solche Merkmale als getreuer Diener des 
Dso kund 31 ). 

Bo wird naturgemäss besonders von Kriegern verehrt, 
die ihm zu Ehren Pferdeschwänze und Stränge von Kauris 
tragen. Ausserdem stellt eine Franze von getrockneten 
Palmblättern, Azan genannt, um eine Person oder Sache 
gebunden, unter Bo's speciellen Schutz. Ein so geschützter 
Mann kauu im Kriege kein Leid erfahren und als Ge- 
fangener nicht getötet werden. Bo schützt auch diese ihm 
getreuen Krieger vor Zauber 32 ). 

Am entwickeltsten tritt aber der Brauch in Abeokuta 
auf. Die meisten Bewohner der Stadt tragen Perlen von 
verschiedener Grösse und Farbe, die die besondere Ver- 
ehrung bezeichnen. Nackenschnüre von grossen viel- 

J ") Skerchley S. 473. Burton: „Dahome" Bd. II S. 154. Ellis: 
,Ewe« 8. 67. 

ao ) Ellis: „Ewe" S. 65 und 66. 

81 ) Schlegel S. XV. Ellis: „Ewc* S. 47. Skerchley S. 471. 

") Burton: „Dahome" Bd. II S. 144. Ellis: „Ewe u 8. 68 und 69. 



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farbigen Perlen, unter denen drei besonders gross sind, 
zeigen die Diener der Ymaya, der (iöttin der Bäche und 
►Ströme an. Völlig weisse Perlen werden von den An- 
betern Obatala's, schwarz und weisse, die mit roten ab- 
wechseln vou den Verehrern Schango's getragen. Weisse 
kleine indische Kauris sind die Ornamente von kleinen 
Gottheiten und werden als solche von den Dienern des 
Gottes Buruku 33 ) und der Göttin Amanlu 34 ) als Schmuck 
verwendet. Die Anbeter Ifas 33 ), die Palmnus-Priester ge- 
nannt werden, sind durch das Tragen an Fasern aufgereihter 
Palmennüsse gekennzeichnet. Armbänder von Erz und 
alle Ornamente derselben Art sind Symptome der Ver- 
ehrer des weiblichen Stromgottes Oschun. Schlangenanbeter 
und nach anderen auch die dem Ogun- Flusse Dienenden 
haben einen Eisenriug um den linken Arm 36 ). 

Aber auch ausserhalb der Kwe- und Yoruba Provinz 
treffen wir diese Priesterabzeichen. Die ßrafo, priester- 
liche Henkersknechte der Fanti — sind durch Eisen ketten 
ausgezeichnet 37 ). Das Amtszeichen des Bodio, des hohen 
Priesters der Kru — ist ein um den Knöchel getragener 
King, der mit derselben Verehrung und Wurde betrachtet 
wird, wie die älteste Krone in Europa. Der Verlust 
dieses Würdezeichens wurde einer grossen Schmach gleich 
kommen. Dem Udum — Priester der Kramanti — wird bei 



39 ) Buruku verursacht Ohnmaehtsaufälle und tötet durch die 
Pocken. 

'*) Die Göttin Amanta tötet ohne "Waffen. 

") Ifa ist der Gott der PalumuHorakel. Vergl. EUis: „Yoruba 4 * 
S. 56 ff. 

»■•) Burton: „Abeokuta 44 Bd. I 8. 107. Ellis: „Yoruba" S. 39. 

S7 ) „West African Sketches" 8. 4C>. Hie tanzenden Krieger Asehan- 
tis hielten zwischen den Zähnen eine lange eiserne Kette, an deren 
Knde ein Stück Papier mit Schriftzeichen befestigt war. Bowdieh: 
„Mission" S. äO. 



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— 331 — 

• 

der Weihe seiner Würde und seines Amtes eine Schnur 
mit geweihten Sachen um den Hals gehangen 38 ). 

Ich will nur noch auf den eisernen Zickzackring am 
Anne der Priester Kheviosos — des Blitzgottes als einer 
besonders interessanten Abwandlung hingewiesen haben 39 ), 
und mich jetzt in einem eigenen Abschnitt der üppigen 
Fülle der Strick- und Ring-Amulette zuwenden. 



Zunächst verdient erwähnt zu werden, dass nicht alle 
die Ketten und Ringe, die in Afrika angetroffen werden, 
dem Cultus angehören. Sie sind auch Hoheitszeichen welt- 
licher Art geworden. Das Abzeichen der Jamwo -Würde 
ist ein Ring aus Elephantenhaut 40 ). Als Hoheitszeichen 
der Wassumbwa gilt ein Armband aus Schlangenhaut am 
rechten Handgelenk. Den ersten Rang nach dem Herrscher 
nehmen in Benin drei Männer ein, die den König stets 
begleiten. Als Zeichen ihrer hohen Stellung schenkt ihnen 
der Monarch eine Korallenkette, die sie stets um den 
Nacken tragen müssen. Dieselbe ist ungemein wertvoll 

* 8 ) Wilson: «West-Afrika* 8.93. Oldendorp S. 329. 
*") Sehlegel S. XV. Ellis: „Ewe* 8. 38. Steiner im „Globu*« 
S. 134. 

40 ) Der Ring heisst „Lukann" und besteht aus einer Kupftr- 
spange, „die ganz dick mit Sehnen des Elepfanten, oder auch mit 
der Haut dieses Tieres überzogen ist, ho dass er einer Wurst gleicht." 
Pogge S. 225. — Die Ceremonie, die dem Nachfolger eines Cazembe 
den Thron sichert, wird von Gamitto folgendermassen beschrieben: 
Der Thronerbe knieet zu den Füssen des Toten nieder, umfasst mit 
seiner rechten Hand die Rechte des Toten und streift mit der Linken 
vom Arme des letzteren einen ' , Zoll dicken, mit Schlangenhnut 
überzogenen Armring auf seinen eigenen Arm über, so dass der 
Ring keinen Augenblick vom Arm des Toten oder dem seines Nach- 
folgers entfernt ist. Dieser Ring ist das Zeichen der königlichen 
Gewalt und unzertrennlich vom Arme des Herrschers. — Gamitto 
in der Ztsehr. f. allg. Erdkunde Hd. VI, Berlin 1850, S. 400-101. 



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— 332 — 



und die Trager müssen ihrer wohl achten 41 ). Eine An- 
deutung, auf welchem Wege wir die Deutung dieser Sitten 
zu suchen haben, giebt die Beschreibung des Gebrauches, den 
die Wakamka üben, ehe ein Mann in den „Kambi" d. h. die 
gesetzgebende Körperschaft aufgenommen wird. 

Der Hauptteil der Zeremonien besteht in dem Anlegen 
der „luho u oder „uvo u . Dies ist ein Ring aus dem Horn 
oder der Haut des Rinoceroses. Er ist ein Zeichen der 
Kambi -Würde. Sein Platz ist am Oberarm; zunächst aber 
wird er um das Handgelenk gelegt und der Kandidat muss 
Schenkungen machen, bei deren jeder der Ring etwas nach 
oben rückt, bis er endlich, gleichzeitig mit der Verarmung 
des Prätendenten an seinem Platze angelangt ist* 2 ). 

Der Name r luho a oder „uvo u erinnert zuerst an die r lobo w 
der Isubu. Dieses sind die Ringe, deren Tragen den Verkehr 
mit den Geistern anbahnt. Andererseits versetzt der Brauch 
und diese Namensverwandtschaft uns in die Geheimbund- 
sitten, in Vergeistigungsgebräuche, denen wir nun im Be- 
zirke der heiligen Ringe, Ketten-, Stricke nachspüren wollen. 
Nach allem schon früher Besprochenen kann die Beziehung 
Verwunderung nicht erregen, denn dass die Herrscher 
ebenfalls häufig die Vergeistigungszereraonien durchmachen 
müssen, ehe sie ihres Amtes walten können, ward schon 
früher erörtert. 

Den Anknüpfungspunkt bietet eine Sitte der Nquiti- 
Se!<te im Mussorongho- Lande. Diese versammelte sich 
zu nächtlichen Tänzen in den Wäldern und Hess den 
einzuweihenden Kandidaten über einen geweihten Strick 
schreiten, um ihn nach seinem Tode wieder erwecken zu 
können * 3 ). 

Die Geheimbundsitten sind auf das Vergeistigungs- 

41 ) Götzen S. 81. „Westafrican Sketches- S. 74. 
* 2 ) New S. 109 10. 

*") Bastiaa: „San Salvador* S. 202 nach Cavazzi. 



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— 333 - 

motiv zurückzuführen. Während der Aufuahmezeit stirbt 
der Mensch infolge der streng gehaltenen Verbote, Nahrung 
zu sich zu nehmen. Durch das Einhalten aber gewinnt 
er aber auch die Kraft der Geister, so dass er nach seiner 
Wiederbelebung im Besitze der Geistergewalt ist. Darauf 
zielt auch die Sitte der Nquiti hin. Der geweihte Strick, 
über den der Kandidat springen muss, ist der Geisterpfad, 
mittelst dessen er auch nach seiner Vergeistigung zurück- 
kehren kann. 

Da durch die Vergeistigung auch eine Beziehung zu 
den Toten angeknüpft werden kann und von diesen alles 
erwartet werden darf und verlangt wird, so sprosst in 
diesen Ideenkreis eingeschaltet, das Motiv des Geisterstrickes 
und Geisterringes üppig, nach allen Seiten Wurzel schlagend. 
Eine kleine Anthologie entsprechenden Sitten mag das er- 
läutern. 

Die Madagassen, die etwas von der Gottheit erreichen 
wollen, tragen gewöhnlich während sie opfern, Stränge 
von Perlen von verschiedenen Farben um Nacken und 
Handgelenk **). In Loango wird, so sich jemand einem 
Mokisso weiht, ein Ring um den Arm gelegt. Sie schwören 
auch bei diesem Ringe; falls ein Ausspruch nicht wahr 
sei. soll eben dieser Mokisso sie strafen. Wer sich dem 
Mokisso Moanzi ergiebt, trägt einen Kupferring und darf 
nicht Kola essen, pjne andere Quixille — Quixille sind 
Gebote und Verbote, die von den Mokissos auferlegt werden 
— lautet, dass der Geweihte eines Mokisso statt einer 
Mütze eine Schnur um den Kopf tragen muss. Auch bei 

**) Ellis: „Hist. of Mad." Bd. 1 8. 435. Als Ramahavaly ver- 
brannt wurde, wurden gleichzeitig 9 grosse hölzerne Kasten, in 
denen sich verschiedene Zauber, die als Stirnbinden, Halsketten und 
Armringe gotragen wurden, und die damit Geschmückten in der 
Schlacht beschützen sollten, vernichtet. Sibree S. 337. lieber Rama- 
havaly Kap. 4. 



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— 334 — 



deu Mandiugo legen die, die ein Gelübde auf .sich ge- 
nommen haben, einen eisernen King um den Arm 45 ). 

Auch um den Malassie hat sich in Loango ein Orden 
gebildet. Dieser Mokisso ergreift den in seinem Tempel 
auf einem Stuhle seiner Harrenden. Die Kandidaten machen 
eine Zeit der Enthaltungen durch. Als Erkennungszeichen 
tragen die Mitglieder den Sase genannten Ring, der aus 
einem Eisenstreifen mit anhängender Frucht besteht und 
die Nahrung von Wild- und Ziegenfleisch seinen Trägern 
verbietet, dagegen ihnen seinen Schutz verleiht. Der Ring, 
der als Figur 4 auf beifolgender Tafel III („Geisterschnüre 
der Tschi") abgezeichnet ist, hat folgende Bedeutung: Er 
übt eine beschützende Macht auf seinen Träger aus, wenn 
die Gesetze beobachtet werden. Diese lauten: Des Morgens 
früh muss sofort in den Ring gebissen werden 46 ). Dadurch 
wird der betreffende Verehrer vor allem Bösen beschützt. 

Spricht aber der Besitzer mit jemand oder kehrt eine 
Frau im Hause oder Hofe, oder niesst jemand, so dass 
der Besitzer es hört, bevor er in den Ring gebissen hat, 
so ist das Gesetz übertreten und er darf nichts essen vor 
Sonnenuntergang. Trinken darf er dagegen so viel er will. 
Der Ring wird am linken Damnen getragen. Trinkt der 
Verehrer irgend etwas, so bekommt das Amulett auch 
davon, d. Ii. es wird etwas bespritzt 47 ). 

Es gehen also infolge der Enthaltungsgebote auf 
dem Wege des Ringes, der Kette etc., des G eiste rstriekes 
besondere Fähigkeiten auf den Träger über. Es mag auch 
oftmals die Kraft in das Amulett übertragen werden, so 

4S ) Dapper S. 532 u. 537. „Allg. Hist. d. R." Bd. III 8. 241. 

4 ") Das „Beissen 44 erinnert an das in Kap. 11 Gesagte. Sieherlich 
ist aueh hier ein Uebergehen eines Geistes in den Träger mit der 
Handlung ursprünglich bezweckt. 

* ) Bastian : „Luangoktiste" Bd. II S. 1S3. Mitteilung von Missionar 
Martin. 



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r 



— 335 — 

dass es selbst thatkräftig wird. Ich glaube aber, dass 
oftmals die dazu gehörigen Enthaltungsgebote übersehen 
sind. Letzteres ist nun allerdings bei einem so trefflichen 
Beobachter wie Bastian nicht anzunehmen, weshalb für die 
nächste Angabe der erste Fall in Betracht kommt. 

Es werden unter den Mussorongho Leute angetroffen, 
die durch ein am Oberarm getragenes Strickamulett die 
Fähigkeit erhalten, sich in Krokodile zu verwandeln. Sie 
ergreifen den Menschen, den sie unter das Wasser schleppen, 
um ihn zu ersticken, und wenn sie mit ihnen an die Ober- 
fläche des Wassers zurückkommen, beleben sie die Ge- 
storbenen wieder, um sie an einer anderen Stelle aufs 
Neue zu ertränken. Wird deshalb beim Baden an jemandes 
Arm das Strickamulett bemerkt, so ersehlagen ihn die 
Anwesenden und werfen ihn ins Wasser 48 ). 

Eine andere Gruppe von Amuletten repräsentiert die 
Variationen des Motives auf dem Gebiete der Krankheits- 
zauberei. Unsere Figur 5, ein Amulett der Tschi, wird, 
wenn jemand krank ist und die Krankheit von ange- 
schiedenen Geistern verursacht wird, um den Kopf gebunden 
und die Perlenschnüre werden hinter dem Ohre befestigt 
oder auch einfach über die Finger hereingezogen. Dadurch 
kann der abgeschiedene Geist den Kranken nicht mehr 
töten und das Amulett lässt den Kranken wieder gesund 
werden. — Ist - nach Anschauung der Accra — die Ursache 
eiuer Krankheit, dass zuviel über den Kranken geschwatzt 
wird ,s<> wird eine kleine Henne gebracht, der Kranke damit 
bestrichen, dann der Henne der Bauch aufgerissen, die drei 
gewöhnlichen Lebensmittel : Salz, Pfeffer und Palmöl hinein- 
gethan, worauf sie vor dem Dorfe mit kleinen Pflöcken 
in den Boden gespiesst wird. Dem Kranken wird dazu 
eine heilige Schnur um die Hand gebunden 49 ). Ein Ring, 

* 8 ) Bastian: Loangoküste- Bd. II 8. 248 9. 

**) Mitteilung von Missionar Martin; Steiner im „Tagebuch*. 



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— 33« — 



der um den Arm des Kranken vom Ganga gebunden wird, 
mag, wenn die Krankheit auf Bruch der Quixille zurück- 
zufuhren ist, in Zukunft vor dem Kuckfall sichern. Ausser- 
dem ist der halbgeöffnete Eisenring des Bulunga und eine 
Umwickelung mit der Faser eines heiligen Baumes an der 
Loangoküste als Schutzmittel gegen Krankheiten bekannt 50 ). 

Bei den Hottentotten ist auf den Brauch des „Anders- 
machens" hinzuweisen. Es wird dem Kranken das in Strick- 
form zusammengedrehte Netz eines Schafes um Hals und 
Schultern gelegt. Der Kalidscha der Galla hängt sich vor 
Beginn der Zeremonien, mittelst deren er dem Kranken 
einen bösen Geist austreibt, die getrockneten Eingeweide 
einer Ziege um den Hals 51 ). 

Diesen Gebräuchen und Anschauungen, die ich hier 
nur zusammenstelle, um ein Bild ihrer Verbreitung und 
Häufigkeit zu bieten, liegt insgesamt das gleiche — aller- 
dings oft unbewusste — Motiv zu Grunde, das in folgenden 
Hauptzügen sich bewegt. Entweder es soll ein Geist in 
den Träger des Geisterstrickes einziehen, der ihn vor allen 
fremden Einflüsseu schütze. Oder es soll ein ungebetener 
Gast abziehen. Endlich wird der Geisterstrick auch zum 
eigentlichen Schutzamulette, d. h. ohne sich weiter darüber 
klar zu werden, dass eigentlich der Strick nur der Weg 
ist, auf dem ein Geist ein oder auszieht wird der Strick 
zu dem selbstkräftigen Amulette. Als solches ist es mit 
Leichtigkeit in den Bastringen zu erkennen, die west- 
afrikanische Mütter ihren Kindern um Lenden, Hals und 
Arme binden 52 ). 

Diese Geisterstricke treffen wir nun überall. An der 
Küste trägt jeder irgend welche Amulette, während die 

R0 ) Bastian: „Loangoküste" Bd. II S. 163, 165, 166. 
»M Krayf Bd. I 8. 99. Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. I S. 103. 
**) „Aus allen Weltteilen" 1896 S. 294. Wilson: „Westafrika-' 
S. 261. Des Marchais Bd. I 8. 283. 



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- 337 - 

annereu Neger des Innern oft schon zufrieden sind, wenn 
sie einen Bindfaden über die Waden gebunden haben. 
Manchmal ist dieser letztere ein Matebbe, der, wie ins 
Haar gesteckte Federn, unverwundbar macht. Bei den 
Kru-Negern sieht man die Wadenschnüre fast konstant. 
Die katholischen Missionare waren für einige Zeit sehr 
stolz darauf, diesen Zweig des „Fetischdienstes" gründlich 
ausgerottet zu haben dadurch, dass auf ihren Befehl die 
Stricke fortan nur von Palm blättern, die am Palmsonn- 
tagen geweiht waren, gemacht werden dürften 53 ). 

Mit dieser Entwickelungsdarstellung werden alle die 
Ring- und Strickamulette verständlich, die sonst noch aus 
dem Bereiche der Mandingo 3 *), Accra, Kado (im Haussa- 
gebiet), Loango, Bakongo 55 ), Uganda, A-Lur, Wanika 56 ), 
auch der exportierten Maroni- und Surinam-Neger 57 ) 
stammen und die nur leichte, meist unklare Spielformen 
des gleichen Motives sind. 

Erwähnenswert sind noch die Thoramulette, lieber 
den Weg am Eingange eines Loaugodorfes ist oftmals ein 
Thorweg — aus Holzstücken oder Bambus — mit herab- 
hängenden und im Winde flatternden Fransen aus Binsen 
oder Schilf, um die Behausungen gegen bösen Einfluss zu 
schützen, überspannt. Noch deutlicher wird es, wenn statt 
den Fransen mehrere Ringe aneinander herabhängen über 
einen Thorweg, der im Hintergrunde zu einer Geisterhütte 



M ) Bastian: „San Salvador" S. 79/80. Nach ihm Sehultze S. 101/2. 
**) Gray and Dochard S. 49. Httttikofer Bd. II S. 226. 
B5 ) Steiner im „Globu«» S. 299. Rohlfs Bd. II S. 178/9. Bastian: 
„Loangoküste* Bd. II S. 222, 241. Cavazzi Bd. I S. 370. 

5 «) Speke S. 253, Taf. III, Fig. 9. Stuhlmanu S. 518. New 8. 106. 
Krapf Bd. I S. 418. 

") Creveaux S. 40. Spitzly i. d. „Verh. d. Beil. Ges. f. Anthrop." 
1889 S. 213, mit Abbildgn. 

Frobcnius, Weltanschauung der Naturvölker. 22 



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— 338 — 



führt, wie das Büchner bei Ratzel abbildet 58 ). Diese ge- 
weihten Gegenstände über den Wegen, die in Guinea als 
Weihefäden, in Aschanti als Opfertiere, in Ostafrika als 
Amulette etc. 59 ) hängen, stellen in primärer Anschauung 
den Pfad der Geister dar, die hier als Schützlinge einer 
Behausung, eines Heiligtumes oder eines Dorfes weilen 
mögen. 

Zum Schlüsse des Abschnittes gebe ich noch, um ein 
Bild der Vielseitigkeit dieses Motive» zu bieten, die Er- 
läuterung der Tafelfiguren 60 ), von denen Fig. 4 und 5 
schon erwähnt ist, Fig. 2 weiter unten besprochen werden 
soll. Es wird einem jeden leicht werden, die verwandt- 
schaftlichen Beziehungen aufzufinden. 

Fig. 1. Nkrabea = Schicksals- Amulett. Wenn «las 
Schicksal, mit dem jemand in die Welt gekommen ist, 
nicht gut ist, so ist dieses Amulett imstande, es zum Besten 
zu wenden. 

Fig. 3. Das eiserne Kettchen kann zu jedem belie- 
bigen Amulett gefügt werden. Geht jemand irgend wohin 
und er hat dieses Kettchen bei sich, so hat er dieselbe 
Kraft, wie das Amulett selbst. 

Fig. (5. Sisi- Amulett. (Unter Sisi verstehen die Tschi 
den unteren Teil des Rückens, von einer Lende bis zur 
anderen.) 

Wenn jemand das sisi wehe thut, — und das kommt 
bei den Negern sehr oft vor, — so bindet er sich dieses 
Amulett um die Lende; dann muss der Schmerz weichen. — 



58 ) Bastian: „Loangoküste" Bd. I S. 202. Ratzel: „Völkerkunde* 
1. Aufl. Bd. I Einleitung S. 35. Siehe auch Stanley: „Livingstone* 
Bd. I S. 169 Nr. 1. 

Si ) Monrad S. 50. Bowdich: „Mission 14 S. 49. Bastian: „Allerlei 11 
Bd. II S. LV. Dapper S. 537. Bastian: „Loangoküste" Bd. I S. 54. 
Stuhlmann S. 188, 513, 719. 

■°) Nach Angaben des Missionars Martin. 



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— 339 — 



Sieht er nun jemand auf dem Stil der Haue sitzen, so 
wird der betreffende andere die Krankheit, gegen die er 
das Amulett eben tragt, bekommen und er selbst ist frei 
von Schmerzen. 

Fig. 7. Gynapaw-Amulett. Tragt jemand dieses Amu- 
lett und er giebt in einem Strik einen anderen einen 
Stoss an den Kopf, oder auf die Brust, so giebt es eine 
Geschwulst, die aufbricht, oder aber der Geschlagene fällt 
sofort auf den Boden. Ist dies der Fall, so ist der Liegende 
besiegt und darf nichts weiter thuen. 

Fig. 8. Frauen- Amulett. (Dasselbe ist in der Rich- 
tung des Pfeiles verschiebbar.) Es wird angewendet zur 
Verhütung von Frühgeburten und um die Hüften getragen. 
Angezogen wird es von unten herauf nach oben, ausge- 
zogen nach oben über den Kopf. Wer es umgekehrt 
macht, hat die Bestimmung übertreten und die Folgen zu 
tragen. 

So wuchert ein einmal dem alltäglichen Leben mit 
der Fülle der Bedürfnisse anheimgefallenes Motiv bis ins 
Unentwirrbare. 



Der Strick, an dem die Geister in das Jenseits ge- 
langen 61 ) wird zu dem Wege, auf dem Belebung geschaffen 
wird, führen. Es ist dies das gleiche Motiv, welches sich 
in dieser Form nach dem Gesetze der Umkehrung äussert. 

Kinderlose Eltern lassen sich in Accra auf folgende 
Weise heiligen und Kindersegen verschaffen. Sie müssen 
sich mit dem Weih-Wasser, das im Tempel in einem grossen 
Topfe sich befindet, waschen. Der Wulamo flicht aus 
dünnen Schlingflanzen einen Kranz und legt ihn in eine 
grosse hölzerne Schüssel. Erst wird nunmehr mit der 

M ) So (in Liberia) auch die Bitten an Verstorbene, indem eine 
„sarata" genannte Schnur aus weissen Glasperlen unter Gebeten auf 
den Weg gelegt wird. Büttikofer Bd. II S. 325. 

22* 

! 



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— 340 — 

* 

heiligen hölzernen Schöpfkelle heiliges Wasser über das 
Ehepaar gegossen, dann über den Kranz in der Schüssel. 
Der Wulamo weiht dann noch das Wasser in letzterer, 
indem er sich Stirn, Brust und Schultern damit wäscht, 
sodass das Wasser in das Holzbecken zurückläuft. Dann 
wäscht sich das Ehepaar mit dem geweihten Wasser, welches 
aus der Schussel ausgegossen wird, so dass es auf der 
Erde gegen sie läuft. Der Kranz wird nun entwirrt, und 
mit den einzelnen Ranken der Schlingpflanze Hals, Hände 
und Füsse der beiden bekränzt, die darauf noch mit der 
heiligen weissen Farbe bestrichen werden 62 ). 

Der Sinn ist nicht schwer zu verstehen. Vom 
Priester geht die belebende Kraft aus, die die Ranken 
dann absorbieren. Die Ranken leiten in das betende Paar 
den Kindersegen. Auf gleiche Weise siud vielleicht auch 
die Elfeiibeinringe, die Ehepaare am Niger tragen, zu deuten. 
Sicherlich hängen mit diesen Ideen aber die Ringe zu- 
sammen, die schwangere Frauen in Akkra anlegen, so 
wie die Schnur, die wir in Fig. 8. unserer Tafel abgebildet 
haben (siehe oben), nur ist das Motiv bei diesen durch 
Nebenbedeutungen unklar geworden * 8 ). 

Auch den jungen Mädchen, die in den Jevhe auf- 
genommen werden, wird der Kopf mit einer mehrfachen 
Baumwollenschuur umwunden. So mag der Geist des 
Bundes in sie ubergehen. In Accra wird der, der den 
Bastbart der Besessenheit erregenden Trommel erfasst, zum 
Tanze gezwungen, selbst, wenn es ein alter Mann ist 64 ). 

t2 ) Steiner im „Tagebuch". 

") Uurdo S. 110 1. Isert S. 193/4. 

■*) Spieht S. 76. Römer S. 52 3. Manche Aeeraneger lausen sich 
vom Ganga einen Topf mit geweihtem Wasser vor die Thür stellen, 
mit dem sie sich jeden Morgen besprengen oder ihr Angesicht 
waschen. Viele haben über demselben einen Strang oder Büschel 
Palmbast hangen, den sie jeden Morgen einige Male durch die 



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— Ml — 



Um alle Parallelen zu den ozeanischen Anschauungen 
und Sitten zu ziehen, gilt es noch die Schlingen und die 
Zeremonien des Geisterfanges in Afrika aufzusuchen. 

Wenn ein Accra-Neger den Thäter eines Diebstahls 
nicht herausbekommen kann, so lässt er „die Seele des 
Diebes binden" und stellt sie so der Ahndung der Geister 
anheim. Das kann natürlich nur mit Hilfe des Ganga 
und dessen geheimnisvollen Beziehungen geschehen. Dieser 
giebt dem Bestohlenen zwei Messern ähnliche Hölzer, 
zwei Zipfel Zeug, in welche geriebene Stoffe wie Erde, 
faules Holz etc. eingebunden sind und an die je eine grosse 
Kuri-Muschel befestigt ist. Zu diesem muss der Bestohlene 
oder welcher die Prozedur des Bindens der Seele oder des 
Geistes vornehmen will, für einen langen Strik von Baum- 
bast und zerriebenes Rotholz sorgen. Mit dieseu Dingen 
versehen, begiebt sich jener auf die Weisung des Ganga 
hin am frühen Morgen an das eine Ende des Dorfes und 
spannt die lange Schnur auf der Hauptstrasse entlang aus, 
nässt das geriebene Kotholz mit Wasser an und bestreicht 
die Schnur mit demselben. Hierauf befestigt er an jedes 
Ende der Schnur eines von den vorhin genannten Bündel- 
chen und beginnt damit das „Kahla Binden", wie die 
Zeremonie genannt wird. Nun nimmt er die beiden messer- 
artigen Hölzer und beginnt unter den entsetzlichsten Ver- 
wünschungen des Diebes die Schnur von dem einen Ende 
aus auf die Hölzer aufzuwickeln. Die Verwünschungen 
gipfeln darin, dass dem Dieb ein elendes Umkommen und 
sehmählicher Tod angewünscht wird. — „Sterben soll er! 
Elendlig umkommen soll er! etc." — Nach Beendigung 
der Aufwicklung wird das Ganze neben dem Weg zur 
Plantage unter einem Stein begraben und ein vom Ganga 



Finger gleiten lassen, wobei sie verschiedene Bitten ausstoßen. — 
Steiner im „Globus" S. 54. 



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— 342 



erhaltenes Pulver von zerstossenem Holz — gleich dem in 
dem Bündelchen verwahrten — auf der Stätte ausgestreut. 
In Geduld wird die Wirkung und die Strafe der Geister 
alsdann abgewartet 65 ). 

Schon Steinhäuser erwähnt die Hong-Schnüre. die 
aus dem Baste eines Baumes, Namens „Hong" hergestellt 
werden. Gewisse Leute verfertigen und verkaufen solche 
Hongschnüre. Durch sie erhält jeder, der einem anderen 
das Lehen nehmen (»der sonst etwas Böses thun will, dazu 
die Macht. Hat man nämlich eine solche Schnur, so sucht 
man etwa ein Bein auf, das der zu Tötende von einer 
Mahlzeit übrig gelassen, und umbindet es mit der Schnur, 
während man ihm den Tod, Verrücktheit oder sonst etwas 
wünscht. Darauf muss der andere sterben oder es wieder- 
fährt ihm sonst etwas Ueldes, falls er nicht ein Schutzmittel, 
das aus der gleichen Quelle fliesst, gebraucht 60 ). 

In die Gruppe der Seelenschlingen gehört auch Fig. 2, 
ein Amulett der Tschi. Wenn 07 ) man nämlich jemand 
hasst und möchte ihm etwas Böses anthun, so hat dieses 
Amulett die Macht, ihn verrückt zu machen. Ruft man 
dagegen den gehassten Namen und fährt mit der Angel 
— deren eine Spitze abgebrochen ist, — durch die Luft, 
so fängt man des Verwünschten Herz und er wird dadurch 
ein Kind des Todes, den er nicht allzulange danach er- 
leiden wird. 

Doch nicht nur bei den Ga und den Tschi werden diese 
Geisterschlingen angetroffen. Die Gola ziehen Spinnenfäden 
durch Nadelöhre und lassen sie fliegen und zwar auf den 
zu, den sie zu bezaubern gedenken und den sie dadurch 
in Todesgefahr bringen, wenn er nicht bei Zeiten einige 



°') Steiner im „Tagebuch". 

•■) Steinhauser 8. Hl. Steiner im „Globust" S. 299. 
41 ) Mitteilung von Missionar Martin. 



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- 343 — 



Arznei gebraucht. — Die Seelen der Toten steigen in 
Loango zum Himmel empor, wenn nicht ein übelwollender 
Zauberer sie mit Ketten fängt und sie so zwingt ein dienst- 
barer Geist seiner grausigen Unthaten zu werden 

AVer in Togo den Eidschwur des Jevhe benutzen will, 
bildet aus den frischgewaehsenen Blättern der Oelpalme 
und des Anya-Baumes — der auch Blitzbaum genannt 
wird — einen Ring. Diesen wirft er bei Gelegenheit dem 
Beleidiger wie eine Schlinge über den Kopf 69 ). 

Damit kommen wir zu der letzten, einer der klarsten 
Sitten, die auf dem Motive des Geisterstrickes sich gebildet 
haben, nämlich der eigenartigen Weise, wie bei den Accra, 
die Priester erwählt werden. 

Während nämlich die „Todeskostüme" für einen ver- 
storbenen Priester gefeiert wird, hat der Götterbote 
„Akotia" 70 ) für den neuen Ganga eine Frau suchen. Mit 
einem Kränzchen zieht er durch die Orte und wirft dieses 
dem Mädchen, das er für den neuen Priester zur Frau er- 
krönt hat, um den Hals und macht sich dann davon. Die 
Familie des Mädchens hat dieses in das Haus des neuen 
Priesters zu bringen, nachdem sie vorher dreimal mit der 
Braut jubelnd durch das Dorf gezogen sind 71 ). 

Dass gerade Akotia die Schlinge fängt, dessen Be- 
ziehungen zu den Sonnengöttern bekannt sind, ist besonders 
charakteristisch. An der Schlinge soll -- nach primärer, 
.sicherlich längst erstorbener Anschauung — der Geist in 
die neue Priesterin einziehen. Besonders charakteristisch 
ist die Erwählung der Priester des Lakpa. 

In einer geheimen Sitzung der Okomfoi — Ganga — 
und der Stadtältesten wird die Person des Nachfolgers im 

,H ) Dapper S. 399. Bastian: „Loangoküste" Bd. II 8. 225. 
•») Spieth S. 88. 

70 ) Siehe Kap. 16. 

71 ) Steiner im „Tapobuch 14 . 



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Amte eines Wulamo ~- Priester — des Lakpa festgestellt. 
Hierauf wird ein Bote in den Busch gesandt, um von einer 
Palmenart die zartesten Sprosslinge zu holen. Diese werden 
in einen Topf gethan, mit Rotholz gefärbt und zu einer 
Halskette geflochten. Solche kleinen Halsbänder sind ge- 
schätzte Amulette. Das übrig gebliebene Farbwasser wird 
als wirkliches Lebenswasser verkauft. 

Die erwähnte Halskette wird nun einem anvertraut, 
der sie heimlich mit sich führen und dem Erkorenen bei 
günstiger Gelegenheit unversehens um den Hals zu werfen 
hat; damit ist er für immer als Wulamo erklärt. Er wird 
als solcher nun vor den Rat gerufen, wo ihm einer, der 
auch von Geburt zum Wulamo berechtigt ist, das Haupt- 
haar scheert. Letzterer ist nun auch von Stund ab sein 
Asistent. Damit ist die Insteallation des Wulamo zu Ende 
geführt. Die Halskette darf er nie wieder ablegen und 
eben so wenig sein Haupt scheeren lassen bis zu seinem 
Tode. Darauf wird als Frau des Wulamo das schönste 
Mädchen der Umgebung auch heimlich mit einer Strick- 
schlinge durch üeberwerfen erwählt 72 ). 

Ich möchte das Kapitel über die Bedeutung der Strick- 
amulette und Geisterstricke nicht ohne den Hinweis auf 
eine audere Entwickelungslinie beendet haben. Die Knoten- 
stricke, die ich meine, erfreuen sich einer weiten Verbrei- 
tung. In Liberia, Wheida, Loango, Angola 73 ), auf Mada- 
gaskar 7 *) und in Australien 75 ). Auf den Philippinen und 

72 ) Steiner im „Tagebuch". — Nach Steinhauser ist das Amt de* 
Wulamo des Lakpa erblich und geht auf den Sohn über. Nur seine 
Frau wird derartig eingefangen. 

,3 ) Büttikofer Bd. II S. 318. „Allg. Hist. d. R> Bd. IV S. 409. 
Bastian: „Loangoküste* Bd. II S. 38/9, 2«4. „San Salvador- 8.235. 
Zenker S. 49. 

7> ) Andree Bd. I S. 185. 

") Bastian: „Oceauien* 8. 120. 



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345 — 



Nikobaren 76 ) in Mikronesien 77 ) und Polynesien 78 ) wird 
gerechnet mittelst einer den Rechentafeln „unserer Kinder 
entsprechenden Methode". Es werden in einen Strick 
Knoten gemacht. Wird man zum Feste geladen, so merkt 
man die Anzahl der noch ausstehenden Tage an Knoten 
in einem Strick; jeden Tag wird einer gelöst und am Tage 
des Festes ist keiner mehr vorhanden. So werden im Jahr 
auf dem Markte Tage und Geldbeträge in mehr oder weniger 
komplizierter Weise berechnet. 

Doch ist natürlich diese einfache Sitte, die wir auch 
im civilisierten Huropa im „Knoten im Taschentuche u kennen, 
nicht das uns Interessierende, sondern eine Art der com- 
plicierteren Bedeutung, die der Knotenstrik annimmt. — 
Geknotete Bastfäden dienen auf oceanischen Inseln oft bei 
Krankheitszaubern und aus ihnen wird geweissagt 79 ). Die 
Gedächtnisnetze Fitschis nehmen auf den Pal aus noch Ver- 
schlingungen bei Botschaften an 80 ), so dass sie schon den 
peruanischen Quipus 81 ) sich nähern. Am interessantesten 
ist aber folgende Mitteilung Sempers. Dieser Reisende er- 
hielt von einem Palauinsulauer einen Schildblattpfriemen, 
an welchem zwei kurze Faden durch einige Knoten mit 
einander verschlungen waren. „Dieses Ende des Fadens 1 ', 
so sagt der Eingeborene, „das bin ich, jenes bist Du; wir 
beide sind durch diesen Knoten, wie ihn nur Brüder ge- 
brauchen, verbunden. Gieb den an Tomue, er kennt meinen 



™) Schadenberg in „Verh. d. Berl. Oes. f. Anthrop.* 1SH8 8. 35. 
8voboda Bd. 1 S. IUI). 

") Rienzi Bd. II 8. 78 nach La Gobien. Bastian: „Oceanien 14 
8. 103, 105. Chanmso Bd. II S. 232. Kotzebue Bd. I S. 173. 

78 ) Mallery 8.224 nach G. Turner. Bastian: „Oceanien" S. 244. 
7 ") Kubary S. 41. Bastian: „Oceanien* 8. 105. Finsch: „Ethnol. 
Er f.* 8. 317. 

Hö ) Bastian: „Oceanien" 8. 120. 

Gottfried Bd. I 8. 45. Andrcc Bd. I 8. 194 ff. Mallery 8. 224 ff. 



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— 346 — 

Pfriemen: von nun an bist Du auch sein Freund und 
Bruder" 

Dieselbe Kntwickelung in der Bedeutung tfes anfangs 
-oinfach geknoteten Strickes lässt sicli in Afrika nachweisen. 
Schon an der Loangoküste nimmt er gewisse symbolische 
Merkmale an, die das einfache Aufzählen übertreffen. Bei 
den Herero wird der Bote durch einen in bestimmter Weise 
gekerbten Stock autorisiert 83 ). Das erinnert an die Boten- 
stöcke der Australier. 

Geradezu merkwürdig kompliziert wird das System 
in Nord-Guinea. Einen Sprichwörter-^Rosenkranz" könnte 
man eine Schnur oder einen Faden nennen, au welchem 
eine Menge Gegenstände der verschiedensten Art angereiht 
sind, deren jeder in Beziehung steht zu einem Sprichwort. 
Kin sangkundiger Neger bedient sich dieses Rosenkranzes, 
um seine improvisierten oder auswendig gelernteu Lieder 
zu singen, in welche er geschickt die Sprichwörter ein- 
zuflechten weiss, an welche ihn der Rosenkranz erinnert **). 
k^-^^St^ Die nebenstehende Zeichnung ist 

^^^JJJ^^^^^s^ die Botschaft, die ein Jebu-General 
^^f*"*^ J an einen eingeborenen Prinzen richtete. 

^ Sie besteht aus 6 Kauris. r Sechs" in 
^*'» aasaööS ^ der Jebu-Sprache heisst E-fä und dies 
Botenschritt aüs \oruba. kommt von dem Worte fa = ziehen. 
Sie sind zu zweien angeordnet, Oberseite gegen Oberseite an 
einem langen Strick. Die doppelte Anordnung und Stellung 
der Oberseite gegen Oberseite deuten Freundschaft und gute 
Kameradschaft an. Die Anzahl drückt den Wunsch aus, 
nahe zu dem zu ziehen, an den die Botschaft gerichtet ist, 
während der lange Strick eine beträchtliche Entfernung 
und einen weiten Weg andeutet. Es lautet die Botschaft: 

•*) Andree Btl. I S. 186. 

Bastian: „Loangoküste" Bd. I S. 181. Hahn: „Herero u S. 292. 
"*) „Katech. und Beschreibung" S. 32 Nr. 681. 



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— 347 — 

„Obgleich der Weg zwischen uus sehr weit ist, ziehe ich 
Dich doch zu mir und setze ineiu Gesicht dem Deinen 
gegenüber. So wünsche ich denn, Dein Angesicht mir 
gegenüber und Dich zu mir zu ziehen 85 ). u 

Diese Zeichenschrift ist in Yoruba und Nufe sehr aus- 
gedehnt und anscheinend auch unter den Gebildeten ge- 
bräuchlich * 6 ). Bestimmte Lagen und bestimmte Gegen- 
stände haben immer bestimmte Bedeutung. So haben 
ungerade Zahlen und Nummern stets schlechte Bedeutung, 
wogegen gerade Zahlen einen guten Sinn haben. 

So mag eine einzelne Kauri als eine ungünstige Ant- 
wort auf ein Gesuch oder eine Botschaft übersandt werden * 7 ). 

Also nicht nur Mythologie und Kultus, sondern auch 
Sitten und Gebräuche des alltäglichen Lebens haben dem 
Strick eine weitere Bedeutung und Beziehungen verliehen, 
die einen mächtigen Kreis geistiger Interessen in ihm ver- 
körpert sein lassen. 

Uloxam S. 2(>5. 

8 ") üollmer S. ICH ff. Crowthor: T ,Grammar" 8. IV. Crowtlier 
and 3Lrtcgregor S. 169 70. 
87 ) Bloxam 8. 298. 



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XX. Kapitel. 

Die Schöpfongmythe in den westlichen und östlichen 

Provinzen. 

Die Sehöpfungsmythe der Yoruba. Olorun. — Ohatala. — 
Odudua. — Aganju. Yemaja. Orungan und Yemaja. Der 
(lötterursprung. Analogien in Sonnenmythen. — Einst lag der 
Himmel auf der Erde. — Tag und Nacht. — Himmel und Erde = 
Vater und Mutter der Welt. Himmeleinsturz. — Die Schöpfungs- 
inythe der Wanyoro. — Motiv der Sonnenmythen. Oceanische 
Schöpfungsmythen. — Tangaroa. — Bäume in Sehöpfungsmythen. — 
Aufheben de» Himmels. — Männliche und weibliehe (rötter. — 
Niedersinken der Erde. - Einsturz des Himmels. — Australische 
und nordwestamerikanisehe Analogien. Der Oktopus in der ocea- 
nisehen Sehöpfungsmythe. — Der Oktopus in den nordwestanierika- 
nisehen Sonnenmythen. - Erdgötter. - Erstlingsfeste in Afrika. 

Wirklich klare d. h. unverfälschte umfangreiche, un- 
verkennbare Formen einer Sehöpfungsmythe sind in Afrika 
selten. Es sind mir eigentlich nur zwei bekannt, die die 
Bezeichnungen unverfälscht und unverkennbar verdienen. 
Die eine, die einzige wirklich grosse, ist die der Yoruba, 
die andere ist die der Wanjoro. 

Die Sehöpfungsmythe der Yoruba. 

Die Yoruba besitzen zwei Himmelsgötter: Olorun und 
Obatala. 

Olorun ist der göttliche Himmel, der Gott, der zu 
weit, zu gleichgültig und zu gross ist, um sich um den 
Menschen zu kümmern. Der Name bedeutet Besitzer des 



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34t) 

Himmels; Ellis hat überseheu, dass er auch Besitzer der 
Sonne heisst, denn „orun" heisst gleichzeitig Firmament 
und »Sonne. Olorun besitzt keine Priester, von ihm wird 
kein Bildnis angefertigt, es giebt keine Tempel Oloruns. 
Nur sehr selten, wenn alle Götter ihre Hülfe versagen, 
ruft ihn der Yoruba an. Man kann sagen Olorun lebe 
mehr im Sprichwort als in der Anschauung oder im Culte — 
gleich wie der Himmel, dessen Namen wir auch oft ge- 
brauchen, vielleicht missbrauchen oder falsch verwenden. 
Auch ist er nicht allmächtig, denn ein Sprichwort sagt: 
„Kin Mensch kann nicht Regen machen und Olorun kann 
Dir nicht ein Kind geben." Denn zu Obatalas Funktionen 
gehört das Gestalten des Kindes im Mutterleibe. Jeder 
Gott hat seine Pflichten. 

Obatala ist der Hauptgott der Yoruba. Sein Name be- 
deutet; „Gott des weissen Gewandes." Weiss ist nämlich 
seine Farbe; weiss sind seine Tempel, seine Bilder, seine 
Amulette. Seine Diener, Priester und Verehrer tragen 
weisse Gewandung. Obatala ward von Olorun geschaffen, 
so sagen die Priester. Der übergab ihm das Firmament 
und die Welt ; er selbst zog sich zurück. Wenn Obatala 
also ebenfalls ein Himmelsgott ist, so ist er doch anthro- 
pomorpher aufgefasst als Olorun. Einer Mythe zufolge, die 
allerdings nicht allgemein zu sein scheint, hat Obatala 
das erste Meuschenpaar aus Thon geformt. Durchweg 
herrscht aber die Ansicht, dass Obatala das Kind der 

♦ 

Mutter schenke, d. h. unter ihren Herzen forme, und daher 
richten Frauen, die sich nach der Mutterschaft sehnen, 
ihre Gebete an Obatala. 

Odudua oder Odua ist die Hauptgöttin der Yoruba. 
Sie ist die Mutter, welche empfängt. Der Name kommt 
von „do" = „schwarz sein" und „dudu" — „sch\varz u 
her. Die Neger halten eine schwarze Haut für eine grosse 
Zierde auch für schöner als die gewöhnliche Zigarrenfarbe. 



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350 



Odudua ist als eine sitzende, ein Kiud säugende Frau 
dargestellt. 

Odudua ist das Weib Obatalas. Aber sie ist gleich- 
altrig mit Olorun und nicht von diesen geschaffen, wie ihr 
Gemahl. Andere Eingeborene glauben zwar, sie sei in Ife 
entstanden, doch ist dies eine vollständig sekundäre Mythe. 
Odudua stellt die Erde dar und ist mit dem anthropomorphen 
Himmelsgott verheiratet. Obatala und Odudua, Himmel 
und Erde stellen, wie die Priester sagen, zwei grosse ge- 
schlossene Kalebassen dar, welche einmal geschlossen nicht 
geöffnet werden können. Dies wird in den Tempeln sym- 
bolisch durch zwei weisse untertassenförmige , eng auf 
einander gefugte, und so eine abgeflachte Kugelform 
bildende Kalebassen zur Anschauung gebracht. Die obere 
repräsentiert das Himmelsgewölbe, die untere die sich 
diesen am Horizont anschmiegende Erde. 

Einer weit verbreiteten Mythe zufolge ist Odudua blind. 
Am Anfang der Welt waren sie und Obatala in der Dunkel- 
heit einer grossen geschlossenen Kalebasse eingeschlossen. 

Obatala lag im oberen, Odudua im unteren Teile der- 
selben. Die Mythe berichtet nicht davon, wie sie in 
diese Lage gekommen sind, sondern weiss nur davon zu 
erzählen, dass sie lange in dieser Lage gewesen sind, zu- 
sammengepresst, unbehaglich, hungrig. Da begann Odudua 
zu schelten; sie tadelte ihren Mann ob der Einsperrung. 
Es entspann sich ein arger Streit, in dessen Verlauf Oba- 
tala wütend seiner Frau die Augen ausriss, weil sie ihre 
Zunge nicht beherrschen konnte. Da verfluchte ihn Odudua. 
Sie sprach: „Nur Schnecken sollst du in Zukunft essen ! a 
Das ist der Grund, warum Obatala Schnecken als Opfer 
dargebracht werden. Da die Mythe Odudua ihre Augen 
nicht wieder gewinnen lässt, muss man annehmen, sie sei 

l ) Ellia: „Yoruba" S. 35—4«. 



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— 351 



blind gewesen. Aber kein Eingeborener sieht sie als 
blind an. 

Odudua ist ferner die Göttin der Liebe. Viele Ge- 
schichten werden von ihren Lieben und Abenteuern er- 
zahlt. Ihr Haupttempel ist in Ado, der Hauptstadt des 
Staates gleichen Namens, der nördlich von Badagri liegt. 
Es wird von der Anlage des Ortes eine lange Geschichte 
der Liebe Oduduas zu einem Jäger erzahlt, dein sie beim. 
Abschied für ihn und alle hier in Zukunft Wohnenden 
Heil und Segen im Angedenken ihres Glückes zugesagt 
habe. 

Vor dieser Tändelei mit dem Jäger schenkte Odudua 
ihrem Gatten einen Knaben Aganju und ein Mägdlein Ye- 
maja. Der Name Aganju bedeutet: unbewohnter Land- 
strich, Ebene, Wüste — nach Burton Firmament — Yemaja 
heisst: Mutter der Fische. Der Nachkomme von Himmel 
und Erde mag also Wasser und Land repräsentieren. 
Yemaja ist die Göttin der Bäche und Ströme, sie steht 
den Wasserordalen vor. Sie wird dargestellt als eine weib- • 
liehe Figur gelber Farbe ; blaue Perlen imd weisse Kleider 
trägt sie. Die Verehrung von Aganju scheiut ausser Brauch 
gekommen zu sein, aber auf einem offenen Platz vor des 
Königs Residenz in Oyo wurde der Gott ehemals verehrt. 

Yemaja heiratete ihren Bruder Aganju und schenkte 
ihm einen Sohn mit Namen Orungan. Dieser Name ist 
zusammengesetzt aus Orun = Himmel — bezw. = Sonne 
— gan von ga — hoch sein; er scheint zu bedeuten: In 
der Höhe des Himmels. Er scheint dem Khekheme, dem 
freien Lufraum der Eweer (Siehe Kap. 3) zu entsprechen 
und gleich diesem den offenen Kaum zwischen Himmel und 
Erde zu repräsentieren. Der Nachkomme von Wasser und 
Land würde demnach unserem Luftraum gleichkommen. 

Orungan verliebte sich in seine Mutter und da sie sieb 
weigerte, seiner sündhaften Leidenschaft zu willfahren, be- 



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352 



nützte er die Gelegenheit der Abwesenheit seines Vaters 
und vergewaltigte sie. Sogleich nach diesem Ereignis 
sprang Yemaja auf die Fusse und verliess händeringend 
und schreiend den Platz. Orungan verfolgte sie und ver- 
suchte sie zu tnisten. Er versicherte ihr niemand wurde 
etwas davon erfahren; er könne nicht ohne sie leben. Er 
hielt ihr die schöne Aussicht vor. mit zwei Gatten, dem 
einen im Geheimen, dem anderen öffentlich zu leben. Aber 
sie verwarf alle seine Vorschläge mit Ekel und raunte von 
dannen. Orunga jedoch raste hinter ihr her und beinahe 
hatte er sie mit dem ausgestreckten Arme erreicht, um sie 
festzuhalten, da schlug sie rücklings auf den Boden. 

Sofort begann der Körper furchtbar zu schwellen, 
zwei Wasserströme quellen aus ihren Brüsten und der Körper 
zerbarst. Die Ströme aus Yemajas Brüsten vereinten sich 
und bildeten eine Lagune. Ihrem zerklüfteten Leibe ent- 
sprossten : 



1. 


Dada 




Die Gottheit der Pflanzen. 


• 2. 


Schango 






r 


des Blitzes. 


3. 


Ogun 






r 


des Eisens und Krieges 


4. 


Olokun 






V 


der See 


5. 


Oloso 




r 


V 


der Lagune Olosa 


(5. 


Oya 




r> 


r 


des Niger 


mm 

t . 


Osch un 




n 


r 


des Oschun-Fliisses 


8. 


Oba 




r 


r 


des Oba-Flusses 


i). 


Orischa Oko 




r> 


r 


des Landbaues 


10. 


Oschosi 




r 


'* 


der Jagd 


11. 


Oke 




r> 


r> 


der Berge 


12. 


Aje Schalagu 




- 


r 


des Reichtumes 


13. 


Sehankpanna 




r 


r 


der Blattern 


14. 


Orun 




- 




der Sonne 


15. 


Ose hu 






r 


des Mondes. 




Zur Erinnerung 


an 


dieses Ereignis wurde einer Stadt 


der 


Name lfe gegeben. 


lfe das Aufschwelleu, das Auf- 



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— 353 

bersten. — Sie ward dort gegründet, wo Yemajas Körper 
niederstürzte und zerbarst. Diese Stelle ward — vielleicht 
kennt man sie noch — bis zum Jahre 188*2 wo die Stadt 
durch die Ibadan zerstört ward, gezeigt. 

Erwähnenswert ist, dass nicht alle Götter Yemajas 
Leibe entsprosseu. 

Welchem Ideenkreise, welchen Motiven ist diese 
Schöpfungsgeschichte entsprossen ? 

Bedenken wir, dass die Uebertragung bestimmter 
Funktionen und Thätigkeitskreise an einzelne der indivi- 
duellen Mythenb ildungskraft des einen Bezirkes „Yoruba 44 
zuzuschreiben ist, dass somit weniger die Arten der Götter 
als der Verlauf, die Züge der Mythe in Betracht kommen, 
dass wir in eben diesem Bezirke Yoruba die grosse Be- 
deutung des Schango erkannt haben, — Schangos des Sonnen- 
gottes — , so ist es nicht scbwer drei wichtige Momente 
herauszufinden, die in anderen mythologischen Bezirken 
wieder aufgefunden und mit dem dortigen zu vergleichen 
sind, die einen Anhaltepunkt für die Antwort auf die 
Frage: „Woraus wächst die Schöpfungsgeschichte empor? 4 * 
geben können. Es sind diese drei Punkte: 1. das Auf- 
«inanderliegen Obatalas und Oduduas. 2. Die Verfolgung 
Aganju's. 3. Der Niedersturz der Yemaja. 

Für die Verfolgung der Yemaja durch Aganju biettt 
Yoruba selbst die Paralelle. Schango verfolgt in gleich 
rasender Weise die Oya. (Siehe Kap. 14). Die Sonne 
hatte auch dort eine direkte Beziehung zur Mythe vom 
Feuerdiebstahl, also zu der Mythe, derzufolge z. B. Maui 
von dem unterirdischen Gotte verfolgt wird. Dieses Moment 
führt also in den Kreis der Sonnenmythen. 

Einmal zu der Vermutung gekommen, dass auch hier 
dem Rhythmus der Sonnenmythen nachgespürt werden müsse, 
ist es nicht mehr schwer, die Beantwortung für die Frage 

Frohenius, Weltanschauung der Naturvölker. 23 



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— 354 — 



aufzufinden. — Im Anfange liegen auch die Menschen 
in Kammapas Bauch dicht gedrangt, so dicht, dass das 
Schwert des sich befreienden Hubeane — die Strahlen 
der aufgehenden Sonne — sich mühsam durch sie hindurch 
zwängen muss, wenn Hebuane nicht die Tausende ver- 
letzen will. 

Das ist der erste Punkt. Obatala und Odudua sind 
in der Kalebasse eng aufeinander gezwängt 2 ). — Der 
Himmel liegt in der Dunkelheit auf der Erde. — Da reisst 
Obatala der Odudua die Augen aus. — Die Sonne steigt 
empor. 

Also ist in der enggedrückten Lage Obatalas und 
Oduduas die Dunkelheit der Nacht dargestellt und es 
schliesst sich folgerichtig an sie der Sonnenaufgang an. 
Das gleiche Motiv bietet eine Akwapim Sage. Der zu- 
folge soll in alten Zeiten der Himmel der Erde viel naher 
gewesen sein, denn heute. Wenn jemand Fische wollte, 
so stupfte er mit einen Stecken den Nyankupong — der 
Verkörperung Nyame's des Himmel — und siehe, es kamen 
Fische heraus und sie fielen gleich den Regentropfen, nur 
grösser, auf die Erde. Nach einem solchen Fischregen 
hatte der Betreffende nichts weiter zu thun, als aufzulesen. 
Aber was geschieht? Ein Weib stiess einst Fufu in einen 
Mörser. Aber es ging sehr schlecht, denn die Höhe ge- 
nügte nicht. Sie sagte daher zu Nyankupong: „Erhebe 
Dich ein wenig, ich habe nicht Raum genug für einen 
Fufnstössel!" Nyankupong gehorchte und fragte: „Bis 
hierher?" „Nein", sagte sie, „noch weiter!" So that er 
dreimal; endlich hiess sie ihn Halt machen. — Auf diese 
Weise kam es, dass Nyankupong dem Erdboden so fern 
k;im, dass, wenn jemand ruft, er es kaum noch hört, und 
was die Fische betrifft, so sind sie jetzt sehr rar. Wäre 

') Klli*: „Yorubft* S. 42. Crowther: „Voeftbulary u S. 207. 



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■ 



355 — 

jenes Weib nicht gewesen, so würde man heute noch die 
Fische umsonst bekommen 3 ). 

In dieser Aufgangsmythe den Fufnstössel wieder zu- 
treffen, ist um so wichtiger, als aus dem vorigen Kapitel die 
Fufumörser als Baumaterial zum Sonnenpfade schon be- 
kannt sind. Auch die Mythe der Wamba, dass das ganze 
Firmament einst der Erde naher gewesen, bis die Sonne 
einem Baume zu nahe gekommen sei 4 ) — wird noch 
klarer. Hier sind die Strahlen der aufgehenden Sonne, 
die auf die Baumwipfel fallen (die höchsten Teile werden 
zuerst beleuchtet), gemeint. 

An Verständnis gewinnen auch die Götter der Madi, 
wenn wir der Parallele Obatala-Odudua gedenken. Diese 
glauben, der Himmel sei der Vater, die Erde die Mutter 
der Welt. Aber auch im weiten Süden erzählen die Man- 
jema, Buschmänner und Makalaka von einem männlichen 
Gotte des Himmels und einem weiblichen der Erde 5 ). 

Der Niedersturz der Yemaja muss auf ein Motiv des 
Unterganges zurückgeführt werden. Wir kennen es von 
den Herero, Kanga und Loaugo und Wanyoro. Auch die 
Mythe der Temne, dass vor dieser Welt schon eine andere 
gewesen sei 6 ) sagt derselbe. Jeden Tag entsteht im Grunde 
genommenen ein neues Weltbild. 

Die Ovaherero erzählen: Vor vielen, vielen Jahren 
Hessen die „Grossen im Himmel" (Eyuru) wegen der zu- 
nehmenden Gottlosigkeit der Menschen den Himmel auf 

s ) Barth: „Volkswagen 44 S. 465 ö\ Ratzel: „Volkerkunde 14 2. Aufl. 
Bd. II 8. 40. Sehneider 8. 34. 

4 ) Hildebrandt S. 387. Ratzel: „Völkerkunde 44 1. Aufl. Bd. I 
8. 173/4. 

") Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. I 8. 173. Livingstone: 
„Letzte Reise 44 Bd. II 8. 180. Bastian: „Loangoküste 44 Bd. II 8. 208. 
Mauch 8. 40. Campbell S. 169. 

•) Schlenker: „Tradition* 44 8. V. 

23* 



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356 



die Erde niederfallen und infolgedessen verloren fast alle 
Menschen das Leben; nur einige wenige blieben übrig. 
Diese wenigen, die am Leben geblieben waren, nahmen 
in ihrer Not, da der Himmel sehr schwer auf der Erde 
lastete, ein schwarzes 7 ) Schaf und opferten dieses 
den Grossen im Himmel. Da beschlossen diese, die letzten 
Menschen zu verschonen und zogen den Himmel wieder 
zurück und so halten sie ihn bis auf den heutigen Tag. 
Seit jener Zeit kann aber niemand mehr in den Himmel 
steigen. Denn die Grossen im Himmel haben Wächter 
ausgestellt, welche dort Wache halten müssen, wo Himmel 
und Erde zusammen stossen. Diese Wächter sind gewaltige 
einäugige Riesen 8 ). 

Also die grossen Riesen halten Wache, da wo Himmel 
und Erde zusammen stossen, wo also die Sonne auf und 
unter geht. Ihre Beziehung ward, da sie einäugig sind, 
schon früher erkannt. Sie hier in der Mythe vom Tage 
und der Nacht in dieser Gegend wieder zu treffen, ist be- 
sonders anziehend. 

Die Kanga und Loango haben ebenfalls eine Tradition 
von einem Einsturz des Himmels, der eine allgemeine 
Vertilgung des Menschengeschlechtes herbeigeführt hat. 
Nachdem sie aber alle erschlagen waren, erschuf die Gott- 
heit neue Menschen 9 ) 

In Unyoro, dessen Schöpfungsmythe wir uns nunmehr 
zuwenden wollen, treffen wir die Mythe vom Himmelein- 
aturz wieder. Auch hier ist sie auf die abendliche Stunde 
des Dunkelwerdens zurückzuführen. 



7 ) Schwarz ist die Farbe der Nacht. 

8 ) Hahn: „Herero tt S. SOö/6. 

•) Oldendorp S. 309. Bastian: „Loangoküste" Bd. II 8. 218 An- 
merkung 8. 



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— 357 — 



Die Schöpfungsmythe der Wanyoro. 

In uralter Zeit waren der Menschen viel auf Erden. 
Sie starben nie, sondern lebten ewig. Da sie aber über- 
mütig wurden, und keine Gaben darbrachten, ergrimmte 
Niavankja oder Kagra, der die Geschichte der Menschen 
lenkte. Er warf das ganze Himmelsgewölbe auf die Erde 
nieder und tötete sie alle. Um aber die Erde nicht ver- 
ödet zu lassen, sandte Niavankja einen Mann und eine 
Frau „von oben" hernieder. Beide waren geschwänzt. 
Sie zeugten einen Sohn und zwei Töchter, ?die mit ein- 
ander Umgang pflogen. Eine gebar ein ekelhaftes Tier, 
das Chamäleon, die andere einen Riesen, den Mond. 
Beide Kinder wuchsen auf. Bald aber entstanden Streitig- 
keiten, denn das Chamäleon war böse und heimtückisch 
und zuletzt nahm Niavankja den Mond hinauf, von wo er 
noch immer zur Erde herabschaut. Um aber an seine 
irdische Abkunft zu erinnern, wird er gross und leuchtend 
und nimmt dann ab. wie um zu sterben, stirbt aber nicht, 
sondern geht in zwei Tagen um den Horizont von Osten 
nach Westen und erscheint, müde von der Reise, klein am 
Westhimmel wieder. 

Die Sonne aber ergrimmte so heftig über ihren neuen 
Nebenbuhler und brannte diesen so stark, dass noch heute 
die Flecken auf seinem Gesicht sichtbar sind. Das Chamä- 
leon und seine Nachkommenschaft bevölkerten die Erde, 
die Schwärze ging verloren und die ursprünglich bleiche 
Hautfarbe ward unter der glänzenden Sonne bald zur 
dunklen 10 ). 

Die Mythe beginnt auch hier mit dem Himmeleinsturz, 
der als einmaliges Ereignis in die ferne Vergangenheit 

,0 ) Emin Pascha S.90,1. Ratzel: „ Völkerkunde 44 Y. Aufl. Bd. I 
S. 469/70. 



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- 358 - 



geruckt (siehe voriges Kapitel), aber auf das allabendliche 
Hereinbrechen der Dunkelheit zurückzuführen ist. 

Das Chamäleon ist in diesem Falle von der Sonne ge- 
trennt. Die Mythe weiss auch nicht zu erzählen, wo die Sonne 
herkommt. Das Chamäleon ist bösartig und die Sonne 
grimmig. So wie hier Mond und Chamäleon, so sind sonst 
Mond und Sonne Geschwister. — Mit einem Worte, die 
Mythe hat eine Wandlung erfahren, durch Trennung von 
Chamäleon und Sonne, die wie auch noch im nächsten 
Kapitel besprochen werden soll, nach primärer uigritischen 
Anschauung identisch sind. 

Damit darf auch diese Mythe auf ein Motiv der Sonnen- 
mythologie, auf den Gegensatz des Tageslichtes und des 
Nachtdunkels zurückgeführt werden. Die Schöpfungs- 
mythe ist also sekundär, sowohl in Yoruba als in Unjoro 
als in anderen Gegenden, deren Mythen zufolge im An- 
fange der Himmel auf der Erde ruhte oder der Himmel 
auf die Erde geworfen ward. „Sie ist sekundär" heisst, 
sie ist nicht entstanden auf eiue Frage nach dem Ent- 
stehen der Welt, sondern eine Antwort auf die Frage nach 
dem Entstehen des Tages und der Nacht ward in die weite 
Vergangenheit gerückt, als die Frage nach dem Werden 
des All s aufdämmerte. 

Die Erscheinung knüpft sich an viele andere gleich- 
artige an, so dass man sagen kann: eine primäre Schöpfungs- 
mythe giebt es nicht. 

"Wenden wir uns nunmehr nach Oeeanien und prüfen 
die Schöpfuugsmythe dieser Völker. 

Im Gegensatz zu Afrika bietet, wie wir nun schon 
öfters betonen konnten, Oeeanien mächtige, gewaltige, ein- 
gehende, umfassende Kosmogonien. Die kann ich hier 
nicht zergliedern, sondern ich beschränke mich darauf, 
einige Teile, die wichtigsten, zu besprechen. Beginnen wir 



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— 35«) — 



die Untersuchung mit Erinnerung an die zwei Haupt- 
momente der Yoruba-Mythe, die gepresste Lage Obatalas 
und Oduduas und den Niedersturz der Yemaja. 

Als die beiden Götter Obatala und Odudua zusammen- 
gepresst in der Kalebasse liegen, reisst Obatala der Ge- 
mahlin die Augen aus — die Sonne steigt empor, der 
Himmel hebt sich, es wird Tag. So lag im Anfange Tan- 
garoa im Ei. Er zersprengt die Schale, da wird es Tag 11 ). 
Das Ei ist also ideutisch mit der Kalebasse, der Vorgang des 
Tagesanbruches in Oceaniens und Afrikas Mythologie, 
also in dieser selben Form vorhanden. Weshalb gerade 
das Ei besonders geschickt für diese Mythe ist, ward im 
ersten Kapitel besprochen. 

Wir gelangten in Afrika von dieser Version zu der 
Mythe vom Aufheben des Himmels. Auf Neu -Seeland 
liegen Rangi und Papa, Himmel und Erde im Anfange 
eng aufeinander gepresst. Ihre Kinder sind in Finsterniss 
gehüllt. Da beraten sie, wie zu helfen sei. Tamatauenga, 
nach anderen Maui, schlügt vor, sie zu erschlagen. Taue- 
matua aber, der Gott der Wälder spricht dafür, sie nur 
zu trennen. Dieser Antrag geht durch und Tane stützt 
Kopf und Füsse gegen die Mutter, hebt mit dem Rücken 
den Vater und also werden Himmel und Erde getrennt. 

Dass Tane-matua, der Gott der Bäume, der Trennende 
ist, ist deshalb besonders interessant, weil die Höhe der 
Baume und Busche in den Mythen der anderen Inseln 
eine besondere Rolle spielen und weil auch die Wakamba- 
mythe erzählt: als die Sonne einem Baume zu nahe ge- 
kommen war, hob sich der Himmel empor. 

So heisst es auf Rarotonga, der Himmel habe der 
Erde so nahe gelegen, dass die Menschen nur kriechen 
konnten. Ein Mann stemmte ihn darauf ruckweise empor, 

11 ) Ellis: „Pol. res." Bd. II S. 43. Tyrmann und Bennet Bd. 11 
S. 31. Lesaon Bd. II 8. 131, 2. 



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— 360 — 



erst bis zur Höhe der Tevepflanze (4 Fuss), dann bis zu 
der des Kauarikibaumes (einer Sykomore), dann bis zu 
den Berggipfeln und dann bis zur Höhe, die der Himmel 
heute hat 12 ). Ellis fand die gleiche Mythe auf Tahiti. 
Der Mann war dort der Gott Rua 13 ). Audi auf Samoa 
heben die Pflanzen den Himmel 14 ). 

Auf letzterer Insel entdeckte Turner eine Lesart der 
Mythe, die eine frappirende Aehnlkhkeit mit den Akwapim- 
version hat. — Im Anfange lag der Himmel dicht auf der 
Erde. Da kam zu einer Frau ein Mann; der bat um einen 
Trunk Wasser. Er wollte, sagte er, auch den Himmel höher 
heben. „Hebe ihn zuerst in die Hohe w , sagte sie. Er hob 
ihn. r Ist es genug?" frug er dann. „Nein, noch ein 
wenig höher! u Da hob ihn der Mann noch höher 15 ). 

Auch die Motu berichten, im Anfange habe der 
Himmel auf der Erde gelegen. Aber ein Mann, der zornig 
war über den Zank seiner zwei Weiber, durchschnitt das 
Kohr, das Himmel und Erde zusammenhielt, so dass 
ersterer emporstieg, letzterer herabsank. Auf den Gilbert- 
inseln hat der Gott Rigi den Himmel emporgehoben, um 
den Menschen und Tieren Existenzmöglichkeit zu ver- 
schaffen 16 ). 

Auf diese Weise ist der Himmel respective die Sonne 
der männliche, die Erde der weibliche Teil der Schöpfung. 
Nicht nur Rangi und Papa sind so gedacht, sondern so 
denken sich auch die Bewohner der östlichen kleinen 
Inseln Indonesiens Himmel und Erde als Vater (Mann) 
und Mutter (Weib) des Weltalls 17 ). 

,2 ) Williams: „Narrative" 8. 542. Sehirren S. 42. Bastian: 
„Oceanien" S. 1. 

1S ) Ellis: „Pol. Res.- Bd. II 8.43. 
u ) Turner S. 245. 
»*) Turner 8. 246. 

") Chalmers 8. 174. Parkinson: „Gilbert* S. 101 — 104. 
") Riedel 8. 195, 337, 372, 410. 



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— 3(U — 



In der Mythe von Orungan und Yemaja stürzt letztere 
da nieder und bringt die Götter hervor, wo der Sonnen- 
untergang in der Schango-Mythe festgestellt werden kann. 
Etwas gleiches treffen wir in der Mythe der Carolinen, 
die aussagt, die Tochter des Urgottes habe sich inmitten 
der Luft schwanger gefunden, sei zur Erde hergestiegen 
und niedergekommen, worauf sogleich die kahle Oberfläche 
der Erde mit Gras, Blumen und Obstbäumen bedeckt mit 
Menschen bevölkert worden sei 1 *). 

Verlegen wir nun die Flucht der Yemaja in die Unter- 
welt, — was erlaubt scheint, da die Mythe der Verfolgung 
auf das Feuerdiebstahlmotiv zurückgeführt werden kann, 
— so verstehen wir diesen Zug sofort. Wir bemerken 
nämlich, dass die Sonne ebenfalls dem Körper der Yemaja 
entspringt. Die zweite Gottheit ist Schango, die vierzehnte 
Orun. Die erste Gottheit ist ausserdem Dada, die der 
Pflanzen, deren Bedeutung für den Sonnenaufgang wir nun 
genugsam kennen. 

Danach würde für den Sonnenaufgang und somit die 
Schöpfung ein neues Bild entstehen. Bis dahin ist die 
Erde still stehend und der Himmul sich erhebend gedacht. 
Nunmehr bleibt der Himmel in seiner Lage und die Erde 
sinkt hinab. Diese Umformung schreibe ich dem Einfluss 
der Himmeleinsturzmythe zu. Es ist also eine umgekehrte 
Untergangsmythe, die als Schöpfungsmythe in den Anfang 
verlegt ist. 

In Oceanien lässt sich das sehr gut verfolgen. Auf 
Samoa existiert die Einsturzmythe: They say, that of old 
the heavens fall down 19 ). 

Die Tahitier haben eine Tradition, nach der einst die 
grossen Götter in ihrem Zorn die ganze Welt in Stücke 

,8 ) Hoekin 8. XXIII. 
>*) Turner 8. 245. 



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362 



gebrochen haben sollen, dass alle die Inseln um sie herum 
nur Stücke von dem sind, was einst ein grosses Land war. 

Auf Tonga wirft Hikuleo die hohen Inseln vom Himmel 
herab, auf anderen Archipelen Tangaroa 20 ). 

In der Mythe der Tonganer und Samoaner wirft 
Tangaroa dem schaffenden Vogel oder Boten, Kijikiji oder 
Tuli die Erde oder einen Stein hinab, auf dem diese aus- 
ruhen und schaffen mag 21 ). 

Aehnlich liisst der Himmelsgott der Battak eine Hand 
voll Erde herabgleiten, aus der der Erdball von den am 
Stricke oder Faden herabgekommenen Sohne oder Mädchen 
geformt wird 22 ). 

Nach der Ansicht der Toagalen auf den Phillipinen 
ward der Vogel des Urbeginnes, da nichts als Himmel 
und AVasser existierte, des Fliegens müde. Er setzte die 
beiden Elemente in Streit und darauf schleuderte der 
wütende Himmel Felsen herab, die jetzt als Inseln auf 
dem Ocean liegen und auf denen der Vogel sich aus- 
ruhen konnte 23 ). 

Es erübrigt, die analogen Erscheinungen in australischen 
und liordwestamerikanischen Mythen zu erwähnen. — Einst 
ruhte — nach australischen Mythe der Himmel auf der 
Erde. Da kam eiu Mann mit einem Stabe und schob ihn 
in die Höhe, so dass die Sonne ihren freien Lauf hatte. 
Also auch hier ist der Lauf der aufgehenden Sonne aus- 
gesprochener Weise bedeutungsvoll. Auch die Himmel- 
einsturz-Mythe kennen wir aus Australien, wenn auch in 
etwas abweichender Form. Einst war Pund-jel mit den 



10 ) Wilson: „Missionsreise" 8.365. Schirren S. 36. Waitz, Bastian, 
KUis etc. 

S1 ) z. B. Bastian : „Samoanische' 1 S. 10. 
21 ) Pleyte S. 290. Brenner S. 217, H. 
") Maroden S. 303. 



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— 363 



Yarra sehr unzufrieden. Da warf er einen Stern vom 
Himmel und tötete viele 24 ). 

Eine nordwestamerikanische Mythe fangt mit den 
Worten an: Damals war der Himmel noch nahe der Erde. 
Darauf folgt die Herstellung der Pfeilbrücke. Einst war 
also diese Mythe ebenfalls auf einem Motiv der Sonnen- 
mythe aufgebaut. Eine Niedersturz-Mythe ist insofern vor- 
handen, als die Kootenay erzählen, vor diesen Menschen 
hätte schon ein Menschengeschlecht existiert, welches aber 
getanzt habe, bis alle tot zu Boden stürzten 25 ). 



Eine weitere Gruppe wichtiger Mythen, die auf dem 
Motive der Himmel- und Erdtrenuung aufgebaut sind, 
findet sich in den östlichen Provinzen in enger Beziehung 
zum Tintenfisch, Kraken oder Oktopus. 

Einst lag nach der Tradition von Rajatea der Himmel 
auf der Erde und dem Ocean, festgehalten durch die 
Beine eines ungeheuren Tintenfisches. Aber Maui stieg in 
die Tiefe und kämpfte mit ihm. Er zerhieb ihn und darauf 
fuhr der Himmel in die Höhe 26 ). Maui der Sonnenheld 
tötete den Kraken. Das deutet wiederum unverkennbar 
auf das tägliche Lichtwerden hin. 

Auf Samoa kämpft der aus der Urzeit hereinragende 
Kraken mit dem Eeuer und erliegt 27 ). Auf Neu-Seeland 
treffen wir den Oktopus wenigstens in den dem Rhylmus 
der Sonnenmythologie zufolge umgebildeten Wandermythen, 
in dem er den dritten Kahn in die Tiefe zu ziehen sucht 28 ). 

") Howitt S. 205. örough Smyth Bd. I S. 456. 
") Boa«: „Vcrli." 1892 S. 333, 1891 S. 172. 

") Tyrmann und Bennet Bd. I S. 520. Siehe auch Sehirren 
S. 42, 81, 113. Bastian: „Oceanien u S. 20 1. 

27 ) Bastian: „Samoanisehe u S. 13, auch S. 39 ff. 

") Sehirren S. 113. 



Auch auf Hawaii' 29 ) gehört der Oktopus zu den uralten 
(lottern. 

Von den Gilbert-Inseln 30 ) endlich ist eine wichtige 
Umgestaltung der Mythe bekannt. Im Anfang lag der 
Himmel dicht auf der Erde als Kugelschale. Da half ein 
Heros den Göttern ihn in die Höhe schieben. Seine 
Schwester unterstützte ihn dabei als Tintenfisch. — Viel- 
leicht um auf diese Parallele wenigstens hingewiesen zu 
haben, ist auch der Taschenkrebs, der nach niassischer 
und battakscher Anschauung im Innern der Erde ruht, ein 
Verwandter des Octopus. Er verursacht Ebbe und Flut. 
Wenn er mit der grossen Schlange in Conflict gerät, er- 
zittert die Erde 31 ). 

Da nun auch in der nordwestamerikanisehen Mythologie 
der Tintenfisch auftritt, fragt es sich, ob seine Bedeutung in 
dieser Mythologie die gleiche ist, wie in den oceanischeu. 

Das Zusammenhalten vertritt der Octopus iu der Mythe 
der Tlatlasikoala. Dort muss er mit seinem langen 
Armen die Dachbalken am Hause des Raben zusammen 
halten. Von diesem Stamme hören wir auch von einem 
Kampfe des Raben mit dem Kraken, aus Britisch Kolumbien 
dagegen von einem Zweikampfe des Sonnenhelden der 
Catlotlq mit dem Tintenfische, dem dabei die Fangarme 
abgeschlagen werden. Endlich erzählen die Tlinkit: Jeleh 
habe für seinem Olim den Octopus gefangen, der habe im 
Hause angefangen, mächtig zu schwellen, wodurch die 
Flut herbeigeführt worden sei. Jelch zog aber seine Vogel- 
kleider an und flog gen Himmel empor 32 ). 

") Bastian: „Allerlei* Bd. I 8. 114. „Ozeanien" 8. 87, 2*20, 226 7. 
„Hawai" 8. 27. 

>0 ) Ratzel: „Völkerkunde- 2. Aufl. Bd. I 8.288. Bastian: „Oze- 
anien* S. 21, 98. 

J1 ) Rosenberg 8. 175. Brenner 8. 224. 

") Boa«: „Verh." 1893 8. 252, 247, 1892 8. 83. Krause: „Tlinkit* 
8. 257. 



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> 



— 3G5 — 

Der Sonnenheld und der Rabe repräsentieren dem- 
nach hier in gleicher Weise die Sonne. Der Rabe fliegt 
gen Himmel, — die Sonne geht auf. Denn die vorher- 
gehenden Sonnen spielen in der Unterwelt. Auch werden 
dem Kraken die Tentakeln abgeschlagen. Daraus ist zu 
ersehen, dass also auch hier der Kraken das während der 
nächtlichen Dunkelheit Himmel und Erde zusammenhaltende 
Element ist. 

Klarer wird dies noch aus der Mythe der Catlotlq 
der zufolge der Sonnenheld in der Unterwelt tagsüber 
(siehe Seite 151 u. 152) mit dem Tintenfische bedeckt ist 33 ). 
Seier führt das auf den Strahlenglanz der Sonne zurück. 
Er hat übersehen, dass diese Scenen in der Unterwelt 
sich abspielen. Danach strahlt des Nachts — die Nacht 
in der Oberwelt gleich dem Tage in der Unterwelt — 
beim Sonnenbesitzer die Sonne, des Tags ist sie in der 
Oberwelt. Also heisst das auch, dass der Oktopus im 
Dunkel oberirdischer Nacht, die Strahlen der Sonne be- 
deckt. Das Motiv in dem der Kraken in Nordwestamerika 
seine Rolle spielt ist das gleiche wie das oceanische. 

Ich will nun noch eine Mythe von den Inseln der 
Torresstrasse erwähnen, die Mythe von Malu 34 ). Der 
Wanderheld Malu verwandelt sich iu einen Oktopus und 
fällt eine fischende Frau an. Diese tötet ihn aber und 
nimmt ihn mit nach Hause. Dort wird er in einem Korbe 
aufgehängt. Nachts beginnen seine Augen aber zu leuchten, 
er lässt sich auf die Erde fallen und beginnt auf der 
Insel umher zu wandern. 

Hier erscheint mir der Oktopus gewisse Symptome der 
unterirdischen Sonne angenommen zu haben, wozu er ja 
auch schon in der Mythe der Catlotlq neigt. 



3S ) Boas: „Verh. u 1892 S. 3H/9. 

") Haddon: „Seeular" 8. 14H. „Legend»" 8. 181 ff. 



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36(5 — 



Ich will kurz noch der Vollständigkeit halber den 
afrikanischen „Erdkultus" erwähnt haben, wenn man von 
einem solchen sprechen darf. Die Betrachtung der Mond- 
mythen schliesst dann im folgenden Kapitel den Cyclus 
ab. Denn von einer Verehrung des Himmels kann wenig 
in Afrika gesprochen werden. Höchstens ist aus Wetter- 
zaubereien ein schwacher Anklang zu vernehmen 35 ). Der 
Name der „gleichgültigen Gottheiten" ist oftmals mit dem 
Worte für Himmel identisch (z. B. Olorun). 

Die Verehrung der Indonesier für die Mutter Erde ist 
genugsam besprochen 36 ). In solcher Weise ist in Afrika 
dieselbe nicht ausgebildet. 

Ausser Odudua ist die Loangogottin Mokisso Insie, 
die Mutter aller Gottheiten, die in einer Erdpyramide ver- 
sinnbildlicht ist, bemerkenswert 37 ). Diese Erdpyramide 
erinnert an früher erwähnte Beziehungen zur Sonnen- 
mythologie. In gleicher Weise gemahnt an diese Verwandt- 
schaft die schon betonte Zuhülfeziehung der Diener Akotias 
und des Feuerpriesters Chitome 38 ) beim Weilen des Bodens 
und der Erstlinge. 

Im allgemeinen darf man wohl sagen, dass den Afri- 
kanern die Erde Mutter des Alls und auch der Sonne ist, 
dass die Weihuug der Erstlinge aber mehr der Sonne als 
der Erde gilt. So scheint dies in dem oftbeschriebenen 
Yamsfeste am Niger, dem Waje der Fall zu sein 39 ). 
Andererseits sind diese Erstlingsfeste, die wir mehr oder 



") i. B. Coquilhat S. 291. 

as ) Vergl. Riedel, Pleyte, Ratzel, Brenner etc. 
37 ) Bastian; „Loangoküste* Bd. I S. 85 ff., Bd. II S. 1)0/1, 220, 229, 
241. Schneider 8. 200. 

") Vergl. Kap. lt> und 17. 

,9 ) Horton S. 1801. Crowther and Taylor 8. 287. Burdo S. 115. 



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weniger ausgeprägt im ganzen Westafrika treffen, auch mit 
den Wetterkultus in Beziehung zu bringen. 

Die Mitteilung, dass die Bari ihre Stühlchen stets bei 
sich tragen, um nicht durch etwaige Berührung des Bodens 
die Erde zu beleidigen 40 ), steht vereinzelt da. 

*°) Bastian: „Allerlei" Bd. II 8. CVIII. — Ueber Bauopfer und 
Verwandte«; Hoflfmann 8. 133. Römer 8. 154. 



XXI. Kapitel. 

Die Todes- und Mondmvthen in westlichen und östlichen 

Provinzen. 



Der afrikanische Mondkultus. — Die Mondmythologie. Mond-, 
Sonne-, Himmelsverehrung. — Das Wiederaufleben des Menschen und 
des Monde». — Mau. — Todesbewusstsein. — Die Todesmythe des 
Zulu. — Die Todesmythe der Hottentotten. — Hase. — Eidechse. — 
Chamäleon. — Das Erwachen des Todesverstandnisses. — Rhythmus 
der Sonnenmythen. — Die polynesische Todesmythe. Die Todes- 
mythe in Indonesien, Mikronesien, Melanesien. — Die Wemut der 
Todeserkenntnis. — Formwechsel-Motiv und Hautwechsel-Motiv. — 
Das Gleiche in Afrika. - Die Selbstverständlichkeit des Todes. — 
Der abnehmende und zunehmende Mond bei den Afrikanern. — Neu- 
mondfeste. — Vorstelluug vom Mondwechsel. — Das Schicksal der 
Gestirne und des Menschen. — Orun und Oschu. — Der Mond als 
Frau. — Mondmythe in Neu-Guinea. Mondmythen Oeeanien». — 
Mondmvthen Nordwestamerikas und Australiens. 

Fast schoo zu spät erinnere ich aber nun endlich 
daran, dass der grösste Teil der Afrikaner auf dem Stand- 
punkte der Mondverehrung steht. Was wir an Sonnen- 
mythen fanden, waren Trümmer und verdrängte, versteckte 
Götter. Der Mond ist überall mit einem bestimmten, wenn 
auch wenig grossen oder bedeutendem Anschauungsschatze 
umgeben. Märchen und Fabeln knüpfen sich an seine 
Wandlungen, seine Formen, seine Wege. Und das kann 
nicht Wunder nehmen. Ein alter Schriftsteller sagt: Ganz 
Afrika tanzt bei Nacht. Dazu tritt, dass die Form- 



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I 



— 369 — 

Veränderungen des Mondes eher das Aufsehen nach Aus- 
nahmen ausschauender Wildlinge erregen muss. Mit einem 
gewissen Rechte nennt Schultze den Mondkultus die erste 
und niedrigste Stufe der Verehrung der Himmelskörper. 

Das wichtigste Motiv der Mondmythen ist das Todes- 
motiv. Da wollen wir einmal zurückschauen auf den 
Untergang und die — die Bedeutung des Gesetzes vou der 
Umkehrung wird nun bekannt sein. — Entstehungsmythen. 
Der Tod des Menschen trat in Beziehung zum Untergange 
der Sonne, der die Seele des Toten folgt. Und in gleicher 
Weise ist die Entstehung der Erde und des Menschen 
auf die Motive der Sonnenmythen zurückzuführen. Die 
Schöpfungsmythe schildert den als einmalig in die Ver- 
gangenheit geschobenen, täglich zu beobachtenden Vorgang 
des Tagwerdens. Die Entstehung des Menschen und eine 
zweite Entstehungsmythe fusst auf den Umkehrungen der 
Sagen von der Fahrt in das Jenseits — Rohrursprung — 
von Untergang der Sonne im Fels. — Höhlenursprung — 
von der Vogelmythe — Eiursprung — etc. 

Ueberall Motive der Sonnenmythen! Wenn es nun 
wahr ist, was Schultze bewiesen zu haben glaubt und was 
durchaus nicht zu verwerfen ist, wenn es auch zu schroff 
in der Trennung der einzelnen Entwickelungsphasen durch- 
geführt ist, dass eine Reihenfolge der Verehrung der 
Himmelskörper bei den Völkern sich erkennen lasse, 
dass Mondverehrung, Sonnenverehrung und Himmelsver- 
ehrung auf einander folgen, — wenn das wahr ist, so muss 
sich die Frage aufdrängen, ob denn die Aera der Mond- 
verehrung keine Spuren hinterlassen habe? Hat diese keine 
Mythen erzeugt? Bilden die Menschen der Aera der Mond- 
verehrung noch keine Entstehungs- oder wenigstens Unter- 
gangsmythen? Oder haben die Priester und Völker, die 
die Sonnenmythen tragen, alle Spuren und Reste der 
Mondmythologie ausgerottet? Wie endlich ist in der 

Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 

24 



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- 870 — 

Zeit der Mondverehrung das Verhältnis höherer und nie- 
derer Mythologie? 

Diese Fragen, deren Beantwortung geradezu ausschlag- 
gebend für die Lösung unseres Problems ist, müssen wir 
bei der Prüfung der beiden Mythen, die die hauptsäch- 
lichsten und auch beinahe einzigen uns bekannten sind, 
der Mythe von der Entstehung des Todes und von der 
Liebe zur Sonne in den Vordergrund stellen. Die Mytho- 
logie desjenigen afrikanischen Volkes, das einen reichen 
Schatz von Mondmythen besitzt, der Buschmänner muss 
erst klar gelegt werden, um in Untersuchungen unserer 
Art hineingezogen werden zu können. 

Merolla beobachtete bereits in Kongo, dass die Idee 
des Fortlebens mit den Wandlungen des Mondes verknüpft 
wurde. Wenn Neumond eintrat, fielen die Leute auf die 
Kniee und sangen: „Möchte mein Leben so erneuert werden, 
wie Du erneuert wirst. u Bastian erwähnt den Gesang: 
„Eantua fua = der Mensch stirbt und Eantua jinga = der 
Mensch lebt wieder 1 ). u Der Namaqua sagt: „Er stirbt 
und wird wieder lebendig und so auch wir 2 )." 

Diese Angaben enthalten das Motiv der primären 
Mondmythe. Wir können hier schon die Bemerkung ein- 
schieben, dass, während den Völkern der Sonnenmythologie 
ein, wenn auch beschränktes Verständnis für den Tod eigen 
ist, dieses den Menschen der Mondmythologie noch fehlt. 
Bei ihnen herrscht noch viel mehr die Vergleichung mit 
dem Schlafe. Der Mensch lebt wieder auf wie der Mond; 
so denken sie. Einen gewissen Uebergang bietet die Mytho- 
logie Loangos. 

Die Neger Loangos bringen den Ursprung der Endoxe 
in der Schöpfungsmythe mit dem ersten Sterben in Ver- 

') Merolla in „Allg. Hißt. d. B. tt Bd. IV 8. 662. Bastian: „Loango- 
küste" Bd. II 8. 228. 

r ) „Das kleine Xamaqua-Land" S. 381. 



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— 371 - 

bindung. Dieses aber trat erst nach einem G otterstreite 
ein, während anfangs das Leben beständig währte und 
sich mit dem Neumond stets erneuerte 3 ). 

In Dahome ist der entsprechende Zug in Maus Thätig- 
keit wiederzufinden. Von Ellis wird dieser Mau eigentüm- 
licher Weise nicht erwähnt in der Eigenschaft. Er erwähnt 
nur Mawu. Mau ist nach Skerehleys eingehender Dar- 
stellung einmal das höchste Wesen, das über dem Himmel 
wohnt und sich nur bei besonderen Anrufungen um die 
Menschen kümmert. Mau ist, wie der Autor meint, in 
jeder Hinsicht eine antropopathische Gottheit. Er verfügt 
über die Zukunft der Menschen, indem die guten und 
schlechten Handlungen derselben an je einem Ende eines 
Stockes notiert werden. Wenn beim Tode eines Menschen 
nur die gute Seite nach unten balanciert, so kommt er 
in das Kutomen, das Totenland. Mau ist ausser- 
dem die Gottheit des Mondes. — Eigentümlicherweise 
erwähnt Ellis ein Orakelinstrument, der Bewohner Porto 
Novos, das Obatala lenkt, welches mit der Totenwage 
Maus Aehnlichkeit hat 4 ). Aus letzterer Form, die auch 
die gleiche Beziehung des Todes zum Monde andeutet, 
geht schon hervor, dass das Todesbewustsein rege ist. Und 
das lässt sich auch aus den folgenden Mythen schliesseu, 
die ich deshalb anderweitig sekundäre Todesmytheu ge- 
nannt habe, weil sie beweisen, dass die Träger derselbe» 
das Stadium schon verlassen haben, in der die Menschen 
noch nichts von der Selbstverständlichkeit des Todes 
wissen 5 ). Die Form dieser Mythen scheint über das 



») Bastian: „Loangoküste" Bd. II 8.161. 

*) Skerchley S. 461, 473. Ellis: „Yoruba" 8. 401. Die Bewohner 
Porto Novos sind Ewe. Obatalla ist aber ein Yoruba-Gott, worauf 
zu achten ist. 

5 ) „K. Schiffsschnabel" 8. 11, 54. 

24* 



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- 37*2 — 



ganze südliche und westliche Afrika ausgebreitet zu 
sein 8 ). 

1. Unkulunkulu sandte einst nach der Zulumythe 
ein Chamäleon aus. Er sagte zu ihm: „Gehe, Chamäleon, 
gehe und sage: Lass die Menschen nicht sterben." Das 
Chamäleon ging aus; es ging langsam, es legte den Weg 
langsam zurück, und als es ging, ass es von der Frucht 
eines Baumes, welcher Ubukwebozane heisst. — Später 
sandte Unkulunkulu eine Eidechse hinter dem Chamäleon 
her, als dieses schon eine Weile fort war. Die Eidechse 
ging; sie lief und beeilte sich sehr, denn Unkulunkulu 
hatte gesagt: „Eidechse, wenn Du angekommen bist, sage: 
Lass die Menschen sterben.** So ging die Eidechse und 
sagte: „Ich verkündige Euch, man hat gesagt: Lass die 
Menschen sterben." Die Eidechse kam zu Unkulunkulu 
zurück, bevor das Chamäleon seine Bestimmung erreicht 
hatte, das Chamäleon, welches zuerst ausgesandt war und 
verkündigen sollte: Lass die Menschen nicht sterben. Später 
kam es an, rief aus und sagte: „Lass die Menschen nicht 
sterben." Aber die Menschen antworteten: „0, wir haben 
das Wort der Eidechse gehört, sie hat uns das Wort ver- 
kündet, man hat gesagt: Lass die Menschen sterben. Wir 
können Dein Wort nicht hören. Nach dem Worte der 
Eidechse werden die Menschen sterben 7 )." 

'2. Der Mond, so erzählen die Hottentotten, sandte 
einst ein Insekt zum Menschen, welchem er sagte: „Gehe 
zu den Menschen und verkündige ihnen: So wie ich sterbe 

*) Chrisfaller schreibt: „Ich »ah mich einmal veranlasst, eine 
afrikanische Sage vom Ursprünge des Todes vergleichend zu be- 
handeln. Sie findet sich bei mehreren Kaffern Völkern, aber auch bei 
den Tschi-Kegern der Goldktiste und bei den HaussaOfegern." S. 35. 
Ich habe die erwähnte Arbeit nicht auffinden können. 

7 ) Haarhotf S. 44/45 nach Callaway. Merensky: „Beiträge" S. 124. 
Ca<alis 8. 135. Schneider S. 65. 



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— 373 — 



und sterbend lebe, so sollt Ihr auch sterben und sterbend 
leben. " Das Insekt ging fort mit der Botschaft, wurde 
aber unterwegs vom Hasen überholt, welcher fragte: „Mit 
welcher Botschaft eilst Du von dannen?" Das Insekt ant- 
wortete: „Ich bin vom Monde zu den Menschen geschickt, 
um ihnen zu sagen, dass, so wie er stirbt und sterbend 
lebt, sie auch sterben werden und sterbend leben." Der 
Hase sagte: „Weil Du ein schlechter Läufer bist, lass 
mich gehen." Mit diesen Worten rannte er von dünnen. 
Als er die Menschen erreicht hatte, sagte er: „Ich bin vom 
Monde geschickt, Euch zu sagen: Wie ich sterbe und sterbend 
zu Grunde gehe, in gleicher Weise sollt auch Ihr sterben 
und völlig zu Grunde gehen." Dann kehrte der Hase zum 
Monde zurück und verkündete dort, was er zu den Menschen 
gesagt hatte. Der Mond tadelte ihn ärgerlich und sagte: 
„Solltest Du den Menschen etwas überbringen, was ich 
nicht gesagt habe?" Mit diesen Worten hob er ein Stück 
Holz auf und schlug ihn auf die Nase. Seitdem ist des 
Hasen Nase gespalten, und die dunklen Flecke, welche 
wir jetzt auf der Mondoberfläche sehen, sind die Wunden, 
welche der Mond bei dieser Gelegenheit vom Hasen empfing 8 ). 

Der Vergleich der beiden Mythen ergiebt ein sehr 
interessantes Resultat. Die erstere sagt aus, dass alle 
Menschen sterben müssen, die zweite, dass, wenn der Mensch 
stirbt, er nicht wiederkehrt, wogegen der Mond ja auch 
stirbt, aber wiederkehrt. Die zweite ist demnach die ältere 
Form, aber merkwürdigerweise auch eine arg umgebildete. 

Wenn wir nämlich das erste der drei handelnden Tiere, 
Hase, Eidechse und Chamäleou, auf seine Bedeutung in der 
Mythologie prüfen wollen, so finden wir Auskunft in einer 
sehr anziehenden kleinen Abhandlung von Büttner, die 

•) Bleck Nr. 31 und 33. Haarhoff 8. 49. Anderten Bd. II S. 64 5. 
Ratzel: „Völkerkunde" 1. Auflage Bd. I S. 30. 



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374 



besagt, dass die Mythe und G estalt des Hasens auf ein 
Miss Verständnis in der eigenen Sprache oder eiueu lin- 
guistischen Umbildungsprozess zurückzuführen ist 9 ). 

Das zweite Tier, die Eidechse, ist eine Figur der 
Ahnenmythologie. Im Teile l haben wir noch darüber 
gesprochen. In diesem Falle hängt sein Auftreten viel- 
leicht mit Ideen der Malajien, der Bogabos und Madegassen 
zusammen, die bei Sonnen- und Mondfinsternis meinen, 
ein Krokodil oder ein Drache nahe dem betreffenden Gestirne, 
es zu verschlingen 10 ). 

Das dritte Tier ist das wichtigste. Im westlichen Afrika 
und in Unyoro ist das Chamäleon in ausgesprochener Weise 
ein Tier des Kreises der Sonnenmythen. Es krönt den 
theekannenförmigen Topf des Sonnengottes Lissa, als 
dessen Bote es fungiert. Es ist fernerhin als Sonne, wie 
wir sahen, Stammvater der Menschen. Bei den Kaftern 
ist die Stammmutter der Menschen von einem Chamäleon 
befruchtet 1 1 ). Im Falle unserer Mythe ist nun das Chamäleon 
der Bote des Mondes. 

Mit diesen Vorkenntnissen ausgerüstet, kann ich nun 
die Fragen, die oben gestellt wurden, anders formulieren. 
Sie lauten, auf das Chamäleon übertragen: Stammt das 
Chamäleon aus der älteren Mondmythologie oder aus der 
jüngeren Somienmythologie? Aus welcher ist es in die 
andre übertragen? 

Ich glaube die Frage so beantworten zu können, dass, 
da die Wiedererstehungsidee. die nur den Mondmythen eigen 

•) Büttner in „Ausland" 1882 8. 494. 

,0 ) Schadenberg i. d. „Ztschrft. für Ethnologie" 1885 Bd. XVII 
8. 32. Buschmann 8. 41/2. 

11 ) „Globus 14 1894 Bd. 66 8. 283. Burton: „Yoruba" Bd. II 8. 147. 
Kllis: „Ewe" S. 65. Skerchley 8.472. Ratzel: „Völkerkunde" 1. Aufl. 
Bd. I S. 469 70. Kmin 8. 91. Bastian i. d. „Ztschrft. tür Ethnologie" 
Bd. I 8. 47. 



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— 375 



zu sein scheint — und das steht ziemlich fest — das 
Motiv: „ich (der Mond) lebe und lebe sterbend", alt ist. 
Die Todesidee d. h. die aufkeimende Ahnung, dass der 
Mensch sterben muss, ist erst mit der Sonnenmythologie 
gekommen. 

Dazu tritt ein für mich entscheidender Fall. Nämlich 
die beiden Formen der Mythe, sowohl die der Hottentotten 
als die des Zulu und Basuto, zeigen den Rhythmus der 
Sonnenbahnmythen. Langsam steigt das Chamäleon, das 
nicht das Sterben bringt, am Himmel entlang. Der Hase, 
der die Todeskunde trägt, eilt schnell herab, die Sonue 
geht unter und mit ihr die Seelen der Toten. Der Unter- 
gang ist durch den Kampf des Hasen mit dem Monde und 
durch den Hass, den die Menschen der Eidechse zuwenden, 
versinnbildlicht. 

Was mich in der Annahme dieser Lösung der Mythe 
als einer richtigen bestärkt, ist die Analogie in Oceanien, 
dessen Mythen ich mich zuwende, ehe ich die afrikanischen 
Mondmythen weiter verfolge. 

Nach polynesischem Glauben kam mit Maui der Tod 
in die Welt, als er von der Hine-nui-te-po verschlungen 
ward. Wenn es Maui gelungen wäre, durch den Rachen 
seiner Ahnen ohne Schaden zu schlüpfen, „ würden die 
Menschen heute nicht zu sterben brauchen" l2 ). Die Ab- 
stammung der Mythe aus dem Kreise der Sonnensagen 
bedarf keiner Beweise mehr. Für mich ist aber besonders 
wichtig, dass Hine-uni-te-po die Mondgöttin entweder 
jetzt noch ist oder gewesen sein muss. denn Hine ist 
der Mond. Der Mond ist der Verschlinger aber nicht 
nur in Neu-Seeland. Auf der Babar-Gruppe werden die 
Menschen, die eines gewöhnlichen Todes sterben, die 



,s ) Thomson: „New Zealand" Bd. I S. 110. S. auch Schirren 
S. 34 nach Shortland. 



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37tf 



Speise des Rarawaliai, eines Geistes, der im 
Mond wohnt und die Ursache des Todes ist 13 ). 

Aber auch die primäre Mondmythe hat unter den 
Oceanieru ihre alte Gestalt noch nicht überall verloren. 
Die Bewohner der Karolinen erzählen, in den ersten Zeiten 
habe man den Tod noch nicht gekannt; er war nur ein 
kurzer Schlaf. Die Menschen verliessen das Leben an 
dein letzten Tage des abnehmenden Mondes und wenn er 
wieder anfing, auf dem Horizonte zu erscheinen, so standen 
sie wieder auf. Das Vitana oder Schicksal der Hova hing 
von der Lichtgestalt und der Haltung ab, die der Mond 
bei der Geburt eines jeden hatte. Die Tahitier erzählten, 
dass die Geister, wenn der Mond abnehme, ihren Katua 
speissten, dass aber die Wiederherstellung des Ratua 
fortschritte. wenn der Mond zunahm. — Letzterer ist eine 
interessante Umkehrimg insofern, als sonst die Götter die 
Seelen speisen **). 

Auf die Verwandtschaft der Sterblichkeitssagen in 
Südafrika und auf Fidschi haben schon Peschel und Ratzel 
hingewiesen. Die Fidschianen lassen zwei Götter, Mond und 
Ratte, sich streiten, ob die Menschen wie der Mond sterben 
und wiederkehren oder wie die Ratte einfach sterben 
sollten. Die Ratte siegte; nun sind die Menschen sterblich 15 ). 

Was aus dieser Art der Darstellung herausgelesen 
werden muss, ist die allmählich aufkeimende Vermutung, 
dass die durch die anthropomorphisierende Gestaltungskraft 
geschaffene Beziehung zwischen dem Schicksal des Mondes 
und dem des Menschen nicht existiere. Auch aus anderen 

ia ) Riedel 8. 361. 

") Hoekin S. 23. Sibree S. 350. Cook 3. R. Bd. II S. 204. 

") Williams: „Fidji" Bd. I S. 305. Ratzel: „Völkerkunde' 1. Aufl. 
Bd. I S. 302, Bd. II S. G69. Auch in Nieder-Guinea und am Alt- 
Calabar wird die Ursache menschlichen Sterbens auf einen ursprüng- 
lichen Streit zurückgeführt. Vgl. Bastian: „Loangoküste" Bd. II S. 227. 



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— 377 



Mythen der Fidschianer klingt der wehmütige Ton dieser 
Erkenntnis. Als der erste Mensch gestorben und begraben 
war, verlangte ein Gott, dass er wieder ausgegraben werden 
sollte. Aber die Menschen sagten, er liege seit vier 16 ) Tagen 
im Grabe und stinke. Wegen dieses Ungehorsams der 
Voreltern sterben die Menschen und kehren nicht wieder. 

Die Seele sollte wie die Gestirne wieder zurückkehren. 
Sie kommt aber nicht wieder. Das soll die Mythen deuten. 
Auch die Dinka singen: 

Am Tage, als Gott alle Dinge erschaffen, 

hat er die Sonne erschaffen 
Und die Sonne geht auf und geht unter und kehret wieder, 

hat er den Mond erschaffen 
Und der Mond geht auf und geht unter und kehret wieder, 

hat er die Sterne erschaffen 
Und die Sterne gehen auf und gehen unter und kehren wieder, 

hat er den Menschen erschaffen 
Und der Mensch kommt hervor, geht in die Erde und 

kehret nicht wieder 17 ). 

Eine etwas andere Gestalt nimmt die Fidschi- 
Mythe vom Streite des Mondes mit der Ratte auf den 
Inseln an, wo das Hautwechselmotiv hinzutritt, das in 
folgender Version dem Formwechselmotive entspricht, Auf 
den Neu-Hebriden stritten vor alten Zeiten einmal eine 
. Frau und eine Krabbe. Die Krabbe hatte das Vermögen, 
wenn sie alt war. die Haut zu wechseln, worauf sie wieder 
jung ward, die Frau nicht, deshalb tadelte sie Tagar — 
wohl Tagaro oder Tangaroa— , dass er die Menschen fehler- 
haft erschaffen habe. Andererseits wird aber auf Salomonen 

'*) Die Zahl 4 in dieser Mythe spricht stark für ihre solare Ab- 
stammung. In dun meisten nordwestamerikanischen Mythen kehren 
die Sonnenhelden anch erst am 4. Tage auf die Oberwelt zurück! 

17 ) Williams: „Fidji" IM. I S. 204 ö. Mitterrutzner S. 59. 



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— 378 — 



Banks und Neu-Hebrideu erzählt, die Menschen hätten 
früher die Haut wechseln können — wie ja auch vieler 
Orts die Mythe, in alten Zeiten wären die Menschen mit 
dem abnehmenden Mond hingesiecht und mit dem zu- 
nehmenden wieder erstanden, bekannt ist. Eine alte Frau 
legte einstmals die alte abgezogene Haut wieder an und 
dadurch verloren die Menschen dies Vermögen. Auf der 
Barbargruppe existiert die letztgenannte Mythe ebenfalls. 
Auch dort ist eine alte Frau der Grund des Verlustes 
dieser ausgezeichneten Eigenschaft 18 ). 

Die gleiche Mythe treffen wir aber auch in Afrika 
wieder. Leza — ein Gott der Wafipa — stieg einst auf 
die Erde nieder und richtete an alle Lebewesen die Frage: 
„Wer will den Tod nicht sehen?" Zum Unglück schliefen 
die Menschen (es war also Nacht) und auch die Tiere, 
ausgenommen die Schlange. Diese antwortete: „lch. u 
Infolgedessen müssen die Menschen und Tiere sterben, die 
Schlange dagegen braucht nur einmal jährlich ihre Haut 
zu erneuern, um ihre Jugendfrische wieder zu gewinnen 19 ). 

So weist den jede Einzelheit auf eine analoge Ent- 
wicklung der Mythen in Afrika 20 ) und Oceanien hin. 
Und doch existiert ein Unterschied. Die Afrikaner — von 
den Westafrikanern haben es viele Reisende berichtet — 
glauben nicht an die Selbstverständlichkeit des Todes. Die 
Oceanier dagegen, wenigstens die Völker der polynesischeu, 



1H ) Codrinigton S. 283, 260, 265, 283/4. Riedel S. 362. 
'») Josset S. 49/50. 

I0 ) Der Einfluss der Sonnenmythologie auf die Todesmythen geht 
z. B. aus folgenden Angaben hervor: „Jua, die Sonne, gilt in Ost- 
afrika als Ursache des Todes. In Unyoro kündet Sonnenfinsternis 
des Herrschers Tod. In Yoruba ist — siehe weiter oben — der 
Marne des Sonnengottes die Bezeichnung für einen allzu frühen Tod. — 
Burton: „Lake Regines" Bd. II S. 364. Emin S. 93. Crowther: „Voca- 
bulary" 8. 861. 



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f 

— 379 - 

auch der melanesischen Grenzinseln haben dies Verständnis 
schon gewonnen. 

Die alte Anschauung, dass der abnehmende Mond 
sterbe, der zunehmende wieder auflebe, hat sich auf afri- 
kanischem Boden in mancherlei Sitten und Meinungen 
Denkmale geschaffen. 

Es sei nur erwähnt ein Glaube der Wabondei. Wenn 
jemand die Stangen zu einem neuerrichteten Hause schneidet, 
so hat er wohl darauf Acht zu geben, diese Arbeit bei 
zunehmendem Monde auszuführen, denn wenn sie bei ab- 
nehmendem Monde geschehen würde, so würden die 
Stangen bald faulen, während sie im anderen Falle für 
sehr dauerhaft gelten. Weiterhin verknüpft man die 
Schwere der Krankheit mit dem Stande des Mondes 21 ). 
Der Herrscher von Lnyoro füllt bei zunehmendem Monde 
seine Amuletthörnlein und so auch die Westafrikaner 22 ). 
Feste zur Zeit des Neumondes werden wohl im ganzen 
Afrika 23 ) gefeiert. Nur sind sie an einigen Orten im 
Aussterben begriffen, z. B. bei den Betschuauen. Im 
Norden schliessen die Gebräuche sich direkt an die Feier 
des mohamedanischen Kamathan au. 

Wichtig und interessant für anthropopathische Götter- 



*') Baumann: „Usambara" S. 125. Bastian: „Loangoküste" Bd. II 
S. 228. Vgl. auch Schneider S. 125. 

") Speke 8. 259. Junker Bd. III 8. 282. „Allg. Hist. d. B." 
Bd. IV 8. 661. Bastian: „Loangoküste" Bd. II 8. 224. 

") Sudan: Rohlfs Bd. III 8. 173; Sehweinfurth 8. 236. Nord- 
westaf rikuner: Dapper S. 360; „Allg. Hist. d. B." Bd. III S. 630. 
Westafrikaner: Dapper 8. 427; Kömer 8. 84/5; Oldendorp S. 326; 
Cavazzi Bd. I 8. 243; Bastian: „San Salvador" 8. 95; Südafrikaner: 
Campbell S. 242; Livingstone: „Missionsreisen" Bd. I S. 274; Ratzel. 
„Völkerkunde" 1. Aufl. Bd. I 8.370. Hottentotten: Kolben 8. 96 ff.; 
vgl. Schmidt, Alexander, Nieuve etc. Ostafrikaner: Junker Bd. III 
S. 581; Speke 8. 523, 224/25 etc. 



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— 380 - 



bildung ist die Vorstellung, die die Neger vom Mond- 
schein haben. Folgendes erfuhr Baunibach bei den Basuto: 
Das erste Viertel des Mondes wird bezeichnet mit: 
„Er feilt die Hörner ab. u Vollmond = „Er hat die Hörner 
abgefeilt''. 

Wenn es bald zu Ende geht mit dem Mondschein und 
der Mond kurz vor Sonnenaufgang erst sichtbar wird = 
„Er weint" oder „Er grüsst die Sonnne*. 

Am Tage darauf, wo er bekanntlich erst nach Sonnen- 
aufgang sich sehen lässt, heisst es = „Er geht vorbei*. 

Am darauf folgenden Tage, wo man ihn fast nicht 
mehr sieht, sagen sie = „Er feiert im Osten 1 '. 

Hiernach heisst es = „Er sitzt* oder „Er ist ge- 
storben''. 

Beim Neumond wird gesagt = „Neumond* oder „Ein 
ganz kleines Hörnchen.* 

Sie glauben auch nicht, dass es ein und der- 
selbe Mond ist, der wiederkehrend aufgeht: nein 
es ist nach ihrer Ansicht immer ein neuer Mond, 
so dass jeder Monat seinen eigenen Mond hat. 
Sie glauben auch, dass jeden Tag eine neue Sonne em- 
porsteigt, da die alte im Meere versinkt. Nur die Sterne 
und die Erde stehen fest 24 ). 

Bei den Zulus heisst „Zwei Monate vergehen, ehe*, 
— „Zweimal wechselt des Mondes Bart, da*. — Die Na- 
maqua erzählen vom Monde, dass er zuweilen Kopf- 
schmerzen habe, dann lege er die Hand an den Kopf, 
darum werde er so klein. Die Maudingo schreiben die Mond- 
finsternis einer Katze zu^ die ihre Pfote zwischen den Mond 
und die Erde legt 25 ). 



2i ) Wangemann: „ßasutoland" 8. 17. 

2ft ) Kretz»chmer Bd. 48 8.141. „Das kleine Namaqua-Lati.*" 
8. 881. „All*, llist. d. B. tl Bd. III 8. 240. 



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— 381 



Die Vorstellung der Basuto weicht insofern von allen 
anderen ab, als sie nicht mit der Mythe. „der Mond stirbt 
und lebt sterbend" und alleu daraus folgenden Anschau- 
ungen in Einklang zu bringen ist. Der Gegensatz, dem 
diese neue Vorstellung bietet, beruht darin, dass in der 
Zeit der Mondmythologie der Mensch sein Schicksal nach 
den Schicksalen des Mondes gestaltet glaubte. In den 
späteren Zeiten wird sein Schicksal der Massstab oder 
die Schablone, nach der er die Ereignisse am Himmel 
deutet, Der Mensch stirbt, ergo der Mond stirbt auch. 

Wir sehen derart das Selbstbewusstsein steigen. Er, 
der Mensch, beginnt mit seinen Augen die Welt zu messen. 
Er beginnt sich als „Erster 1 * zu fühlen. 

Das Verhältnis von Sonne und Mond erhellte schon die 
im 17. Kapitel mitgeteilte Ewe-Mythe von Lissa und Gleti: 
Die Yoruba erzählen von Orun und Oschu fast das 
Gleiche 25 ). 

Sonne, Mond und Sterne stammen aus dem Leibe der 
Yemaja; Orun, die Sonne und Oschu. der Mond sind Götter, 
aber die Sterne scheinen nicht angebetet oder verehrt zu 
werden. Der Kultus von Sonne und Mond ist jetzt übrigens 
veraltet und Opfer werden ihnen nicht mehr dargebracht, 
obgleich das Erscheinen des Neumondes gewöhnlich durch 
ein Fest gefeiert wird. Die Sterne sind die Töchter Sonne 
und Mondes. Die Knaben oder jungen Sonnen trachteten, 
als sie aufwuchsen, darnach ihren Vater auf dem Laufe 
über den Himmel, dahin, wo See und Himmel sich treffen, 
und wo, wie die Yoruba sagen, der Ort ist. an den die 
weissen Männer gehen, um mit den dort gefundenen Sachen 
ihre Schiffe zu füllen, zu folgen. Doch Orun, eifersüchtig 
auf seine Macht, wandte sich zu ihnen, um sie zu töten. 
Einige suchten Zuflucht bei Olosa, einige bei Olokun und 
der Rest bei der Grossmutter. Yemaja, welche sie in Fische 
verwandelte. So sind die Söhne aus dem Himmel ver- 



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- 3S2 — 



trieben worden, die Töchter aber blieben bei der Mutter 
dem Monde, und begleiten sie des Nachts 26 ). 

So ist hier der Mond Nebenperson in einer Sonnen- 
mythe. Aber es ist nicht nötig, dass dies Verhältnis — 
denn fast alle Völker scheinen Sonne und Mond als Mann 
und Weib zu betrachten 27 ) — immer so gewesen sein 
muss. Ich will nur darauf hinweisen, dass, wenn die 
Völker Afrikas früher im Matriarchat gelebt haben, dass 
dann die Stellung des Mondes vielleicht eine höhere w r ar, 
als die der Sonne. Denn sie ist eine Frau, die Mutter. 

Die oceanischen Verhältnisse der Mond- und Sonnen- 
mythen gleichen denen Afrikas. Die Weise, den Todes- 
gedanken an den Mond zu knüpfen, kennen wir schon. 
Ich erwähne noch ein Beispiel. Auf Neu Guinea gräbt 
ein junger Mann in der Erde eine tiefe Grube. Er hebt 
einen blinkenden Gegenstand empor. Der wächst gewaltig. 
Es ist der Mond, eine schöne Frau, die arg mit dem Schatz- 
gräber schmält, weil er ihre zu frühe Geburt bewirkt habe. 
. Darauf verschwindet sie am Horizonte. Der Mann geht 
auf die Wanderschaft, die Frau zu suchen, sie zu heiraten. 
An einem Flusse trifft er sie und setzt sich auf die Kleider, 
die sie abgelegt hat. Da verkündet sie ihm, dass er da- 
durch dem Tode geweiht sei, ebenso wie jeder, der sie 
berühre. Da dies nun aber doch der Fall sei, so mag er 
den letzten Tag mit ihr verbringen; er heiratet die Frau 
Mond, geht nach Hause, bereitet ein grosses Fest und stirbt. 
Der Mond ist von Vornherein der Sonne, die hier auch 

") Ellis: „Yoruba" S. 82,3. In Bezug auf die Vernichtung der 
Sonnensöhne verweise ich auf das im 17. Kap. S. 286 Gesagte. Jeden 
Tag geht eine Sonne unter. 

") z. B. Burton: „Dahome" Bd. II S. 155. Dapper S. 539. Ernest 
Deligne im „Congo Illustre" 1893 S. 83. Bastian: „Loangoküste" Bd. I 
S. 326. Bastian: „San Salvador" S. 148 9. Soyaux Bd. II S. 123. Bau- 
mann: „Massailand" S. 136. 



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— 383 — 



männlich gedacht ist. geweiht. Doch es ist keine glück- 
liche Ehe. Die Frühgeburt des Mondes verschuldet das, 
denn nun besitzt er nicht alle Kräfte etc. 28 ). 

Das Hautwechsel-Motiv erblicke ich in dem Tode, der 
auf das Berühren der Kleider des Mondes folgt. Sonne und 
Mond sind auch sonst Ehepaar 29 ). Besonders charakte- 
ristisch und ausschlaggebend für das Alter der Sonnen- 
und Mondmythologie ist es. dass auf Hawai Hina die Mutter 
Mauis ist 30 ). 

Die anderen Mondmythen Oceaniens sollen ander- 
weitig besprochen werden. Das vorliegende Material und 
die erkannten Parallelen genügen unseren Schlüssen. 

Erwähnenswert ist nämlich, dass in Australien die 
Sonne die Frau und der Mond der Mann ist. — Nach 
nordwestamerikanischem Glauben leben die Toten auf dem 
Monde. Die Tsinshiain lassen den Helden auf der 
Pfeilkette — also auf dem Wege der aufgehenden Sonne — 
zum Monde emporsteigen, der ihm die Verhaltungsmass- 
regeln hin das Leben der Menschen giebt. Das ist sicher 
ein interessanter Rest aus der Zeit der Mondmythologie. 
Üebrigens ist auch in Nordwestamerika der Mond der Ge- 
mahl der weiblichen Sonne 31 ). 

Vielleicht ist der alte Himmel, zu dem die Sonueu- 
helden emporklimmen, um seine Tochter zu ehelichen, der 
diese immer arg verfolgt, als der alte Mondgott aufzufassen; 
andererseits ist in dieser Gestalt jener Wärter am Eingang 
zur Unterwelt zu gedenken 32 ). 

»*) Romilly S. 134 ff. 

s ") Codrington S. 348. Meinicke S. 334/5. Bastian: „Oceanien" 
8. 9, 1, 97. Riedel S. 270. Schadenberg i. d. „Ztschrft. f. Ethnologie" 
1885 Bd. XVII S. 132 etc. 

,0 ) Bastian: „Oeeanien" S. 232. „Hawai" S. 26. 

ai ) Angas Bd. I 8. 89. Boas: „Verb." 1895 S. 231, 1893 S. 47 und 
1895 8. 201/2. 

**) Vergl. Kap. 9 über die Untergangsraythen. 



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IV. Teil. 



Die Weltanschauung. 



Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 25 



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XXII. Kapitel. 
Die Religion yoiii Standpunkte der Ethnologie. 



Religionswissenschaften. — Theologie. — Terminologie. — Reli- 
gion. — Problem der Weltanschauungslehre. Fetischismus. — 
Alte terminologische Methode. — Schurtz über „Religion 14 . — Religion 
und Weltanschauung. — Weltanschauung. — Animalismus. — Manis- 
mus. — Solare und lunare Weltanschauung. — Das Problem des 
Todes. — Schöpfungsmythen. — Gesetz von der Umkehrung. — Bei- 
spiele. — Beweglichkeit und Einheitlichkeit. — Gesetz vom Wandel 
der Beweggründe. — Beispiele etc. — Gesetz von der Einschaltung. 
— Linguistische Beispiele. — Tsui-Goab. — Methode. — Boas. — 
Schurtz. 

Es sind die verschiedensten, sogar entgegengesetzte 
Standpunkte und Voraussetzungen, mit denen Gelehrte der 
einzelnen Wissenschaftszweige die Religion und ihre Ent- 
wickelung behandeln. Die Menschheit hat die wichtigsten 
Fragen des Daseins in sie verknüpft, hat hier geschaffen, 
gegrübelt und umgearbeitet, sodass es zu den schwersten 
Aufgaben einer jeden Wissenschaft gehört, in den Grenzen 
des eigenen Arbeitsfeldes Wege und Bahnen, Ziel, Ge- 
schaffenes, Thatsächliches, Erreichtes zu erkennen und sich 
in demselben zurecht zu finden. Der Religionsgelehrte 
hat ja nicht wie andere in einem Reiche zu arbeiten, so 
wie der Mineraloge sein Steinreich, der Zoologe sein Tier- 
reich hat, sondern wo er hinschaut, befindet sich ausser- 
halb des eigenen Landes und des eigenen Gehirnes ein 
anders geartetes Bild, andere Formen und anderes Sinnen. 

25* 



Und doch, solange der Gelehrte uoeh in der eigenen 
Weltanschauungsprovinz bleibt, wird ihm das Trachten und 
Streben nach der Erkenntnis des Gedachten und Geschaffenen, 
der Geschichte der Bauwerke, in denen er seit Kindes- 
jahren einherwandert , noch erleichtert durch die Erfah- 
rung und die Erziehung. Denn das, was viele Generationen 
hintereinander erschaffen und gedacht haben, hat er in 
jungen Jahren nochmals wie im Fluge durchlebt. Er ist 
daheim. 

Anders aber der Gelehrte, der in das fremde Land 
zieht unter Leute, die er nicht versteht, in eine Welt, di • 
nicht die seine ist. Es ist natürlich, dass er das nicht 
findet, was er kennt, was er gedacht hat. Und wenn die 
Schöpfung jener nur in andere Farben gekleidet ist; es 
wird ihm schwer fallen, seine eigenen Ideen in diesem 
Maskenanzug wiederzuerkennen. Daher haben viele Ge- 
lehrte und Reisende erzählt: „Die Leute haben keine 
Religion". 

Und wer von dem Standpunkte seiner Weltanschauung 
aus eine andere betrachtet, wer das wieder finden zu 
müssen meint, was seine Mutter ihm lehrte, und was er 
seihst nach Art der Väter sich aufs neue erschuf als 
Wohnhaus, in dem er sein Dasein verbringen wollte, der 
mag ausziehen, wohin er will, er wird aus jedem Erdteile 
heimkehren und wird, wenn er ehrlich ist, sagen: „Sie 
haben keine Religion". 

Ich sage das hier, um allen jenen Leuten gerecht zu 
werden, die also urteilen. Es ist die erste Wissenschaft, 
der hier der Zoll der Pietät nicht versagt werden darf. 



Die Ethnologen, die sich mit der „Religiou" der Natur- 
völker beschäftigt haben, stehen den Verhältnissen und 
den Ansprüchen der Wissenschaft anders gegenüber. Aber 
das ist noch wenig erkannt, und es wird hier noch soviel 



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gegen die Wissenschaft gesündigt, dass man mit Recht 
sagen kann, dieser Teil der Ethnologie und vieler eth- 
nologischer Werke gleicht noch recht sehr den Raritäten- 
kabinetten des Mittelalters. 

Der Hauptgrund liegt darin, dass das Fundament 
schwankt, auf dem gerüstlos gebaut wird. Das soll heissen, 
dass eine unglaubliche Unklarheit herrscht, einmal über 
das, was eigentlich zu thun ist, andererseits über den Stand- 
punkt, den der Kulturmensch dem Wildling gegenüber ein- 
nimmt. Ich brauche auf nichts anderes hinzuweisen als 
die Terminologie, d. h. das Werkzeug, mit dem gearbeitet 
wird. 

Fachausdrücke und Beziehungen sind zuletzt auch nur 
Wörter und damit allen Gefahren, die für die sprachliche 
Ausdrucksweise vorhanden sind, unterworfen. Im Tages- 
leben ist ein mis verstandenes und unklares Wort meist wenig 
wirkungsvoll. Aber im Reiche der Wissenschaft sind so 
schwankende, unbegrenzte oder schlechte Bezeichnungen 
wie die der jungen, ethnologischen Weltanschauungslehre 
gefahrbringende Werkzeuge, hemmende und schädliche 
Stoffe, wogegen gute, d. h. klare und allgemein gleich ver- 
standene den Weg nicht allein dem Einzelnen, sondern der 
ganzen Wissenschaft bahnen würden. 

Wie wenig anderen Disciplinen ist gerade die Welt- 
aii8chauungslehre in der Völkerkunde den Gefahren der 
Unklarheit, des Misverstandenwerdens ausgesetzt. Denn 
einmal ist die Weltanschauung eines Naturvolkes nicht 
etwas ausgeprägt Klares, scharf Umgrenztes, sondern etwas 
Bewegliches, zum zweiten entwerfen uns die Träger einer 
Weltanschauung nicht ein Bild derselben, — abgesehen 
davon, dass sie die Unterschiede ihrer Anschauung vor 
der unseren nicht kennen, hören wir nur von den Formen, 
in denen sie zu Tage treten, nicht aber von dem Gehalt. 
— zum dritten erhalten wir unsere Materialien nicht von 



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Ethnologen, geschulten Männern, sondern von Laien, die ihre 
Vorstudien im Lederstrumpf, in der Bibel, im Herodot 
oder im besten Falle in der Geschichte der Philosophie 
gemacht haben. Die Folgen solchen Entwickelungsprozesses 
sind überall ersichtlich. Mit vollkommenem Verkennen 
der Probleme haben auch Gelehrte Fragen aufgeworfen 
wie : Haben die Bantu eine Religion oder nicht? Sind die 
Dajak Polytheisten? Ist in Maui oder in Tangaroa der 
Rest des „wahren Gottesbewustseins" aufzusuchen? etc., 
Fragen, die überhaupt nicht solche der Wissenschaft sein 
können. Ich erwähne das nur, um zu zeigen, wes Teufels 
Kind eine unklare Ausdrucksweise ist. Ich glaube, Schurtz 
war der erste, der vom ethnologischen Standpunkte aus 
dem Wort „Religion" zu Leibe gerückt ist. 

Mit dem Erkenntnis dieses Uebels ist ein Steinlein 
gelöst, das für jeden Mitarbeiter an solchen Fragen zur 
Lawine heranwachsen kann. Denn nun heisst es Wandel 
zu schaffen. Den Fehler haben schon manche erkannt. 
Abhilfe ist noch wenig geschaffen. Man hat nach meiner 
Ansicht einen Weg eingeschlagen, der mehr Unheil als 
Segen herbeigeführt hat. 

Aus dem Mittelalter ist eine Reihe von Bezeichnungen 
überkommen, die eigentlich nur den einen Wert besitzen, 
dass sie nichts bedeuten. Diesen Worten nun haben die 
Gelehrten ihre Aufmerksamkeit gewidmet und haben si< !t 
bemüht, sie zu beleben, d. h., sie mit einen gelehrten Gehalte 
zu versehen. Das haben nicht wenige und sicher keiner 
mit schlechtstem Willen gethan. Jeder gab einem Worte 
einen andern Sinu und — nun kommt der Fehler — ver- 
wandte nun die sämtlichen Vorkommnisse des Namens in 
seinem Sinne, konstruierte also eine Weltanschauung auf 
seiner ihm eigentümlichen Basis mit dem Material, das 
andre für ihn gesichtet halten. 

Wie viele haben nicht über den Fetich ismus gearbeitet, 



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391 - 



ihn wirklich mit Ernst und regem Interesse behandelt, 
haben einen Sinn in das Wort gelegt und dann die Fetische, 
Fetischmänner, Fetischschnüre, Fetischtänze, Fetischmasken, 
Fetischtrommeln, Fetischbilder, Fetischopfer, Fetischtempel, 
Fetischpriester, den Fetischismus so behandelt, als ob 
Schulze, Muller, Schmidt X. Y. Z. denselben Sinn in das 
Wort gelegt hätten, das er darin suchen zu müssen meint. 
Und doch ist mit eins gegen hundert zu wetten, dass diese 
braven Leute sich bei dem Worte Fetisch nichts andres 
gedacht haben, wenn sie es überhaupt erwogen haben, als 
dass man ja doch nichts dahinter zu suchen habe als 
Fetischismus, d. h., um mit Wuttke (S. 95) und Schneider 
(S. 94, 186, 180), zwei gelehrten Leuten (denn der eiue 
war Privatdozent, der andre ist Professor), zu reden, „roher 
Geisterglauben", „läppische Phantasie", „albernes Fetisch- 
system", „kindischer Aberglauben" etc. 

Der beste Beweis dafür, dass das Unternehmen solchen 
Arbeitens vergeblich ist, ist. dass heute noch jeder Reisende, 
Missionar und leider auch fast alle Ethnologen das Wort 
Fetisch so lustig und heiter weiter verwenden, als sei es 
wunder welch' gelehrter und gehaltsvoller terminus technicus, 
der niemals missverstanden werden könnte, weshalb wir 
denn auch nie Näheres hören, nie das vernehmen, was an 
wissenswerten Wesenszügen zu erfahren ist. Es geht alles 
unter dem Namen Fetisch unter. So lange nicht einfach 
die Berechtigung, solche Bezeichnungen zu verwenden, 
genommen wird, so lange werden die Reisenden sich ihrer 
Pflicht entziehen, denn sie werden sich ihrer Pflicht gar- 
nicht bewusst, da sie nicht wissen können, was der Ethnologe 
braucht, dass der Ethnologe mehr wissen will, als von der 
Heiligkeit oder dem Fetischwesen eines Gegenstandes. Ich 
betone, dass also den Reisenden dieser Vorwurf nicht gelten 
kann. 

Was wir brauchen, ist Klarheit und Einheitlichkeit 



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- 302 - 



in einer Ausdrucksweise, die durch einen Grundstock von 
einerseits brauchbaren und andrerseits notwendigen Fach- 
ausdrucken ermöglicht wird. Alles andre, solche Ausdrücke, 
die mehrere Deutungen zulassen oder eigentlich keine be- 
sitzen, und solche, mit denen Begriffe verbunden sind, die 
nicht Allgemeingut der Menschheit sind, müssen nach 
Möglichkeit ausgemerzt werden. 

Zu den ersteren gehört das Wort Fetisch, zu den zweiten 
das Wort „Religion«. 

Damit stehen wir vor dem schweren Problem der 
Religion. Was ist Religion? Wie soll ich es definieren? 
Ich meine, es sei nicht möglich, von einer Religion der 
Naturvölker zu sprechen, nicht etwa, als besässen die 
Wildlinge sie nicht, aber deshalb, weil jenen noch nicht 
der Gegensatz oder eine Trennung von Religion und Philo- 
sophie eigen ist. Es soll das sogleich näher erörtert werden. 
Nur will ich erst die treffliche Arbeit von Schurtz: „Ueber 
den Begriff der Religion vom Standpunkte der Völkerkunde" 
besprechen. Ks kann nur jedem empfohlen werden, diese 
Arbeit selbst zu lesen. 

Schurtz erkennt in den schwankenden Bildern der 
Religionen drei Grundfarben, die sich ineinander mischen, 
bald die eine, bald die andre schärfer hervortreten lassend. 
Er krystallisiert Kultus, Mythologie und Mystik heraus. 
„Die Verschmelzung der verschiedenen Bestandteile ist nie 
so vollständig, dass nicht einer oder der andre vorherrsche, — 
die altklassischen Religionen pflegten mit Vorliebe die 
Mythologie, der Islam legt das Hauptgewicht auf den Kultus, 
der Buddhismus entspringt der Mystik und sie bewahrt 
in ihm ihren Vorrang. Die Religion des Chinesentums 
endlich hat sich fast ganz zur trocknen, sekundären Moral- 
lehre ausgebildet." Der Kultus, der dem Willen des Menschen 
entspringt, kann sehr wohl selbständig entstehen, wird 
aber im allgemeinen eine Folge und Begleiter in der Mytho- 



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logie, der als Forderung des Verstandes Entstandenen, auf- 
treten. Die Ahnenmythologie leitet zur Mystik über. 

„Vielleicht können wir das, was uns ein Ueberblick 
über die Sitten der verschiedenen Völker lehrt, in die 
Worte zusammenfassen: Es giebt sehr viele Völker, bei 
denen von Religion in unserm Sinne nicht die Rede ist; 
aber es giebt keines, das nicht Anfänge der Religion in 
eiuer oder andern Form besässe. u — Das ist Schurtz' 
Autwort auf die Frage, ob es religionslose Völker gäbe. 

Den Ansichten von Schurtz kann ich mich nur an- 
schliessen. Immerhin ist est nicht möglich, seine Einteilung 
durchzuführen, was übrigens auch nicht sein Bestreben ist. 
Er hat aber ein Bild der uugemeiuen Beweglichkeit, die 
sich durch sprachliche Schranken überhaupt nicht fesseln 
liisst, und ausserdem einige Quellgebiete gegeben. Einen 
bessern Beweis als die seinen kann man dafür, dass das 
Wort als abschliessender, klarer Fachausdruck für die 
Naturvölker nicht verwendbar ist, kaum erbringen. 

Um aber ein Wort einzufügen, mit dem alles das, was 
man unter Religion verstehen kann, alles das, was wir 
nicht, wohl aber jene, und umgekehrt, was wir, nicht jene 
an Anschauung und Anschauungsäusserung besitzen, gesagt 
ist, spreche ich von der Weltanschauung. Unter Welt- 
anschauung ist alles zusammengefasst, was an Wissen und 
Glauben im Besitze der Völker ist. In diesem Sinne ist 
also die Religion der Kulturvölker ein Zweig der Welt- 
anschauung, der sich lostrennt, wenn die Wissenschaften 
sich festigen. 

Unter den Weltanschauungen der Naturvölker, die hier 
lediglich zu behandeln sind, kann eine Verschiebung des 
Schwerpunktes beobachtet werden, insofern, als das Interesse 
der Menschen, die Summe der Kausalitätsfragen sich er- 
weitert und so allmählich der Mythologie ein weiterer Spiel- 
raum geboten wird. Diese Erweiterung der Mythologie 



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- 3514 — 



ist in den vorhergehenden Kapiteln eingehend besprochen. 
Wenn hier kurz rekapituliert wird, so geschieht das, um 
einige Ausdrucke, die notwendig werden, # einzufügen. 

Als niederste Stufe der Mythologie musste die Tier- 
mythologie bezeichnet werden. Man mag hier von Ani- 
malismus sprechen. Der Hauptcharakterzug der anima- 
listischen Weltanschauung ist Campbell (S. 171) aufgefallen. 
Er sagt: „Er (ein Buschmann) konnte keinen einzigen 
Unterschied zwischen den Menschen und dem Tiere an- 
geben, sondern wusste nicht anders, als dass ein Büffel 
ebensowohl als ein Mensch mit Bogen und Pfeil schiessen 
könne, wenn er solche hätte. u Daraus geht hervor, dass 
der Mensch sich in dieser Zeit noch lediglich als gleich- 
wertiger Teil der Naturmaschinerie hält, sich in keiner 
Weise als vollkommener, fähiger, als vernünftig im Gegen- 
satz zum unvernünftigen Tier hält. Als Ausläufer des Ani- 
malismus sind der Totemismus und die Tierfabel zu nennen. 
Vergl. m. Arbeit: „Die Buschvölker" i. d. „Afrika" 1898. 

Einen vielleicht gleichartigen, zur Blüte aber erst 
späther gelangenden Teil der Weltanschauung bildet der 
Mauismus, die Ahnen Verehrung. Wenn ich für das 
alte Wort Ahnenkultus hier Manismus einsetze, geschieht 
es, weil das ältere nur von Kultus respektive Verehrung, 
also nicht von Anschauung spricht: und weil von Manismus 
das oft notwendige Adjektiv manistisch gebildet werden 
kann. 

Die Zeit des Manismus ist die der niederen Mytho- 
logie als Vorläuferin der aus ihr erwachsenden hohen 
Mythologie. In dem ersteren Stadium beachtet der Mensch 
noch nicht den Wandel der Gestirne, Tag und Nacht; sein 
Interessenhorizont ragt nicht über das Schicksal des Mit- 
menschen hinweg, es ist an das Problem des Todes ge- 
knüpft. Im letzteren erblüht die grossartige Sonnenmytho- 
logie: die Sonne als Bild des Werdens, des Gedeihens, als 



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- 395 — 



Licht- und Lebensspendende wird der Mittelpunkt alles 
Dichtens und Trachtens. Da.s Leben des Menschen und 
das Dasein des All wird an sie geknüpft. Es ist die gross- 
artige Zeit der solaren Weltanschauung erreicht. 

Der solaren Weltanschauung geht die lunare voraus. 
Sie ist noch unklar, ist noch iunig mit dem Manismus ver- 
wachsen, und der Mond nimmt bei weitem nicht die hohe 
Stellung in der Mythologie ein. wie die Sonne in der 
späteren. Charakteristisch für die Zeit der manistischen 
und Ulnaren Weltanschauung ist die überall hervortretende 
Frage nach dem Tode, der Todesursache. Der Anfang 
kümmert die Menschen dieser Epoche noch nicht, sondern 
nur das Ende, der Tod. 

Gerade die Entdeckung des neuen Problemes. der 
Frage nach dem Werden der Dinge verleiht der solaren 
Weltanschauung, und der hohen Mythologie ihren mächtigen 
Schwung. Es entsteht eine grosse Freude im Denken und 
Schaffen über dies neue Thema. 

Soweit haben wir die Weltanschauung der malajo- 
nigritischen Kulturepoche verfolgen können. 

Im Rahmen der animalistischeu, manistischen, lunaren 
und solaren Anschauung haben wir unsere Studien gemacht. 
Als besonders interessant muss das Problem des sich er- 
weiternden Schaffens erkannt werden. Lud in diesem Ent- 
wicklungsprozesse bildet die Entstellung des Denkens über 
den Anbeginn der Dinge, welche Richtung des Denkens 
wir als eine verhältnismässig späte Errungenschaft erkannt 
haben, den wichtigsten Punkt. Die letztere bietet einen 
festen Standpunkt, von dem aus das Problem der sich ent- 
wickelnden und erweiternden Weltanschauung beurteilt und 
in Angriff* genommen werden kann. 

Es ist, so ist nachgewiesen, die Mythe von der 
Schöpfung nicht etwa als eine neue Erfindung oder 
Erdichtung entstanden, sondern sie ist als eint; 



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3<)6 — 



Umkehrung der Mythe vom Untergänge zu be- 
zeichnen. Wir stehen hier vor einem neuen Gesetz. 

1. Gesetz von der Umkehrung. 

Jede manistische Mythe spricht von einer Bewegung, 
sobald sie das Problem des Todes behandelt, dass der 
Ansatzpunkt der niederen Mythologie ist. Es handelt 
sich um die Veränderung des Zustandes im Momente des 
Uebensabschluss. 

Die hohe Mythologie nimmt diese Bewegung an, 
schafft und bildet die Entstehungsmythe, indem sie Mythen 
vom Tode des Menschen umdreht, so dass die Richtung 
zum Beginn des Lebens gewonnen wird. Dieser Prozess 
wird durch die anfänglich manistische Auffassung der 
Sonne ermöglicht. Ein Beispiel erörtert dies. Die Nord- 
westamerikaner setzen am Ende des Menschenlebens 
die menschlichen Ueberreste in einer Kiste bei. In der 
Mythe lassen sie am Anfang der Dinge die Sonne in 
einer Kiste sich befinden. 

Am leichtesten wird jedem das Verständnis durch 
eine Reihe guter Beispiele geboten werden. Akea ist auf 
Hawai der Gott der Toten, der Unterwelt. Viele geben 
an, von diesem abzustammen. — Nach Angabe der Dajak 
bedeuten alle Worte in der Seelenstadt gerade das Um- 
gekehrte des irdischen Sinnes, z. B. ist süss = bitter; 
bitter = süss; stehen = liegen etc. — Die ltalmenen nehmen 
zwei Welten an. Wer stirbt, kommt in die andere; wer 
hier reich ist, ist dort arm, wer hier sündigt, wird dort 
brav l ). 

Nach nordwestamerikanischer Anschauung stellen die 
Wappenpfeiler die Reihe der Ahnen dar; nach eine Mythe 
worden die Pfähle erst aus der Unterwelt geholt. — Die 

') Ellis: „Hawai- 8. 438. Grabowsky: „Tod. Begräbnis* S. 187. 
Steller S. 270. 



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3»7 



eigentliche animalistisch-totemistische Mythe der Nordwest- 
amerikaner lautet, „die Seele geht nach dem Tode in ein 
Tier über u . Als Umkehrung ist folgende Mythe der Nutka 
und vom Cap Flafctery zu bezeichnen. Im Anfange weilten 
nur die Vögel und anderen Tiere auf Erde. Sie wussteu, 
dass sie einst in Menschen und wirkliche Tiere verwandelt 
werden würden. — Mit am deutlichsten unter allen That- 
sachen der afrikanischen Mythologie spricht das Gesetz 
der Umkehrung aus der Mythe, dass die wohlthueuden 
Ganga aus bösartigen Geistern zu heilbringenden Priestern 
geworden seien 2 ). — 

Eine Sitte, die anzeigt, in welchem Punkte die Um- 
kehrung in der Mythologie vor sich geht, ist der Brauch, 
die Leichen mit ans Kinn gezogenen Knieen in kauernder 
Stellung zu bestatten. Das ist die Lage des Kindes im 
Mutterleibe. 

Zwei Formen von Umkehrungen sind wichtig, die eine 
wegen ihrer Häufigkeit, die andere wegen ihrer ver- 
wirrenden Wirkung. — Die eine : Während im allgemeinen 
das Beschmieren mit Hühnerblut als Belebungsmittel gilt, 
also als Anziehungsmittel, verwenden die Nikobaren es 
als Schutzmittel gegen die Geister, es ist Abwehrmittel. 
So werden vielfach aus dem gleichen Motiven einerseits 
Schutz-, andererseits Trutz-Amulette gestaltet. — Die zweite: 
Die Ursprungsform der Verknüpfung manistischer und 
solarer Anschauung lautet: Die Seele des Sterbenden geht, 
oder am Ende des Lebens geht die Seele zur Sonne. Die 
Umkehrung: Der Mensch stammt von der Sonne ab, lernten 
wir vorne kennen. Auf den Kingsmill wird diese Form 
in anderer Richtung nochmals umgekehrt: Das erste 
Menschenpaar brachte die Sonne hervor 3 ). (S. 117.) 

*) Boas: „Verh. tt 1898 8. 235. Jakobsen 8. 40. Boas: „Verh.* 
1892 8. 314. Swan 8. 64. 

s ) Svoboda Bd. IV 8. 14. Parkinson: „Gilbertinsulaner« S. 104. 



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— 398 — 



Aber wir brauchen, um Umkehrungen zu finden nicht 
zu den Wildlingen des Südens uns zu wenden. Der Satz: 
„Wem Gott lieb hat, den zuchtigt er u ist nicht als eine 
Umkehrung des Erfahrungsatzes, dass ?om Schicksal hart 
geprüfte Menschen tüchtig werden *). 

Im Uebrigen glaube ich, dass die grosse Menge der 
in den ersten Teilen zur Erörterung gelangten Umkehrungen 
genügt, um jedem einen Begriff von der Wichtigkeit und 
der gewaltigen Wirkungsweise des Gesetzes von der Um- 
kehrung zu geben. 

Das Gesetz von der Umkehrung ist ein Beweis für 
die ausserordentliche Beweglichkeit der Weltanschauung, 
das Fehlen vollständig fester Ideen und scharfer Um- 
grenzung derselben. 

Das Gesetz von der Umkehrung erinnert fernerhin an 
die Einheitlichkeit der Weltanschauung. 

Von der Beweglichkeit kann in der Ethnologie kaum 
gesprochen werden, ohne des von Schurtz für die Völker- 
kunde zugänglich gemachten, folgenden Gesetzes zu ge- 
denken. 

*J. Gesetz vom Wandel der Beweggründe. 

Schurtz hat dies Gesetz eingehend in seiner Arbeit 
über die Speise verböte erörtert: „Eine Sitte bleibt, 
diesem Gesetze gemäss, oft in ihrer Form unver- 
ändert bestehen, aber der Zweck, dem sie dient, 
ändert sich/' 

Thatsächlich bietet die Entdeckung dieses Gesetzes, 
welches natürlich stark angegriffen wurde, die einzige Mög- 

4 ) Oftmals» werden Mythen durch eine Umdrehung der Erfahrung 
gebildet. Ich erinnere an die Seelenfahrtsmythen der Oeeanier. In- 
dem die Erinnerung daran, dass ihre Väter frber den Ocean zu Schiff 
gekommen aind, umgekehrt wurde, entstand die Meinung, die Seele 
de» Toten gleite im Kahn in das Land der Seligen. 



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— 809 — 



lichkeit in den wirren Gebilden priinitver Weltanschauungen 
einige Ordnung zu erkennen, überhaupt ein Verständnis 
für sie zu gewinnen. Die Methode Bastians, der Andree 
in den „Parallelen" folgt, hat eine immense Menge von 
Arbeitsmaterial, Sitten. Mythen, Anschauungen, An- 
schauungsäusserungen jeder Art gezeitigt. Aber es sind 
diese Materialien nicht verwendbar, ohne das von Schurtz 
in Form dieses Gesetzes gebotene Werkzeug. 

Es ist im vorliegenden Werke das Gesetz ganz ausser- 
ordentlich oft herangezogen, was wohl niemanden ent- 
gangen ist. Es ist mit Hülfe seinermöglich geworden, die 
schwierigen Fragen der primitiven Mythologie zu erkennen 
und auch wohl zu lösen. Vor allen Dingen wäre ohne 
Kenntnis dieses Gesetzes das Gesetz von der Umkehrung 
kaum erkannt worden. 

In ganz einfachen Dingen ist es schon erkennbar. 
Ost- und Nord-Afrikaner verwenden den europäischen Löffel 
als Helm- und Haarschmuck. Schurtz führt an, dass das 
Wurfmesser zum Beil, der Bogen zum Musikinstrument, 
die Keule zum Scepter. das Boot zum Hausdach werden 
kann 5 ). 

Am wichtigsten wird das Gesetz aber für den, der 
die Uebertragung des Gegenstandes einer Kulturprovinz in 
eine andere studiert. Dafür ist das Beispiel des Löffels 
sehr charakteristisch. Es ändert sich bei solcher Ueber- 
tragung Sinn oder Form in gleicher Weise wie eine Rebe, 
die man aus den Weinländern Frankreichs an den Rhein 
verpflanzt. Es tritt dann oft ein Process ein, der als 
wichtigstes Ergebnis des Wandels der Beweggründe zu be- 
zeichnen ist. Ich will das eingehend erörtern. 



5 ) Rebmann bei Krapf B<1. II 8. 3«. Junker Bd. II 8.39. Schurtz: 
„Speiseverbote" 8. 7 8. 



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- 400 



3. Gesetz von der Einschaltung. 

Beispiele für die Einschaltung mögen zunächst aus 
der Linguistik genommen werden. Der Name, den die 
alten Sophisten führten, wandelte sich am Ende des 5. Jahr- 
hunderts schon. Vorher waren es die Weissen, da wurde 
dies Wort direct ein Schimpfwort, aber es hat eine ganz 
eigene Bedeutung angenommen. 

Der Name Tyrann hatte bei den alten Griechen eben- 
falls eine verschiedene Bedeutung in verschiedener Zeit. 
Wie mein Lehrer Prof. Hans Haeussler es erwiesen hat, 
haben die Beziehungen objectiv und subjectiv im Laufe 
zweier Jahrhunderte direkt den Sinn ausgetauscht. Es 
sind das Erscheinungen, die durch das Gesetz vom Wandel 
der Beweggründe gedeutet werden. 

Dies ist der Vorgang der bekannt sein muss, um den 
der Einschaltung zu verstehen. Das Wort „Miniatur" hat 
im Zeitalter der Klosterwissenschaften seinen Ursprung; 
und zwar stammt es von dem Worte „Minium" = Menich 
her. Die Initialen etc. wurden in dieser Farbe ausgeführt. 
Heute verbinden wir mit dem Worte Miniatur den Begriff 
der Kleinheit, sprechen von Miniatur-Ausgaben (kleinem 
Bücherformat) und Miniaturfiguren als besonders kleinen 
oder kleineren Gegenständen, als wir sie in alltäglichen 
Leben gewohnt sind. Das kommt daher, dass wir das 
Wort mit dem lateinischen Worte „minor" = kleiner in 
Beziehung bringen. Der Sprachgebrauch hat hier also den 
Sinn des von dem uns fremd gewordenen Worte Minium 
oder Menich abstammenden Wortes Miniatur aufgegeben 
und es in den bekannteren des Wortes minor = kleiner 
eingeschaltet. 

In der Ornamentik ist Stolpe das gleiche schon auf- 
gefallen. Er sagt: „Es geschieht oft, dass, wenn eine 
Entwicklungsserie sich einem bestimmten vorher bekannten 



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— 401 — 

geometrischen Motiv genähert hat sie sich auf Grund 
dieser Verwandtschaft das fremde Element einfach ein- 
verleibt" 6 ). 

Wenn wir bedenken, dass ein Volk stets bemüht ist, 
eines fremden Wortes Form, bei der Uebernahme in eine 
verwandte des eigenen Sprachgebrauches umzuwandeln, 
dass z. B. Kotzebue's Name auf Radak zu Totabu, Cooks 
auf Tahiti zu Tuti, Forster s zu Matara, Hodges zu Oreo, 
Banks zu Tapane etc ward 7 ), so darf es nicht Wunder 
nehmen, dass Götternamen verwandte Formen und andere 
Bedeutung von einem ihn übernehmenden fremden Volke 
erhalten, dass dies mit Anschauungen und Sitten ganz 
gleich ist. Auf Grund dieser Ansicht habe ich die Reihen 
der Götternamen in Afrika aufgestellt (vergl. Kap. 13). 

Ich stehe in diesem Falle nicht allein mit der Methode, 
den Namen eines Gottes ohne Rücksicht auf den derzeitigen 
Sinn in den verschiedeneu Formen bei verschiedenen Völkern 
aufzusuchen. Schon Büttner H ) hat die Ansicht aus- 
gesprochen, die sich wie folgt bei mir auf Grund der Er- 
kenntnis des Gesetzes von der Einschaltung gebildet hat. 

Tsui-Goab übersetzten die Hottentotten mit „Wundkuie". 
Bei Völkern des Sudan finden sich ähnliche Götternamen. 
Nikob, niekob etc. Die Bezeichnungen decken sich mit 
dem Worte für Himmel. Diese Bezeichnung dürfte die 
ältere sein. Himmel und Sonne sind oft gleiche Wörter 
(z. B. djuva und orun gleich Himmel und Sonne). Der 
Name mit diesem Sinne für einen Gott mit solaren Eigen- 
schaften, wie sie Tsui-Goab 9 ) (vergl. Kap. 15) besitzt, darf 

8 ) Stolpe s. 4». 

7 ) Hawkesworth Bd. II 8.122. Kotzebue Bd. I S. 167. Cook, 
Zweite Reise, Bd. I S. 832. 

») Büttner im „Ausland" 1882 8. 494. 

•) Tsui-Goab und Heitsi Eibib dürfen als ursprünglich identisch 
gelten. 

Frobenius, Weltanschauung der Naturvölker. 26 



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— 402 — 



wohl als älterer bezeichnet werden, als der mit dem Sinne* 
„Wundknie". Also nehme ich an, dass die Hottentotten; 
den Namen übernommen haben; da für sie keiu Sinn da- 
rin war, gaben sie ihm den Sinn eines Wortes verwandt- 
schaftlichen Klanges (also Tsui-Goab) und statteten ihn 
mit dem Märchen von den zwei kämpfenden Häuptlingen, 
von denen einer am Knie verwundet ward, aus. Also 
wurde der Gott aus der solaren in die manistisehe An- 
schauung eingeschaltet. 

Dieses Gesetzes Wirkungskraft in der Weltanschauung 
ist sehr ausgedehnt. Die vorhergehenden Kapitel weisen 
eine reiche Zahl von Beispielen auf. 

Methode. 

Bis zu einem gewissen Grade kann gesagt werden, 
dass aus dem so weit Ausgeführten, schon die Methode 
mit der der Verfasser die Weltanschauung der Naturvölker 
behandelt hat, hervorgeht. 

Die hier angewendete Methode mythologischer Ar- 
beiten, beruht auf den Fundamentalsatz, dass wir von den 
Eingeborenen selbst nichts wissen, es sei denn die Wirkung 
deren Wissens, keinesfalls aber ihr Wissen selbst Und 
zwar ist dieser Mangel der Kenntnis zurückzuführen auf 
das unscharfe Denken jener und das Ueberwiegen des in- 
stinktiven Denkens, ferner unsere zumeist mangelhafte 
Sprachkenntnis und ein Fehlen jener zutrauliehen Freund- 
schaft, die das Herz überquellen lässt und das „Tiefe u 
offenbart, ferner auch sehr viel anderes, worunter besonders 
Erwähnung finden mag, dass jene nicht ahnen, wir dächten 
und vermöchten zu denken, etwas anders denn sie 10 ), 
endlich und vor allem ist unsere mangelhafte Kenntnis in 
der Litteratur erwähnswert. 

,0 ) Lesenswert ist: Vierkandt 8. 252 ff. über die mythologische- 
Denkweise. 



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— 403 — 

Und hier ein Stossseufzer! Ich erinnere an die afri- 
kanische Litteratur. „Reisewerke u , sagt Tschudi „sind 
der Ausdruck individueller Anschauugen u . Er hat Recht 
und das besonders hinsichtlich der afrikanischen Reisewerke. 
Ganz abgesehen davon, das der eine Reisende ein Land 
fruchtbar, ein zweiter es unfruchtbar, der eine die Ein- 
wohner liebenswürdig, der aridere sie gewaltthätig und roh 
nennt, ist alles und sind — was uns besonders interessiert — 
die Besprechungen der Feinheiten wiedersprerhend. Wer 
einmal ganz klar sehen will, lese zuerst das Reisewerk 
von Junker. Welche nette Menschen schildert er! Was 
für behagliche Stunden hat er dort unten verlebt! Dann 
lese man Stanleys Werke. 

Also infolge aller dieser Thatsachen besteht eine voll- 
standige Unkenntnis des Wissens und Meinens der Ein- 
geborenen. Wir kennen einzelne „ Aberglauben u , einzelne 
Mythen, einzelne Vorstellungen, aber es fohlt uns die 
Kenntnis der Strucktur der Weltanschauung, der Motive. 

Denn so müssen und können wir nur die Entwicklung 
der Weltanschauung verstehen, dass die Kultur und also 
auch die Weltanschauung der Primitiven ein selbständiger 
Organismus ist, dessen Maschinenteile die Mensehen sind, 
dass also die Wildlinge uicht die Gesamtheit dieses emi- 
nenten Organismus überblicken können, dass sie daher als 
Objekte der Kultur bezeichnet werden müssen. 

Also abgesehen von allem anderen, geht aus diesem 
hervor, dass die Primitiven nichts vom Zusammenhange 
und der Abstammmung ihrer Motive wissen, dass es also 
auch nichts nützen würde, wenn wir auf Reisen gingen 
und danach frügen. Sie können als Einzelne nicht darauf 
antworten und wir können nur aus der vielseitigen Menge 
der Mitteilungen und Berichte, nicht etwa das Weltan- 
schauungsbild eines Kopfes, sondern die Entwicklung 

2fi* 



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— 404 



der Weltanschauung einer Epoche und die Weltanschauung 
eines Volkes in ganz grossem Sinne erkennen. 

Damit ist die Methode, die notwendig erscheint, um 
einer primitiven Weltanschauung Wesen und Entwicklung 
zu untersuchen, bedingt, Im vorliegenden Werke ist aber 
noch ein zweiter Kreis von Problemen zur Behandlung 
gelangt. Wie beweisst man kulturelle oder genetische 
Verwandtschaft zweier Völker auf Grund der Weltan- 
schauung? Wie verändert sich das Bild einer Weltau- 
schauung8form, wenn sie in einen anderen Ideenkreis eine 
andere Anschauungswelt übertragen wird? 

Darauf antworten die drei ersten Teile so vollständig, 
dass ich hier nur noch einmal auf die Erscheinung hin- 
zuweisen brauche, die an anderem Orte angedeutet ist. 

Die grossen Entwkklungszüge von der animalistischeu 
bis zur solaren Weltanschauung sind auf der ganzen Erde 
gleich. Was abweicht, das sind nicht die herrschenden 
sondern die dienenden Motive (vergl. Arch.f. Relig.). Bei der 
Mischung, die meist mit Völkerwanderung verbunden ist. 
bilden sich nun alleinstehende, herausgeschleuderte, abge- 
rissene Teile als Sitten. Mythen, Kunstdenkmäler etc., die 
auch in dem Volke weiter bestehen, das sie nicht hervor- 
gebracht hat, sondern sie nur übernommen hat. Hierher 
gehören z. B. in Afrika gewisse Reste wie die Seelenfahrts- 
mythe, der Kameruner Schiftschnabel, die Rohrursprungs- 
mythe, die Jonasmythe. 

Eine reiche Fülle solcher allein und verirrt sich kümmer- 
lich fortschleppender Sitten findet sich in den beiden Kapiteln 
der Fanauymythe vereinigt und gegenübergestellt. Es ist 
aber nicht nur die Mythologie und das Sittenleben, sondern 
es sind auch die linguistischen und, was sich meinen end- 
giltigen Beurteilungen entzieht, wahrscheinlich auch die 
anthropologischen Merkmale für Beweise kultureller und 




— 405 - 



descendentaler Verwandtschaft mehr auf Nebenformen 
und Einzelbildimgen als auf Grundzüge zu prüfen. 

Wenn ich über Methode spreche, bin ich verpflichtet, 
gerade in diesem Werke, in dessen Gesichtskreis Nordwest- 
amerika mit eingeschlossen ist, die Arbeit von Boas über 
die Entwicklung der Mythologie zu besprechen. Es ist 
eine angenehme Pflicht, denn in ihr liegt eine Behandlungs- 
weise vor, die anscheinend noch nie so weitgehend ange- 
wandt ist, auch nicht hat angewendet werden können. 
Boas zergliedert die Mythen, die bei vielen Stämmen ge- 
sammelt worden sind, in die einzelnen Formteile und 
konstatiert mittelst statistischer Tabellen, wo die Ausgangs- 
punkte und wo die Ausläufer einer Mythe liegen. Die 
Resultate loben den Meister; sie sind wirklich prächtig. 

Nur zwei Fragen müssen sich aufdrängen. Wie weit 
reicht denn die Möglichkeit dieses Verfahrens? Und wie 
weit ist dasselbe Gefahren ausgesetzt? Diese Fragen müssen 
um so mehr aufgestellt werden, als Boas Schurtz in der 
schärfsten Weise mit folgenden Worten angreift: 

Ein sprungweiser Vergleich wie der von Schultz (nicht 
Schurz) in „Das Augenornameut" jüngst versuchte, kann 
zu nichts führen, da er ganz auf einer willkürlichen — 
und in diesem Falle missverstandenen — Deutung von 
Thatsachen beruht die aus ihrem natürlichen, historischen 
und geographischen Zusammenhange herausgerissen sind" 
(Entwicklung, S. 51*2). 

Ganz davon abgesehen, dass Boas das „missverstandene u 
nicht ausführt — und es wäre für mich den Ethnologen, 
der mit den Resultaten Scburtzs, meines Vorgängers auf 
dieser Seite des Erdballes zu rechnen hat, doch sehr 
wichtig, die Ansicht eines so ausgezeichneten Ethnographen, 
trefflichen Kenners und scharfen Beobachters, wie es Boas 
ist, zu hören, — ist die Ansicht vollständig einseitig. 

Es ist ganz unmöglich, überall in derselben Weise vor- 



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— 406 — 



zugehen. Die Beharidlungsweise muss stets die Art des 
Stoffes und des Zieles im Auge behalten. 

Boas ist durch die nordwestamerikauische Mythologie 
verwöhnt. Er hat in diesen Arbeiten eine einzelne durch 
bestimmte Merkmale, die seine Arbeitsweise eben geschaffen 
haben, ausgezeichnete Provinz berücksichtigt und sich nur 
nach Anklängen und Bindegliedern an den Grenzen der- 
selben, also Auslaufern von innen nach aussen und umge- 
kehrt, umgesehen, und ausserdem lediglich die Form 
berücksichtigt. 

Er konnte das, denn die Formen sind dort nicht in 
dem Maasse der Umwandlung ausgesetzt wie z. B. in der 
westafrikanischen Provinz. In Nordwestamerika, wo alle 
Mythen durch totemistischeu und animalistischen Grund- 
stock zusammengehalten werden, handelt es sich bei der 
Umbildung und Neubildung mehr oder weniger um eine 
Umordnung der vorhandenen Motive. Thatsächlich erstreckt 
sich alle Umgestaltung auf die Form. Da ist seine Methode, 
die ich als die ethnographisch-statistische bezeichnen möchte, 
sicherlich am Platz. 

Schon im oceanischen Gebiete würde aber der, der in 
gleicher Weise den gleichen Stoff bearbeiten wollte, gar 
bald die Grenzen der Möglichkeit erreichen und um wie 
vielmehr uud eher würde der Fall in Afrika oder nur in 
Westafrika eintreten. Hier ist nie die gleiche Mythe an 
die gleiche Gottheit gebunden, denn jeder Stamm hat eiue, 
wenn dieses überhaupt bei ihm vertreten ist, andere Form 
desselben Motives. Hier fehlt stets, möchte man sagen, 
ein Teil, hier fehlt der einheitliche Charakter, den die 
Mythen der nordwestamerikanischen Provinz tragen. 

Ein Vergleich, der sich lediglich auf die Form erstreckt, 
führt hier zu gar nichts, denn nur in der niederen Mythologie, 
in den abgeleiteten Motiven zeigt sich eine allerdings er- 
staunliche Gleichförmigkeit. Gleichförmigkeit in diesen 



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— 407 — 



Teilen kann aber keine Schlüsse gestatten. Das Iiiesse 
nämlich z. B. die Verehrung der Steine, die man über die 
ganze Erde hinweg verfolgen kann, überall auf dasselbe 
Hauptmotiv zurückleiten. Das würde massenhafte und 
greuliche Irrschliisse zeitigen. 

Ks handelt sich um ein doppeltes Verfahren. Das 
eiue kann man in einer Provinz oder in einem Bezirk zur 
Geltung bringen, d. h. nur, wenn sie ein so klares Bild 
wie die Mythologie in Nordwestamerika bietet. Dies Ver- 
fahren, welches Boas augewendet hat, ergiebt nur in sehr 
begrenzter Weise die zu erstrebenden Endresultate, nämlich 
die Erkenntnis der ursprünglichen Formen und zwar ledig- 
lich die der Formen, kaum aber die des Gehaltes. 
Die Methode Schurtzs aber, aus ungleichen Formen, die 
sich in analogen Verhältnissen äussern, den Motivgehalt 
zu erkennen, kann bei der Verfolgung eines Motives über 
mehrere Provinzen allein zu einem Resultate führen. Dies 
Verfahren wird man auch anwenden müssen, wenn man 
den Motiv ge halt einer Provinz erkennen will. 

In Afrika kann aber z. B. in jedem Falle nur diese 
letztgenannte Behandlungsweise, die ethnologisch-analytische 
zu einem Resultate führen. Dass sie exakt und richtig 
angewendet, reiche Früchte trägt, das mag vielleicht das 
vorliegende Werk lehren. 



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Anhang. 



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Litteratur. 



Um die Anmerkungen am Fusse der Seiten nach Möglichkeit 
•zu kürzen, wurden immer nur der Autur und, so mehrere Werke 
desselben zur Verwendung gelangten, auch das Werk nur mit einem 
Worte bezeichnet. Es folgt jetzt das Verzeichnis der verwendeten 
Litteratur, wie es dies System notwendig macht. Die Autstellung 
des letzteren hat für den Leser noch den Vorteil, dass er übersehen 
kann, was dem Verfasser zur Hand war. In diesem Falle ist nun 
nicht alles verzeichnet worden, was ich vor der Abfassung des vor- 
liegenden Werkes durchgegangen habe, sondern nur die Werke, die 
wirklich Material lieferten. 

Es sind nun einzelne Arbeiten, die es wohl verdient hätten, 
nicht verzeichnet und auch nicht benutzt. Ich citiere als wichtigste, 
zwangsweise unberücksichtigt gebliebene Autoren Callaway, d'Eieh- 
thal, White. Gill, Brinton, Wilhelmi, dann einige wichtige Werke 
von Boas, Bastian, Howitt etc. Aber man wolle die schwierige Lage 
des Verfassers berücksichtigen, der zur Zeit der Niederschrift dieses 
Werkes in der Schweiz weilte und den grössten Teil der zur 
Verwendung gelangten Werke hat aus Deutschland kom- 
men lassen müssen. 

Am damaligen Wohnorte desselben, in Basel, sind nur sehr 
geringe ethnologische Litteraturquellen. 

Dafür kann ich aber mit einer recht hübschen Anzahl weniger 
bekannter und sonst schwer erhältlicher Werke aufwarten. Äusser- 
ndem stand mir, was viel heissen will, das ungedruckte Tagebuch 
des Missionar Paul Steiner zur Verfügung, dem ich vieles Neue und 
noch Unbekannte entnehmen konnte. Ich sage dem liebenswürdigen 
Manne hier meinen wärmsten Dank. Ferner ist es meine ange- 
nehme Pflicht, den Herren, die mir in Basel beim Arbeiten in 
Museen und Bibliotheken behilflich wareu, zu danken. Es waren 



412 — 



dies Prof. Kollmann (Ethnogr. Museum), Hausvater Käser (Basler 
Mission), sowie die Herren Keller und Grossmann. 

Ausserdem konnte ich die kgl. öffentliche Bibliothek in Dresden 
und die Bibliothek der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin, letztere 
durch die ausserordentlichen Bemühungen meines Vaters, benutzen. 
Eine Reihe wichtiger Werke musste ich mir anschaffen. 

Der grösste Teil der so aufs mühsamste zusammengetragenen 
Litteratur besteht aus Reisewerken, die lediglich dem Zwecke dienen 
konnten, Material zu liefern. Diejenigen Werke, welche in höherem 
Sinne Verwendung fanden, sind die Arbeiten von Sekurtz, Ratzel, 
Bastian, Seier, Boas, Schirren. Folgende Werke sind unter diesen 
die wichtigsten. 

Ueber Nordwestamerika: Schurtz: „ Augenornamente 1 ', Seier: 
„Lichtbringer", Boas: „Entwicklung". 

Ueber Oceanien: Schurtz: „Augenornament 11 , Schirren: „Maui- 
Mythus". 

Ratzels und Bastian'» erdumspannende Werke haben die Be- 
deutung der Anregung gehabt. — Für Afrika stehe ich in meinem 
Sinne immer noch allein. Die Arbeiten von Ratzel (Bogen), Schurtz 
(Tracht und Wurfmesser) und H. Frobenius (Hütten) haben andere 
Ziele als diese Arbeit, aber haben bedeutend zur Klärung der Ver- 
haltnisse in Afrika selbst beigetragen. Bastian'» Arbeiten, die 
auch die Weltanschauung betreffen, sind auf anderen Grundideen 
aufgebaut als die vorliegenden Studien. 

Wenn nun noch berücksichtigt wird, was im Laufe des Werkes 
über Litteratur und Autoren gesagt ist, so kann leicht erkannt 
werden, welch tieferer Sinn aus dem Zusammenhange der folgenden 
Aufzähhing spricht. 



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Verlag von Emil Felber in Weimar. 



* 

Von den 

Beiträgen zur Volks- und Völkerkunde 

liegen bisher vor: 

Band I. Volksglaube u. Volksbrauch der Hieben- 
bürger Sachsen. Von Dr. Heinrich 
von Wlislocki. 5. — M. 

„ II. Die Entwicklung der Ehe. Von Th. 

A che Iis. 2.60 „ 

„ III. Lieder und Geschichten der Suaheli. 

Uebersetzt und eingeleitet von C. G. 
Buttner. 4.— 

„ IV. Geschichten und Lieder aus den neu- 
aramäischen Handschriften der König- 
lichen Bibliothek zu Berlin. Von 

Mark Lidzbarski. 6. 

„ V. Grundriss einer Entstehungsgeschichte 

des Geldes. Von H. Schurtz. 3.- 

„ VI. Die Weltanschauung der Naturvölker. 

Von L. Frobenius. 

n VII. Anthologie aus der asiatischen Volks- 
litteratur. Von A. Seidel. 

Ä VIII. Die Slovinzen (Lebakassuben). Von 

F. Tetzner. 



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